Ben nimmt das Leben leicht und genießt es mit vollen Zügen. Besonders guter Wein und die Mädchen haben es ihm angetan. Sein Studium hat er locker und ohne jede Anstrengung hinter sich gebracht und nun will er zum sorglosen Alltag zurückkehren.
Phil hat Ben während des Studiums kennengelernt und sich, trotz ihrer unterschiedlichen Lebensauffassungen, mit ihm angefreundet. Er kann Bens Hang zu Sorglosigkeit und Müßiggang nicht teilen und ist stets bestrebt, sein Leben in Ordnung zu halten.
Britta studiert an der selben Uni wie die beiden Jungen und seit Kurzem die Freundin von Ben. Ähnlich wie er geht geht sie am Liebsten mit den angenehmen Seiten des Lebens um. Ihre Gründe dafür liegen aber ganz woanders. Deshalb versteht sich auch gut mit Phil.
Linda ist eine Freundin Bens aus Kindertagen und war seine erste große Liebe. Nachdem sie viele Jahre nichts mehr von einander gehört haben, tritt sie jetzt plötzlich wieder in sein Leben und bringt es gehörig durcheinander.
Ein kleines Zimmer (Bett, Tisch zwei Stühle, eine Anrichte o. ä.) Ben und Phil sitzen am Tisch, vor ihnen eine fast ausgetrunkene Flasche Wein und zwei Gläser. Man merkt, dass sie schon eine Menge getrunken haben.
Phil: (indem er Ben zuprostet) Na dann, auf das Ende!
Ben: Auf ein glückliches Ende, ja. Hättest du damals gedacht, dass die Zeit so schnell vergeht?
Phil: Gehofft hab‘ ich das, das ja. Aber nur weil ich wusste, dass es nicht leicht wird. Das Wissen fällt eben nicht jedem so zu wie dir, Ben.
Ben: Du hast es dir manchmal auch ganz schön schwer gemacht, Phil. Hast gebüffelt bis in die Nacht, während ich die Nächte so richtig genießen konnte! (lacht herzlich)
Phil: Du mit deinen Weibergeschichten. Das ist sowieso nichts für mich. Aber irgendwie beneide ich dich darum, dass du trotzdem besser abschließen wirst als ich.
Ben: Ha, ich gäb‘ was drum, wenn ich tauschen könnte! Ich höre meinen Vater schon, wie er mir die Leviten liest. „So ein guter Abschluss und du legst dich auf die faule Haut, statt dich ins Arbeitsleben zu stürzen!“ (macht seinen Vater nach) Und dich wird er mir wieder als Vorbild hinstellen.
Phil: Und? Machst du einen auf faul?
Ben: Erstmal schon. Muss mich ja von dem Stress hier erholen. (legt die Füße auf den Tisch) Ich werde nach Eichengrün fahren, es mir bei meiner Mutter gut gehen lassen und in ein paar Wochen sehe ich weiter. Wenn der Sommer vorbei ist, vielleicht.
Phil: (schüttelt den Kopf) Du machst es dir wirklich leicht, mein Freund. Ich muss nächste Woche anfangen. Der Ernst des Lebens erwartet mich.
Ben: Hat das geklappt? Na dann herzlichen Glückwunsch, oder vielleicht doch besser: Mein Beileid. Wie kann man nur so eifrig sein?
Phil: Es kann ja nicht jeder einen Vater haben, der nichts mit seiner Kohle anzufangen weiß, seinen erzfaulen Sohn aushält und ihm auch noch ein Pensionszimmer bezahlt, damit sein Kronprinz während der Studiums nicht im Wohnheim leben muss.
Ben: Glück muss man schon haben im Leben. Wer weiß, wie lange es einem erhalten bleibt. Und meine Familie ist ganz in Ordnung. Die haben alle noch Hoffnung, dass auch aus mir mal noch ein guter Mensch wird. (Er geht zur Anrichte und holt daraus eine neue Flasche Wein. Wieder am Tisch öffnet er sie und gießt beide Gläser voll) Und wer weiß, vielleicht behalten sie Recht. (trinkt sein Glas in einem Zug aus) Mein Vater hält mich für das Genie unserer Familie, für das Beste, was er je erschaffen hat.
Phil: Warum habe ich das Gefühl, dass er sich irrt?
Ben: Er hat sich schon einen Namen gemacht mit seinen Arbeiten und er verdient sicher mehr als jeder andere seines Fachs, aber dafür hat er auch viel geopfert.
Phil: Nicht zuletzt seine Familie.
Ben: Er ringt mit sich selbst um Ergebnisse, und weiß, dass mir alles in den Schoß fällt, was ich nur will. Ich glaube, er beneidet mich um dieses Glück. Genau wie mein großer Bruder, der sich sonst wo in der Welt herumtreibt, aber nicht etwa, um das Gefühl zu genießen, frei zu sein. Nein, weil er alles was er kann, alles was er besitzt, dafür ausgibt, Menschen zu helfen, die ohne seine Hilfe zwar vielleicht ärmer dran, aber dafür freier wären.
Phil: Ich denke, dass er ein besserer Mensch ist als du.
Ben: Und warum hängst du dann dauernd mit mir rum, wenn ich so ein Arschloch bin?
Phil: Dummerweise teile ich ihre Hoffnung. Ich bin eben ein unverbesserlicher Optimist. Und außerdem will ja sonst niemand mit mir befreundet sein.
Ben: Jetzt fängst du an, Unsinn zu erzählen. Britta zum Beispiel schwärmt dauernd von dir.
Phil: (fällt ihm ins Wort) Und mit dir geht sie.
Ben: Ins Bett. Na und? Mehr wird das sowieso nicht mit uns. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sie mehr von mir will.
Phil: Und du?
Ben: Kennst mich doch. Ich und eine feste Beziehung? Dafür bin ich nicht gemacht. Naja, jedenfalls noch nicht.
Phil: Und wenn Britta sich eine solche wünschen würde?
Ben: Ach, warum sollte sie sich binden? Wir beide sind dann weg und sie muss noch ein ganzes Jahr machen.
Phil: Ihr habt nie über eine gemeinsame Zukunft gesprochen, oder?
Ben: Nein. Warum sollten wir auch? Das stand nie zur Debatte. Obwohl – mit Britta…
Phil: Ja?
Ben: Ach, egal, es war ´ne schöne Zeit.
Phil: ´Ne schöne Zeit? Ein Monat vielleicht! Oder waren’s doch schon zwei?
Ben: Etwas länger war’s schon. Glaube ich jedenfalls. (Er spielt mit etwas in seiner Hosentasche)
Phil: Und schon bist du ihrer überdrüssig, ja?
Ben: So würde ich es nicht sagen. Aber es ist doch nun mal so. Ich kann doch nichts dafür, dass das Studium zu Ende ist.
Phil: (spöttisch) Jaja, du bist ganz traurig, dass du bald was Neues aufreißen musst. Ich sehe es dir an.
Ben: (grinst) Ich denke eher, erst mal was Altes!
Phil: Was Altes?
Ben: Kann man so sagen. Ich hab‘ vorhin beim Klamottenpacken was gefunden, an das ich schon ewig nicht mehr gedacht habe. (Er zieht den Gegenstand aus der Hosentasche. Es handelt sich um eine silberne Kette mit Anhänger)
Phil: Oh, ein Liebesbeweis. Wer war denn das arme Mädchen?
Ben: Sie heißt Linda.
Phil: Linda, so so.
Ben: Ach, das ist Jahre her. Hatte sie fast schon vergessen. Eine Jugendliebe. - Wer ist das … um diese Uhrzeit? (Er greift in die andere Hosentasche und zieht sein Handy hervor. Schaut auf das Display, dann geht er ran) Hallo … Britta … was? … Ja okay. Wir sind noch auf… wer? Phil natürlich. … Ja klar, kein Problem. Bis gleich.
Phil: Und wie kommst du darauf, dass du bei ihr wieder landen kannst, wenn es schon jahrelang aus ist?
Ben: Was? Ach Linda. Nur so. ich will ja eh erst mal bei meiner Mutter unterkommen. Und die wollte unbedingt mal, dass ich Linda heirate. Ich und heiraten … das passt irgendwie gar nicht. Aber vielleicht kriege ich sie noch mal rum. So lange wie ich dort Urlaub mache … Ja, das wäre doch ganz nett.
Phil: Das glaubst du doch selbst nicht. Jede Frau kriegt doch sofort mit, was du für einer bist.
Ben: Und wenn schon. Die meisten stört es nicht. Und Linda – Ich weiß nicht. Versuchen will ich es auf jeden Fall. (Nachdenklich) Und vielleicht bleibe ich tatsächlich dort. Wenn sie mich noch will.
Phil: Das glaube ich ja nun wirklich nicht. Keine Frau fällt zweimal auf dich rein. Ich könnte wetten, sie lässt dich eiskalt abblitzen.
