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Jayden hatte während des am Abend planmäßig stattfindenden Spieles Paul wie nebensächlich von ihren Feststellungen informiert und um Hilfe bei der Aufklärung gebeten. Der Freund hatte etwas herumgedruckst, dann aber versprochen, Nachforschungen anzustellen. Seit dem waren Tage vergangen und die NIGHTOWL hatte das nächste Sprungtor fast erreicht, doch Paul hatte sich nicht gemeldet.
Ter’sa Ra befand sich in der Zentrale und beobachtete argwöhnisch alle Anzeigen während Patrica sich in der Bordküche zu schaffen machte. Einmal in der Woche ließ sie es sich nicht nehmen, aus den Vorräten selbst etwas zuzubereiten statt das Essen durch die Küchenautomaten aufbereiten zu lasse. Sonntag nannte sie das. Jayden hatte sich etwas hingelegt und Art saß gelangweilt in seiner Kabine vor der Multimediakonsole. Er war genervt. So langsam hatte er genug von diesem Flug durch diese Unendlichkeit. Seit dem sie in diesem Arkor-System unterwegs waren, hatten sie, abgesehen vom Wack der ODYSSEUS 3, kein Raumschiff zu Gesicht bekommen, kein Funksignal empfangen und nur hin und wieder einen trostlosen Planeten auf den Bildschirmen vorbeiziehen sehen. Selbst für ihn, der mal gut hatte mit Langeweile umgehen können, war das eindeutig zu einsam. Deshalb hatte er sich daran gemacht, das Typenerkennungsprogramm zu verbessern und mit Daten von bekannten Raumschiffen zu ergänzen. Er versuchte, Angaben zu Besatzung, Geschichte, Bewaffnung und der dergleichen zu erfassen, musste aber bald schon feststellen, dass ihm nicht genügend Informationen in seinen Datenbanken zur Verfügung standen.
Ein heller Signalton riss ihn aus seinen Grübeleien. Auf dem Bildschirm der Mediakonsole erschien eine Anweisung: „Alle in die Zentrale – Nachricht von Paul“.
Art sprang auf. Sie hatten tagelang vergebens auf einen Anruf von Paul gewartet. Auch ihrem Spiel war er das erste Mal seit Jahren fern geblieben. Selbst Jayden war in den letzten Tagen die Unruhe anzumerken gewesen.
Art traf gleichzeitig mit Pat in der Zentrale ein, Jayden kam nur wenige Augenblicke später. „Als Paul sich heute nicht gemeldet hat, hab‘ ich mal nach meinen Nachrichten gesehen und dabei das gefunden“, begann er und schaltete die Ansicht seines Arbeitsplatzmonitors auf den Hauptbildschirm.
Ein zweidimensionales Bild von Paul erschien. „Was ist das denn?“, wollte Ter‘sa wissen.
„Warte, es kommt noch besser“, meine Jayden. „Das ist eine Videobotschaft – eine uralte Nachrichtenform, die so heute längst keiner mehr nutzt, sowas Ähnliches wie ein uralter, zweidimensionaler Film.“
Gespannt sahen sie zu, wie Pauls Bild sich zu bewegen und zu sprechen begann. Der Ton war nicht ganz klar, aber verständlich.
„Ich habe heute versucht, deine Fragen betreffs Odysseus List zu beantworten, Jerome“, begann Paul und alle vier sahen sich verständnislos an. „Naja, ich hab‘ dazu das Auskunftssystem meiner Firma benutzt, was natürlich bemerkt wurde.“ Paul nahm umständlich seine altertümliche Brille ab und begann sie zu putzen, während er weitersprach. „Das wird wohl nicht ohne Folgen bleiben. Ich denke, du wirst eine Weile auf meine Spielteilnahme verzichten müssen. Leider muss ich dir auch sagen, dass ich absolut nichts herausbekommen habe, außer dass es irgendwie um einen antiken Krieg ging. Keine Ahnung, ob es das war, was du wissen wolltest.“ Der Paul auf dem Bild schob sich seine Brille wieder auf die Nase und nickte. „Auf alle Fälle grüße Art ganz herzlich von mir, wenn ihr euch mal wieder online begegnet und sag ihm, dass er ruhig mal wieder in die Gary-Vineman-Bar gehen soll. Ist zwar ganz schön teuer da, aber immer noch besser, als daheim rumzusitzen.“ Er sah ziemlich blass aus, als er hinzusetzte: „Ich hoffe, die Firma geht nicht zu sehr mit mir ins Gericht und ich kann mich bald mal wieder melden!“ Dann erlosch das Bild auf dem Monitor.
„Versteht ihr das?“, fragte Jayden. „Ich hab‘ keine Ahnung was er damit sagen will!“
Ter’sa drehte sich um und sah Jayden an. „Eines ist mal sicher: Er wollte uns helfen und hat das Computersystem seine Behörde genutzt. Dabei wurde er erwischt und nun wollen sie ihn vor Gericht stellen, denke ich. Vermutlich denken sie, er hat für jemanden spioniert.“
Jayden nickte. „Er spricht nur mich und dann auch mit meinem Spielernamen an, um euch zu schützen, falls sie die Nachricht finden, das ist klar. Wenn sie über mich Nachforschungen anstellen, finden sie eh‘ heraus, dass ich es mit den Gesetzen manchmal nicht so genau nehme. Aber was soll das, wenn er nichts herausgefunden hat und was bedeutet der ganze andere Unsinn?“
„Das ist kein Unsinn“, meine Art und sank in seinen Sessel. „und Paul hat irgendwas herausgefunden. Er kann es nur nicht sagen. Mit mir hat er das Spielchen schon mal gemacht, eine Nachricht als Rätsel zu verpacken. Das meint er mit der Gary-Vineman-Bar.“
Patricia nickte. „Genau. Er hat für uns über die ODYSSEUS 3 recherchieren sollen. Was will er uns also mit der List sagen? Darum ging es doch gar nicht. Hier scheint aber die Lösung zu liegen. Sagt das einem von euch was: Odysseus – List – Krieg?“ Sie ging aufgeregt in dem kleinen Raum auf und ab. „Alles andere war dann nur noch Ablenkung vom Thema, glaube ich. Und irgendwas sagt mir, dass ich diese Worte schon mal gehört habe.“ Verzweifelt sah sie die anderen an. Ter’sa und Jayden schüttelten nur ratlos die Köpfe. Art aber ließ seine Finger bereits über die Eingabetasten seiner Konsole gleiten. Dann grinste er. „Na bitte, da ist es ja! Odysseus war ein Held aus der Antike Griechenlands. Seine List hat was mit dem Krieg um die Stadt Troja zu tun. Diese konnte viele Jahre nicht eingenommen werden. Dann schlug Odysseus vor, sich scheinbar von den Mauern der Stadt zurückzuziehen. Die Bewohner von Troja stellten dann am Morgen fest, dass ihre Feinde zwar verschwunden waren, aber ein riesiges Holzpferd dagelassen hatten. Das zogen sie als Kriegsbeute in ihre Stadt hinein. Was sie nicht wussten war, dass sich Odysseus mit seinen Männern in dem Pferd versteckt hatte. In der Nacht kletterten sie dann heraus, überwältigten die Wachen und öffneten das Stadttor. Damit konnte Troja dann eingenommen werden.“
„Schön und gut, aber was soll uns das sagen?“ Ter’sa sah ihn fragend an und ihre roten Augen blitzten. Art zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Irgendwas daran kommt mir aber seltsam bekannt vor.“ Er stand jetzt auch auf und begann im Raum hin und her zu laufen, wobei er mit den Zeigefingern seine Schläfen massierte.
Pat sah ihn an und meinte dann: „Ich glaube, Paul hat nicht einfach so deinen Namen erwähnt. Es muss irgendetwas mit dir zu tun haben, vielleicht kannst nur du die Lösung des Rätsels wissen und Jayden nicht. Deshalb soll er dich grüßen, verstehst du?“
Art nickte. „Schon möglich. Aber was könnte das sein? Was kann ich wissen, dass ihr nicht wisst?“
Nachdenklich schwiegen alle vier.
„Spezialwissen“ sagte Ter’sa plötzlich. „Kann es was mit deiner Arbeit zu haben? Deinem Hobby? Mit Programmen?“
Art sah sie an und musste plötzlich lächeln. „Na klar, ich glaub‘ ich weiß, was Paul meint. Muss bloß noch was prüfen.“ Mit diesen Worten ließ er sich wieder an seinem Arbeitsplatz nieder und gab ein paar wenige Worte ein. Dann nickte er. „Das ist es, glaube ich“, meinte er dann.
