Cover

Personen

 

Adrian Werner

Vater einer sechzehnjährigen Tochter (40)

 

Yvette Werner                                          

seine Ehefrau (20)

 

Nicole Werner                                          

seine Tochter aus erster Ehe (16)

 

Bettina Richter                                         

seine Ex-Ehefrau (38)

 

Manuel Richter                                          

Bettinas Ehemann, ehemaliger Freund von Adrian (40)

 

Jasmin Hartmann                            

Freundin von Nicole (16)

 

Fabian Hartmann                            

Vater von Jasmin, ein Freund von Adrian (45)

 

Adrians Tochter

Die Bühne stellt ein normales Wohnzimmer dar. In der Mitte ein Sofa, davor ein flacher Tisch, zwei Sessel. Darunter ein dunkler Teppich. Schränke und Regale angedeutet, Deko nach Belieben. Im Hintergrund eine Tür (Flur, Küche, Bad, etc.), an einer Seite eine zweite Tür (Schlafzimmer o.ä.), an der anderen Wand zwei große Fenster mit Vorhängen.

 

1. Auftritt:

Adrian sitzt in einem der Sessel. Er wirkt aber nervös und unruhig. Er trägt dunkle Hosen und ein helles Hemd, das etwas zerknittert wirkt und weit aufgeknöpft ist, dazu keine Schuhe, nur Socken. Auf dem Tisch liegt sein Smartphone. Es ist das Geräusch von Schlüsseln und das Zuschlagen der Wohnungstür zu hören. Kurz darauf betritt eine junge Frau das Zimmer, die seine Tochter sein könnte. Sie wirft ihre Tasche und ihre Jacke auf einen der Sessel, streift die Schuhe ab und lässt sich auf das Sofa fallen.

 

Yvette: Oh Mann, war das wieder ein Tag! Eh, ich hab‘ genug von der Woche. Dabei ist erst Dienstag! Das hält doch keiner aus. – Ich weiß was, ich lass‘ mich krankschreiben! Kannst du Kilian fragen? Du kennst ihn doch gut. Sag ihm, ich hab‘ Fieber und Husten und….

 

Adrian: (hat inzwischen ihre Schuhe aufgehoben und ordentlich neben der Tür abgestellt) Das ist nicht dein Ernst, Yvette! Ich habe dir schon so oft gesagt, dass ich das nicht gut heißen kann.

 

Yvette: Mensch, nicht gutheißen, nicht gutheißen! Manchmal könnte man dich wirklich für einen alten Knacker halten! So wie du redest!

 

Adrian: Vielleicht bin ich das ja? (Tritt von hinten an das Sofa und legt ihr die Hände auf die Schultern um sie zu massieren)

 

Yvette: Quatsch. war nur Spaß! (Sie richtet sich auf, umarmt ihn und versucht, ihn zu sich herunter zu ziehen) Lass uns kuscheln, Bärli.

 

Adrian: Lass das, Yvette. Mir ist nicht danach. Ganz und gar nicht.

 

Yvette: Aber Bärli, sie wird sich schon melden. Sie wird dir irgendeine Ausrede erzählen, um nicht sagen zu müssen, mit wem sie gefeiert und sonst was gemacht hat. Das ist nun mal so. Eltern müssen nicht immer alles wissen…

 

Adrian: Nicki ist sechzehn! Und sie ist seit zwei Tagen nicht zu Hause. In der Schule war sie auch nicht. Frau Körner hat mich schon gedrängt, eine Vermisstenanzeige zu erstatten. Sonst würde sie es tun, hat sie gesagt.

 

Yvette: Und? (Sie steht auf, geht nach draußen)

 

Adrian: (ruft ihr hinterher) Ich soll erst mal ihre Mutter anrufen und ihre Freundinnen.

 

Yvette: (kommt mit einem vollen Glas zurück und setzt sich wieder) Wer sagt das?

 

Adrian: Die Polizei. Ich hab‘ heute Vormittag dort angerufen. Sie nehmen aber keine Vermisstenanzeige auf, ehe ich nicht mögliche Aufenthaltsorte überprüft habe.

 

Yvette: Du hast die Polizei angerufen?

 

Adrian: Was sollte ich denn sonst machen? Meine Tochter ist weg. Sie ist noch nicht erwachsen. Und wenn Bettina das mitkriegt…

 

Yvette: Vor der hast du Schiss? Sie hat doch gewollt, dass du dich alleine um Nicole kümmerst. Sie soll sich jetzt nicht so haben!

 

Adrian: Sie ist ihre Mutter, Yvette!

 

Yvette: Schöne Mutter. Ich bin ihre Mutter!

 

Adrian: Lass sie das ja nicht hören. Und außerdem stimmt es ja gar nicht. Du kommandierst sie nur rum und wenn du doch mal gut zu ihr sein willst, schleppst du sie in Nobelboutiquen und irgendwelche Clubs, in denen sie noch gar nichts zu suchen hat!

 

Yvette: Ach ja? Von dir kann sie so etwas ja nicht erwarten. Du warst ja in den Siebzigern das letzte Mal tanzen!

 

Adrian: Ha, ha! – So, Schluss jetzt! Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten!

 

Yvette: (gedehnt, während sie in ihrer Tasche kramt) Sag‘ mal Bärli. Weißt du, was das soll?

 

Sie hält ihm eine Nachricht in der Größe einer Postkarte entgegen. Adrian nimmt sie und sieht dann Yvette an.

 

Adrian: Eine Vorladung - zur Vernehmung - bei der Kriminalpolizei?

 

Yvette: Stimmt. Aber wieso denn?

 

Adrian: War ja klar, dass sie dich da mit rein ziehen! (Er kämpft eine Weile mit sich) - Es gibt eine anonyme Anzeige gegen mich. Ich soll Nicki missbraucht haben. Ich…

 

Yvette: Woher weißt du das?

 

Adrian: Ist doch egal. Du weißt, dass ich dort ein paar Leute kenne. - Ich möchte nur wissen, wer sich so etwas ausdenkt!

 

Yvette steht auf, setzt sich auf seinen Schoß und umarmt ihn.

 

Yvette: Das ist ja furchtbar, Bärli. Du würdest deiner Tochter doch nie etwas antun. jeder, der dich kennt, weiß das.

 

Adrian: Scheinbar nicht.

 

Yvette: Also ich wüsste nur einen Menschen, der dafür in Frage kommt, dir so was zu unterstellen…

 

Adrian: So? Ich nicht.

 

Yvette: Bettina.

 

Adrian: Ach Quatsch. Warum sollte sie?

 

Yvette: Sie ist eifersüchtig, weil Nicole sich schon immer mehr zu dir hingezogen gefühlt hat, als zu ihr.

 

Adrian: Sie hat Nicole seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.

 

Yvette: Eben.

 

Adrian: Sie wollte es nicht! Nicht ich oder Nicki.

 

Yvette: Vielleicht bereut sie das ja jetzt. Sie ist immerhin … älter geworden.

 

Adrian: Aber sie braucht doch nur anzurufen. Mit mir oder Nicky zu reden. Herzukommen.

 

Yvette: Und wenn sie der Meinung ist, du hast ihr Kind jetzt lange genug gehabt? Jetzt will sie es für sich. Jetzt, wo es keine Belastung mehr für sie darstellt?

 

Adrian: Ich kann mir das nicht vorstellen. - Aber möglich wäre es schon.

 

Yvette springt von seinem Schoß und holt sein Smartphone vom Tisch und reicht es ihm.

 

Yvette: Du solltest unbedingt einen Anwalt konsultieren! Noch bevor du zur Polizei gehst.

 

Adrian: Ja, du hast völlig Recht. Aber doch nicht gleich. Ich muss mir erst mal einen suchen.

 

Yvette: Wieso suchen? Ruf doch meinen Papa an. Er ist der beste Rechtsanwalt, den ich kenne.

 

Adrian: Du spinnst wohl? Den rufe ich auf gar keinen Fall an. Da kann ich mich ja gleich erschießen!

 

Yvette: Du bist so was von ungerecht! Es reicht schon, wie ihr euch auf jeder Familienfeier angiftet. Er hat dir gar nichts getan!

 

Adrian: Nichts getan? Nein? Wer hat mir denn zuerst unterstellt, mich an Kindern zu vergreifen? Damals? Vielleicht war er es ja, der mich jetzt angezeigt hat. Klar, nur er kann das gewesen sein – hätte ich gleich drauf kommen können!

 

Yvette: Jetzt spinnst du aber wirklich! Und ich war damals ja auch noch nicht ganz siebzehn, als wir uns verliebt haben, Bärli! Mein Papa hat sich nur Sorgen um mich gemacht. Ist doch verständlich, oder?

 

Adrian: Ja, klar – und verziehen hat er mir nie!

 

Yvette: Ist ja gar nicht wahr. Er hat längst verstanden, dass er es nicht hätte verhindern können. Und außerdem hat er gesehen, wie glücklich ich mit dir bin!

 

Sie umarmt ihn, küsst ihn auf die Wange und drückt ihm das Telefon in die Hand.

 

Yvette: Komm, ruf ihn an. Bitte!

 

 

 

2. Auftritt:

Adrian wirft das Handy wütend auf das Sofa und geht unruhig im Zimmer auf und ab. Yvette ist beleidigt und lehnt an der Tür zum Seitenzimmer. Es klingelt an der Wohnungstür. Adrian sieht zu Yvette, doch die rührt sich nicht. Er geht nach draußen, um die Wohnungstür zu öffnen und kommt mit einem etwas älteren Mann und einem jungen Mädchen wieder zurück. Der Mann trägt einen guten Anzug und eine Aktentasche, das Mädchen ist dagegen sehr leger gekleidet.

 

 

Adrian: Komm rein, Fabian! Setzt euch.

 

 

Er weist auf die Sitzmöbel. Das Mädchen kommt der Aufforderung nach und nimmt in einem der Sessel Platz. Der Mann geht zu Yvette und gibt ihr die Hand. Dann wendet er sich an Adrian.

 

 

Fabian: Jasmin (er nickt zu dem Mädchen hin) hat mir erzählt, dass Nicole seit zwei Tagen verschwunden ist. Sie geht mit ihr in eine Klasse und die Kinder sind schon sehr besorgt. Ich wollte mich erkundigen, ob ihr schon etwas herausgefunden habt und ob wir euch vielleicht helfen können.

 

Adrian: Ich weiß absolut nichts. Sie meldet sich nicht, ihr Handy ist aus. Sie hat keine Nachricht hinterlassen. Ich hab schon gedacht, dass ihr was passiert ist.

 

Fabian: Sie ist nicht das erste Mal lange weg, oder? Du hattest mir, glaube ich, schon mal so was erzählt.

 

Adrian: Das ist es ja. Vielleicht habe ich ihr zu viel Freiraum gelassen. Vor gut einem Jahr fing das an. Mal ist sie ein, zwei Stunden später nach Hause gekommen, dann war sie eine ganze Nacht weg. Was hab‘ ich mit ihr geredet! Es nutzt einfach nichts.

 

Yvette: Sie wird halt erwachsen. Was ihr euch nur für Gedanken macht! (Sie blickt zu Jasmin) Ich hole uns was zu trinken, ja?