Ben: Okay, um was wetten wir?
Phil: (überlegt einen Moment und streckt ihm die Hand hin) Ich komme nach der ersten Woche am Wochenende nach Eichengrün und du lässt dir was einfallen, wie du mir beweist, dass sie wieder auf dich reingefallen ist. Gelingt dir das, schicke ich dir ein eine Kiste Wein. Was meinst du?
Ben: (nimmt Phils Hand) Abgemacht. Und, nur so nebenbei: Was ist, wenn ich sie nicht rumkriege?
Phil: Dann besorge ich dir Arbeit und du gehst ein ganzes Jahr lang regelmäßig arbeiten.
Ben: Au. Das ist gemein. Aber Ansporn für mich. Abgemacht. (Er blickt auf sein Handy) Britta ist unten. Es ist abgeschlossen. Ich lasse sie rein. (Ben steht auf und geht zur Tür hinaus. Lindas Kette steckt er ein) Und: kein Wort über Linda, während Britta da ist!
Phil: Das ist mir einer! Manchmal werde ich einfach nicht schlau aus dem Kerl. Die ganze Zeit kehrt er den Macho raus, der die Mädels reihenweise flachlegt, und dann wird er sentimental. Wenn sie mich noch haben will! Ich fasse es nicht. Aber das ist im Moment auch nicht mein größtes Problem.
Ben kommt mit Britta zurück, Phil sitzt noch am Tisch.
Britta: Mann, ist das kalt draußen! Von wegen Sommernacht.
Phil: Wo kommst du überhaupt jetzt her? Es ist mitten in der Nacht.
Britta: Semesterabschied. War ganz lustig. Hab aber keinen Bock auf Wohnheim. Und Julia wollte das Zimmer für sich heute Nacht. Ihr könnt euch denken, warum. Habt ihr noch was zu trinken für mich?
Phil holt schweigend ein Glas und gießt Wein ein, alle drei stoßen noch einmal an.
Ben: Unsere Abschlussfeier war auch nicht gerade die Welt. deshalbe haben Phil und ich uns beizeiten hierher zurückgezogen und allein weitergefeiert. Besonders lustig scheint es ja bei euch auch nicht zugegangen zu sein. Bist ganz schön ernst und vor allem nüchtern.
Britta: Sag das nicht. Es ging ganz schön hoch her. Aber ich bin eben nicht der Typ, der sich volllaufen lässt und das dann für eine tolle Feier hält.
Ben: Ach, man muss es auch mal richtig krachen lassen. Jede Feier genießen. Man weiß ja nie, was noch kommt. Und wenn einem am nächsten Tag schlecht geht… was soll‘s. Man lebt nur einmal.
Britta: (prostet ihm zu) Wenn du es sagst, Ben!
Ben: Ist doch so, oder?
Britta: Ich kenne Menschen, die sozusagen ein zweites Leben begonnen haben.
Phil: Hört auf zu philosophieren, ihr beiden.
Ben: Ich hab noch keinen getroffen.
Britta: Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.
Phil: (steht auf) Lasst ihr jetzt den Quatsch, oder soll ich gehen?
Britta: (zieht Phil wieder auf seinen Stuhl) Ist schon okay. Lassen wir das Thema. Warum bist du so genervt?
Phil: Was meinst du wohl?
Ben: (schenkt Phil nach) Ihr seid beide ganz schön gestresst, was?
Britta: Ich nicht!
Phil: Also ich nicht!
Ben: Aber ist schon ein interessanter Gedanke. Mal angenommen, ihr hättet irgendwann im Leben was Wichtiges falsch gemacht oder euch falsch entschieden, würdet ihr es in einem zweiten Leben anders machen?
Phil: He? Ich kann dir nicht folgen. Einer von uns beiden hat wahrscheinlich schon zu viel getrunken heute Nacht.
Britta: Mal abgesehen davon. Ich meinte das in dem Sinn, eine zweite Chance zu bekommen. Noch mal neu anzufangen.
Phil: Brauch ich nicht.
Ben: Okay. Aber was wäre wenn? Du wachst eines Morgens auf und stellst fest, dass du, sagen wir mal, zehn Jahre jünger geworden bist. Alles was du in den letzten zehn Jahren erlebt hast, ist gelöscht und du kannst noch mal von vorn anfangen. Würdest du das nutzen? Oder würde man die gleichen Fehler wieder machen?
Phil: Du gehst mir echt auf die Nerven, Ben!
Britta: Ich kann nur hoffen, dass das nicht passiert Ben. Ich hab keinen Bock darauf, die letzten zehn Jahre noch mal erleben zu müssen.
Ben: Ihr habt nie was falsch gemacht, oder?
Britta: Darum geht es doch gar nicht. Ich weiß absolut nicht, worauf du hinaus willst. Klar macht man Fehler, aber auch wenn man die in einem neuen Leben vermeiden könnte, würde man doch andere machen…
Phil: Dieses Gequassel halte ich nicht länger aus, Leute. Gute Nacht! (Er steht auf und geht zur Tür)
Ben: Ich bin ja schon still. Bleib hier Phil.
Britta: Also ich hab mir das irgendwie anders vorgestellt. So unentspannt war es hier schon lange nicht mehr. Was ist nur mit euch los?
Ben: Keine Ahnung, muss wohl an der Abschiedsstimmung liegen.
Phil: Oder am Wein.
Ben: Glaube ich nicht, der ist gut!
Britta: Und du hattest für heute genug davon. Glaube ich.
Ben: Es ist ja nicht so, dass ich mir von dir was vorschreiben lasse – aber wenn du meinst (trinkt sein Glas aus und lehnt sich zurück)
Britta: Sei jetzt nicht eingeschnappt.
Ben: Bin ich nicht. Und ich freue mich, dass du da bist – und bleibst.
Phil: Freu‘ dich nicht zu früh.
Britta und Phil blicken sich vielsagend an.
Ben: Wie meinst du das?
Britta: Ach, lass ihn, er hat auch schon etwas zu viel getrunken heute Abend.
Ben: Vielleicht solltest du selber noch was trinken (Er greift nach der Flasche und will ihr einschenken, doch Britta wehrt ab)
Britta: Nein. Ich habe noch. Und ob ich den Rest der Nacht hier bleibe, muss ich mir noch überlegen.
Phil: Überlegen. So. Dann mach mal.
Ben: Ich komme nicht mehr mit. Was ist nur mit euch beiden heute los?
Er nimmt eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug vom Tisch, lehnt sich wieder zurück, legt die Füße auf den Tisch und will sich die Zigarette anzünden.
Britta: Nicht hier drin! Bitte! Du weißt genau, dass ich das nicht vertrage.
Ben: Dann eben nicht. (geht nach draußen)
Phil: (sieht Britta einen Augenblick stumm an) Du hast es ihm nicht gesagt.
Britta: Nein, noch nicht. Ich wollte…
Phil: Nur noch mal mit ihm schlafen, ja? – Musste das sein?
Britta: Was?
Phil: Du weißt schon. Julia wollte das Zimmer heute Nacht für sich … Ich könnte dich …
Britta: Ach, sei nicht böse. Es kam mir einfach so in den Sinn. Und ich kann ja auch noch gehen. Ich hab nur gedacht - es ist ja eh das letzte Mal.
Phil: Das letzte Mal, ja? Manchmal begreife ich dich einfach nicht, Britta. Damit kann man das doch nicht abtun! Ich geh noch mal mit ihm ins Bett und dann eben nicht mehr. Dann suche ich mir einen anderen Dummen. Ich hab immer gedacht, nur solche wie Ben machen das so.
Britta: Ein Männerding, sozusagen? Und wir Frauen haben mitzumachen. Oder eben nicht. Ist euch egal, ja?
Phil: Mir nicht. Und das weißt du. Ich bin für klare Verhältnisse.
Britta: Ach, du Moralapostel! Lass mir doch das Vergnügen. Auf das eine Mal kommt es nun auch nicht mehr an.
Phil: Mir schon. Du bist mir wichtig, Britta. Und ich möchte dich nicht teilen müssen, verstehst du das nicht?
Britta: Mein Gott, bist du manchmal altmodisch!
Phil: Ja, bin ich vielleicht. Aber daran kann und will ich nichts ändern. Wenn eine Frau mit mir leben will, muss sie das einfach akzeptieren!
Britta: Auch wenn du es nicht verstehst, heute bleibe ich noch mal hier und …
Ben: Und?
Britta: (geht zu ihm, stellt sich hinter ihn und legt die Arme um ihn) dann fährt Ben zu seiner Mutter und ich…
Phil: Und du?
Britta: Mit dir.
Phil: (nimmt sie in den Arm) Wirklich?
Britta: Ja. Die ganzen Ferien! Vielleicht kann ich auch dort mein Studium fortsetzen. Mal sehen, beantragt habe ich es, aber noch keine Antwort.