Er sah die anderen grinsend an. „Als die Computertechnik noch ganz in den Anfängen steckte und solche Nachrichten“, er wies auf den inzwischen schwarzen Hauptmonitor, „der allerneuste Schrei waren, machten sich gewitzte Programmierer manchmal einen Spaß daraus, sogenannte Trojaner zu entwickeln. Das waren kleine Programme, die man in einem anderen Programm oder einer Datei wie dieser Nachricht eben, verstecken und auf einen anderen Computer schicken konnte, ohne dass es der Empfänger bemerkte. Damit konnte man dann allerlei Unfug oder auch riesigen Schaden auf dem fremden Rechner anrichten. Inzwischen macht das aber keiner mehr, weil die Schutzsysteme so ausgereift sind, dass das eh‘ nicht mehr funktionieren würde.“
Jayden sah ihn nachdenklich an und trat auf ihn zu. „Bist du sicher, dass es nicht funktionieren würde?“, fragte er. „Wenn heute jemand so einen altertümlichen Trojaner basteln und übersenden würde, bekämen das unsere modernen Sicherheitsprogramme überhaupt noch mit?“
Jetzt war es Art der ihn verstört und zweifelnd ansah. Dann ließ er sich langsam wieder in seinen Sessel fallen. „Vielleicht auch nicht“, sagte er leise. „Mit den alten Dingern rechnet gar keiner mehr. Vielleicht würde unsere heutige Software sowas Simples tatsächlich nicht mehr erkennen. Oder man sucht gar nicht mehr danach, weil‘s ja eh‘ keiner mehr programmiert.“ Er ließ seine Finger wieder über die Tasten flitzen. „Einen Versuch ist es auf alle Fälle wert“, meinte er dann. „Aber wie finde ich das Ding?“ Er sah Jayden an. „Ich brauche die Videodatei und etwas Zeit.“
Sie sahen im interessiert und gespannt zu, ohne zu verstehen, was er da tat. Immer tiefer taste er sich in Pauls übersendete Datei vor. In Abständen knurrte er vor sich hin. „Wo bist du bloß, wie hat er dich getarnt?“ Ab und zu lehnte er sich zurück und starrte verzweifelt auf den Monitor. „Was gehört hier nicht her? Wo steckst du nur?“ Je länger er suchte, desto verzweifelter wurde er. Das konnte doch nicht sein. Irgendwo musste Paul was versteckt haben. Er schwitzte vor Anspannung und weil er sich beobachtet fühlte.
Dann, endlich nach mehr als einer Stunde, lächelte er plötzlich. „Da bist du ja, mein Schatz!“ Art nickte. „Das muss es sein.“ Er sah die anderen an. „Das Schwierigste wäre geschafft. Jetzt nur noch … Moment … und: da ist es!“
Er stand lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
„Was ist das?“ wollte Jayden wissen.
Art zuckte die Schultern. „Werden wir gleich sehen. Auf alle Fälle ist es wohl kein Programm, wonach ich zuerst gesucht habe, sondern ein Paket aus mehreren winzigen Dateien.“
„Dann pack das Paket doch mal aus“, meinte Patricia und zwinkerte ihm zu.
„Manche Pakete sollte man lieber nicht öffnen.“ Jaydens Stimme klang etwas beunruhigt. „War das nicht auch was mit einer griechischen Göttin oder so?“
Als er das völlige Unverständnis in den Gesichtern der anderen sah, setzte er hinzu: „Wie war das vorhin mit dem Schaden, den man auf dem anderen Rechner anrichten kann?“ Doch als er die Blicke der anderen sah, schüttelte er den Kopf. „Kann mich ja auch irren.“
Art hatte inzwischen weitergearbeitet und eine Reihe kleiner Symbole auf den Bildschirm gezaubert. „Das sind Tabellen und Schriftstücke“, sagte er dann leise. „Berichte, Bewertungen, Anweisungen, Statistiken, wie es aussieht. Das ganze trägt die Bezeichnung „COLONI.“
„Was soll das denn sein?“ fragte Patricia und Art zuckt die Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Am besten, wir sehen uns an, um was für Dokumente es sich handelt.“
Während er eine Datei nach der anderen öffnete und studierte, wurde er immer blasser und schloss immer öfter die Augen. Irgendwann erhob er sich und verließ die Zentrale, ohne ein Wort zu sagen oder die Dateien zu schließen.

Tage später hatten sie ohne größere Probleme das Sprungtor ins Perista-System passiert. Art stand in der Zentrale und starrte in die Finsternis hinaus. Er hatte die Hände hinter den Gürtel seines Raumanzuges geschoben und rührte sich auch nicht, als er das Zischen der Tür vernahm.
Jemand stellte sich ganz nah hinter ihn. Art wusste, dass es Patricia war. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Sie schien seit einigen Tagen immer zu spüren, wenn er allein sein wollte und brachte sich ausgerechnet dann in seine Nähe.
„Sie werden im Wega-System auftauchen, Art.“ Sie legte ihre Arme um ihn und er schob sie weg. „Wir können sie warnen, glaub mir.“
„Und dann?“ Art starrte weiter hinaus in die Dunkelheit. Die AURORA 4 kann nicht auf der Erde landen, das ist dir bewusst, oder? Sie würde beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen, Pat.“ Er schüttelte den Kopf und sie wusste, dass er mit den Tränen kämpfte, die in ihm aufstiegen. „Sie haben sie ganz bewusst so konstruiert.“ Er flüsterte es.
„Auf Wegion 3 könnte sie landen, hat Ter’sa gesagt“ meinte Pat. Art nickte. „Und die Menschen müssten unter der Erde hausen, wie die Weganer.“ Er schluckte. „Das würde Jessie gefallen!“ Dann drehte er sich um und sah Pat in die Augen. „Sie liebt Bäume, Pat, und Wiesen, auf denen die Kinder herumtollen können!“
„Wir nehmen Jessie und die Kinder mit zurück“, sagte Pat sanft, doch Art schüttelte den Kopf. „Nein, Pat. Selbst wenn wir hier zusammenrücken, sie würden das nicht wollen. Denn da sind noch über zweitausend andere, die dieses Glück nicht hätten!“ Er schwieg einen Moment und setzte denn leise hinzu: „Und überhaupt, ich hatte das nie vor.“
Patricia starrte ihn an. „Aber wieso?“, stammelte sie.
Art zuckte die Schultern. „Ich wollte zu ihnen“, sagte er dann. „Ich hätt’s euch schon noch gesagt. Später. Ich wollte nur zu ihnen und dann mit ihnen fliegen.“
„Du hättest gar keinen Platz in einer der Tiefschlafkabinen gehabt“, wandte Pat ein. Art lächelte schwach. „Irgendjemanden hätte ich schon davon überzeugt, mit euch zurückzufliegen. Von der Besatzung oder den Kolonisten, so hatte ich wenigstens gehofft.“
„Und jetzt?“
Art ging ganz langsam zu seinem Platz und ließ sich in den Sessel sinken. Dann vergrub er das Gesicht in den Händen. „Ich glaube nicht, dass das noch eine Rolle spielt.“
Seine Worte waren kaum zu verstehen, doch Pat wusste, was er sagen wollte.
„Zwanzig Prozent“, sagte sie leise und ging auf ihn zu. „Zwanzig Prozent, Art. Warum sollte ausgerechnet die AURORA 4 dabei sein?“
Art zuckte die Schultern. „Ich weiß es eben.“ Seine Stimme bebte. Pat legte die Hände auf die Rückenlehne seines Sessels. „Achtzig Prozent der Schiffe sind wahrscheinlich an ihrem Bestimmungsort angekommen, Art. Das ist doch positiv, oder?“
Er drehte sich zu ihr um und ihre Hände rutschten herunter. „Du sagst es, Pat: Wahrscheinlich!“ Er stand auf und ging wieder zum Fenster hinüber.
„Bei gerade mal vierzig Prozent aller Kolonieschiffe weiß man genau, dass sie ihren Zielplaneten definitiv erreicht haben. Und davon fallen zehn Prozent unter die allerersten. Die, die in Systemen gelandet sind, die mit Sprungtoren untereinander verbunden sind!“
Patricia nickte langsam. Es war ungeheuerlich. Bei den von Paul übersendeten Dateien handelte es sich um geheime Dokumente, aus denen klar hervorging, dass die Behörden die Menschen über Jahrhunderte bewusst belogen hatten. Art hatte in den Unterlagen Beweise dafür gefunden, dass man in den Nachrichtensendungen die glückliche Ankunft von Kolonieschiffen auf dem Zielplaneten verkündet hatte, obwohl man in Wahrheit keine Ahnung vom Verbleib des Schiffes hatte oder sogar von einer Katastrophe wusste, wie im Fall der ODYSSEUS 3.