 

 

Yvette geht nach hinten ab. Die beiden Männer setzen sich.

 

 

Fabian: (zu Jasmin) Und du weißt auch nicht, wo Nicole sein könnte?

 

Jasmin: Ich habe keine Ahnung. Mir hat sie nicht erzählt, dass sie weg will.

 

Adrian: Und war sie so wie immer, oder irgendwie anders als sonst?

 

Jasmin: Mir ist nichts aufgefallen. Sie ist ja immer so ruhig. Redet ja kaum. Zumindest nicht mit den Mädchen. Aber auch, wenn wir mal nachmittags zusammen waren, hat sie nichts darüber gesagt.

 

Fabian: Sie hat doch bestimmt noch mehr Freunde. Haben die nichts gesagt? Hat sich Nicole bei ihnen nicht gemeldet?

 

Jasmin: Naja, Freunde ist ja relativ. Mit Tim und Kevin und ein paar anderen Jungs hängt sie öfters mal ab. Aber die wissen auch nichts. Haben jedenfalls nichts gesagt. Ich kann ja dann noch mal anrufen.

 

 

Yvette kommt mit einem Tablett wieder herein, auf dem vier gefüllte Gläser stehen. Sie stellt sie auf  dem Tisch ab und jeder nimmt sich eines. Sie setzt sich zu Jasmin und stößt mit ihr an. Alle trinken.

 

 

Adrian: (zu Jasmin) Und sie hat auch sonst nichts erzählt? Dass sie etwas bedrückt oder so?

 

Jasmin: Nein. Wieso? Sie war wie immer.

 

Fabian: (zu Adrian) Meinst du was Bestimmtes? Hast du einen Verdacht?

 

Yvette: Irgendjemand hat Adrian angezeigt. Er soll Nicki missbraucht haben. So eine Unverschämtheit!

 

 

Fabian und Jasmin stellen ihre Gläser ab und starren Adrian an. Adrian atmet ein paar Mal tief durch.

 

 

Adrian: Danke, Yvette! Das war nicht wirklich notwendig!

 

Yvette: (sieht auf ihre Armbanduhr) Oh Mist! Ich habe doch noch einen Termin! Hätte ich doch glatt vergessen! (Geht schnell ins Seitenzimmer)

 

Fabian: Das ist erfunden, oder?

 

Adrian: Natürlich, was denkst du denn.

 

Jasmin: Sie hätte es mir erzählt – hoffe ich wenigstens.

 

Fabian: Ich glaube nicht, dass sie irgendjemandem davon erzählt hätte, Jasmin.

 

Adrian: Aber es ist nicht wahr!

 

Fabian: Es wäre ein Grund, wegzulaufen.

 

Adrian: Es stimmt doch aber nicht.

 

Jasmin: Und wer sollte so etwas erfinden? Das macht doch keiner, oder?

 

Fabian: Und wieso sollte jemand so etwas behaupten?

 

Adrian: Yvette nimmt an, dass Bettina es war. Aus Eifersucht…

 

Fabian: Deine Ex-Frau?

 

Adrian: Naja, ich glaube nicht daran. Kann ich mir einfach nicht vorstellen.

 

Fabian: Ruf sie doch an. Frag‘ sie ganz direkt. Auf den Kopf zu, sozusagen.

 

Adrian: Sie weiß noch nicht mal, dass Nicki weg ist.

 

Fabian: Umso schlimmer! Ich weiß ja, wie euer Verhältnis ist, Adrian, aber jetzt müsst ihr einfach miteinander sprechen. Du kannst ihr das nicht verheimlichen. Sie ist ihre Mutter! Und schon deshalb glaube ich nicht, dass sie solche Gerüchte in die Welt setzen würde. Aber du musst dir Gewissheit verschaffen.

 

 

Yvette kommt mit einer kleinen Tasche in der Hand wieder herein. Sie geht zu Adrian und gibt ihm einen Kuss auf die Wange.

 

 

Yvette: Gibst du mir den Autoschlüssel? Komme doch sonst zu spät.

 

Adrian: Am Haken, neben der Tür.

 

Yvette: Danke. Bis später!

 

Jasmin: Ich komme mit runter. Ich will noch ein paar Freunde anrufen bzw. paar Nachrichten schicken. Vielleicht weiß ja doch jemand was.

 

 

Jasmin steht ebenfalls auf und die beiden verlassen das Wohnzimmer.

 

 

Fabian: (ruft ihnen nach) Aber kein Wort wegen dem, was hier gerade gesprochen wurde! Das muss noch keiner wissen!

 

Jasmin: (aus dem Flur) Okay. Verstehe ich.

 

 

 

 

 

 

3. Auftritt:

Adrian steht auf und räumt schweigend die Gläser ab. Als er aus der Küche zurückkommt, setzt er sich nicht wieder, sondern geht zum Fenster und sieht hinaus.

 

Adrian: Danke.

 

Fabian: Wofür denn?

 

Adrian: Dass du Jasmin gebeten hast, keinem was zu sagen.

 

Fabian: Dafür doch nicht. (Beide schweigen einen Moment) Und du bist dir sicher, dass absolut nichts dran ist an der Behauptung?

 

Adrian: Selbstverständlich! Wie kannst du so was nur denken?

 

Fabian: Wir kennen uns erst zwei Jahre, Adrian. Mit Nicole hast du zehn zusammengelebt. Soweit ich weiß, die längste Zeit alleine mit ihr.

 

Adrian: Ja. Und? Das wäre in deinen Augen ein Grund?

 

Fabian: Nein. Das habe ich nicht gesagt. Ich meine nur, …manchmal können bestimmte Bemerkungen, Berührungen und so … anders aufgefasst werden, als sie gemeint sind. Und…

 

Adrian: Und was? Vielleicht doch?

 

Fabian: Werde doch nicht gleich so aggressiv! Vielleicht hat jemand was gesehen und falsch gedeutet oder Nicole hat irgendwas erzählt…

 

Adrian: Dass ich mit ihr ins Bett gehe? Oder ihr beim Baden zusehe oder sie dabei filme? Oder was? Was für ein Schwachsinn! Wieso sollte sie sich sowas ausdenken?

 

Fabian: Na, vielleicht ein Erlebnis aus der Kindheit, vor vielen Jahren, verstehst du?

 

Adrian: Auch das nicht! Du spinnst wohl!

 

Fabian: Entschuldige. Ich wollte nur helfen.

 

Adrian: Helfen! Wenn du nicht mein Freund wärst, würde ich dich jetzt achtkantig rauswerfen!

 

 

Ergeht zum Tisch und lässt sich in den anderen Sessel sinken. Fabian will schon aufstehen, als er weiterspricht.

 

 

Adrian: Was nur immer alle von mir denken! (Er sieht Fabian an) Das hat mir vor ein paar Jahren schon mal einer vorgeworfen.

 

Fabian: Wer?

 

Adrian: Na, wer wohl? Yvettes Vater! Er hätte mich damals am liebsten verklagt.

 

Fabian: Mit Recht. Sie war damals noch minderjährig.

 

Adrian: Als wir uns kennenlernten, ja. Sie war siebzehn! Naja, fast. Sie ging noch zur Schule, ja. Ich hatte Nicole, sie war damals dreizehn, von einer Schulfreundin abgeholt. Deren Eltern waren nicht zu Hause, nur ihre große Schwester.

 

Fabian: Und ihr habt euch augenblicklich verliebt, richtig?

 

Adrian: Nein. Das nicht gerade. Yvette hat mich aber schon ganz schön angemacht. Und ich war seit Jahren alleine. Hatte fast keine Frau auch nur angesehen in der ganzen Zeit. Irgendwann rief sie mich dann an. Wir haben uns getroffen. Naja, so hat das eben angefangen.

 

Fabian: Und irgendwann ist sie in deinem Bett gelandet. Ein Mädchen, das hätte deine Tochter sein können!

 

Adrian: Also eigentlich ich in ihrem. Ist aber auch egal. Und, ja, du hast recht: Sie war viel zu jung für mich. Ich hab‘ mir nichts dabei gedacht. Als Bettina und ich uns kennenlernten…

 

Fabian: Sie ist immer noch viel zu jung für dich, Adrian!

 

Adrian: Das ist ein typisches Vorurteil. Es spielt doch keine Rolle, wie alt man ist, wenn man sich liebt.

 

Fabian: Spielen ist ein gutes Stichwort! Adrian, ich glaube, sie spielt ein böses Spiel mit dir.

 

Adrian: Woher willst du das wissen? Wir verstehen uns richtig gut. Ja, sie ist manchmal etwas zickig und nicht gerade ordentlich. Aber dafür ist sie fast nie schlechte Laune und lacht und…

 

Fabian: ...und redet den ganzen Tag. Was wirklich Intelligentes ist aber kaum dabei, oder?

 

Adrian: Dafür ist vielleicht tatsächlich noch etwas jung.

 

Fabian: Aber für was anderes nicht, klar. Was meinst du, passiert, wenn du zwanzig, dreißig Jahre älter bist? Meinst du, sie bleibt dann bei dir, kümmert sich um dich, wenn du nicht mehr so fit bist wie jetzt oder sogar Hilfe brauchst? Kannst du dir Yvette in dieser Rolle vorstellen?

 

Adrian: Klar, warum nicht? Sie wird ja auch älter sein. Und wenn sie mich dann noch liebt…

 

Fabian: Yvette weiß doch noch gar nicht, was Liebe ist! Sie liebt dein Geld, deinen Luxus – nicht dich, Adrian. Sie will, dass du dich um sie kümmerst, nicht umgekehrt. Ich gehe jede Wette ein, dass sie dich verlässt, sobald du ihr nicht mehr geben kannst, was sie braucht. Finanziell oder im Bett, mein Freund.

 

Adrian: Ach, was weißt du schon. Das ist doch Unsinn. Was meinst du, wie sie um mich gekämpft hat, als ihr Vater mich damals vor Gericht zerren wollte! Sie hat damals gar nicht wissen können, ob unser Verhältnis länger anhält, oder ob ich mir bald eine Andere suchen würde. Sie liebt mich wirklich, glaube mir.

 

Fabian: Ich kann das nicht beurteilen. Ich weiß nur, was ich sehe, wenn ich hier bei euch bin. Und das bereitet mir Grund zur Sorge.

 

Adrian: Du machst dir Sorgen. Ach so. Und was würdest du machen, wenn Jasmin dir heute erzählen würde, dass sie sich in einen Mann verliebt hat, der doppelt so alt ist wie sie? Würdest du ihr auch sagen, dass sie nur sein Geld liebt und du dir Sorgen machst, ja?

 

Fabian: Weißt du, Adrian, ich kann mir nicht vorstellen, dass Jasmin sich in einen so viel älteren Mann verliebt.

 

Adrian: Und warum nicht? Meinst du, dass ein so junges Mädchen in dieser Situation über solche Dinge nachdenken und seine Gefühle ignorieren kann? Könntest du das? Denkst du, dass überhaupt jemand in der Lage ist, Gefühle zu unterdrücken?