Phil: Und du willst wirklich mit mir kommen?
Britta: Ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen.
Phil: Und Ben?
Britta: Ich erzähle ihm nachher alles. Versprochen.
Phil: Warum willst du dann bei ihm bleiben heute Nacht? Das ist nicht gerade fair. Mir gegenüber.
Britta: Fängst du schon wieder damit an?
Phil: Komm mit zu mir, Britta. Jetzt. Bitte. Wir können es Ben später erklären. Ich möchte nicht, dass du hier bleibst.
Britta: Ich möchte nicht, ich möchte nicht. Manchmal bist du unmöglich. Du solltest dich reden hören. Was ich möchte, fragt keiner.
Phil: Ach, heute möchtest du bei Ben bleiben. Und morgen möchtest du mit mir zusammen sein. Weißt du überhaupt, was du wirklich willst?
Britta: Ich weiß genau was ich will, Phil. Auch wenn es dir oder manchem anderen nicht passt: Ich mache, was ich in diesem Augenblick gerne möchte. Dabei ist es mir egal, ob ich das vielleicht morgen nicht mehr will. Auf alle Fälle aber will ich mir nicht vorschreiben lassen, was ich zu tun habe.
Phil: (wendet sich zur Tür) Na, dann passt Ben ganz bestimmt besser zu dir als ich. Gute Nacht!
Britta: (hält ihn zurück) Phil, warte bitte.
Phil: Ich glaube, ich habe mich schlimm getäuscht. Er hat dich nur zu seinem Vergnügen verführt, hab ich gedacht. Du bist auf sein smartes Getue reingefallen. Ich hab geglaubt, ich könnte dich davor bewahren, dich in ihn zu verlieben. Hirngespinste! Unsinn! Du bist keinen Deut besser als er. Was bin ich für ein Idiot!
Britta: Du bist kein Idiot…, ich…
Phil: Doch, weil ich mich in dich verliebt habe – und weil ich dachte… ach, egal.
Britta: Ich schlafe nicht mit ihm, wenn dir so viel daran liegt. Wirklich nicht. Aber ich will mit ihm reden. Ich muss mit ihm reden. Er soll es von mir erfahren.
Phil: Und du denkst, das ist ihm wichtig, ja? Ob du es ihm heute Nacht sagst oder ich ihm morgen oder irgendwann – jemandem wie ihm ist das völlig gleich. Er hat sowieso schon wieder eine Andere im Kopf.
Britta: Wie kommst du denn darauf?
Phil: Ach, nur so. Er hat – er hat da was – angedeutet.
Britta: So. Was angedeutet. Naja, ist ja auch okay. Umso einfacher wird es für mich, ihm zu sagen, dass…
Phil: (nimmt ihre Hand) Komm einfach mit. Er wird damit klar kommen. Glaub mir. Du bist ihm schon längst wieder egal.
Britta: (macht sich los) Nein Phil. Ich bleibe. Ob es dir passt oder nicht. Selbst wenn ich ihm egal sein sollte, mir ist er es nicht!
Phil: Ach. Aus dir soll einer schlau werden. Ich jedenfalls nicht. - Dann mach doch, was du willst! (Er reißt die Tür auf und verlässt eilig das Zimmer)
Britta: Phil – nicht! (Sie sinkt auf Bens Bett) Ich liebe dich doch auch. Aber es gibt Situationen, da wird dir Manches so unwichtig und anderes gewinnt an Bedeutung, was du vorher nie so gesehen hast. Wer oder was will mir vorschreiben, für wie viele Menschen ich etwas oder wieviel empfinden darf? Wenn ich euch doch nun mal beide so mag… Ich will ja… (Sie knüllt verzweifelt das Kopfkissen zusammen und findet darunter einen Brief, will ihn erst wieder hinlegen, beginnt dann aber zu lesen)
Britta liegt auf Bens Bett und liest den Brief. Sie scheint sichtlich aufgeregt. Als Ben ins Zimmer kommt, versucht sie, den Brief wieder unter das Kopfkissen zu stecken.
Ben: Was ist denn mit Phil los? - He, was soll das?
Britta: Was ist das denn?
Ben: (reißt Britta den Brief aus der Hand) Ein Brief. Das ist sowas wie ´ne Whats App, nur…
Britta: Ich bin nicht blöd, du Spinner!
Ben: Mensch Britta, der ist gute vier Jahre alt! Ich habe ihn heute beim Packen gefunden. Hab ihn nie gelesen. Warum regst du dich so auf.
Britta: Und wieso liegt er unter deinem Kopfkissen?
Ben: Ich hab ihn aufgemacht und wollte gerade zu lesen anfangen, als Phil kam. Da hab ich ihn schnell da drunter geschoben. Was soll das alles?
Britta: Und wer ist Linda?
Ben: Ach so. Das ist ewig her. (lacht gekünstelt) Die sollte ich mal heiraten.
Britta: Und wieso?
Ben: Woher soll ich das wissen? Meiner Mutter hat sie anscheinend gut gefallen.
Britta: Deine Mutter wollte, dass du sie heiratest. Und du?
Ben: Ich und heiraten. Und außerdem hab ich sie ja so gut wie gar nicht gekannt. Wir sind zwar zusammen aufgewachsen, als Kinder. Aber später ist eben jeder seine Wege gegangen.
Britta: Und irgendwann hast du einfach mal so mit ihr geschlafen, ja?
Ben: Na und? Kann dir doch egal sein. Passiert manchmal.
Britta: Ich glaub dir kein Wort.
Ben: (geht unruhig im Zimmer herum, während Britta sich aufgesetzt hat, unsicher) Ich lüg dich doch nicht an.
Britta: Doch, Das machst du. Und nicht nur mich.
Ben: Hör auf. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.
Britta: Nein, das bist du nicht. Aber ehrlich kannst du mir gegenüber sein.
Ben: Verdammt, das bin ich nicht mal mir selbst gegenüber. (Er lässt sich auf das Bett sinken und starrt in die Ferne, den Brief lässt er fallen) Als wir Kinder waren haben wir immer zusammen gespielt.
Britta: Und dann wurde mehr daraus?
Ben: Irgendwie schon. Ich hatte auch damals schon immer mal andere Mädels. Aber mit ihr, das war irgendwie anders. Einmal habe ich ihr das geschenkt. (Er zieht die Kette hervor und zeigt sie Britta) Meine Liebe soll dir ewig gehören, habe ich gesagt.
Britta: Und, war es so gemeint?
Ben: Natürlich nicht. Oder- vielleicht doch. Ich hab mir eingeredet, dass Mädchen so was einfach hören wollen und sie nur eine unter vielen war. Aber irgendwie… bei keiner anderen hab ich das je gemacht… Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren war.
Britta: Und dann hast du sie irgendwann sitzen lassen…
Ben: Sie sprach immer öfter von Familie, von heiraten und so – Ich, ach Britta (Er wendet sich ihr zu) Ich bin so durcheinander.
Britta: Du wolltest dich nicht binden lassen.
Ben: Ich brauche meine Freiheit. Dachte ich jedenfalls. Darum hab ich auch das Studium angefangen. Nicht um meinem Alten einen Gefallen zu tun, oder weil ich studieren wollte. Nein, ich wollte nur weit weg sein, von zu Hause, von ihr – Linda.
Britta: Aber sie hat dich angerufen?
Ben: Angerufen, Nachrichten geschickt, E-Mails. – Ich habe alles sofort gelöscht.
Britta: (hebt den Brief auf) Davor oder danach?
Ben: Der kam ganz zuletzt. Danach nichts mehr.
Britta: Du hast ihn gelesen, stimmt’s?
Ben: (schaut auf die Kette, die er noch immer in der Hand hält) Ich habe ihn aufgemacht. Sie hat sie mir damals zurückgeschickt. Auf deine Liebe kann ich verzichten. Das ist der erste Satz. Ich hab‘ nicht weitergelesen. Ehrlich, Britta! Einerseits war ich gekränkt, andererseits froh, sie los zu sein. Ich packte die Kette samt Brief wieder in den Umschlag und schmiss ihn in den Koffer, den ich bis heute nicht mehr angerührt habe.
Britta: Du willst sagen, dass du nicht weißt, was in dem Brief steht?
Ben: Doch, verdammt. Seit gestern Abend.
Britta: (steht auf und liest aus dem Brief vor) Ich wollte dir noch sagen, dass ich eine kleine Tochter habe. Sie heißt Nina. Wer ihr Vater ist, brauche ich dir wohl nicht zu sagen. … PS: Da du auf meine Nachrichten nicht reagiert hast, denke ich, dass du sie gar nicht gelesen hast. Oder du willst dich nicht damit befassen. Wie auch immer. Wir sind nicht auf dich angewiesen…. (Sieht nachdenklich zu Ben) Und du willst mir erzählen, du hast das nicht gewusst?