Aus den jährlichen Berichten der Behördenmitarbeiter ging auch hervor, dass sogar die Ursache seit vielen Jahrzehnten bekannt war. Die Sprungtore der Aldebaraner hatten Schwachstellen. Immer wieder geschah es, dass Raumschiffe, nicht nur die großen Kolonieschiffe, nach dem Eintritt in ein Sprungtor einfach verschwanden. Keiner konnte sagen, ob sie irgendwohin geschleudert, oder zerstört worden waren. Für keine der beiden Möglichkeiten hatte man bisher irgendwelche Anhaltspunkte oder Beweise gefunden.
Ter’sa war nicht glücklich darüber gewesen, als Art ihr erzählt hatte, dass die Gerüchte, die er wenige Tage zuvor noch für Märchen gehalten hatte, tatsächlich wahr waren.
Es stimmte auch nicht, dass man den Flug des Schiffes bis zur Landung auf dem Zielplaneten technisch verfolgte und die Kolonisten nach der Landung entscheiden konnten, ob sie den Kontakt zum Mutterplaneten aufrecht erhalten wollten oder nicht. Vielmehr fungierten die Sprungtore auch als Funkzellen und nach dem Durchqueren des letzten Tores brach auch die Funkverbindung zum Schiff ab.
Die einzigen Quellen, die verlässlich bestätigten, dass ein Kolonieschiff sicher angekommen war, waren unbemannte Sonden, die durch den Kapitän des Schiffes nach der Landung zurückgeschickt wurden. Diese strahlten bei Erreichen des ersten Sprungtores Signale aus, die dann zur Erde weitergeleitet wurden.
Die Mitarbeiter einer kleinen Spezialabteilung der EKB waren ausschließlich mit der Datensammlung und der Steuerung von Informationen über den Verbleib der Kolonieschiffe beschäftigt. Das Ergebnis war ernüchternd: Für die Behörde war nur wichtig, dass die Anzahl der Erdbewohner nicht weiter stieg. Was mit den Kolonisten geschah, nachdem sie das erste Sprungtor hinter sich gelassen hatten, interessierte recht wenig. Aus den Berichten der Mitarbeiter wurden fast ausschließlich Falschinformationen erstellt und den Medien zur Berichterstattung übergeben.
Wie eben im Falle der ODYSSEUS-Schiffe. Nach den Problemen beim Flug der ODYSSEUS hatte man der Öffentlichkeit verschwiegen, dass man bereits zwei weitere Transporter zu Kolonieschiffen umgebaut hatte. Obwohl zu befürchten war, dass beide Schiffe schon beim ersten Raumsprung in Schwierigkeiten geraten würden, wich man keinen Schritt vom geplanten Ablauf ab. Im Abstand von zwei Jahren starteten beide Schiffe mit jeweils zweitausend Siedlern. Die ODYSSEUS 2 verschwand nach dem Passieren des Sprungtores zum Arktor-System spurlos.
Die Besatzung der ODYSSEUS 3 hatte zwei Jahre später noch ein Notsignal gesendet, da das Schiff nach dem Raumsprung zu zerbrechen drohte. Wenig später war das riesige Kolonieschiff abgestürzt und auf Arcorio zerschellt. Die Behörde brach daraufhin das ODYSSEUS-Programm ab, verschwieg die beiden Vorfälle der Öffentlichkeit aber komplett.
Ein ähnliches Unglück ereignete sich Jahre später mit dem Kolonieschiff PERSEUS 8. Nach dem zweiten Sprungtor geriet das Schiff mitten in eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Aldebaranern und Polygoniern. Die PERSEUS 8 wurde getroffen und stürzte auf einen nicht besiedelbaren Planeten im Gemma-System. Obwohl man davon ausgehen konnte, dass niemand überlebt hatte teilte man wenige Monate später in den Medien mit, dass die PERSEUS 8 das letzte Sprungtor hinter sich gelassen habe und in die Tiefschlafphase eingetreten sei. Niemand schöpfte Verdacht, da über die Details der Reiseroute ja nicht berichtet wurde. Gekrönt wurde das Ganze mit der etwa vierzig Jahre später verfassten Meldung, die PERSEUS 8 sei sicher an ihrem Bestimmungsort angekommen.
Die Berichte der Experten belegten außerdem, dass man von vornherein damit rechnete, dass etwa zwanzig Prozent aller gestarteten Kolonieschiffe ihren Zielplaneten sowieso niemals erreichen würden.
Patricia ließ sich in Arts Sessel sinken und sah traurig zu ihm hinüber. Seine Entscheidung, zu seiner Familie zu wollen, hatte sie stärker getroffen, als sie zuvor erwartet hatte und es hatte sie einige unruhige und ja, auch verweinte, Nächte gekostet, bis sie sich damit abgefunden hatte. Aber das Art seine Familie auf diese Weise verlieren sollte, das wünschte sie ihm keineswegs. Seit sie den Inhalt der von Paul übermittelten Dateien studiert hatten, war Art schweigsam und in sich gekehrt. Pat hatte manchmal das Gefühl, dass er seine Umwelt gar nicht mehr wahr nahm.
„Art, wir treffen auf die AURORA 4, ich bin mir ganz sicher!“ Das war Ter’sa Ra, die wenige Augenblicke vorher, unbemerkt von den Beiden anderen, die Zentrale betreten hatte. „Wir haben ungefähr zwei Wochen Vorsprung, wenn wir an der Wega-Station eintreffen.“ Sie trat hinter ihn und legte sanft ihre Arme um ihn.
Art hob den Kopf und sah ihr Gesicht sich neben seinem in der Scheibe spiegeln. Er kämpfte mit sich. In den letzten Wochen und Monaten war sie es gewesen, zu der er sich stets hingezogen fühlte. Dazu kam seine stetig wachsende Angst vor dem Verlust seiner Familie. Bei jedem Raumsprung hatte er Jessie vor sich gesehen, immer deutlich und klar, als bestimme sie gesamtes Denken. Die Kinder hatten stets nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Außerdem hatte er immer wieder Szenen aus seiner Kindheit vor Augen gehabt. Das alles verwirrte ihn. Dazu kam, dass er noch immer oft das Gefühl hatte, dass Ter‘sa ihn nicht so richtig ernst nahm. Seinen Annährungen war sie stets gekonnt und diplomatisch aus dem Weg gegangen. Und das mit dem gleichen Glitzern in den Augen, als wenn sie ihn auf den Arm nehmen wolle. Und genau das brachte ihn immer wieder völlig aus der Fassung.
„Alles wird gut, Art“, sagte Ter’sa dann leise. „Wir bringen das zu Ende, was wir angefangen haben. Egal, was passiert!“ Er wollte gerade die Augen schließen und sich zurücklehnen, als er in der Fensterscheibe deutlich ihre roten Augen aufblitzen sah und eine ungeheure Wut ergriff ihn plötzlich.
Er drehte sich ruckartig um und stieß sie an den Schultern von sich weg. „Du sollst mich nicht immer für dumm verkaufen“, schrie er sie an. „Du sollst, verdammt noch mal, meine Gefühle akzeptieren und mich endlich mal ernst nehmen, Weganerin! Ich hasse es, wenn du mich so ansiehst!“ Dann drehte er sich wieder zum Fenster um und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah nicht, wie Ter’sas Augen sich mit Tränen füllten, und sie zur Tür stürzte. Sie schob Jayden, der kurz zuvor die Zentrale betreten hatte, unsanft zur Seite und drängte sich an ihm vorbei hinaus.
Jayden sah ihr nach, atmete tief durch und trat dann neben Art. Auch er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte hinaus in die Dunkelheit. Ohne den Freund anzusehen sagte er dann leise: „Sie nimmt dich ernst, Art. Sehr ernst, glaub‘ mir.“
„Woher willst du das wissen?“ Art’s Stimme zitterte.
„Ich weiß es eben.“


Sie hatten ihr Ziel, die Raumwerft im Wega-System, erreicht. Seit fast vier Monaten waren sie unterwegs und noch immer warteten sie vergeblich auf eine Nachricht von Paul Hartmann.