 

Fabian: Manchmal muss man im Kopf entscheiden, nicht im Bauch oder noch tiefer!

 

Adrian: Fein gesagt, mein Freund. Aber mal ehrlich: Könntest du das? Ich glaube, darüber entscheidet dein Körper ganz allein. Ohne dich.

 

Fabian: Im ersten Moment, ja. Aber dann muss doch mal der Verstand siegen, oder?

 

Adrian: Ich hab‘ keine Ahnung, wie das bei dir ist. Oder bei Jasmin. Oder Yvette. Ich kann nur für mich sprechen. Auch wenn ich mir hundertmal am Tage sage, dass sie zu jung ist für mich – ich würde mich selbst belügen, wenn ich behaupten würde, dass ich sie nur deswegen nicht lieben könnte.

 

 

 

4. Auftritt:

Es klingelt an der Wohnungstür. Während Fabian sehr nachdenklich wirkt, geht Adrian öffnen und  kommt mit Jasmin zurück. Sie hält ihr Handy in der Hand.

 

Jasmin: Ich habe mal etwas rumtelefoniert. Von den Mädchen hat keine etwas von Nicole gehört. Aber das habe ich auch nicht anders erwartet.

 

Fabian: Und von den Jungs, wusste da jemand was?

 

Jasmin: Der Einzige, der mir was sagen konnte – oder wollte – war Tim. Er schreibt mir, dass Kevin ihn gestern angerufen und gesagt hat, Nicki hätte ihm erzählt, dass sie zu Hause abgehauen ist, weil… weil ihr Vater sie jahrelang – belogen habe.

 

Adrian: Was?

 

Fabian: Belogen?

 

Jasmin: Sie hat gesagt, er hätte ihr verheimlicht, dass er gar nicht ihr leiblicher Vater sei!

 

Adrian: Was soll das jetzt? Wie kommt sie denn auf so was?

 

Jasmin: Das hat sie ihm nicht gesagt.

 

Fabian: Und wo sie ist, weiß keiner von den beiden Jungs?

 

Jasmin: Ich hatte den Eindruck, sie wollen es mir nicht sagen.

 

Adrian: Kann sie bei einem der Jungs oder bei einem anderen sein?

 

Jasmin: Keine Ahnung. Aber wie gesagt, sie hängt dauert mit den Jungs rum. Und wenn ihr mich fragt, sie macht sie ganz schön an.

 

Adrian: Ich möchte nur wissen, wie sie darauf kommt, dass ich nicht ihr Vater bin.

 

Fabian: Könnte das denn sein?

 

Adrian: Ach, das ist doch absoluter Unsinn.

 

Fabian: Sicher?

 

Adrian: Was willst du hören? Klar bin ich mir sicher. Jedenfalls bin ich es mir bis heute gewesen. Aber wie sicher kann man sich da sein? Ich hab‘ nicht bemerkt, dass Bettina mich betrogen hat. Bis – naja, bis das mit Manuel anfing.

 

Fabian: Das ging damals auch schon eine ganze Weile, oder? Könnte Nicole seine Tochter sein?

 

Adrian: Was fragst du mich? Woher soll ich das wissen?

 

Fabian: Da gibt es nur eine Möglichkeit.

 

Adrian: Nein. Kommt nicht in Frage!

 

Fabian: Wenn du Antworten haben willst, musst du mit ihr reden.

 

Adrian: Ich rede nicht mehr mit ihr. Nie mehr!

 

Fabian: Deine Sache. Aber dann wirst du die Wahrheit nie erfahren, Adrian.

 

Jasmin: Wenn jemand angezeigt hat, dass Nicole durch ihren Vater missbraucht wurde, und wenn Herr Werner gar nicht ihr Vater ist…

 

Fabian: Da ist was dran, Jasmin. (zu Adrian): Weißt du, wie die Anzeige wörtlich war?

 

Adrian: Keine Ahnung. Vielleicht erfahre ich das, wenn ich zur Vernehmung muss. Jetzt ist erst mal Yvette vorgeladen. Wahrscheinlich wollen sie zuerst Zeugen befragen, ehe sie mich vernehmen. Dabei ist das alles doch absoluter Unsinn.

 

Fabian: Wieso denn? Es könnte doch sein.

 

Adrian: Ich hätte etwas davon bemerkt. Ganz sicher. Nicole und ich haben ein gutes Verhältnis. Ein sehr gutes!

 

Fabian: Das denken bestimmt alle Eltern. Und ganz besonders Väter von Töchtern. Nicht wahr, Jasmin? Du würdest mit mir darüber reden, wenn dir jemand so etwas sagen würde, oder?

 

Jasmin: Ich weiß nicht. Würdest du mir die Wahrheit sagen, wenn es so wäre? Vielleicht würde ich zuerst jemand anderen fragen.

 

Fabian: Und wen?

 

Jasmin: Mutti.

 

Adrian: Nicole würde nie Bettina…

 

Jasmin: Warum nicht? Dass Sie nicht mit ihr reden, heißt doch nicht, dass Nicole es nicht machen würde.

 

Adrian: Du meinst, sie hat Kontakt mit ihrer Mutter? Hat sie mit dir mal darüber gesprochen?

 

Jasmin: Das nicht. Aber es wäre doch naheliegend.

 

Fabian: Was wäre so falsch daran?

 

Adrian: Das wäre – unvorstellbar. Sie hat nie über Bettina gesprochen, hat nie etwas von ihr wissen wollen. Wieso sollte sie auch? Ihre Mutter hat sie im Stich gelassen, als sie noch nicht einmal in die Schule ging. Sie hat sich nie darum gekümmert, wie es Nicki ging oder… Ich begreife das nicht…

 

Fabian: Weiß du was? Ruf Bettina einfach an. Ihre Nummer hast du ja bestimmt. Rede mit ihr. Sag ihr, dass Nicole weg ist und was für Probleme im Raum stehen. Nur sie kann dir helfen, deine Fragen zu beantworten. Und vielleicht ist Nicole ja sogar bei ihr…

 

Adrian: Auf keinen Fall! Nicki ist nicht dort. Und ich werde auch nicht dort anrufen. Solange ich lebe nicht. Das Kapitel ist ein für alle Mal beendet!

 

Fabian: Wie du meinst. Das kannst nur du entscheiden. Wir müssen jetzt aber los. Wenn du was brauchst, ruf‘ mich an. Ansonsten sehen wir uns morgen im Büro.

 

Adrian: ja. Ist gut. Bis dahin. (Er gibt den beiden die Hand und begleitet sie hinaus.)

 

 

 

 

5. Auftritt:

Als er zurück ins Zimmer kommt, wirkt er noch nervöser und gehetzter als zu Beginn. Er nimmt mehrmals sein Telefon und legt es wieder weg. Sucht die Nummer seiner Ex-Frau, die er irgendwann mal eingespeichert hat. Zwischendurch geht er mehrmals zum Fenster und sieht hinaus, ob Nicole nicht doch nach Hause kommt. Schließlich tippt er doch ihre Nummer ein. Nach einer ganzen Weile geht jemand ran.

 

Adrian: Bettina? Ich muss mit dir reden. Es ist etwas… Was? nein, das nicht… Mist!

 

Er starrt auf das Telefon und legt es weg.

 

Adrian: Aufgelegt. Ob jemand gestorben ist! Blöde Kuh.

 

Adrian geht aufgebracht im Zimmer herum und nimmt das Handy erneut in die Hand. Wählt dann neu. Wartet wieder eine Weile

 

 

Adrian: Leg nicht gleich wieder auf! Denkst du vielleicht, ich rufe dich aus Spaß an? - Wie? - Ja, ich weiß. Wir haben Jahre nicht miteinander gesprochen. - Das ist doch jetzt egal. Sag mal, ist Nicole bei dir? – Ja. Sie ist weg. – Seit zwei Tagen. – Ich hab‘ gewusst, dass du mir das vorwirfst. Aber das ist mit egal. ich muss ein paar wichtige Fragen klären. – Ja, doch, das hat auch mit dir zu tun. – Was? Es geht um unser Kind, Bettina! – Nein. Du hältst dich da nicht raus. Bitte! Diesmal nicht. – Mensch, mir fällt das auch nicht leicht. Das kannst du wissen. Ich weiß aber keinen anderen Ausweg. – Wie? – Nein. Es wäre besser, wenn du zu mir kommst. – Am Telefon kann ich das nicht erklären. – Ja, es muss noch heute sein. – Klar, du willst das nicht verstehen! – Was? Nein, entschuldige. Aber ich bin wirklich am Ende. Ich… - Danke. – Wann? Sagen wir um halb sieben. Geht das? – Ja. Ich hoffe, du kannst mir weiter helfen. – Also halb sieben bei mir – Bis dann.

 

 

 

6. Auftritt:

Er beendet das Gespräch, atmet ein paar Mal tief durch und legt das Handy auf den Tisch. Jetzt erst bemerkt er Yvette, die kurz vorher das Zimmer betreten hat und ihn mit finsterer Miene ansieht, während sie am Türrahmen lehnt. Sie lässt die Tasche wütend zu Boden fallen.

 

 

Yvette: Sag mal, du spinnst wohl? Was soll das? Deine Ex soll hier her kommen? Das kann nicht dein Ernst sein.

 

Adrian: Wir müssen reden.

 

Yvette: Aber doch nicht hier!

 

Adrian: Warum denn nicht? Ist doch egal…

 

Yvette: Egal? Wie kann dir das egal sein? Weiß du nicht mehr, wie sie dich hier behandelt hat? Wie sie Nicki zu dir abgeschoben hat? Hast du das alles vergessen?

 

Adrian: Und du kannst dich daran erinnern, ja? Wir kennen uns gerade mal drei Jahre, Liebste, ich bitte dich.

 

Yvette: Ich meine ja nur, du hast erzählt, und ich habe mir gedacht…

 

Adrian: (winkt ab) Schon gut. Aber das ist ganz allein meine Sache. Ich muss mit Bettina reden. Und ich habe sie gebeten, hier her zu kommen weil ich nicht zu ihr gehen wollte. Dort treffe ich auf Manuel und…

 

Yvette: Und den kannst du genauso wenig leiden wie ich diese Bettina. Wenn wir uns zufällig mal treffen, sieht sie mich immer so an – Sie würde mich am liebsten umbringen!

 

Adrian: Du musst sie verstehen…

 

Yvette: Sie verstehen? Bist du verrückt geworden? Bärli! Ich muss sie verstehen? Ich wüsste nicht, wieso.

 

Adrian: Aber Liebling.

 

Yvette: Nichts mit Liebling! Du nimmst deine Ex in Schutz. Du bestellst sie in unsere Wohnung. Und ich soll sie verstehen? Du tickst wohl nicht ganz richtig?

 

Adrian: Begreif doch: Es geht hier nicht um dich, um mich oder um Bettina. Es geht um Nicole! Und darum müssen wir uns zusammennehmen und eine Lösung finden.

 

Yvette: Verdammt noch mal. Du brauchst ihr doch nur zu sagen, dass Nicki weg ist und sie dir Bescheid zu geben hat, wenn sie bei ihr auftaucht.