Ben: Bis gestern Abend nicht! Auch, wenn du es mir nicht glauben willst. Ich wollte meine Sachen packen. Da habe ich ihn im Koffer gefunden. Ich wollte die Kette herausnehmen und hatte dann irgendwie das Gefühl, den Brief lesen zu müssen. – Britta, du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich danach gefühlt habe.
Britta: Ich glaube dir, Ben. Und ich kann mir auch denken, wie es dir jetzt geht. Übrigens muss ich dir auch was sagen. Und das wird dich nicht gerade aufbauen. (Ben blickt stumm vor sich hin) Es ist - wegen Phil. Du wirst das sicher nicht verstehen, aber…
Ben: (scheint gar nicht zugehört zu haben) Ich kann doch nicht einfach hingehen und sagen: Hallo, da bin ich und wollte mal nach meinem Kind sehen… Was soll ich machen, Britta? Und was wird dann aus uns?
Britta: Aus uns? Meinst du, dass da was hätte werden können? Sind wir beide dafür geschaffen, etwas Gemeinsames aufzubauen? Du solltest dich jetzt erst mal mit Linda in Verbindung setzen.
Ben: Würdest du das an ihrer Stelle wollen? Ich würde es, glaube ich, nicht.
Britta: Du musst mit ihr reden. Schon Ninas wegen. Du kannst dich nicht länger vor der Verantwortung drücken, Ben. Begeistert wäre ich sicher auch nicht. Aber ich würde dir entgegenkommen. Dass ich wieder was mit dir anfangen würde, kann ich mir im Moment nicht vorstellen, aber…
Ben: Okay. Ich werde die nächsten Wochen zu Hause in Eichengrün verbringen. Ich will mit Linda reden und sie fragen, ob ich meine Tochter sehen kann. Ich habe zwar keine Ahnung, wie es dann weitergehen wird, aber…
Britta: Was hast du gerade gesagt? Eichengrün? Linda! Das darf nicht wahr sein! (Sie starrt vor sich hin, lässt den Brief fallen und läuft eilig zur Tür)
Ben: Was ist los? Wo willst du hin?
Britta: Ich hoffe für dich, dass nicht stimmt, was ich glaube. Sonst bist du schlimmer dran, als du dir vorstellen kannst.
Sie stürmt aus der Tür. Ben bleibt nachdenklich zurück, noch immer die Kette in der Hand.
PAUSE
Eine Waldlichtung. Zum Zuschauerraum hin beginnt ein See. Irgendwo am See eine Bank, im Vordergrund ein Steg. Linda und Britta kommen seitlich schweigend auf die Bühne. Sie scheinen sich gestritten zu haben. Britta setzt sich auf die Bank, Linda bleibt unschlüssig stehen.
Britta: Ich kann es immer noch nicht fassen. Du hast seit Jahren ein Kind und hast mir nichts davon gesagt! Und ich habe immer gedacht, wir seien Freundinnen geworden!
Linda: Es tut mir ja auch leid. Aber du weißt, wie wir uns kennengelernt haben. Im Netz. Und unter welchen Umständen. Ich hatte nicht vor, im Forum dort mein gesamtes Leben auszubreiten.
Britta: Aber später… Wir haben so oft zusammen gesessen und geredet. Über Gott und die Welt. Nur nicht über dein Kind. Und das wäre so dringend nötig gewesen.
Linda: Wieso? In dieser Beziehung hättest du mir nicht helfen können. Irgendwann habe ich dich dann auch nicht mehr mit hineinziehen wollen.
Britta: Trotzdem. Ich habe immer gedacht, du bist offen mir gegenüber. Euch gerade in solchen Fragen zu helfen, habe ich immer als meine Aufgabe angesehen.
Linda: Es gibt halt Entscheidungen, die ich ganz allein treffen will und in die ich mir nicht reinreden lasse. Von dir nicht und auch von niemand anderem. - Das heißt aber nicht, dass ich deine Arbeit, deine Kompetenz oder deine Freundschaft in Frage stelle. - Britta, ich bin wirklich froh, dass es dich gibt und du hast mir in den letzten zwei Jahren wirklich sehr geholfen. Ohne dich… (sie nimmt Brittas Hände) …gäbe es mich sicher schon nicht mehr.
Britta: Was redest du da Linda! Du schaffst das. Bis jetzt ist doch alles gut gegangen.
Linda: Das habe ich bis vor zwei Wochen auch gedacht. Aber nun ist alles anders. Ich habe mich damit abgefunden.
Britta: (sichtlich geschockt) Was? (steht auf und will Linda in den Arm nehmen, doch die schüttelt den Kopf und Britta sinkt zurück) Wie viel Zeit bleibt dir noch?
Linda: Ein paar Wochen. Ein, zwei Monate vielleicht.
Britta: Ich …. (sie bricht ab, kann kaum noch sprechen) Was wird … und Nina? …
Linda: Meine Eltern werden sich um sie kümmern.
Britta: Und … Ben?
Linda: Was geht den das an? Der hat damit gar nichts zu tun!
Britta: Er ist Ninas Vater!
Linda: Vergiss es!
Britta: Ich verstehe dich nicht! Du musst doch irgendwann mit ihm reden.
Linda: (setzt sie sich auf den Steg, zieht Schuhe und Strümpfe aus und hält die Füße ins Wasser) Nein. Wozu wäre das gut? Es hat ihn die ganzen Jahre nicht interessiert, dass er ein Kind hat.
Britta: Er weiß es erst seit ein paar Tagen! Und er ist Ninas Vater, Linda. Das darfst du nicht vergessen. Du willst sie doch nicht fremden Menschen überlassen.
Linda: Meine Eltern sind doch keine Fremden für sie. Bei denen geht es Nina bestimmt besser als bei diesem…
Britta: Das kannst du doch gar nicht wissen.
Linda: Er ist verantwortungslos und egoistisch oder einfach nur feige. Auf alle Fälle nicht der richtige Umgang und schon gar nicht ein Vater für meine Tochter.
Britta: Ich will ja nicht behaupten, ihn besser zu kennen als Du. Aber ich weiß, dass er sich schwere Vorwürfe macht, weil er deine Nachrichten damals nicht gelesen hat.
Linda: Das sollte mich wundern. Aber selbst wenn, er hätte sich irgendwann mal melden können – müssen. Ich kann ihm nicht vertrauen.
Britta: Weißt du Linda, ich glaube, er liebt dich noch immer.
Linda: Kann ich mir nicht vorstellen… Und auch nicht, dass er es je getan hat…
Britta: Ich glaube doch. Und ich bin mir sicher, dass er deswegen ziemlich verzweifelt ist.
Linda: Und darum musste er sich mit anderen trösten. Mit meiner besten Freundin zum Beispiel!
Britta: Das hat er doch nicht gewusst. Und ich habe auch nichts von Dir gewusst – bis zu diesem Brief. (kleinlaut) Ich kann’s nicht ändern…
Linda: Ach, wenn du ihn haben willst – von mir aus. Und wenn nicht, ist mir das auch egal. Ich werde dir nicht vorschreiben, mit wem du ins Bett gehst.
Britta: Hör doch zu, Linda. Es geht hier nicht um mich oder dich. Es geht um Nina und um Ben. Wenn es wirklich zum Schlimmsten kommt, dann wird er sich gut um euer Kind kümmern, glaube mir.
Linda: Merkst du eigentlich, wie du ihn immer in Schutz nimmst? Ich kann ihn mir einfach nicht als Vater vorstellen.
Britta: Und? Konntest du dir vor fünf Jahren dich als Mutter vorstellen?
Linda: Das ist doch was anderes.
Britta: Ich denke nicht.
Beide schweigen eine Weile. Dann steht Britta auf, will die Szene verlassen.
Britta: Du solltest wirklich mit ihm reden. Bald!
Linda: (leise) Er hat es versucht….
Britta: Wann?
Linda: Jeden Tag hat er diese Woche bei mir geklingelt. Und auf dem Handy angerufen.
Britta: Und du hast nicht reagiert? (und als Linda schweigend den Kopf schüttelt) Manchmal verstehe ich dich wirklich nicht.
Linda: Ich will es eben nicht! Er ist nicht gut für Nina!
Britta: Aber das kannst du doch gar nicht wissen.
Linda: Ach lass mich doch in Ruhe … Du weißt ja immer alles besser. Es gab eine Zeit, da habe ich dich dafür bewundert … Wie klug du bist … und dass du immer helfen willst. Aber weißt du was? Ich hab das so satt. Jeder will mir sagen, was ich noch tun soll und muss, jeder will mir irgendwas einreden …. dass ich stark sein muss … was für Nina gut ist …. Ich werde überhaupt nicht mehr gefragt.