Art starrte wie so oft in den letzten Wochen teilnahmslos auf seinen Monitor. Stunden um Stunde zogen die Gesichter fremder Menschen an ihm vorbei, die er nie zuvor gesehen hatte. Mit den Bildern der Menschen auf der AURORA 4 hatte es angefangen, dann hatte er Besatzung und Kolonisten der ODYSSEUS 3 auf seinen Bildschirm gerufen und dann die aller bisher verschollenen Kolonieschiffe.
Sie hatten inzwischen mehrere Raumsysteme durchquert, ohne dass sie wieder in Kampfhandlungen verwickelt worden wären. Im Perista-System hatten sie ihre Treibstoffvorräte aufgefüllt und sich für ein paar Stunden auf der Station aufgehalten. Sie hatten es genossen, der Enge an Bord, wenn auch nur für kurze Zeit, entfliehen zu können. Nur Art war auf der NIGHTOWL geblieben.
Ter’sa schüttelte den Kopf bei diesen Gedanken. Art war seltsam geworden, einsam und mürrisch. Sie hatte versucht, ihm so oft und so weit wie nur möglich aus dem Weg zu gehen und fühlte sich nicht gerad gut dabei. Sie hätte mit ihm reden sollen, ihm einige Dinge erklären. Aber andererseits verspürte sie immer weniger Lust dazu, je schwieriger er wurde.
Sie wandte den Blick von ihm ab und sah auf ihren Monitor. Vor ihnen lag, einem gigantischen Rad gleich, die Station. Sie atmete tief durch, sah noch einmal ihre Gefährten der Reihe nach an und betätigte dann mit versteinerter Miene die Sprechtaste.
„NIGHTOWL an WEGA 1“, sagte sie laut und deutlich. „NIGHTOWL an WEGA 1, erbitten Landeerlaubnis!“
Über der Konsole vor ihr tauchte das dreidimensionale Abbild eines Mannes in unbestimmbarem Alter auf. Ein schmales Gesicht, mit schräg stehenden, dunkelroten Augen und langem, blauweißem Haar, das von einem silbernen Stirnband zurückgehalten wurde.
„Landerlaubnis für NIGHTOWL wird nicht erteilt!“ Seine Stimme klang hart und unerbittlich. „Ich wiederhole: Landeerlaubnis für NIGHTOWL wird nicht erteilt!“
Art schrak aus seiner Lethargie auf und blickte entsetzt zu Ter’sa hinüber. Auch Pat verzog verständnislos das Gesicht. Jayden stand auf und ging nach vorn, in den Sichtbereich der Kamera. Er verschränkte die Arme vor der Brust und fragte, deutlich ungehalten: „Was soll das, Starcommander? Wieso wird uns hier die Landung verweigert?“
Der Ander legte den Kopf leicht auf die Seite und schien ihn direkt in die Augen zu sehen. Ein samtiger, tiefroter Schimmer lag in den seinen. „Warum nicht, Kapitän Romanescu? Denkt ihr, um euretwillen lädt sich die WEGA 1 Ärger mit ihren stärksten Freunden auf?“
„Freunde?“, fauchte Jayden. „Ihr meint die Aldebaraner? Seit wann habt ihr Angst vor denen, Starcommander?“
„Seit zwei ihrer Schiffe durch die NIGHTOWL beinahe in den Tod getrieben worden wären.“ Seine Augen blitzten kurz auf.
„In den Tod? So ein Unsinn! Wir sind es, die unterlegen gewesen wären, wenn die Aldebaraner Ernst gemacht hätten, dass wisst ihr!“
Der Starcommander nickte leicht. „Wir lassen euch dennoch nicht hier landen. Die Sicherheit der Station steht auf dem Spiel.“
Art und Pat waren dem Dialog fassungslos gefolgt. Sollte alles umsonst gewesen sein? Patricia bebte vor Zorn. Aber sie hatte das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Sie hörte, wie Art aufstand und nach vorn ging. Mach ja keinen Unsinn, dachte sie und erhob sich ebenfalls. Dann fiel ihr Blick auf Ter’sa. Die junge Weganerin saß zurückgelehnt und scheinbar völlig entspannt auf ihrem Stuhl und musterte den Starcommander mit einem Blick, der Pat eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Art war neben Jayden getreten. Er ballte die Fäuste, holte tief Luft und wollte gerade losbrüllen, als Jayden und Patricia beinahe gleichzeitig die Hände auf die Arme legten. „Bleib ruhig, Art“, sagte Jayden leise. „Ich regle das!“
„Du?“ Art sah ihn mit hasserfülltem Gesicht an. „Wegen dir stecken wir doch in diesem Schlamassel! Du warst es doch, der den Feuerbefehl gegeben hat! Ich will auf diese Station. Wenn es sein muss auch ohne euch! Ich will, ich werde…“
„Du, Art Karas“, sagte der Weganer auf einmal, „du hast die Waffen gegen unsere Freunde gerichtet. Und deshalb wird gerade dir das Betreten der Station untersagt!“
In dem unbeschreiblichen Schrei, den Art daraufhin ausstieß, ging Patricias Frage fast unter. „Woher kennt ihr Art Karas, Starcommander?“ Und dann ging ihr auf, was sie vorhin schon so verwirrt hatte. „Und wieso wisst ihr eigentlich von dem Kampf mit den Aldebaranern?“
Der Starcommander richtete seine dunkelroten Augen auf ihr Gesicht. „Das ganze Universum spricht davon. Die NIGHTOWL wird niemals mehr sicher sein!“
Patricia schnappte nach Luft. „Warum haben sie ausgerechnet euch davon erzählt? In der Raumstation im Perista-System wusste niemand etwas davon.“
Der Weganer nickte wieder. „Wie gesagt. Die Aldebaraner sind unsere Freunde. Glaub‘ mir, Pat, eure Mission ist hier zu Ende!“
Das verschlug selbst Patricia die Sprache. Schweigend starrte sie auf den bei diesen Worten in sich zusammensinkenden Art, der von Jayden mit aller Kraft gestützt wurde.
Dann hörte sie plötzlich Ter’sas ruhige, helle Stimme. „Jetzt ist’s aber genug, Vater! Du musst es immer übertreiben!“
Der Weganer blickte jetzt zu ihr hinüber und ein breites Grinsen zog sich über sein schmales Gesicht. „Spielverderberin“, knurrte er. Ter’sa musste ebenfalls lächeln und sagte dann laut: „NIGHTOWL erbittet Landeerlaubnis, WEGA 1!“
„Landeerlaubnis für NIGHTOWL erteilt!“ Der Starcommander hob eine Hand und hielt zwei Finger noch oben. „Positionslichter für Hangar 2 sind aktiviert.“ Dann blickte er zu den anderen, die diese Szene sprachlos und bis auf Jayden, der ebenfalls grinste, mit offenen Mündern verfolgt hatte und meinte: „Herzlich willkommen auf der WEGA 1, ihr Erdenbürger.“

Starcommander Ben’dict Ra erwartete seine Gäste in seinen privaten Räumen. Der Empfangsraum stellte eine halbkreisförmige Halle dar, an deren Wänden sich sieben angedeutete silberfarbene Säulen nach oben reckten und in einem Punkt über der Eingangstür zusammenliefen, was dem Raum die Atmosphäre eines gotischen Gewölbes gab. In den Seiten der Säulen waren Beleuchtungselemente integriert, die den Raum in verschiedenen Farben erstrahlen lassen konnten. Zur Begrüßung seiner Gäste hatte der Starcommander gelbliches, an die irdische Sonne erinnerndes Licht ausgewählt.
Der Raum selbst war sparsam möbliert. Eine halbrunde Sitzgruppe, nach weganischem Stil sehr hoch und weniger weich gepolstert, als das auf der Erde üblich war, davor der im Boden versenkbare Tisch sowie auf der anderen Seite des Raumes ein altertümlich anmutendes Stehpult, in das die Kommunikationskonsole eingelassen war, bildetet die einzigen sichtbaren Einrichtungsgegenstände.
Der Fußboden war mit einem an rissige Steinplatten erinnerndes Muster versehen und aus gut verborgenen Lautsprechern an den Wänden klang leise, sanfte Musik, die dem Raum eine feierliche Atmosphäre verlieh.
Dass sich zwischen den Säulen mehrere Türen mehrere Türen in Nebenräume führten, blieb Besuchern wohlverborgen.
Während seine Besucher empfangen und in ihre Räumlichkeiten gebracht wurden waren, hatte auch der Starcommander die Gelegenheit genutzt, um die Uniform gegen eine zivile dunkelblaue Kombination aus Tuchjacke und –hose zu tauschen und sein langes Haar zu einem Zopf zu flechten.