 

Adrian: Darum geht es doch gar nicht!

 

Yvette: Na klar, geht’s darum! Und du hättest sie gleich fragen sollen, warum sie dieses hässliche Gerücht verbreitet, du würdest was mit deiner eigenen Tochter haben – diese verdammte…

 

Adrian: Nun warte doch mal. Es gibt noch eine andere Unterstellung zu klären, von der du noch gar nichts weißt!

 

Yvette: Ach? Das sagst du mir erst jetzt? Was ist denn nun schon wieder los?

 

Adrian: Nicole hat einem Freund erzählt, ich sei nicht ihr leiblicher Vater.

 

Yvette: (geht auf ihn zu und nimmt seine Hände) Wie kommt sie nur auf so was?

 

Adrian: Irgendwer hätte ihr das erzählt. Wer, weiß ich aber nicht.

 

Yvette: Kein Wunder, dass sie weggelaufen ist. Wenn man so etwas erfährt…

 

Adrian: Sie hätte mich fragen können.

 

Yvette: Das wollte sie bestimmt nicht. Immerhin musste sie davon ausgehen, dass du ihr jahrelang die Wahrheit vorenthalten hast.

 

Adrian: Und darüber muss ich eben auch mit Bettina reden.

 

Yvette: Och, Bettina, Bettina…! Vielleicht war sie es ja, die Nicole das erzählt hat. Zuzutrauen wäre es ihr. Und vielleicht – stimmt es ja sogar!

 

Adrian: Also hör mal…

 

Yvette: Na, du weißt doch nicht, wie lange sie und dieser Manuel schon miteinander rumgemacht haben, bis es dann rausgekommen ist.

 

Adrian: Mag schon sein, aber…

 

Yvette: Was denn aber? Ein Grund mehr, dass sie hier nichts zu suchen hat! Los, ruf sie an und sag ihr, dass sie nicht herkommen soll. Geh zu ihr, wenn es unbedingt sein muss oder lass es bleiben.

 

Adrian: Nein. Ich habe sie gebeten herzukommen und dabei bleibt es.

 

Yvette: Nicht in meine Wohnung!

 

Adrian: Das ist nicht deine Wohnung! Jedenfalls nicht nur.

 

Yvette: Und deine Ex macht keinen Schritt hier rein, sonst bin ich weg!

 

Adrian: Yvette!

 

Yvette: Nein! Triff dich mit ihr, wo immer du willst – aber nicht hier!

 

 

Adrian läuft aufgeregt hin und her. Auch Yvette bebt vor Wut. Schließlich verlässt Adrian das Zimmer.

 

 

Adrian: (aus dem Flur) Ich brauche Luft – Luft zum Atmen. Du Biest.

 

Yvette: Das war gemein. - Aber ich kann auch gemein sein. Manchmal braucht er das. Ab und zu muss ich ihm zeigen, dass er hier nicht mehr allein das Sagen hat.

 

Sie geht in das Seitenzimmer ab.

 

- PAUSE -

 

 

 

 

 

 

7. Auftritt:

Das Zimmer ist leer. Von draußen hört man Schließgeräusche an der Tür. Kurz darauf betritt ein junges Mädchen den Raum. Sie sieht müde und abgehetzt aus. Das Haar ist ungekämmt und sie trägt schmutzige Jeans, aber keine Schuhe. Ihren Rucksack lässt sie auf den Sessel fallen, dann sieht sie sich um. Sie scheint sich unwohl zu fühlen und verloren. Yvette kommt aus dem Seitenzimmer.

 

 

Yvette: Nicole! Was machst du denn hier?

 

Nicole: Das wirst du dir ja wohl denken können.

 

Yvette: Ich weiß gar, nicht wovon du redest.

 

Nicole: Ja, wahrscheinlich. Warst wohl ordentlich bekifft, als wir uns das letzte Mal gesprochen haben.

 

 

Yvette wirft Nicoles Rucksack vom Sessel in eine Ecke, setzt sich und sieht Nicole herausfordernd an.

 

 

Yvette: Du wohl nicht, Süße?

 

Nicole: Ich bin nicht deine Süße. Und außerdem habe ich jetzt keine Lust, mit dir zu reden. Ist mein Vater nicht da?

 

Yvette: Ooh, Bärli ist außer Haus. Er musste mal raus hier. Er verträgt es scheinbar nicht, wenn man ihm die Wahrheit sagt.

 

Nicole: Du hast ihm die Wahrheit gesagt? Worüber?

 

Yvette: Ich hab‘ ihm nur gesagt, dass er nicht mehr alleine mit dir hier wohnt, und er mich fragen sollte, wen er in unsere Wohnung lassen darf und wen nicht.

 

Nicole: Du bist unmöglich, Yvette!

 

Yvette: Was denn? Ist doch so. Er behandelt mich manchmal, als wäre ich ein kleines Kind – und nicht seine Frau.

 

Nicole: Wie bedauerlich. - Vielleicht sieht er ja genau das, wenn er dich ansieht. Ein kleines, verwöhntes Kind.

 

Yvette: (lehnt sich zurück) Na wenn schon. Dann bin ich wenigstens sein Kind! Du bist es ja anscheinend nicht.

 

Nicole: Bisher behauptest nur du das! Ich bin echt blöd gewesen, hier so einfach weg zu rennen, statt erst mal mit ihm darüber zu reden.

 

Yvette: (springt auf) Meinst du etwa, er sagt dir die Wahrheit? Nur, weil du ihn ganz artig darum bittest?

 

Nicole: Ich hatte nie das Gefühl, dass er mir was verheimlicht.

 

Yvette: Gefühl. Gefühl! Mensch bist du naiv.

 

Nicole: Ich bin nicht naiv! Kann sein, dass ich mich irre. Aber das muss ich erst mal herausfinden. Nur, weil du irgendwas behauptest, das du gar nicht wissen kannst, muss ich doch nicht gleich wegrennen.

 

Yvette: Sagt wer?

 

Nicole: Ein Freund eben. Er hat mich darauf gebracht, dass du das ja gar nicht wissen kannst. Ich muss meinen Vater…

 

Yvette: Adrian ist nicht dein Vater! Wie oft soll ich dir das noch sagen?

 

Nicole: Behauptest du.

 

Yvette: Er hat’s mir selbst gesagt.

 

 

Nicole geht schweigend eine Weile im Zimmer herum. Sie scheint nachzudenken. Dann bleibt sie am Fenster stehen und sieht Yvette an.

 

 

Nicole: Wann?

 

Yvette: Letzte Woche. Wenn es dich tröstet: Es muss ihn ewig gequält haben. Er musste es einfach loswerden.

 

Nicole: Und warum erzählt er es dann dir und nicht mir?

 

Yvette: (tritt lachend an Nicole heran) Weil du ja nicht mit ihm ins Bett gehst, oder? Im Bett erzählen Männer einfach alles. Aber das lernst du auch noch.

 

 

Sie hebt Nicoles Rucksack auf und drückt ihn ihr in die Hand.

 

 

Yvette: Am besten, du verschwindest gleich wieder. Glaub mir, es ist die ganze Aufregung nicht wert.

 

Nicole: Ich bleibe.

 

 

Yvette: Verdammt noch mal. Wie lange willst du dich noch belügen und hinhalten lassen? Nutze deine Chance und befreie dich von diesen Menschen. Deiner Mutter warst du im Weg und dein angeblicher Vater belügt dich seit Jahren. Du hast jetzt die Chance, das alles hinter dir zu lassen. Nutze sie gefälligst.

 

Nicole: Ich will nicht mehr weglaufen. Ich will, dass die Wahrheit endlich mal ausgesprochen wird!

 

Yvette: Aber die habe ich dir doch schon gesagt. Wer soll sie dir denn sonst beibringen? Du begreifst es anscheinend nicht, du dummes Kind!

 

 

Nicole wirft ihren Rucksack quer durch das Zimmer und schiebt Yvette von sich.

 

 

Nicole: So redest du nicht mit mir! Ich bin kein Kind mehr! Und auch nicht dumm! Und ich will es aus dem Mund meines Vaters hören. Oder von meiner Mutter. Aber nicht von dir. - Außerdem meinte ich - 

 

Yvette: Adrian wird dir nie die Wahrheit sagen, Kind! Und Bettina weiß doch gar nicht mehr, mit wem sie damals alles geschlafen hat. Mit Adrian, mit Manuel und mit wem sonst noch!

 

Nicole: Das weißt du doch gar nicht!

 

Yvette: Ich weiß mehr, als du denkst – mein Kind!

 

Nicole: Du weiß gar nichts! Du -

 

 

Sie will sich auf wutentbrannt auf Yvette stürzen, als es an der Wohnungstür klingelt. Während  Yvette nach draußen geht, sinkt Nicole verzweifelt in einen Sessel.

 

 

 

8. Auftritt:

Kurz darauf kommt Yvette wieder zurück. Mit ihr betritt Jasmin das Wohnzimmer. Sie läuft zu Nicole und umarmt sie.

 

Jasmin: Schön, dass du wieder zu Hause bist, Nicki! Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Ich hab‘ dich vorhin ins Haus gehen sehen und bin gleich her gerannt.

 

Nicole: Ja. Schön, dass du da bist.

 

Jasmin: He, was ist denn mit dir los? Du klingst ganz schön gestresst.

 

Nicole: Ach was. Alles gut.

 

Yvette: Sie ist halt etwas müde. War wohl viel unterwegs in den letzten Tagen – und Nächten.

 

Nicole: Hör‘ endlich auf. Ich hab‘ die Nase voll von deinem Gequatsche.

 

Yvette: So? Ich wüsste nicht, wieso ich mir von dir das Reden verbieten lassen soll. Ist schließlich auch meine Wohnung hier.

 

 

Nicole springt wütend auf und will sich wieder auf Yvette stürzen, aber Jasmin hält sie zurück.

 

 

Jasmin: Ist gut jetzt. Ich weiß zwar nicht, was zwischen auch vorgefallen ist, aber ihr solltet euch beide erst mal einkriegen.

 

 

Yvette sieht plötzlich Adrians Smartphone auf dem Tisch liegen und nimmt es an sich. Dann sucht sie darauf etwas.

 

 

Nicole: Was machst du da? Das ist nicht dein Handy.

 

Yvette: Na und? (Sie hält es sich ans Ohr, aber niemand scheint ran zu gehen) Mist!

 

Nicole: Spinnst du? (reißt ihr das Handy aus der Hand, beendet die Verbindung und starrt dann auf das Display) Wer ist das?

 

Yvette: Na wer wohl? Wen sollte er wohl anrufen, wenn du weg bist?

 

Nicole: Muttis Nummer?

 

Yvette: Mutti? Bist du noch ganz okay? - Ja, er hat seine Ex angerufen, um sich mit ihr zu treffen. Wollte, dass sie hier her kommt. Aber jetzt kann ich das Treffen ja Gott sei Dank absagen. Du bist ja wieder zu Hause.

 

Jasmin: Wäre vielleicht nicht ganz schlecht, wenn sie doch käme. Dann könnten sie mal in Ruhe reden.

 

Yvette: Halte du dich da raus. Und du, gib mir das Handy zurück.