Britta: (langsam auf Linda zugehend) Entschuldige, so war das nicht gemeint, ich …
Linda: Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn ich Nina mitnähme…
Britta: (zieht Linda hoch, sieht ihr ins Gesicht) Was? Was hast du gesagt? Bist du völlig verrückt geworden? Das kann doch nicht dein Ernst sein.
Linda: Ich kann nicht mehr, Britta. Ich habe keine Kraft mehr.
Britta: Aber du kannst doch nicht … und dein Kind!
Linda: Wer will mir das verbieten? Du etwa? Ach, lass mich doch in Ruhe. Mir ist alles so egal.
Britta: Das darfst du nicht sagen!
Linda: Darf ich nicht? Ich darf alles sagen, was ich will. Du wirst mich nicht daran hindern.
Britta: Ich habe immer gewusst, was ich euch sagen kann und was nicht. Wie ich euch motivieren kann, weiterzumachen … weiter zu leben. Aber jetzt?
Linda: (ruhig geworden) Ist es das erste Mal, dass du…
Britta: Dass ich einen von euch verlieren könnte? Nein. Aber bisher haben es alle geschafft. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ausgerechnet du es sein könntest… (will Linda in den Arm nehmen, doch diese wehrt sie ab)
Linda: Ich sollte eigentlich noch Hoffnung haben. In der Klinik meinen sie, noch etwas versuchen zu müssen. Aber ich … ich will kein Versuchstier für die sein. Ich habe einfach keinen Bock mehr darauf. Ständig neue Therapien, neue Hoffnung, neue Enttäuschungen …. Ich will, dass das endlich ein Ende hat!
Britta: Das verstehe ich doch, aber…
Linda: Kein Aber mehr, Britta. Ich fahre noch mal hin und werde sehen, was sie sich nun wieder ausgedacht haben. Und danach werde ich, und nur ich alleine, entscheiden, wie es weitergeht – Oder wie es zu Ende geht.
Britta: Denk aber bitte an Nina, Linda. Sie …
Linda: Was glaubst du eigentlich, was ich die ganze Zeit mache? Wenn ich sie Ben überlasse und selbst nicht mehr für sie da sein kann … Sie wird sich irgendwann mal fragen, warum ich ihr das zugemutet habe, warum ich sie mit diesem, diesem … allein gelassen habe. Ich will ihr Leben nicht zerstören, Britta!
Britta: Du bist aber drauf und dran, genau das zu tun, merkst du das nicht?
Linda: Ach lass mich doch endlich in Frieden, verdammt noch mal! (Sie hebt Schuhe und Strümpfe auf) Du willst mich einfach nicht verstehen.
Britta: Du irrst dich. Ich verstehe dich sehr gut. Ben wirfst du vor, dass er damals einfach abgehauen ist. Du unterstellst ihm, sich verantwortungslos aus der Affäre gezogen zu haben. Mal ganz abgesehen davon, seit wann er von Nina gewusst hat, und ich glaube ihm, will er jetzt versuchen, mit dir Verbindung aufzunehmen und sich seiner Verantwortung zu stellen. Und was machst du? Nichts anderes! Du bist drauf und dran, dein Leben einfach wegzuwerfen und das deines Kindes womöglich gleich mit! Du hast genauso vor, dich aus der Verantwortung zu stehlen und ich werde das nicht zulassen….
Linda: Du bist gemein! Ich habe dich immer für eine Freundin gehalten, aber jetzt merke ich, wie du wirklich bist, du fiese …
Aus dem Wald sind die Stimmen von Ben und Phil zu hören.
Phil: Du bist die ganze Woche hier und hast nicht einmal mit ihr gesprochen?
Ben: Ich sagte dir doch: Sie ist nie da gewesen! Jedenfalls hat ihre Mutter das gesagt.
Linda: Das ist Ben! (Sie läuft schnell in die andere Richtung weg)
Britta: Linda! Hör endlich auf, davonzulaufen. (Läuft ihr hinterher)
Ben und Phil betreten die Szene.
Phil: Aber sie hat gewusst, dass du her kommst, ja?
Ben: Wie denn? Wir hatten seit Jahren keinen Kontakt. Dabei wollte ich doch nur mit ihr reden, wollte es ihr erklären – und sie? Sie lässt sich verleugnen!
Phil: Du glaubst, sie ist zu Hause und will dich nicht sehen?
Ben: Was denn sonst? Wo soll sie denn die ganze Woche sein? Klar könnte sie weggefahren sein. Aber dann hätte ihre Mutter das ja so sagen können. – Sie hat mich nur angesehen wie das ultimative Böse. (setzt sich auf die Bank)
Phil: Wenn es stimmt, was du sagst, hat es aber wenig Sinn, hier rumzuhängen. Und … naja, die Wette hast du auf alle Fälle verloren.
Ben: Ach lass mich doch mit deiner blöden Wette zufrieden. Ich habe ganz andere Probleme. Auf alle Fälle bleibe ich erst einmal hier und kläre das Problem mit meiner Familie.
Phil: Klar, Familie! Die nichts von dir wissen will.
Ben: Ich kann Linda verstehen, du nicht?
Phil: Besser als du denkst. Ich würde dir jedenfalls nicht abnehmen, dass du erst vor ein paar Tagen von Nina erfahren und dich auf einmal so geändert hast. - Mensch, wer soll dir das glauben? Diese Linda tut gut daran, dir aus dem Weg zu gehen.
Ben: Ich weiß. Aber ich muss es trotzdem versuchen. In der vergangenen Woche habe ich viel Zeit zum Nachdenken gehabt.
Phil: Was sagt eigentlich deine Mutter zu der Geschichte?
Ben: Mutter glaubt mir natürlich. Aber sie macht sich auch Vorwürfe, dass sie mir nicht gesagt oder geschrieben hat, dass Linda ein Kind von mir hat.
Phil: Sie hat es also gewusst.
Ben: Natürlich. Von Anfang an. Linda hat ihr aber das Versprechen abgenommen, mir nichts zu verraten. Deshalb hat sie mir damals auch einreden wollen, Linda zu heiraten. Ich hab den Wink nur nicht verstanden.
Phil: Linda wollte es dir selber sagen. Und sie wollte, dass du von selbst zu ihr zurück kommst…
Ben: Mag ja sein. Aber jetzt, wo ich es will, finde ich keine Möglichkeit, mit ihr zu sprechen.
Phil: Und nun? Ist zwar ganz hübsch hier, aber ich weiß nicht so richtig, was du hier willst.
Ben: (geht auf den Steg) Ich weiß auch nicht. Ich hatte halt gedacht…, hier waren wir oft zusammen. Früher. Und hier habe ich ihr auch die Kette gegeben. (Er trägt sie jetzt um den Hals, zieht sie unter dem Hemd hervor)
Phil: Und du denkst, sie kommt deswegen ab und zu hier her. Um an dich zu denken, oder weil sie weiß, dass sie dich hier treffen kann, oder was?
Ben: Naja. Nein. Ich weiß auch, dass das Blödsinn ist. Aber wo soll ich sie denn sonst noch suchen?
Phil: Lass es doch einfach sein. Es bringt doch nichts. Schick ihr von mir aus eine Nachricht, dass du bereit bist mit ihr zu reden, dass du ihr alles erklären willst und was weiß denn ich – und dann lass sie einfach in Ruhe. Sie wird sich schon melden, wenn sie noch Interesse an dir hat.
Ben: Und wenn nicht?
Phil: Na, dann ist es auch gut. Biste aus allem fein raus – wie immer.
Ben: Es soll aber nicht so sein wie immer – diesmal nicht!
Phil: So kenne ich dich gar nicht. Aber was willst du machen? Wenn sie dich doch nicht sehen will…
Ben: Wenn ich wenigstens Britta erreichen könnte. Die hätte bestimmt eine Idee.
Phil: (verärgert) Britta… (dann, nachdenklich) Du erreichst sie nicht?
Ben Sie geht nicht ans Telefon, antwortet nicht auf meine Nachrichten… Ich habe keine Ahnung, was ich ihr getan habe.
Phil: Du auch nicht? Merkwürdig. Mir geht es genauso. Ich dachte, du wüsstest, wo sie ist.
Ben: (schüttelt den Kopf) Ich habe keine Ahnung.
Phil: Sie wollte mit mir kommen, nachdem sie die letzte Nacht bei dir geblieben ist.
Ben: Wie jetzt, mit dir kommen?
Phil: Hat sie es dir nicht erzählt? Sie wollte die Nacht bei dir bleiben und dann…
Ben: Dann hat sie diesen Brief von Linda gefunden, ihn gelesen, und ist weggerannt. Wohin, weiß ich nicht. Und seitdem habe ich sie weder gesehen noch gesprochen.
Phil: Das wird immer seltsamer. Ist gar nicht ihre Art, sich nicht zu melden. Ob ihr etwas passiert ist?
Ben: Ich weiß nicht. Glaube ich eigentlich nicht. Aber allein der Gedanke…
Phil: Und sie hat nichts gesagt?