Gerade als er zu Sitzgruppe hinüber gehen wollte, wurde die Eingangstür geöffnet und die vier Gäste traten ein. Auch sie hatten die modischen und bequemen Bekleidungsstücke angezogen, die er in den Unterkünften für sie hatte bereitlegen lassen.
Ter’sa ging auf ihren Vater zu und umarmte ihn. Er drückte sie herzlich an sich und gab dann Jaden die Hand. „Ich bin glücklich, dass ihr wieder hier seid“, sagte er und sah dann zu Art und Patricia. „Und auch ihr seid herzlich willkommen, Art und Part!“ dann erst reichte er ihnen die Hand zum Gruß.
„Woher kennen sie uns, Commander Ra?“ wollte Pat wissen. „Langsam, alles zu seiner Zeit.“ Ben’dict Ra hob abwehrend die Hände. „Setzt euch erst mal.“ Er wies auf die Sitzgruppe und fügte hinzu: „Ich möchte euch erst etwas zu Trinken anbieten, bevor ich euch alles erkläre.“ Mit diesen Worten betätigte er eine Taste der Konsole des Stehpultes und kaum hatten die Gäste Platz genommen, was bei Art und Pat etwas merkwürdig aussah, da ihre Füße nicht mehr den Boden berührten, da öffnete sich die Eingangstür erneut und ein Servierrobot brachte gläserne Becher mit einer hellblau schimmernden Flüssigkeit sowie eine Schüssel mit kleinen Gebäckteilen, wie sie Art und Pat so noch nie gesehen hatten.
Das Getränk schmeckte leicht süßlich, doch als Art wissen wollte, um was es sich dabei handelte, meinte Ter’sa mit einem ernsten Blick ihrer dunkelroten Augen, dass er das bestimmt nicht wirklich wissen wolle. Art verschluckte sich fast und stellte den Becher ab. Er musste sehr entsetzt ausgesehen haben, den die beiden Weganer und zu seinem Unglück auch Jayden begannen laut und ausgiebig zu lachen. Patricia sah verwirrt zu ihnen hinüber. Doch ehe sie etwas sagen konnte, war es Jayden, der sie und Art aufklärte. „Das“, er wies auf den Becher vor sich, „ist gegorener Saft von blauen Hallkrautbeeren. So etwa das Gleiche wie unser Wein, nur nicht so stark alkoholhaltig und viel süßer.“ Art wollte etwas erwidern, aber Jayden winkte ab und sah Patricia an. „Dass Art nicht bemerkt hat, wenn Ter’sa ihn etwas veralbern wollte, oder“, er sah zu Ben’dict, „oder ihr Vater“, setzte er dann fort, „wundert mich nicht. Aber du hättest es bemerken müssen, Pat. Du solltest dich doch den ganzen Flug über fortbilden, was fremde Völker im Universum betrifft.“
„Aber das sind doch keine fremden Völker“, wies Pat ihn zurück. „Das sind doch Menschen, genau wie wir!“
Jayden nickte. „Das schon, aber trotzdem unterschieden sich alle kolonisierten Völker auf Grund der Bedingungen, die sie auf ihren neuen Heimatplaneten vorfinden und auf Grund ihrer Entwicklung dennoch in manchen Dingen von uns. Das müsste dir klar sein, dachte ich.“
„Naja“, Patricias Stimme klang etwas kleinlaut, „ich habe eben nicht daran gedacht, mit dem nächstliegenden anzufangen. Aber…“
„Ist ja auch egal und halb so schlimm“, unterbrach Jayden sie. „jedenfalls habt ihr nicht gemerkt, wenn sie euch auf den Arm genommen haben und das war schon ganz schön lustig.“
„Du hast das die ganze Zeit gewusst?“ fragte Art und sah Jayden an. „Und mich immer wieder drauf reinfallen lassen?“
Jayden zuckte die Schultern. „Ist ja nichts passiert dadurch. Außer einmal, als du ihr ziemlich weh getan hast.“
Art atmete tief durch und auf einmal mischte sich Ter’sa in das Gespräch. „Jay hat ganz schön lange gebraucht, bis er mich wieder runter gekriegt hat. Aber er wollte auch nicht, dass ich es dir sage.“
„Dass eure Augen normalerweise so schön leuchten und nur, wenn ihr euch innerlich vor Lachen kaum halten könnt, dunkler werden?“ fragte Patricia.
„Das auch.“ Ter’sa sah Jayden in einer Art an, die alle anderen den Atem anhalten ließ. Doch ehe sie weitersprechen konnte, wandte sich Jayden an Ben’dict Ra. „Du wolltest uns was erzählen. Was weißt du über Pat und Art?“
Der Angesprochene lehnte sich in die Polster zurück und schüttelte den Kopf. Dann sagte er: „Also gut. Wenn ihr es unbedingt wissen wollt: Ich habe Nachricht von Paul Hartmann. Er hat vor zwei Tagen Kontakt mit mir aufgenommen, da er vermutet hat, dass ihr schon hier eingetroffen sein könntet.“
„Er ist frei?“ Glück und Hoffnung schwangen in Arts Stimme.
„Natürlich.“ Der Starcommander nickte. „Sie haben ihn eine Weile im Bürokomplex unter Arrest gestellt und jeden Kontakt zur Außenwelt untersagt, da sie ihn der Spionage für die Polygonier verdächtigten. Es ist ihm aber gelungen, ihnen klar zu machen, dass er durch Zufall auf Akten gestoßen ist, die nicht für ihn bestimmt gewesen sind. Da er nun aber mal davon wusste, hat ihn sein Chef in eben jene Abteilung versetzt, die mit diesen Akten zu tun hat.“
„Dadurch kann er noch weniger für uns tun, als vorher.“ Patricia nickte. „Er wird selbstverständlich genauestens überwacht und kann es sich nicht leisten, direkt Kontakt mit uns aufzunehmen.“
„Genau so.“ Der Starcommander stimmt ihr zu.
Sie schwiegen eine Weile und nippten an ihren Bechern. Dann unterbrach Art die Stille. „Was sollte das übrigens vorhin mit den aldebaranischen Freunden? Wenn ich das jetzt richtig verstehe, war das ihr Ernst, Commander, dass wir sie beinahe ihn den Tod getrieben hätten: Was heißt das?“
Auch Jayden sah Ben’dict Raa erwartungsvoll an. „Das habe ich übrigens auch nicht verstanden.“ Setzte er hinzu.
Wieder einmal blitzte es in der Mine des Starcommanders. „Paul hat einen seiner aldebaranischen Freunde eingeweiht und gebeten, euch zu beschützen. Er war sich nicht ganz sicher, ob und wie die Benutzung des geheimen Sprungtores durch die Behörden registriert wird und ob euch dadurch Gefahr droht. Und außerdem ist es so, dass selbst die Benutzung normaler Sprungtore nicht ganz ungefährlich ist.“
„Ja, sowas ähnliches hat er uns schon in Angelcity gesagt“, meinte Art. „Nur ist er nicht konkret geworden.“
„Das Problem ist“, begann Ben’dict Ra, „dass die Sprungtore der Aldebaraner nicht ganz so funktionieren, wie offiziell gesagt wird. Was genau da drin passiert, wissen ihre Erbauer scheinbar selbst nicht.“
Jayden nickte. „Es sind schon Kolonieschiffe auf unerklärliche Weise verschwunden oder gar zerstört worden, keiner weiß das so genau.“
„Nicht nur Kolonieschiffe“, sagte der Starcommander mit bewegter Stimme. Art und Pat sahen ihn gespannt an.
„Ich bin schon so oft durch diese Dinger geflogen“, begann Jayden, doch Ben’dict Ra unterbrach ihn.
„Kleineren Schiffen passiert nichts oder höchst selten. Aber je größer das Schiff …“ Er schwieg.
„Die aldebaranischen Kreuzer…“ Art stockte die Stimme.
„Sind ganz schön gigantisch. Und einer ging das Risiko ein, euch zu folgen, falls ihr auf der anderen Seite abgefangen werdet“ meinte der Starcommander. „Der andere hat zum Glück gewartet und ist dann abgedreht, als von dem ersten Kreuzer kein Signal mehr kam.“
„Er ist vorschollen?“ fragte Art.
Ben’dict nickte. „Ja, er war. Allerdings hat er Glück gehabt. Vor einer Woche etwa ist er stark havariert plötzlich im Andromeda-System aufgetaucht. Da haben die Aldebaraner gerade das neueste Tor in Betrieb genommen. Es soll mit dem Arktor-System verbunden sein.“
„Und die Besatzung?“ Paricia starrte Ben’dict Ra fassungslos an.