 

 

Sie geht auf Nicole zu und streckt fordernd die Hand aus. Betont langsam schiebt Nicole das Smartphone in die Gesäßtasche ihrer Jeans.

 

 

Nicole: Vergiss es. Jasmin hat Recht. Vielleicht ist es besser, wenn ich mit ihr spreche und nicht mit meinem Vater. Sie muss es ja wissen, schließlich ist sie meine Mutter.

 

Yvette: Die? Deine Mutter? Ich bin jetzt deine Mutter!

 

Nicole: (bricht in hysterisches Gelächter aus und zeigt mit dem Finger auf Yvette) Du? Meine Mutter? Glaubst du das wirklich? Du bist echt nicht ganz dicht!

 

 

Yvette bricht in Tränen aus und rennt nach hinten aus dem Zimmer. Dabei wirft sie die Tür mit lautem Krachen zu.

 

 

 

9. Auftritt:

Die beiden Mädchen sehen ihr noch kurz hinterher und lassen sich dann in die Sessel fallen.

 

Jasmin: Was war das denn? Ich hab‘ immer gedacht, ihr seid so was wie beste Freundinnen.

 

Nicole: Habe ich bis vor kurzem auch gedacht. Aber in letzter Zeit ist sie manchmal unmöglich zu mir. Ihre Launen sind kaum noch auszuhalten. Und dann erzählt sie mir, dass mein Vater gar nicht mein leiblicher Vater ist.

 

Jasmin: Was? Das hat sie gesagt? Bist du deswegen abgehauen?

 

Nicole: Naja. Auch deswegen. - Ich war geschockt, kannst du dir ja denken. Und ich habe ihr geglaubt.

 

Jasmin: Und woher will sie das wissen?

 

Nicole: Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Aber dann hat auch Kevin das gefragt…

 

Jasmin: Wart‘ mal. Du warst bei Kevin? Die ganze Zeit? Ich telefonier mir hier die Finger wund…

 

Nicole: Nur die erste Nacht. Ich wusste nicht, wohin. Kevin hat gesagt, seine Eltern seien nicht zu Hause und ich könnte ja zu ihm kommen. Ich war so fertig, dass ich ihm erzählt habe, warum ich weg musste von zu Hause.

 

Jasmin: Du warst bei Kevin, hast bei ihm geschlafen und seine Eltern waren nicht zu Hause. Wow!

 

Nicole: Ja. Na und? Und es war auch nicht das erste Mal. Zufrieden?

 

 

Jasmin schweigt. Nicole steht auf und geht unruhig im Zimmer auf und ab.

 

 

Nicole: Jedenfalls hat er mich darauf gebracht, doch erst mal mit meinem Vater zu sprechen, ehe ich Yvette glaube. Da sie das ja eigentlich nicht wissen kann.

 

Jasmin: Und?

 

Nicole: Auf einmal kamen seine Eltern doch nach Hause. Mitten in der Nacht.

 

Jasmin: Das hat bestimmt ganz schön Ärger gegeben. Du in Kevins Bett…

 

Nicole: Quatsch. Zwischen mir und Kevin – das ist … anders. Aber er hat mich schon vor seinen Eltern versteckt. In seinem Schrank. (Sie grinst) Im Film sind’s immer die Männer, die in den Schrank müssen.

 

Jasmin: Kevin war doch dann aber in der Schule und du nicht.

 

Nicole: Ich musste ja weg, als seine Eltern eingeschlafen waren.

 

Jasmin: Was? Er hat dich mitten in der Nacht weggeschickt?

 

Nicole: Was meinst du wäre los gewesen, wenn seine Eltern mich um die Zeit bei ihm erwischt hätten?

 

Jasmin: Wenn er schon mit dir schläft, sollte er auch dazu stehen, oder?

 

Nicole: Wir schlafen nicht zusammen. Nicht so, wie du denkst. Aber ich wollte nicht bleiben. Seine Eltern hätten dafür gesorgt, dass ich nach Hause komme. Und das wollte ich auf keinen Fall.

 

Jasmin: Und wo bist du dann gewesen?

 

Nicole: Den Rest der Nacht und den ganzen Tag bin ich in der Stadt unterwegs gewesen. Gestern Nacht hab‘ ich in irgendeiner Laube übernachtet.

 

Jasmin: Was?

 

Nicole: Naja ich bin abends durch die Gartenanlage gelaufen und hab dann eine Laube gefunden, die nicht abgeschlossen war – draußen schlafen wollte ich irgendwie auch nicht.

 

Jasmin: Und heute warst du auch wieder den ganzen Tag unterwegs?

 

Nicole: Na klar. Jedenfalls hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und denke jetzt, dass Kevin Recht hatte. Ich muss das klären. Und was Anders auch. Aber das kann ich nur hier.

 

 

Jasmin steht auf, geht zu ihrer Freundin und nimmt sie in den Arm.

 

 

Jasmin: Du wirst die Wahrheit herausfinden. Ganz bestimmt! (lässt Nicole los und geht einen Schritt zurück) Aber was dann? Mal angenommen, es ist so, wie Yvette behauptet. Was machst du dann?

 

Nicole: Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Darüber habe ich auch nachgedacht. Aber das ist alles so weit weg. Ich kann es einfach nicht glauben. Und deswegen habe ich auch keine Idee, was ich machen würde.

 

Jasmin: Also, ich würde mir sagen, dass er die ganze Zeit lieb zu mir war, mir viel beigebracht hat und ich immer zu ihm kommen konnte, wenn ich ein Problem hatte. Ich würde keinen Grund sehen, das alles aufzugeben.

 

Nicole: Ja. Stimmt schon. Dass er mich liebt und wir zusammen sind, war immer das Wichtigste für ihn. Hat er gesagt.

 

Jasmin: Und du hast ihm vertraut und geglaubt.

 

Nicole: Er ist mein Vater – hab‘ ich gedacht.

 

Jasmin: Du würdest ihm nicht mehr vertrauen könne, das verstehe ich.

 

Nicole: Das ist es ja nicht allein. Ich kann hier nicht mehr leben! Und wenn sich herausstellt, dass er mich auch noch die ganze Zeit angelogen hat –

 

Jasmin: Aber wo willst du denn hin?

 

Nicole: Ich hab‘ keine Ahnung. Und wenn es auf der Straße ist. – Ich hab‘ mich auch schon gefragt, ob ich überhaupt weiterleben könnte.

 

Jasmin: Nicki! Klar könntest du das. Du bist doch nicht die Einzige, der das so geht!

 

Nicole: Was weißt denn du? Das alles geht viel tiefer, als du denkst. Und auch wenn andere das können, heißt das nicht, dass ich es auch kann.

 

Jasmin: Heißt das etwa, dass Dein Vater –

 

 

 

10. Auftritt:

Von hinten sind Geräusche zu hören. Jemand hat die Wohnung betreten. Die beiden Mädchen unterbrechen ihr Gespräch und sehen gespannt zur Tür. Dann betritt Adrian das Zimmer. Er sieht Nicole, geht auf sie zu und will sie umarmen, doch sie wehrt ihn ab und entzieht sich ihm.

 

 

Jasmin: Ich muss los, denke ich. Ihr habt bestimmt einiges zu bereden. Wir sehen uns morgen. Auf Wiedersehen, Herr Werner! (Sie gibt Nicole die Hand) Oder soll ich lieber bleiben?

 

Nicole schüttelt den Kopf. Dann verabschiedet sich Jasmin auch von Adrian und geht nach draußen. Adrian steht mitten im Raum, Nicole hinten in einer Ecke. Langes Schweigen.

 

 

Adrian: Es ist gut, dass du wieder da bist, Nicki. Wir müssen miteinander reden.

 

 

Nicole sieht ihren Vater an. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Sie strahlt Angespanntheit und innere Unruhe aus.

 

 

Adrian: Ich bin nicht böse, dass du weggelaufen bist. Aber ich weiß, dass du mit mir reden willst. Und ich weiß auch, worüber. Lass es…

 

Nicole: (unterbricht ihn, leise) Woher?

 

Adrian: Jasmin hat – Sie hat es dir noch gar nicht erzählt, oder? – Na also, Kevin hat es Tim gesagt und der hat…

 

Nicole: Okay, morgen weiß es also die ganze Schule! Hätte ich nur meinen Mund gehalten.

 

Adrian: Nein. Es ist doch gut so. Lass uns darüber reden, Nicole. Aber vielleicht gehst du besser erst mal ins Bad und machst dich etwas frisch. Eine heiße Dusche tut dir bestimmt ganz gut.

 

Nicole reagiert erst genervt, nickt dann aber und geht nach hinten ab. Adrian fängt an, etwas aufzuräumen. Er räumt Nicole Rucksack bei Seite und bringt Yvettes Jacke und Schuhe, die ebenfalls noch im Zimmer liegen, in das Seitenzimmer. Dann kommt Nicole wieder zurück.

 

Nicole: Das Bad ist besetzt. Yvette hat sich dort eingeschlossen.

 

Adrian: Yvette hat sich eingeschlossen? Das klingt, als hättet ihr euch gestritten.

 

Nicole: Ach, sie hat vorhin von deinem Handy aus Mutti anrufen wollen um ihr auszureden, hier her zu kommen. Und sie hat behauptet… Ach, egal. (zieht das Smartphone aus ihrer Tasche und gibt es Adrian)

 

Adrian: So Unrecht hat sie ja gar nicht. Du bist wieder da. Das ist die Hauptsache. Wir beide können doch über alles reden. (versucht selbst, bei Bettina anzurufen)

 

Nicole: Nein. Lass sie doch herkommen. Da kann ich auch mit ihr reden.

 

Adrian: Du könntest auch zu ihr gehen. Ich hab‘ doch nichts dagegen. Wenn du mit ihr reden möchtest.

 

Nicole: Wenn sie aber doch eh her kommt?

 

Adrian: Geht nicht ran. (steckt das Handy ein) – Es muss aber nicht sein, dass sie her kommt. Das gibt nur Ärger mit Yvette. Und wenn es ganz schlecht läuft, schleppt sie auch noch Manuel mit her.

 

Nicole: Na und? Ihr wart doch mal Freunde.

 

Adrian: Bis er was mit meiner Frau angefangen hat, ja.

 

Nicole: Oder deine Frau was mit ihm.

 

Adrian: Ist ja auch egal. Fakt ist, ich kann mit ihm nicht vernünftig reden. Und mit ihr bestimmt auch nicht.

 

Nicole: Kann es sein, dass eigentlich er mein Vater ist, und nicht du?

 

Adrian: Ich glaube nicht, Nicole. Jedenfalls habe ich nie einen Grund gehabt, das zu glauben. Bis heute war ich mir absolut sicher, dass es nicht so ist.

 

Nicole: Und was ist jetzt anders?

 

Adrian: Wenn ich das wüsste! Irgendwie zweifle ich jetzt alles an.

 

Nicole: Das ist nur Yvettes Schuld!

 

Adrian: Werde nicht ungerecht. Sie hat sich auch nur Gedanken gemacht. Und – wer weiß…

 

Nicole: Hast du ihr gegenüber mal was gesagt, dass du Zweifel hast?