Ben: Sie hat nur so etwas gesagt wie, dass sie hofft, nicht Recht zu haben, sonst wäre ich noch schlimmer dran als so schon, oder so ähnlich. Dann hat sie mich einfach stehen lassen und ist weg.
Phil: Sie ist über Nacht nicht bei dir gewesen? Ihr habt nicht noch mal…
Ben: Nein! Ist doch aber auch egal. Was interessiert es dich?
Phil: So wie ich das sehe, sollten wir uns mehr Sorgen um Britta machen, als darum, diese Linda zu finden.
Ben: (nachdenklich) Vielleicht hast du Recht. Aber wo sollen wir anfangen zu suchen? Was können wir tun?
Phil: Am besten, du rufst sie noch mal an.
Ben: (nimmt sein Handy und ruft an) Nichts. Wie immer. Nur die Mailbox. (steckt das Handy ratlos ein)
Phil: Das ist gar nicht gut.
Ben: (setzt sich neben Phil auf die Bank) Ob wir die Polizei informieren sollen?
Phil: Und was willst du denen sagen? Dass sich unsere Freundin nicht mehr meldet und wir ihr doch aber gar nichts getan haben? So etwa: Hallo, wir haben beide mit demselben Mädchen geschlafen und jetzt will sie von keinem von uns mehr etwas wissen?
Ben: (springt auf und starrt Phil an) Wir haben beide …. Sag mal, spinnst du?
Phil: Oh, ich dachte…, ich…, Sie hat dir nichts gesagt, oder?
Ben: Sag, dass das nicht wahr ist… (holt mit der Faust aus)
Phil: (geht zu Seite) Lass das, wir haben jetzt ein größeres Problem, denke ich.
Ben: Klar. Du bist kein Problem. Dich mach ich so fertig… (will erneut auf Phil losgehen)
Phil: Mann, das war doch nur so dahingesagt. Ich habe noch gar nicht mit ihr geschl…
Ben: Ach so? Klar. Nur so mal gesagt. Und du denkst, das nehme ich dir ab? Mann, und ich hab dich mal für meinen Freund gehalten!
Phil: Und selbst wenn es so gewesen wäre, dir liegt doch nicht wirklich etwas an Britta. Du hast doch nur dein Vergnügen gesucht. Du hast so was wie sie gar nicht verdient!
Ben: Und woher willst du das wissen? (Etwas ruhiger) Wenn das mit dem Brief nicht gewesen wäre, hätte ich mir echt überlegen können, mit ihr länger zusammen zu sein. Sie ist eine tolle Frau.
Phil: Was weißt du schon davon.
Ben: Mehr als du denkst jedenfalls.
Phil: Wie du meinst. Sag mal, weißt du wo Britta wohnt?
Ben: Keine Ahnung. Sie hat´s mir mal gesagt, aber ich hab es mir nicht gemerkt.
Phil: Mist. Ich habe keine Idee, wo wir anfangen sollen, sie zu suchen.
Britta kommt zurück. Sie telefoniert.
Britta: (ins Handy) Hör jetzt endlich auf, Linda! Ben muss hier irgendwo sein. Ich finde ihn, das kannst du wissen. Und entweder du redest mit ihm oder ich sage ihm alles. Ich hätte nie gedacht, dass du so… (sie bricht mitten im Satz ab und starrt die beiden Jungs an) Ich hab‘ ihn gefunden. (Legt auf und steckt das Handy weg)
Ben: Du?
Phil: Was machst du denn hier?
Britta: (zu Phil) Und wieso bist du hier?
Phil: Ich…, Wir haben…, also… - ich wollte sehen, wie es Ben geht…
Ben: Was wolltest du mir sagen?
Britta: Wie?
Ben: Du hast vorhin zu Linda gesagt, - warte mal, woher kennst du eigentlich Linda? Ich verstehe gerade gar nichts mehr.
Mariam: Linda ist eine meiner - Freundinnen, wir… Nein, das soll sie dir lieber selber erzählen.
Phil: Und wieso gehst du nicht an dein Handy? Ben versucht dich seit einer Woche zu erreichen. Und ich auch. Mit dieser Linda telefonierst du und uns lässt du abblitzen.
Ben: Wir haben uns echt Sorgen gemacht.
Phil: Ich habe mir Sorgen gemacht! Ben hatte den Kopf mit Linda voll.
Ben: (zu Phil) Du bist echt blöd!
Britta: (nimmt die Hände der beiden Jungen) Jetzt beruhigt euch mal! Es tut mir Leid, dass ihr euch wegen mir gesorgt habt. Ich habe mein Handy im Wohnheim liegen lassen, als ich hier her gefahren bin. Das habe ich erst unterwegs gemerkt. Aber ich hatte ja noch das andere einstecken. Das für die Gruppe.
Phil: Was für ´ne Gruppe?
Britta: (geht etwas zur Seite) Darüber will ich nicht sprechen. Es gibt Dinge, die ihr nicht unbedingt wissen müsst…
Ben: Ach nein?
Phil: Ich auch nicht?
Britta: Vielleicht später, Phil.
Phil: Warum habe ich immer das Gefühl, dass du mich nicht in dein Leben hineinlassen willst?
Britta: Doch. Das schon, aber… Es ist so schwierig …
Phil: Ich denke, du liebst mich, Britta. Da kannst du doch keine Geheimnisse… (nimmt Britta in den Arm)
Ben: Wieso? Was soll das jetzt? Du bist doch mit mir zusammen, oder?
Britta: (ohne sich aus Phils Armen zu lösen) Ich wollte es dir letztens schon sagen. Aber dann kam das mit dem Brief dazwischen. Ich war so durcheinander, als ich begriffen habe, dass Linda...
Ben: (lässt sich auf die Bank sinken) Du und Phil. Wieso denn? Ich hatte gehofft, dass mit dir würde was richtig Gutes.
Britta: Nein, Ben. Das wäre nicht gut gegangen. Ich bin genauso wie du gewesen in den letzten vier, fünf Jahren. Ich wollte einfach mein Leben genießen und einfach nichts auslassen. Naja, und dann lief mir Phil bei dir über den Weg. Da habe ich begriffen, dass es so nicht weitergehen kann. Ich muss wieder zu mir selbst finden. Von den anderen verlange ich das ja auch. Und in Phil habe ich den Menschen gefunden, der dabei an meiner Seite sein soll. Es tut mir leid Ben, ich wollte dir niemals wehtun.
Ben: Hast du auch nicht, Britta. Aber was meinst du mit wieder zu dir selbst finden?
Phil: Sie hat sich halt etwas austoben wollen. Wie du. Das ist wahrscheinlich so. Außer bei mir.
Britta: (löst sich von Phil und geht in Richtung Steg) Das ist es nicht. – Ich habe vor knapp fünf Jahren ein neues Leben begonnen. Nachdem mein Altes abgelaufen war. Damals, ich war mit der Schule noch nicht ganz fertig, ging es mir auf einmal immer schlechter. Ich habe gedacht, dass ich überarbeitet, gestresst bin. Und dann erfuhr ich beim Arzt, dass ich Leukämie hatte. Blutkrebs also. Ich war total geschockt. Die Zeit danach war der reine Horror. Keiner konnte mir sagen, ob ich die Krankheit überstehen würde. Mein Freund hat sich von mir getrennt. Keiner meiner Klassenkameraden, keine Freundin hat sich damals mehr bei mir gemeldet. Sie wollten es alle nicht zu nah an sich herankommen lassen. So, als sei diese Krankheit ansteckend. Vielleicht hatten sie auch nur Angst, den Tod in ihre Nähe zu lassen. Jedenfalls war das das Schlimmste daran für mich. Ich weiß nicht, was ich ohne meine Ärzte und ohne meine Eltern getan hätte.
Phil: Britta…
Ben: Aber du hast es geschafft? Du bist gesund geworden?
Britta: (nickt) Ja, Ben. Ich habe es geschafft. Verlangt aber bitte nicht, dass ich euch erzähle, was ich in der Zeit durchgemacht habe. Auf alle Fälle habe ich danach für mich beschlossen, dass mein altes, solides Leben zu Ende gegangen ist, und ich neue Wege gehen werde. Und, wie gesagt, ich habe alles mitgenommen, was sich mir an Vergnügungen anbot.
Phil: Aber du hast auch die Schule abgeschlossen und ein Studium begonnen.
Britta: Genau. Darauf wollte ich nicht verzichten. Und nach einer Weile habe ich mir neue Freunde gesucht.
Ben: An der Uni meinst du.
Britta: Auch. Aber das tut nichts zur Sache.
Linda, die kurz vorher im Hintergrund erschienen ist, tritt auf sie zu.
Linda: Oh, doch, Britta, das tut es. Wenn du schon dabei bist, allen alles zu erzählen, dann richtig. Und auch, was dich betrifft!