„Alle am Leben“, er nickte ihr zu. „Aber für sie sind nur Minuten vergangen, obwohl sie Monate unterwegs gewesen sein müssten.“ Sie schwiegen betroffen.
Ohne dass sie es bemerkt hatten, hatte ein paar Augenblicke vorher ein etwa zehnjähriger Junge durch eine Nebentür den Raum betreten und lehnte jetzt an einer der Säulen. Auch er hatte den Ausführungen Ben’dict Ras voller Spannung gelauscht. Patricia sah ihn zuerst. Was ihr zuerst auffiel, war sein Haar. Es war schulterlang und lockig, von schwarzer Farbe, aber mit weißen Strähnen durchzogen.
Der Junge machte einen ernsten und zugleich schüchternen, ja beinahe ängstlichen, Eindruck auf Patricia. Als seine Augen ihrem Blick begegneten, wand er sich sofort ab und sah zu Ter'sa hinüber. Dass Pat ihm ein sanftes Lächeln schenkte, nahm er schon gar nicht mehr wahr.
In diesem Augenblick öffnete sich die Seitentür direkt hinter dem Jungen und ein junger uniformierter Mitarbeiter der Station betrat den Raum. Er nahm den Jungen sanft bei den Schultern, woraufhin dieser erschrocken zusammenzuckte, und sprach leise, aber eindringlich auf ihn ein. Patricia konnte sehen, wie der Junge sich auf die Unterlippe biss und Tränen in seine Augen traten.
Gerade wollte der junge Mann ihn aus dem Raum führen, als Ben'dict Ra auf die Szene aufmerksam wurde. Er unterbrach sein Gespräch, erhob sich und winkte mit einer Hand den Mitarbeiter aus dem Raum und mit der anderen zugleich den Jungen zu sich heran. Der Junge stürmte zu ihm und schmiegte sich an den Starcommander. Auch Ter'sa und Jayden waren, kaum dass sie des Jungen ansichtig wurden, aufgesprungen.
Erstaunt beobachten Pat und Art die Szene. Ben'dict Ra schob den Jungen sanft von sich und sagte lächelnd: "Konntest doch nicht warten, was Tabor?" Und in das Kopfschütteln des Jungen hinein fügte er lächelnd hinzu: "Na dann los, hast ja lange genug auf sie warten müssen."
Im Gesicht des Jungen erschien das strahlendste Lächeln, das Pat je gesehen hatte. Dann schoss er auf Ter'sa zu und warf sich ihr in die Arme.
Art und Pat sahen sich entgeistert an. Damit, dass die hübsche Weganerin ein Kind haben könnte, hätten sie nie und nimmer gerechnet. Aber was dann kam, brachte sie völlig aus der Fassung: Der Junge löste sich aus der Umarmung seiner Mutter und schmiegte sich an Jayden, der sich hingehockt hatte und ihn ganz fest in seine Arme nahm.
Der Starcommander winkte Pat und Art zu sich und verließ mit ihnen den Raum durch eine andere Tür. "Das haben sie euch verschwiegen, denke ich" stellte er im Gehen fest. .Jassen wir ihnen ein paar Augenblicke und gehen wir in mein Arbeitszimmer. Die drei finden uns dann schon."
Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, nahmen sie auf den noch weitaus unbequemeren Sitzgelegenheiten vor seinem Schreibtisch Platz und der Starcommander klärte sie über das eben Gesehene auf.
Ter'sa Ra hatte als junge Wissenschaftlerin in der Konstruktionsabteilung der Raumwerft im Wega­System gearbeitet, als sie Jayden kennenlernte. Ben'dict Ra war nicht wirklich einverstanden gewesen mit der Beziehung seiner Tochter zu dem jungen Schmuggler, der damals noch als Copilot auf dem Schiff seines Vaters flog. Nachdem Jayden damals das kleine Transportschiff NIGHTOWL aufgebracht hatte, entwarf Ter'sa für ihn verschiedene Schmuggelverstecke. Als das später durch einen Zufall bekannt wurde, verlor sie ihren Arbeitsplatz auf der Werft. Jayden nahm sie daraufhin in seine Besatzung auf. Nach der Geburt ihres Sohnes vor zehn Jahren nahm sie dann aber wieder einen Job in der Werft an. Jayden war nach wie vor oft viele Monate unterwegs, kam dann für ein oder zwei Wochen, manchmal auch nur Tage, nach Hause und flog wieder davon.
Vor etwa mehr als einem Jahr etwa war Ter'sa dann in die Technische Abteilung der Raumwerft von Ers entsandt wurden, wo sie ein halbes Jahr aushelfen sollte. Dem Jungen hatte Ter'sa die Strapazen von vier Monaten Hin- und vier Monaten Rückflug nicht zumuten wollen und ihn bei seinem Großvater auf der Station gelassen.
Jayden, der sowieso oft im erdnahen Raum unterwegs war, hatte ihr angeboten, sie mit der NIGHTOWL nach Hause zu bringen.
Genau zu dieser Zeit erreichte ihn Patricias Nachricht und er brachte seine eigentliche Besatzung auf einem Transportschiff, das gerade unterwegs zur WEGA 1 war, unter, damit er neben Ter'sa auch Patricia und Art mitnehmen konnte.


Der kleine Aufenthaltsraum der WEGA 1 hatte sich gelehrt und langsam zog Ruhe ein. Sie standen an der drei Seiten des Raumes einnehmenden Scheibe und starrten in das All hinaus. Die riesige Sonne überzog alles mit ihrem Schleier aus dunkelrotem Samt. Im Gegensatz zu den meisten Systemen, die Art und seine Freunde durchquert hatten, war das der Wega voller Dynamik. Einige der Planeten, nicht nur WEGION 3, waren besiedelt und nicht alle Einwohner dieses Systems waren menschlichen Ursprungs. Außer der Raumwerft gab es hier auch eine große Handelszentrale, weshalb hin und wieder fremde Schiffe am Fenster vorbei zogen.
Sein Herz war fast geborsten in den Wochen, die sie hier auf die AURORA 4 gewartet hatten. Sehnsucht und Angst hatten es fast zerrissen. Aber auch die Ungewissheit, wie Jessie und die Kinder reagieren würden, wenn sie ihn hier wiedersahen.
Seit die Techniker vor zwölf Tagen die Meldung gebracht hatten, dass die AURORA 4 das letzte Tor passiert hatte und auf dem Weg zur Station war, hatte Art immer wieder hier gestanden und wie gebannt in die Unendlichkeit geblickt.
Wenn er jetzt ganz nah an die Scheibe herantrat und nach unten sah, konnte er den gigantischen Rumpf des Kolonieschiffes sehen, das vor ein paar Stunden angelegt hatte. Es war so gewaltig, dass es in keinen Hangar der Station passte. Aber um Treibstoffvorräte aufzunehmen, reichte die Verankerung mit der Station. Über eine mobile Schleuse hatten die Kolonisten die Möglichkeit erhalten, noch ein letztes Mal eine Station zu betreten und mit Menschen zu sprechen, bevor sie in einen Jahrzehnte dauernden Tiefschlaf versetzt werden würden.
Wenn sie irgendwann erwachen, befinden sie sich in einem System, das vermutlich nie wieder ein anderer Mensch erreichen wird, dachte Art. Sie werden auf sich selbst gestellt sein, ihr Leben leben und ihren Kindern eine neue, unfertige Welt übergeben. Und so wird sich das Generation um Generation fortsetzen.
Art war hierher, an den Rand des Universums sozusagen, geflogen um noch einmal mit Jessica zu reden. Und nun hatten sie, seit sie sich vorhin gegenüber gestanden hatten, so gut wie noch kein Wort gesprochen.
Jamie und Janine hatten sich ängstlich an Caspar geschmiegt, als sie Art gesehen hatten. Das hatte Art die letzte Hoffnung genommen, die ihm verblieben war. Wie oft hatte er sich in der Vergangenheit ausgemalt, dass die Kinder glücklich auf ihn zustürmen würden und ihn bitten würden, sie mit zurückzunehmen, oder aber mit ihnen zu fliegen.
Doch so wütend Art noch vor einem halben Jahr darüber geworden wäre, so ruhig blieb er jetzt. Er hatte ihnen "einen guten Flug und viel Glück" hinterhergerufen, als Caspar die Kinder an die Hand nahm und mit ihnen aus dem Raum ging. Nur Jamie hatte sich noch einmal umgedreht und in seinen Augen hatten Tränen geglitzert. Art hatte sich auf die Unterlippe beißen und die Augen schließen müssen. Es hatte so weh getan!