 

Adrian: Um Gottes willen, nein. Wie gesagt, bis heute habe ich nicht im Traum daran gedacht, dass jemand anderes dein Vater sein könnte, Nicole.

 

Nicole: (sieht ihn nachdenklich an) Na, dann…

 

 

Sie wird durch das Klingeln an der Wohnungstür unterbrochen. Adrian geht nach hinten, um zu öffnen. Nicole bleibt nachdenklich zurück und setzt sich dann auf das Sofa.

 

 

 

11. Auftritt:

Adrian kommt mit einem etwas älteren Mann und einer Frau in Adrians Alter zurück. Beide sind sehr elegant gekleidet. Mit einer Handbewegung fordert Adrian sie zum Platz nehmen auf. Er selbst bleibt stehen. Der Mann setzt sich zu Nicole auf das Sofa, die Frau will gerade in einen der Sessel Platz nehmen, als sie Nicole sieht. Daraufhin bleibt auch sie stehen und wendet sich Adrian zu.

 

Bettina: Was soll das? Nicole ist doch da. Mir so einen Schreck einzujagen! – Hallo Nicole! (geht zu ihr und gibt ihr die Hand)

 

Adrian: Ich hab‘ ja versucht, dich noch mal anzurufen, Bettina.

 

Nicole: Ich bin gerade zurückgekommen. Vati hat das nicht gewusst, als er dich angerufen hat. Ich war ziemlich lange weg.

 

Bettina: Aber es geht dir gut, ja?

 

Nicole: Doch. Ja. Ich bin gesund, wenn du das meinst.

 

Adrian: Ich bin mal schnell in der Küche. Ihr wollt doch bestimmt etwas trinken?

 

Bettina: Ich nicht, danke Adrian.

 

Manuel: Ich nehme ein Bier, danke.

 

 

Adrian geht nach hinten und kommt mit einer geöffneten Flasche Bier und zwei Gläsern Wasser wieder. Währenddessen schweigen die drei anderen sich an. Bettina hat sich inzwischen gesetzt. Er drückt dem Mann das Bier in die Hand und stellt ein Glas vor Nicole ab. Das andere behält er in der Hand.

 

 

Manuel: Hättest du auch ein Glas für mich?

 

Adrian: Sei froh, dass ich ein Bier für dich habe. Hast früher auch lieber aus der Flasche getrunken.

 

Manuel: Ja – früher!

 

Adrian: Kannst es ja auch lassen.

 

Bettina: Adrian!

 

Adrian: Du hättest ihn ja nicht mitbringen müssen. Weißt schließlich genau, wie ich bin.

 

Bettina: Manuel war mal dein bester Freund, Adrian. Ihr werdet euch doch wie normale Erwachsene unterhalten können.

 

Manuel: Lass nur, Betti. Mir schmeckt’s auch so. (setzt die Flasche an und nimmt einen großen Schluck)

 

Bettina: So. Nun sprich, Adrian. Du klangst ja ziemlich aufgeregt am Telefon. Was für Fragen willst du mit uns besprechen?

 

Adrian: Mit euch? Ich muss dich was fragen.

 

Nicole: Nein. Nicht du. Ich muss was fragen. Schließlich bin ich diejenige, um die es geht.

 

Manuel: Wirst du deinem Vater wohl nicht ins Wort fallen! Wenn sich Erwachsene unterhalten…

 

Nicole: Müssen Kinder den Mund halten, ja? Ich bin aber kein Kind mehr!

 

Manuel: Und was für Fragen sollen das schon sein.

 

Adrian: Jetzt langt es, Manuel. Halte du dich raus. Von mir aus kannst du auch gehen.

 

Manuel: Ach, ich soll verschwinden, ja? (springt auf) Bitte schön, bitte – bin sofort weg!

 

Bettina: (steht auch auf) Wenn das so ist, gehe ich auch. – Komm Manuel.

 

Nicole: Nein. Bleibt doch, bitte. Es ist wirklich wichtig.

 

 

Manuel und Bettina sehen Adrian an, der nickt und die beiden setzen sich wieder. Adrian steht immer noch.

 

 

12. Auftritt:

Währenddessen ist, ohne dass es jemand von den Anwesenden bemerkt hat, Yvette ins Zimmer  gekommen und hat grinsend den Streit verfolgt. Sie hat sich zurechtgemacht und umgezogen. Erst, als alle sie gesehen haben, geht sie, langsam und ohne jemanden zu begrüßen, zum letzten freien Sessel und setzt sich.

 

 

Nicole: Wer ist mein Vater?

 

Alle sehen sich an, doch keiner sagt etwas.

 

Nicole: Was denn? Ich will doch nur wissen, wer denn nun mein wirklicher Vater ist.

 

Bettina: Was ist das für eine Frage? Du weißt doch, wer dein Vater ist.

 

Nicole: Ich bin mir nicht mehr sicher. Du etwa?

 

Bettina: Also, das ist doch

 

Manuel: Das wüsste ich ja wohl.

 

Nicole: (zu Manuel) Du bist es also nicht?

 

Manuel: Nein. Wie kommst du überhaupt darauf?

 

Adrian: (zu Manuel) Bist dir dessen ganz sicher?

 

Manuel: Ja verdammt. Oder –

 

Nicole: (zu Bettina) Oder war’s ein ganz anderer?

 

Bettina: Spinnst du? Ich müsste es ja wohl am besten wissen.

 

Nicole: Wer weiß? Vielleicht waren es so viele…

 

Bettina springt wütend auf und holt mit der Hand aus. Adrian geht zu ihr und hält sie fest. Sie sieht ihn einen Moment lang an und wendet sich dann wieder Nicole zu.

 

Bettina: Ich weiß ja nicht, für was du mich hältst, Nicole. Aber das war mehr als gemein und ungerecht von dir. Das kannst du wissen!

 

Nicole: Entschuldige. Ich bin ziemlich durcheinander im Moment.

 

Manuel: Das ist ganz schön untertrieben, Mädchen. Wenn ich so mit meinen Eltern gesprochen hätte…

 

Adrian: Das will gar keiner wissen, Manuel. Nicole darf reden, wie sie es für richtig hält.

 

Manuel: Ach? Und hast du ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt? Hast du Angst, mit mir persönlich zu sprechen? Gehst du mir deshalb seit Jahren aus dem Weg?

 

Adrian: Nein. Ich hab‘ ihr gar nichts gesagt. Warum sollte ich auch? Ich hatte keine Zweifel – bis heute.

 

Nicole: Yvette war es!

 

Alle erstarren und schauen zu Yvette. Diese hat weiterhin scheinbar belustigt die Szene verfolgt und lehnt sich jetzt grinsend zurück. Sie blickt jeden einzelnen herausfordernd an.

 

Adrian: Warum?

 

Bettina: Du elendes Miststück! – Wie kommst du dazu?

 

Manuel: Ich begreife das einfach nicht.

 

Yvette: (sieht Bettina an) Adrian spricht im Schlaf! Weißt du das nicht?

 

Bettina: Ja. Schon. Aber es gibt doch nichts…

 

Yvette: Wahrscheinlich doch. Sonst würde es ihn wohl nicht bis in seine Träume verfolgen.

 

Adrian: Ich hab‘ nie so was geträumt.

 

Yvette: Das weißt du vielleicht gar nicht, Bärli. Du erzählst viel, an das du dich morgens nicht mehr erinnerst. Glaub mir.

 

Bettina: Aber das kann doch gar nicht sein. Nicole ist deine Tochter, Adrian. Ich bin mir absolut sicher.

 

Nicole: Und wenn ich auf einem Test bestehen würde?

 

Bettina: Wozu denn? Glaubst du mir nicht?

 

Manuel: Auf keinen Fall!

 

Adrian: Also, ich sehe auch keine Grund, Nicki. Ich glaube deiner Mutter.

 

Yvette: Ihr wollt Nicki die Wahrheit nicht herausfinden lassen. Das war mir klar. Ihr belügt sie und versteckt euch immer schön weiter hinter euren Masken – ihr falsches Pack!

 

Adrian: Yvette, wie redest du? Was soll das alles?

 

Manuel: Du bist eine falsche Schlange. Ich hab’s schon immer gewusst!

 

Yvette: Ha, wer hat denn hier wen betrogen? Ich niemanden.

 

Bettina: Wie kommst du dazu – Du hast ja keine Ahnung, du Küken!

 

 

Sie springt auf und zu Yvette. Wütend greift sie ihr in die Haare. Yvette wehrt sich und stößt sie von sich. Inzwischen ist Nicole aufgestanden und verlässt, von niemandem beachtet und sichtlich verzweifelt, das Zimmer nach hinten. Yvette und Bettina stehen sich inzwischen vor Wut und Eifersucht zitternd, an der Tür zum Seitenzimmer gegenüber.

 

 

Yvette: Lass mich durch - Ich ertrage euch alle nicht mehr!

 

 

Sie stößt Bettina zur Seite und geht ins Seitenzimmer ab.

 

 

Bettina: Ich lasse mich doch so nicht von dir behandeln. Was denkst du eigentlich, wer du bist!

 

Sie folgt ihr in das andere Zimmer. Von drinnen hört man noch Yvettes Stimme.

 

 Yvette: Verschwinde! Du hast hier drin nichts zu suchen. Das ist unser Schlafzimmer! Ich hasse dich!

 

Dann fällt die Tür zu und es tritt Stille ein.

 

 

13. Auftritt:

Die beiden Männer bleiben allein zurück. Manuel sitzt noch immer mit der Bierflasche in der Hand auf dem Sofa, Adrian steht im Hintergrund. Beiden sieht man an, wie unwohl sie sich fühlen.

 

Adrian: Ich habe absolut keine Ahnung, wieso sich Yvette so aufführt. Sie war noch nie aggressiv oder böse.

 

Manuel: Sie konnte Betty eben noch nie leiden. Und die habe ich auch noch nie so erlebt. Ich kann dir auch nicht sagen, was in sie gefahren ist.

 

Er trinkt sein Bier aus und stellt die leere Flasche auf den Tisch.

 

Adrian: Willst du noch eins? (nimmt die Flasche vom Tisch)

 

Manuel: Besser nicht.

 

Adrian: Ach, komm schon. Ich trink eins mit.

 

Er geht kurz nach draußen und kommt mit zwei geöffneten Flaschen wieder. Eine gibt er Manuel. Dann prostet er ihm zu. Beide trinken.

 

Adrian: Wir haben wirklich lange nicht miteinander gesprochen.

 

Manuel: An mir hat’s nicht gelegen.

 

Adrian: Ich weiß. – Obwohl: Irgendwie schon.

 

Manuel: Es ist schon erst mal kein gutes Gefühl, wenn du merkst, dass die Frau deines besten Freundes mehr für dich empfindet, als für ihn. Das kannst du mir glauben.

 

Adrian: Aber irgendwann geht’s einem gut bei dem Gedanken, oder?

 

Manuel: Es geht einem erst dann wieder gut, wenn man begriffen hat, dass man nichts Falsches gemacht hat.

 

Adrian: Nichts Falsches. Meinst du?