Britta: Linda!?
Linda: (zu den beiden Jungs gewandt) Sie hat ein Forum im Internet eröffnet. Eine Gruppe Menschen zusammengebracht, die das gleiche oder Ähnliches wie sie durchgemacht haben. Vor allem Jugendliche, die teils selbst von einer tödlichen Krankheit betroffen sind, oder deren Eltern oder Freunde es sind.
Britta: Entschuldige, ich wollte vorhin doch nur…
Linda: (geht zu ihr und nimmt ihre Hände) Ich weiß, Britta. Du hast nichts falsch gemacht. Zwischen uns ist alles in Ordnung. Aber ich bestimme trotzdem selbst, mit wem ich wann und über was spreche.
Ben: (erhebt sich und will zur Linda gehen) Linda, ich wollte…
Linda: (hebt abwehrend die Hand) Bleib, wo du bist, Ben. Vielleicht rede ich mit dir, aber nicht jetzt.
Britta: Deswegen bist du doch hergekommen, oder? Um mit Ben zu sprechen.
Linda: Und wenn ich einfach nur bei dir sein wollte?
Britta: Bei mir?
Linda: Du bist der einzige Mensch, den ich immer um mich haben will. Außer Nina natürlich. Ich liebe Dich!
Phil: Nicht du auch noch!
Linda: Du bist die Einzige, bei der ich immer Halt finde, der ich alles sagen kann und mit der ich mein Leben teilen würde.
Britta: Und deshalb hast du mir den wichtigsten Teil deines Lebens jahrelang verschwiegen?
Linda: Nicht mehr böse sein deswegen, bitte!
Britta: Ich bin nicht böse. Nur enttäuscht.
Ben: (zu Phil) Wir sollten die Mädchen reden lassen. Komm.
Phil: Ich will endlich wissen, woran ich bin. Mal will sie mit mir gehen, dann will sie schnell noch mal mit dir ins Bett und jetzt das! Ich mache das nicht mehr mit. Sie soll sich endlich entscheiden.
Britta: Ich werde mich entscheiden, Phil. Wann auch immer ich es für richtig halte!
Phil: Dann mach mal. Ich warte. (Er hebt einen flachen Stein auf und tut so, als ob er ihn über die Wasseroberflächen hüpfen lassen will, lässt es dann aber sein) Aber nicht mehr lange!
Linda: (zu Phil) Du bist so ein ganz Kluger, was? So einer, bei dem alles seine Ordnung haben muss. Einer, der ständig sein Leben aufräumt. Alles und jeden in Fächer verpackt und genau weiß, was er wann getan hat und noch tun muss. Der Menschen danach beurteilt, in welches seiner Fächer sie sich einordnen lassen.
Ben: Nein, ganz so ist er nicht, Linda. Dann wäre er nicht mein Freund.
Linda: Was mischst du dich ein? Mit dir rede ich nicht! Du bist von einer noch viel schlimmeren Sorte! Dich interessieren andere Menschen gar nicht. Du nimmst, was du brauchst und wirfst weg, was dich stört. Was dich belasten könnte, ignorierst du einfach.
Phil: Lass mal, Ben. Ich kann für mich selbst sprechen. Und so ganz Unrecht hat sie ja gar nicht. Für mich ist wirklich wichtig, dass man ein Ziel hat, auf das man hinarbeitet und ja, ich will nun mal wissen, woran ich bin. Wenn das für sie (blickt zu Linda) bedeutet, dass ich Fächer packe, dann kann sie das ja so sehen. Ich denke, jeder muss sich sein Leben so einrichten, wie es für ihn am besten passt.
Britta: Und schlecht ist das auch nicht, Linda. Ich habe in den letzten Jahren erfahren, wie schwer es ist, spontan zu sein und sein Leben zu genießen, aber es trotzdem zu planen und zu strukturieren.
Linda: Ach ja?
Britta: Ja. Ganz man selbst zu sein und doch immerzu an Andere zu denken funktioniert halt nicht.
Ben: Und deshalb hast du dich Phil zugewendet?
Britta: Genau. Ich habe mich in letzter Zeit immer mehr zu Phil hingezogen gefühlt. Er kann mir dabei helfen, wieder Ordnung in mein Leben zu bringen. Und ich kann ihm zeigen, wie schön es sein kann, auch mal zu machen, wozu man gerade Lust hat.
Phil: Das kann ja was werden. Programmiertes Chaos!
Britta: Ich würde es gerne ausprobieren. Mit dir.
Linda: Und mich im Stich lassen. Jetzt. Ausgerechnet jetzt.
Britta: Ich lasse dich doch nicht im Stich! Und außerdem könntest du ja jemanden haben…
Linda: (zeigt auf Ben) Den etwa? Vergiss es! Der kommt nicht mehr in meine Nähe! Eher sterbe ich.
Britta: Linda!
Phil: Heh, sachte, Mädchen.
Ben: Beruhige dich doch. Wenn du nichts mehr von mir wissen willst, kann ich das verstehen.
Linda: Nichts verstehst du, Ben. Gar nichts. (Linda fällt weinend in Brittas Arme)
Britta: Entschuldige, Linda. Ich wollte dir nicht wehtun. Wenn du dich gegen Ben entschieden hast – Du wirst wissen, was du machst.
Linda: Kannst du nicht bei mir bleiben? Mit dir zusammen schaffe ich es vielleicht. Aber mit Ben? Ich will ihn einfach nicht mehr sehen müssen.
Phil: Das war doch mal deutlich. Komm, Ben.
Ben: Ich hab‘ dir schon mal gesagt: Ich bleibe. Und ich werde mit ihr reden. Ob sie will oder nicht. Schließlich geht es hier nicht nur um sie, oder?
Britta: Nicht nur. Aber viel mehr, als du denkst, Ben.
Ben: Wie meinst du das?
Britta: (schüttelt den Kopf) Wenn du wirklich zu ihr stehen willst, übernimmst du eine Last, die du vielleicht nicht tragen kannst. Noch kannst du gehen. Aber … (sie sieht zu Phil) wenn er mit dir geht, bleibe ich hier. Ich kann Linda nicht allein lassen.
Ben: Warum denn nicht? Sie wird schon zurechtkommen. Sie will es doch so.
Britta: Sie will es nicht, Ben, glaub‘ mir einfach.
Ben: Dann bleibe ich bei ihr. Ich will das endlich in Ordnung bringen. Auch, wenn es mir schwer fallen wird. Du gehst mit Phil.
Linda: Britta… nicht!
Britta: (löst sich langsam von Linda) Versuche es, Linda. Sprich mit Ben. Erzähle ihm alles. Hörst du? Alles! Gib ihm eine Chance. Bitte! Und du kannst sicher sein: ich bin immer für dich erreichbar. Ich werde immer deine Freundin sein. Wenn du es willst. Und wenn du mich brauchst, komme ich, so schnell ich kann, zu dir.
Linda: Geh nicht weg!
Britta: Aber mit dir leben, deine Liebe erwidern, so wie du es dir wünschst – das kann ich nicht. Glaub‘ mir, es tut mir unendlich leid, dass ich dir so wehtun muss – gerade jetzt – aber…. damit habe ich nicht gerechnet. Sonst hätte ich schon viel eher mit dir darüber gesprochen. Und … du hättest es verstanden….
Ben: Ich will für dich und Nina da sein, Linda. Ich will es jedenfalls versuchen. (führt sie zur Bank hinüber)
Linda sinkt neben Ben auf die Bank. Beide blicken in verschiedene Richtungen. Langsam verlassen Britta und Phil die Bühne)
Linda: Aber ich liebe sie doch.
Ben: Ich doch auch.
Beide schweigen.
Linda: Was willst du dann hier?
Ben: Was?
Linda: Wenn du sie liebst, und nicht mich.
Ben: Das ist - anders. Ich weiß nicht, ob ich mit ihr für immer hätte glücklich sein können. Aber im Moment vermisse ich sie genauso wie du.
Linda: Glücklich sein – Niemand kann das für immer. Wenn man sich wirklich liebt, muss man auch zusammen traurig sein können.
Ben: Oder böse aufeinander?
Linda: Auch das vielleicht. Aber nicht lange.
Ben: Bist du böse auf mich?
Linda: Böse, nein. Das nicht. Nicht mehr. Aber ich vertraue dir nicht mehr. Und von der Liebe, die ich für dich mal empfunden habe, ist gleich gar nichts mehr da.
Ben: (dreht sich zu ihr um) Wirklich nicht? Auch nicht ganz tief in deinem Herzen? (Linda zuckt nur mit den Schultern) Ich habe auch gedacht, da wäre nichts mehr. Aber als ich das dann in der Hand hielt (zieht die Kette hervor) – da wusste ich ganz genau, dass es bei dir anders ist.