"Du bist verrückt, Art Karas" wiederholte Jessica einen Satz, den sie schon vor Minuten ausgesprochen hatte. Ihre Stimme bebte, als sie hinzusetzte: "Du machst es uns schwerer als notwendig."
Art nickte leicht, sah Jessie nicht an. "Ich hab' gedacht", fing er an. "Das du uns zurückgewinnen kannst?" unterbrach sie ihn. "Hast du das wirklich geglaubt?"
Art stützte seine Hände an die Scheibe, spürte die Kälte des Kunststoffes und nahm sie in sich auf. "Ja, daran habe ich geglaubt, Jessie." Er sprach leise und gefasst. "Am Anfang. Aber dann, als ich die Coloni-Dateien studierte, habe ich es mit der Angst zu tun bekommen. Mit panischer Angst um euch. Du kannst dir nicht vorstellen", er unterbrach sich und schluckte heftig.
„Doch ich kann, Art." Jetzt drehte sie sich zum ihm und griff nach seinen Händen. Er entzog sich ihr nicht. „Was glaubst du denn, was in mir vorging, als ich mich entschloss, den Kindern diesen Flug zuzumuten? Denkst du, ich wäre mir nicht bewusst gewesen, was ich ihnen antue, Art?" Sie sah ihn lange an, doch er starrte noch immer hinaus und erwiderte ihren Blick nicht. ,,Ja, das glaubst du", setzte sie dann hinzu und schüttelte den Kopf. „Du musst mich hassen, Art. Und glaube mir, ich habe das selbst manchmal getan. Ich kann verstehen, wenn du mich für ein Monster hältst, dass seine Kinder opfert, um ein freies, einfaches Leben führen zu können."
Art drehte sich mit einem heftigen Ruck zu ihr um. „Das ist nicht wahr, Jessica." Seine Stimme war heiser und jetzt sah er ihr tief in die Augen. Diese Augen, er könnte sie verfluchen. „Ich liebe Dich! Noch nie ist mir das so bewusst geworden, wie in den letzten Monaten. Und ich habe mir Sorgen gemacht."
„Du hattest Angst, uns zu verlieren", stellte Jessica fest. „Das bricht dein Leben aus der Bahn, Art. Aber du hast uns schon lange verloren. Es ist dir nur nicht bewusst gewesen. Jedenfalls nicht so. Und glaube mir: Dein Leben wird sich nicht ändern."
Art schloss für einen Moment die Augen und bemerkte dann erst, dass sie noch immer seine Hände hielt. Wärme ging von ihnen aus und erfüllte ihn.
„Das ist es nicht, Jessie", sagte er dann fest und sah sie an. „Irgendwie war mir von Anfang an klar, dass ich euch nicht zurückgewinnen werde. Auch wenn ich mir das immer vorgemacht habe. Entweder mit euch zurück oder weiterfliegen. Völlig egal. Aber mit euch zusammen wollte ich sein."
Er schwieg einen Moment und setzte dann fort: "Aber inzwischen ist es anders. Ich habe panische Angst gehabt, ihr würdet gar nicht hier ankommen und dann ... Ach, es ist alles so verdammt schwer zu erklären, Jessica."
„Wieso hätten wir denn nicht hier ankommen sollen?" Sie hatte den Kopf etwas auf die Seite gelegt und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Art konnte kaum an sich halten. Wie gerne hätte er sie jetzt in die Arme genommen.
„Besser, du weißt es nicht", meinte er dann. Doch Jessica ging, ohne Art loszulassen, zur Sitzecke, die ihnen am nächsten stand und zog ihn vorsichtig auf das Polster. Art ließ es geschehen.
“Was ist los, Art?" Ihre Stimme war sanft und weich und hing wie ein Hauch im Raum. Das war es gewesen, was Art damals so an dem jungen Mädchen aufgefallen war, als sie sich kennenlernten.
„Es gibt jede Menge Kolonieschiffe, die die Reise durch die Sprungtore nicht überstanden haben", begann Art. Und dann berichtete er ihr ausführlich über die Coloni-Dateien. Je länger er sprach, umso leichter wurde es. Jessica hörte zu. Dabei hatte sie jetzt die Augen geschlossen. Während er sprach, studierte Art ihre Gesichtszüge und nahm sie in sich auf. Nie würde er sie vergessen.
„Verstehst du, Jessie?" sagte er am Ende. „Ich habe keine Angst euch zu verlieren um meinetwillen. Das ist mir längst klar. Auch wenn ihr auf der Erde geblieben wärt, hätten wir uns vielleicht nie wieder gesehen. Aber ich habe Angst um euch, dass ihr euer Ziel nicht erreicht, dass ihr bis an Ende eures Lebens im Universum herumirrt oder euch etwas noch Schlimmeres zustößt. Die Tore habt ihr nun hinter euch, aber es gibt so viele Schiffe, so viele Menschen, von denen nicht klar ist, ob sie jemals in ihrer neuen Heimat angekommen sind."
Schweigend saßen sie nebeneinander. Und plötzlich drehte Jessica sich zu ihm um und umarmte ihn. Sie schmiegte sich fest an ihn und nun spürte er, dass sie weinte. Vorsichtig legte er seine Arme um sie.
Art wusste später nicht, wie lange sie so gesessen hatten. Irgendwann hatte Jessie ihn angesehen, auch diesen Blick würde er niemals im Leben mehr vergessen, und gesagt: „Ich liebe Dich auch, Art. Längst hatte ich das vergessen. Aber", sie hatte sich unterbrochen und tief Luft geholt, „das ändert nichts an meiner Entscheidung. In", sie sah auf die Zeitanzeige über der Tür, „in zwei Stunden werde ich mich an Bord der AURORA 4 schlafen legen und irgendwann in fünfzig, sechzig Jahren, irgendwo im Orbit eines fernen Planeten erwachen."
„Sechsundfünfzig Jahre und zwei Monate", murmelte Art. „Und der Planet heißt Paraleon 5. Er liegt im System der Parasonne und sieht fast genauso aus wie die Erde." Er sah sie an und strich ihr über das Haar. „Schickt ihr die Sonde los?" fragte er leise.
Jessie lächelte traurig. „Du wirst es sicher niemals erfahren Art. Aber ich werde mich immer gern an dich erinnern.“


Epilog

Der kleine hellblaue Gleiter flog langsam nur wenige Meter über der Fahrbahn durch die menschenleeren Straßen von Angelcity. Um diese Zeit hielten sich die Bewohner der Stadt schon längst in den Wohn- und Gesellschaftskomplexen auf und gingen ihren abendlichen Vergnügungen nach.
Aus einer Laune heraus zog Patricia den Gleiter nach links und lenkte ihn genau über die Wasserfläche des Flusses. Sie schob den Antriebshebel nach vorn und das kleine Fahrzeug schoss davon. Pat wurde in ihren Sitz gepresst und jubelte innerlich. Sie wusste selbstverständlich genau, dass sie weit über der erlaubten Geschwindigkeitsbegrenzung lag, aber das machte ihr nichts aus. Die Konturen der alten, rot erleuchteten, Brücke tauchten vor ihr auf und nur wenige Sekunden später jagte der kleine Gleiter, fast die Wasseroberfläche berührend, unter der Brücke hindurch. Für einen Moment schloss Pat die Augen. Eine tiefe Befriedigung erfüllte sie. Wann bekam man schon mal die Gelegenheit, etwas so Verrücktes zu tun?
Sie drosselte die Geschwindigkeit und zog den Gleiter wieder nach rechts, wo im Scheinwerferlicht die ersten, an die Hänge der Berge geschmiegten, uralten Villen auftauchten. Sie musste an jenen Abend denken, als sie mit Art vom Balkon des Wohnkomplexes am anderen Ufer herübergesehen und die Menschen beneidet hatte, die hier lebten. Jetzt gehörte sie dazu, oder zumindest so in etwa. Ihre Wohnung lag außerhalb der großen Stadt, aber hier war sie vielleicht noch öfter als zu Hause.