 

Manuel: Wie ist das, wenn man sich in ein so junges Mädchen verliebt, das man noch gar nicht lieben dürfte?

 

Adrian: Das ist doch ganz was anderes. Da kann man doch nichts dagegen machen. das passiert einfach so mit einem. Man kann sich hundert Mal sagen, dass es nicht sein dürfte, wie es ist.

 

Manuel: Ach so? Und wenn man sich in die Frau seines Freundes verliebt ist das was anderes, ja?

 

Adrian schweigt und setzt sich in einen der Sessel.

 

Manuel: Man sagt sich hundert Mal, dass es nicht richtig ist. Aber man hat auch immer im Hinterkopf, dass die Frau sich die gleichen Gedanken macht. Man liebt sich und will es eigentlich nicht.

 

Adrian: Man kann sich aber nicht ewig dagegen wehren.

 

Manuel: Und irgendwann sagt man sich dann, dass es eben ist, wie es ist. Und dann fühlt man sich auch wieder gut.

 

Adrian: Nur manchmal meldet sich das Gewissen wieder.

 

Manuel: Das schon. Aber man weiß ja, dass man es nicht ändern kann. Liebe kann sich nun mal nicht dem Verstand unterwerfen.

 

Adrian: Nein. Da laufen Prozesse ab, die der Verstand einfach nicht kontrollieren kann.

 

Schweigend sieht jeder in eine andere Richtung. Dann sieht Manuel wieder zu Adrian. Als dieser sich ihm zuwendet, spricht er wieder.

 

Manuel: Hast du dich eigentlich gleich wieder verliebt, als Bettina ausgezogen ist? Ich bilde mir ein, dich dann ewig nicht mit einer Frau gesehen zu haben.

 

Adrian: Ich war knapp sieben Jahre allein. Alleine mit einem kleinen Kind. Ich hatte gar keine Zeit, irgendwelche Frauen kennen zu lernen. Hin und wieder kam mal eine mit hoch. Aber dann wussten wir beide, dass es nur für eine Nacht war.

 

Manuel: Und bei Yvette war das anders?

 

Adrian: Genau. Es war nicht die große Liebe auf den ersten Blick. Aber nachdem wir uns ein paar Mal getroffen hatten – Wir haben uns in jeder Hinsicht richtig gut verstanden. – Über drei Jahre. Bis jetzt. Keine Ahnung, was auf einmal anders ist.

 

Manuel: Und du hast auch keine Ahnung, warum sie Nicole solchen Unsinn erzählt?

 

Adrian: Ist es wirklich Unsinn? Wie lange warst du mit Bettina schon zusammen, ehe sie hier ausgezogen ist?

 

Manuel: Ein paar Monate. Ein halbe Jahr vielleicht. Oder etwas mehr. Nicki war schon sechs! Ich kann nicht ihr Vater sein, Adrian. Auf keinen Fall.

 

Adrian: Und das Bettina einen anderen hatte, von dem ich nichts weiß? Ehe sie was mit dir angefangen hat?

 

Manuel: Nein. Sie ist nicht so. Das kannst du mir glauben. Wenn sie sagt, dass du Nickis Vater bist, dann ist es so. Und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, Adrian.

 

 

 

14. Auftritt:

Sie werden durch Bettina unterbrochen, die aus dem Seitenzimmer kommt. Sie scheint sich gefasst zu haben und wirkt wieder souverän wie am Anfang. Sie geht zu ihrem Mann, nimmt ihm das Bier aus der Hand und stellt sie Flasche auf den Tisch.

 

Bettina: Komm, lass uns gehen, Manuel. Was hier noch zu klären ist, müssen die beiden alleine besprechen.

 

Manuel: Ja, aber…

 

Bettina: Kein Aber – das geht uns nichts mehr an. (Sie versucht, Manuel hochzuziehen)

 

Adrian: Bettina, bitte!

 

Bettina: Klär das mit Yvette selbst. Aber sei nicht zu streng mit ihr. Versprich mir das.

 

Die beiden Männer sehen sich verblüfft an.

 

Adrian: Sie hat dir gesagt, warum sie das getan hat? Warum sie Nicki solch eine Lüge aufgetischt hat?

 

Bettina: Ja. Aber das soll sie dir, oder besser: euch, selbst erklären.

 

Manuel: Und ich dachte, ihr prügelt euch da drin.

 

Bettina: Hätten wir auch fast. Yvette kann eine ganz schöne Furie sein. Aber - dann haben wir uns einfach unterhalten. – Und das hätten wir schon viel eher machen sollen. (Sie wendet sich Adrian zu) Deine Frau ist ganz in Ordnung, Adrian. Noch sehr, sehr jung – aber sie weiß genau, was sie will.

 

Manuel: Ja. Ein Leben in Wohlstand und Geborgenheit! Und für beides soll Adrian sorgen.

 

Bettina: Na und? Ich kann sie verstehen. Das ist nicht das Schlechteste, was man sich wünschen kann.

 

Manuel: Und sie sieht sich als die schöne Frau an seiner Seite, nach der sich alle umdrehen und…

 

Adrian: Nun hör‘ schon auf! Yvette ist nicht so schlecht, wie du sie machst. Sie wird schon Verantwortung übernehmen lernen - mit der Zeit und wenn es soweit ist.

 

Manuel: Träumer!

 

Bettina: Es reicht, Manuel. (Sie geht zur hinteren Tür) Komm jetzt! Mach’s gut, Adrian. Und vielleicht sehen wir uns ja mal…

 

 

 

15. Auftritt

Sie sind fast an der Tür, als Yvette ins Zimmer tritt. Sie bleibt davor stehen.

 

Yvette: Bettina, Manuel – wartet bitte noch einen Augenblick.

 

Bettina: Wollt ihr das nicht lieber alleine besprechen?

 

Yvette: Nein. Es gibt noch ein anderes Problem. Ein größeres – denke ich.

 

Manuel: Da bin ich ja mal gespannt (nimmt sein Bier wieder in die Hand und setzt sich)

 

Adrian: Yvette – Lass das… bitte… sein.

 

Yvette: Nein. Ich will eine Antwort.

 

Bettina: Worauf?

 

Yvette: Irgendwer hat Adrian angezeigt. Er hätte was mit Nicole.

 

Manuel: Was?

 

Adrian: Ich soll sie seit Jahren… Ihr wisst schon. Also…

 

Bettina: Das glaube ich jetzt nicht!

 

Adrian: Ich weiß doch auch nicht, wer auf so was kommt!

 

Manuel: Und? Ist da was dran?

 

Bettina: Manuel!

 

Adrian: (lauernd) Na, was denkst du? Immerhin ist meine Frau nicht viel älter als Nicki. Da könnte es ja sein, dass ich auch mit ihr ins Bett gehe, nicht wahr?

 

Bettina: Adrian, lass das. Manuel denkt nicht so schlecht von dir.

 

Adrian: Ach, nein?

 

Manuel: (gleichzeitig) Nicht?

 

Bettina: Seid ihr beide völlig übergeschnappt? Lasst uns doch vernünftig miteinander reden. Also – ich war es nicht. Und Manuel ganz sicher auch nicht.

 

Adrian: Ich dachte erst, Yvettes Vater…

 

Manuel: Da wäre möglich. Bei seiner Tochter hat er ja den Schwanz eingezogen, nachdem sie ihn wer weiß wie angebettelt hat!

 

Yvette: Ich habe nicht gebettelt, damit das mal klar ist! Von mir aus hätte er es ja machen können. Aber er hat irgendwann eingesehen, dass er es damit nicht hätte ändern können. Ich liebe Adrian.

 

Adrian: Stimmt. Und wenn er es gewollt hätte, hätte er damals schon Nicki ins Spiel bringen können. Sie war ja damals erst dreizehn. Warum sollte er bis jetzt warten?

 

Bettina: Wenn jemand dich offiziell angezeigt hat, wirst du sicher bei der Polizei aussagen müssen.

 

Adrian: Ja, das werde ich müssen. Aber ich hab‘ doch nichts zu verbergen. Alles gelogen. Die Frage ist, wer mir so etwas unterstellt! Und warum, verdammt noch mal! Begreift ihr das nicht?

 

Bettina: Und du meinst –

 

Adrian blickt sie lange an, dann Manuel. Es ist deutlich zu sehen, was er denkt. Manuel springt von seinem Platz auf. Die leere Flasche fällt um.

 

Manuel: Du bist doch nicht ganz dicht!

 

Bettina: Das glaubst du doch nicht wirklich, Adrian – oder?

 

Adrian: Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll – und wem! Ich bin total am Ende!

 

Manuel: Und sie? (weist auf Yvette) Wenn sie den Unsinn mit der Vaterschaft verzapft hat, kann sie genauso gut so eine Behauptung in den Raum gestellt haben.

 

Yvette: Spinnst du?

 

Manuel: Und wer weiß, vielleicht spricht du ja tatsächlich im Schlaf…

 

Yvette: Nein, macht er nicht. Dass er nicht Nicoles Vater ist, habe ich mir ausgedacht. Das stimmt. Ich weiß wirklich nicht genau warum. Ich hab‘ mich in letzter Zeit immer so – zurückgesetzt gefühlt. Nicht mehr geliebt. Ich hatte das Gefühl, Adrian zieht Nicole mir vor und – ich müsse ihn zurück gewinnen.

 

Adrian: Aber Yvette, nichts…

 

Yvette: Ich weiß, Adrian. (Sie tritt an ihn heran) Ich hab‘ selbst nicht gewusst, was mit mir los ist. Ich hatte nur den Wunsch, dass Nicole endlich hier auszieht, – dass ich dich für mich alleine habe. Sie ist alt genug, dachte ich. Seit heute weiß ich...

 

Manuel: (zu Adrian) Siehst du? Bessere Gründe könnte dir keiner liefern!

 

Bettina: Aber dann würde sie Adrian doch auch verlieren! Das ist doch Unsinn, Manuel.

 

Yvette: Ich würde sicher vieles machen, um Adrian zu halten. Ich liebe ihn wirklich sehr, das könnt ihr mir glauben. Aber so weit zu gehen, zu behaupten, dass er sein eigenes Kind missbrauchen würde – nein, so weit würde ich niemals gehen.

 

 

 

16. Auftritt:

Nicole kommt durch die hintere Tür ins Zimmer. Sie hat sich umgezogen und hübsch zurecht gemacht. Mit ihr betritt Jasmin den Raum. Diese wirkt sehr besorgt und fassungslos.

 

Nicole: Yvette hat die Anzeige nicht erstattet. Sie kann gar nichts davon gewusst haben. Weder von der Anzeige, noch davon (sie blickt zu Adrian) was mein Vater mit mir hat. Ich habe dir (sie sieht zu Yvette) nie davon erzählt. – Ich habe es nie jemandem erzählt.

 

Alle Anwesenden starren erst sie, dann Adrian entsetzt an. Tiefes Schweigen. Adrian schließt die Augen und hält sich irgendwo fest.

 

Nicole: Ja - Vati. Ich habe dich angezeigt! Ich habe es einfach nicht mehr ertragen können, so zu tun, als sei alles in Ordnung.