Linda: Träum weiter. - Du hast dich nur schuldig gefühlt, weil du meinen Brief dann doch noch gelesen hast. Weil du von Nina erfahren hast. Aber…
Ben: Nein. Den Brief hatte ich da noch nicht gelesen. Ich wollte ihn wegwerfen. Aber das Gefühl, ihn lesen zu müssen, war viel zu stark.
Linda: Und wenn schon. Ist mir völlig egal. Du kannst gehen. Geh zu Britta oder zu sonst irgendeiner, die dich haben will. Aber bleib weg von mir und Nina!
Lange Stille.
Ben: Linda?
Linda: Ja?
Ben: Woher kennst du Britta eigentlich?
Linda: (dreht sich zu ihm um) Wie: Woher? Aus dem Forum natürlich.
Ben: Irgendwie erschließ sich mir das nicht ganz. Was hast du mit diesem Forum zu tun? (Linda antwortet nicht) Dein Vater lebt schon lange nicht mehr, das weiß ich. Ist deine Mutter krank? Oder ein Freund?
Linda: Weder noch, Ben. Du verstehst es einfach nicht. (Sie steht auf, geht ein Stück zur Seite und wendet sich ab)
Ben: (nach dem er einen Moment geschwiegen hat) Du? – Linda! Nein!
Er geht zu ihr, legt seine Arme von hinten um sie. Linda wehrt ihn diesmal nicht ab. Nach einer Weile dreht sie sich zu ihm um, tritt etwas zurück ohne sich ganz von ihm zu lösen.
Linda: Deswegen wollte ich diese Woche nicht mit dir reden. Ich hab nicht gewusst, wie ich es dir sagen soll. Und – ich hatte Angst, dass ich daran zerbrechen würde. Ich war so lange stark Ben, dass musst du mir glauben. Aber jetzt, jetzt kann ich nicht mehr.
Ben: Aber es kann doch noch alles gut werden, Linda. Bei Britta…
Linda: Bei ihr ist es was Anderes. Sie hatte Glück. Ich werde das nicht haben. Das weiß ich.
Ben: Du musst daran glauben, dass alles gut wird, Linda! Schon wegen Nina. Ich…
Linda: Ach Ben, du hast ja keine Ahnung, wie ich geglaubt habe, wie ich gehofft habe und wie ich gekämpft habe! Aber irgendwann weiß man einfach, dass es vorbei ist. Das nichts mehr geht.
Ben: Du hast aufgegeben? Ich kann das nicht glauben. Du warst immer so….
Linda: So Naiv, ja. Aber das ist so lange her, Ben. Wir waren Kinder!
Ben: Es muss doch eine Chance geben, es muss einfach.
Linda: Eine ganz geringe Chance habe ich vielleicht noch. Ich soll nächste Woche noch mal in die Klinik kommen, was ganz Neues ausprobieren. Aber ich weiß nicht, ob ich da überhaupt hin gehen werde.
Ben: Doch. Du wirst hin fahren. Und ich komme mit.
Linda: Nein!
Ben: Du kannst machen, was du willst, Linda. Ich hatte in der letzten Woche viel Zeit zum Nachdenken, und ich weiß, dass ich dich nicht wieder im Stich lassen werde. Ich will für dich da sein. Und für Nina, wenn ich darf.
Linda: Du machst es mir wirklich schwer, Ben. Es gibt nichts, was uns an einander bindet…
Ben: Außer einem Kind?
Linda: Bitte, hör auf! Es ging die ganze Zeit ohne dich. Und es wird auch ohne dich weitergehen.
Ben: (nach einer Weile) Ich liebe dich, Linda. Ich weiß, das klingt aus meinem Mund total bescheuert, aber ich habe das jetzt erst begriffen. Es gibt für mich nur noch eine Frau, mit der ich zusammen sein will, Und die will ich nicht gleich verlieren. (Er will ihr die Kette umlegen, doch Linda schiebt seine Hände zurück, hält sie aber fest)
Linda: Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich nach diesen Worten gesehnt habe, Ben. Auch wenn das lange, lange her ist und ich sie dir jetzt noch nicht wirklich abnehme. Aber…
Ben: Kein Aber mehr, Linda. Gib uns eine Chance. Bitte! Bitte, versuche es wenigstens.
Linda: Okay. Komm mit. Aber nur, wenn du es wirklich ehrlich meinst. Und eines musst du mir versprechen: Egal, wie ich mich entscheide, du akzeptierst es!
Ben: Lass uns gemeinsam entscheiden. Bei dieser Sache und danach dann immer.
Linda: Wenn es ein Nachher geben sollte, können wir das versuchen, Ben. Dann bekommst du deine zweite Chance. Aber ob es dieses Nachher gibt, entscheide ich allein. Ob dir das gefällt oder nicht.
Beide schweigen eine Weile
Ben: Linda?
Linda: Ja.
Ben: Darf ich Nina mal sehen? Wenigstens ein Bild von ihr. Du hast doch bestimmt welche auf dem Handy.
Linda sieht ihn einen Moment lang an und sucht dann auf ihrem Handy ein Bild heraus. Dann gibt sie Ben das Handy. Ben betrachtet das Foto schweigend.
Ben: Sie ist hübsch. Sie sieht genauso aus wie du in dem Alter.
Linda: Und sie ist genauso wild und eigenwillig wie du.
Ben: Wir würden uns gut verstehen.
Linda: Verstehst du, dass ich genau davor Angst habe? Ihr beiden zusammen und ich werde nicht mehr da sein, um auf euch aufzupassen.
Ben: Du wirst da sein. Ganz bestimmt. (Blickt noch einmal auf das Handy und reicht es an Linda zurück) Schickst du es mir?
Linda: Na gut. ich wollte das niemals machen, aber… (sie sendet ihm das Bild) …ich glaube, du hast ein Recht darauf.
Ben: Weiß sie überhaupt von mir?
Linda: Sie hat noch nie nach dir gefragt.
Ben: Du hast ihr nichts von uns erzählt?
Linda: Was hätte ich ihr erzählen sollen? Wie hätte ich ihr erklären sollen, dass ihr Papa sie nie hat sehen wollen?
Ben: (gibt Linda die Kette) Wenn du sie nicht haben willst, gib sie bitte Nina und erzähl ihr von mir. Egal was. Aber sie soll wissen, dass es mich gibt und dass ich an sie denken werde. Und vielleicht, eines Tages…
Linda: Vielleicht. Vielleicht. Ich möchte nur wissen, woher du die Hoffnung nimmst, dass ich dir jemals erlaube, sie zu sehen.
Sie geht auf den Steg hinaus und will die Kette in den See fallen lassen. Ben holt sie ein und hält ihren Arm fest.
Ben: Ich weiß, dass du dich nicht aufgeben wirst. Und ich bin mir sicher, dass du alles tun wirst, um Nina nicht alleine zu lassen. Nicht, so lange noch die kleinste Chance besteht!
Linda: Das ist gemein. Das weist du. (Sie hält inne und legt dann die Kette in seine Hand. Eine Weile umschließt sie seine Hand mit ihren beiden) Ich werde sie ihr nicht geben, Ben.
Ben: Aber…
Linda: Nichts aber. Das wirst du schön selbst machen. (Sie nimmt ihr Handy und fängt an, eine Nachricht zu tippen)
Ben: Was machst du?
Linda: Ich schreibe an meine Mutti, dass sie dich reinlassen soll. Du hast eine Stunde, um Nina die Kette zu geben… um mit ihr zu sprechen, zu spielen oder so. Eine Stunde, Ben. Aber versprich mir bitte Eines: Sag ihr nicht, dass du ihr Papa bist!
Ben: Was? Wieso nicht?
Linda: Kein Wort! Ich verlasse mich auf dich. Bitte! Jedenfalls nicht heute Abend. Irgendwann soll sie es wissen. Aber nicht heute. Auf keinen Fall! (Sie schiebt ihn in Richtung Wald) Und nun geh, deine Zeit läuft. Geh, Ben. Geh zu Nina.
Ben: Und du?
Linda: Geh einfach. Das ist alles zu viel gewesen für mich heute. Ich brauche jetzt etwas Ruhe. Und etwas Zeit zum Nachdenken. Ich komme später nach. (Leiser, zu sich selbst) Vielleicht.
Ben geht, zuerst zögernd, dann schneller, ab. Linda geht neben dem Steg ins Wasser und schaut eine Weile starr in eine bestimmte Richtung. Dann hockt sie sich hin und lässt ihre Hand durch das Wasser gleiten.
Linda: Es ist schon richtig kalt. (Sie richtet sich auf und starrt wieder in eine Richtung) Und es wird bald dunkel.
Nachdem sie eine Weile so gestanden hat, verlischt das Licht.
ENDE
Texte: Matthias Günther
Bildmaterialien: Matthias Günther
Cover: Matthias Günther
Tag der Veröffentlichung: 12.11.2018
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