 

Adrian: Aber Nicole… Das ist doch… Das ist schon so lange her…

 

Nicole: Ja. Es ist schon eine Weile her. Das stimmt. Seit du mit Yvette zusammen bist, bist du nur noch selten zu mir gekommen. - Für dich mag das sehr lange her sein. Für mich aber… ist es jeden Tag da. Immer und immer wieder kehrt es zurück. Erst nur nachts – jetzt aber auch am Tag. Du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist. Kevin ist so lieb und geht so vorsichtig mit mir um. Aber jedes Mal, wenn er mir nahe kommt, bricht es durch – ich kann mich nicht überwinden, ihn auch nur anzufassen – Das habe ich nicht mehr ausgehalten.

 

Yvette stöhnt auf. Sie presst sich eine Hand auf den Bauch, die andere vor den Mund und stürmt aus dem Zimmer hinaus. Nicole geht zu Jasmin hinüber, die sie in die Arme nimmt.

 

 Adrian: Ich liebe dich doch.

 

Nicole: Das hast du immer gesagt, ja. Und aus irgendeinem Grund glaube ich dir das sogar. Ich habe keine Ahnung, warum. (Sie sieht Jasmin an) Wenn er zu mir kam, hat er immer gesagt, das gehöre dazu, wenn man sich liebt. Wenigstens einer, der mich lieb hat – dachte ich.

 

Nach wie vor stehen alle starr vor Entsetzen im Raum.

 

Nicole: Darum fand ich es damals gar nicht so schlimm, wenn er mich anfasste – oder wollte, dass ich ihn anfasse. Aber irgendwann habe ich begriffen, dass es dabei gar nicht um mich ging – (blickt zu Adrian) - Es ging immer einzig und allein um dich!

 

Adrian: Aber… Ich hab doch nie…

 

Nicole: Ich war immer nur ein Spielzeug für dich. Ein Spielzeug, das du umsorgt und behütet hast, damit es nicht kaputtgeht – Aber irgendwie ist es trotzdem zerbrochen.

 

Jasmin: Und keiner hat was gemerkt…

 

Nicole: Wie denn? Ich habe doch noch funktioniert. Meistens habe nicht mal ich gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Und wenn es doch mal hochkam, wäre ich vor Scham am liebsten im Boden versunken. Ich habe ja auch gar nicht gewusst, wem ich es hätte sagen können – und was dann mit mir passiert wäre.

 

Adrian: Ich hätte dir doch nie wehgetan…

 

Nicole: Nein. Das vielleicht nicht. Aber ich erinnere mich noch, wie du mir einmal gesagt hast, wenn ich irgendjemandem davon erzählen würde, käme ich ins Heim. Und was die großen Jungs dort mit mir machen würden, das würde richtig wehtun. (zu Jasmin) Ich hatte einfach Angst.

 

Manuel: (zu Bettina) Halt mich zurück, oder ich bring‘ ihn um.

 

Bettina: Ich kann das einfach nicht glauben. Wieso, Adrian? Warum hast du unserer Tochter das angetan?

 

Adrian: Ich weiß es doch auch nicht… Es ist halt irgendwie passiert…

 

Nicole: Irgendwie passiert – Dir macht das einfach nichts aus, oder?

 

Bettina: Ich halte das hier einfach nicht mehr aus. Komm, Manuel, wir gehen. Und Nicole, du kommst am besten mit zu uns. Hier kannst du nicht länger bleiben. Wir haben ein Zimmer, ….

 

Nicole: Ich? Zu dir? Das kannst du vergessen! Zu dir ziehe ich auf keinen Fall!

 

Bettina: Das wirst du wohl müssen. Ich bin schließlich deine Mutter.

 

Nicole: Du hast dich nie für mich interessiert. Dich hat die ganzen Jahre nicht gekümmert, wie es mir ging, was aus mir geworden ist! Du warst nie da, wenn ich dich gebraucht hätte.

 

Bettina: Ich weiß. Und ich bereue das ja auch, ich…

 

Nicole: Nein, du warst froh, mich los zu sein und hast mich hier zurück gelassen. Du hast nicht wollt, was passiert ist, das mag sein. Aber du hast auch nie in Betracht gezogen, dass es hätte geschehen können. - Lieber sterbe ich, als dass ich zu dir ziehe!

 

Jasmin: Nicole kommt erst mal zu uns.

 

Bettina: Zu euch?

 

Nicole: Ja. Ich habe vorhin mit Jasmin und ihrem Vater telefoniert. Ich habe ihnen alles erzählt. Und Herr Hartmann hat mir angeboten, vorerst bei ihnen zu wohnen.

 

Manuel: Wir können das auch gerichtlich regeln lassen, Nicole.

 

Nicole: Versuchen könnt ihr es ja. Aber das würde nichts ändern, glaub‘ mir. Komm, Jasmin – wir holen ein paar Sachen aus meinem Zimmer.

 

 

 

17. Auftritt:

Ohne ein weiteres Wort wollen die beiden Mädchen das Zimmer verlassen. Nicole öffnet gerade die Tür, als Yvette wieder hereinkommt. Sie wankt zum Sofa und setzt sich hin. Nicole und Jasmin gehen nach draußen. Bettina geht zu Yvette und legt ihr die Hand auf die Schulter.

 

Bettina: Du schaffst das schon. Es wird nicht einfach, aber du bist stärker, als du denkst, Yvette. Und egal, wie du dich entscheidest – es wird richtig sein! Lass dir nichts anderes einreden. Von niemandem.

 

Dann verlässt sie mit Manuel das Zimmer. Kurz darauf hört man die Wohnungstür zufallen. Adrian und Yvette bleiben alleine zurück. Adrian löst sich aus der Erstarrung und geht zu Yvette hinüber. Er will sie in den Arm nehmen, doch sie rutscht an das andere Ende des Sofas.

 

 

Adrian: Yvette, ich liebe dich doch.

 

Yvette: Warum?

 

Adrian: Seit ich dich habe…

 

Yvette: Bin ich jetzt den Spielzeug, oder was?

 

Adrian: Hör auf! Das mit Nicole… Ich weiß nicht, wie das passieren konnte.

 

Yvette: Warum? Warum hast du das gemacht?

 

Adrian: Weißt du, wie oft ich mich das gefragt habe? Am Anfang passierte es einfach so – ich hatte es weder gewollt, noch habe ich darüber nachgedacht. Dann, später, habe ich so oft versucht, es zu unterdrücken – aber es ging einfach nicht mehr.

 

Er setzt sich auf das Sofa und Yvette steht auf und zieht sich in eine Ecke des Zimmers zurück.

 

Yvette: Ich hoffe, sie sperren dich für immer weg –

 

Adrian: Das ist nicht dein Ernst.

 

Yvette: Oh doch. Mehr als das. – Denkst du, ich lasse mein Kind in deiner Nähe aufwachsen?

 

Adrian: Dein Kind?

 

Yvette: (legt beide Hände auf ihren Bauch) Ja. Das war der Termin, zu dem ich vorhin musste. Ich hab‘ es etwas länger gewusst, aber heute habe ich es bestätigt bekommen.

 

Adrian: Das ist ja…

 

Yvette: Ich hab‘ mich so darüber gefreut. Auch für dich. Und nun? Jetzt weiß ich nicht mal, ob ich es überhaupt haben will –

 

Adrian: Aber Yvette – Wir schaffen das schon.

 

Yvette: Wir? Du widerst mich an. Wie kannst du nur darauf kommen, dass es mit uns weiter geht?

 

Adrian: Es wird sich nicht wiederholen. Ich bitte dich, Yvette!

 

Yvette: Glaubst du wirklich, ich lege mein Kind jemals in deine Arme? Ich bin doch nicht verrückt!

 

Adrian: Es ist doch auch mein Kind…

 

Yvette: Vergiss es!

 

Adrian: Yvette. Das kannst du doch nicht ernsthaft wollen.

 

Yvette: Und ob! Und glaub‘ mir, ich werde einen guten Anwalt haben -

 

Adrian: Du bist gemein!

 

Yvette: Und du?

 

Adrian: (steht auf und geht auf sie zu) Hör auf. Ich habe dir doch gesagt, dass es nicht wieder vorkommen wird. Was meinst du, wie oft ich mir Vorwürfe gemacht habe, wie ich mich selbst dafür gehasst habe…

 

Yvette: Bleib weg von mir! Wehe, du fasst mich an!

 

Adrian: Yvette, ich bin seit Jahren deswegen in Behandlung. Ich hab‘ dir immer erzählt, dass ich mich mit alten Klassenkameraden treffe – An diesen Nachmittagen war ich zur Therapie.

 

Yvette: Du kannst mir viel erzählen.

 

Adrian: Du musst mir glauben. Bitte! Gib mir – gib uns eine Chance!

 

Yvette löst sich von der Wand und geht auf Adrian zu, bleibt aber kurz vor ihn stehen. Von draußen hört man die Stimmen von Nicole und Jasmin.

 

 

Jasmin: So, und jetzt nichts wie raus hier!

 

Nicole: Meinen Schlüssel lasse ich hier.

 

 

Dann hört man das Geräusch der zufallenden Wohnungstür.

 

Yvette: Ich will dir gerne glauben, Adrian. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann.

 

Sie geht an ihm vorbei zur Tür des Seitenzimmers.

 

Adrian: Was machst du da?

 

Yvette: Meine Sachen packen.

 

Adrian: Bitte, lass mich nicht alleine! Wenn du jetzt auch noch gehst, machst du alles kaputt. – Wo willst du überhaupt hin?

 

Yvette: Nach Hause. Und kaputt hast du es gemacht. Wenn es stimmt, was du sagst, hättest du schon lange mit mir darüber reden können. Vielleicht hätte ich es ja sogar verstanden. (Sie will die Tür öffnen)

 

Adrian: Geh nicht, Yvette. Ich liebe dich – ich…

 

Yvette: Ich will das nicht mehr hören! Hör’ auf damit, Adrian.

 

Adrian: Aber - es ist doch so. Ich will dich nicht auch noch verlieren. Und du liebst mich doch auch. Ganz tief in deinem Herzen. Das weiß ich. Du kannst mich doch nicht so zurücklassen, Yvette.

 

Yvette: Oh doch, ich kann - Und ich werde! (Sie öffnet die Tür) Es wird mir nicht leicht fallen, da magst du Recht haben. Aber es gibt keinen Grund hier zu bleiben.

 

Adrian: Bitte, Yvette... Wir sind beide aufgewühlt. Lass uns reden. Bitte.

 

Yvette: Es geht nicht, Adrian. Ich kann nicht mehr mit dir sprechen. Vielleicht später, wenn ich mir über meine Gefühle für dich klar geworden bin. –  Aber verlass‘ dich nicht darauf. (Geht hinaus)

 

Adrian sinkt in den Sessel, auf dem er zu Beginn des Stückes gesessen hat und birgt das Gesicht in den Händen.

 

 

- ENDE -

Impressum

Texte: Matthias Günther
Bildmaterialien: Matthias Günther
Cover: Matthias Günther
Tag der Veröffentlichung: 05.06.2019

Alle Rechte vorbehalten

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