Sie ließ den Gleiter langsam steigen und flog ein kurzes Stück über die bewaldeten Hänge, ehe sie gleich darauf zur Landung ansetzte. Inmitten einer weitläufigen Parkanlage mit hohen, alten Bäumen stand eine ehrwürdige, mindestens genauso alte Villa. Der Saal in der obersten Etage war hell erleuchtet und auf der Landeplattform hinter dem Haus so gut wie kein Platz mehr frei. Vorsichtig drängte sie sich zwischen einen noblen roten Gleiter, neben dem sich ihrer wie ein Oldtimer ausnahm, und ein ebenso hochmodernes, aber straßengebundenes Fahrzeug. Sie ging um das Haus herum zum Haupteingang. Auf der Tafel neben der Eingangstür leuchteten in blauer Schrift die Buchstaben B A S E K, darunter, in feinen Goldlettern, die Aufschrift: “Behörde zur Aufklärung des Schicksals Ersianischer Kolonieschiffe“
Pat lächelte und schüttelte den Kopf. Paul hatte es sich also nicht nehmen lassen, die kleine Messingtafel anlässlich des heutigen Jubiläums durch dieses Monstrum ersetzen zu lassen.
Wenig später öffnete sie die Tür zum Festsaal und erstarrte angesichts der vielen Menschen, die sich hier drängten. Einige wenige erkannte sie. Mitarbeiter der BASEK, hochrangige Vertreter der Ersianischen Kolonisierungsbehörde EKB, sowie einige ehemalige Journalistenkollegen. Und natürlich Paul Hartmann.
Der Freund stand an das hellerleuchtete Rednerpult an der Stirnseite des Raumes gelehnt. Müde und abgespannt sah er aus, fand sie. Aber auch irgendwie erleichtert. Sie wusste, was er gleich verkünden würde und hatte ihn in seiner Entscheidung bestärkt. Paul hatte in den vergangenen Jahren viel geleistet und war oft bis an den Rand der Erschöpfung gegangen. Aber es hatte sich gelohnt.
Plötzlich spürte sie, wie sich zwei starke Hände auf ihre Augen legten. Sie lächelte und drehte sich langsam um. „Ich hab dich schon vermisst“, sagte sie leise.
Art nahm die Hände von ihrem Gesicht und zog Patricia an sich. „Ach wirklich?“ fragte er schmunzelnd. „Es sah so aus, als hättest du nur Augen für Paul.“
Sie küsste ihn. „Du bist manchmal unmöglich.“
Er nickte, doch ehe er antworten konnte, erfüllte Pauls Stimme den Saal.
„Sehr verehrte Gäste, liebe Mitarbeiter und Freunde“, begann er. „Ich freue mich, sie alle ganz herzlich zu unserm Jubiläum hier begrüßen zu dürfen“. Er nickte den Menschen zu, die still stehen geblieben waren und ihm ihre volle Aufmerksamkeit widmeten.
„Viele von Ihnen, von Euch, haben unserer Behörde seit Anbeginn die Treue gehalten und die großen Erfolge erst ermöglicht, die wir in den vergangenen zehn Jahren erreicht haben.“ Er stützte die Hände auf das Pult und beugte sich etwas nach vorn. „ich möchte auch gleich vorweg nehmen, dass ich große Neuigkeiten zu verkünden habe. Aber zuallererst möchte ich das Wort an Patricia Karas, der Pressesprecherin der BASEK übergeben.“
Pat lächelte und bemerkte erst jetzt, da alle zu ihr hinüber sahen, dass Art sie noch immer fest in den Armen hielt. Sie machte sich vorsichtig von ihm los und ging nach vorn. Dann hatte sie sich wieder gefasst.
„Tja“, begann sie dann, „die erste Neuigkeit, wenn man so will, ist wohl kein großes Geheimnis, denke ich. In den letzten Tagen wurde in den Medien bereits oft genug darüber spekuliert. Aber heute erst kann ich es mit Gewissheit verkünden.“ Sie machte eine kurze Pause, holte tief Luft und sagte dann: „Die NIGHTOWL unter Commander Romanescu hat gestern das letzte, noch vermisste Kolonieschiff, innerhalb der Tore gefunden.“ Applaus brandete auf und Patricia wurde heiß. Dann sprach sie weiter. „Die DIANA 3 ist wohlbehalten vor 230 Jahren im Allaris-System gelandet. Auf Grund einer Epidemie ist aber ein großer Teil der Kolonisten und Besatzungsmitglieder in den ersten Monaten gestorben, so dass sich die Entwicklung der Allarier stark verlangsamt anlief. Bewusst haben die Kolonisten damals keinen Kontakt zur Erde aufgenommen. Später, als andere Generationen diesen dann herstellen wollten, mussten sie feststellen, dass die technischen Systeme einfach nicht mehr funktionierten.“ Sie unterbrach sich, sah zu Paul hinüber, und als der nickte, setzte sie fort: „Aber das werden sie alles zu gegebener Zeit aus berufenerem Mund sicher genauer erfahren. Commander Romanescu und seine Besatzung werden von einem Mitglied der allarischen Kolonie begleitet, das dann auch seinen Sitz im Kolonialen Rat einnehmen wird.“
Ein Raunen ging durch Menge. „Ja, sie haben richtig gehört“, setzte Patricia ihre Rede dann fort. „Heute Nachmittag wurde der Beschluss gefasst, ein Gremium aller von der Erde abstammenden Kolonien zu gründen.“ Mit einem Lächeln und einer leichten Handbewegung stoppte sie den aufkommenden Beifall. „Das ist schon seit Jahren von uns angestrebt worden, ich weiß. Aber heute haben wir endlich eine Übereinkunft erzielt. Der Koloniale Rat wird seinen Sitz in Paris haben und alle bisher erreichten Kolonien werden jeweils einen Vertreter entsenden. Aufgabe dieses Rates wird es sein, gemeinsame Interessen herauszufinden und zu vertreten, falls es notwendig wird. Außerdem haben wir während unserer Nachforschungen festgestellt, dass alle Kolonien auf Grund ihrer unterschiedlichen Entwicklung, abhängig vom Ausstattungsgrad zu Beginn ihrer Abreise, wie auch von den Gegebenheiten auf dem jeweiligen Zielplaneten, sich mit verschiedenen Forschungen und Industrien beschäftigt haben. Das hat uns auf den Gedanken gebracht, alle diese Erkenntnisse zu bündeln und allen Völkern zugänglich zu machen.“ Patricia lächelte, als sie feststellte, dass nun alle gebannt an ihren Lippen hingen. „Ja, und das bringt mich dazu, eine weitere Neuigkeit bekannt zu geben.“ Sie sah zu Paul hinüber und der nickte ihr aufmunternd zu. „Auch Ers wird mit einem Mitglied im Rat vertreten sein. Und diese Aufgabe übernimmt der bisherige Leiter unserer Behörde, Paul Hartmann!“
Ein paar klatschten spontan Beifall, andere starrten schweigend oder erschüttert zu Paul. Der lächelte, ging nach vorn und sagte: „Ja, liebe Freunde und liebe Mitarbeiter, ich möchte euch allen für die Unterstützung danken, die ihr mir in den letzten zehn Jahren gegeben habt. Aber wir dürfen nicht vergessen, mit welchem Ziel diese Behörde gegründet wurde: Noch immer sind hunderte Kolonieschiffe mit vielen, vielen Menschen irgendwo da draußen im Universum verschollen. Noch reichen unsere technischen Mittel und Möglichkeiten nicht aus, alle Schicksale aufzuklären und alle von uns besiedelten Planeten zu erreichen. Aber wir arbeiten daran. Ich allerdings fühle mich geehrt, von der Einladung des Kolonialen Rates, diese Aufgaben dort wahrzunehmen. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass ich meine bisherige Arbeit in gute, erfahrene Hände legen kann. In die Hände eines Mannes, der von der ersten Stunde an zu meinen fähigsten Mitarbeitern und besten Freunde gehört und dessen Schicksal eng mit denen der Kolonien verbunden ist. Ich bin mir sicher, dass er Alles daran setzen wird, meine Arbeit mit Erfolg fortzuführen – der bisherige Leiter unserer Rechercheabteilung: Art Karas!“
Pat sah zu ihrem Mann hinüber, der bis jetzt scheinbar unbeteiligt, mit ein paar seiner Kollegen etwas abseits gestanden hatte und nun langsam und bedächtig zum Rednerpult schritt.
„Danke Paul“, begann Art seine Ansprache, „danke für dein Vertrauen und deine lieben Worte, mein Freund! Ja ich werde mein Bestes geben, unseren gemeinsamen Weg fortzusetzen. Und ich weiß auch, dass uns noch ein weiter, gefahrvoller Weg bevorsteht. Ja liebe Kollegen, liebe Freunde“, er sah sich im Publikum um, „alles das, was wir bisher geleistet haben, war nur der Anfang. Jetzt müssen wir neue Wege gehen, denn jetzt gilt es, den nächsten Schritt zu machen. Den Schritt in die Unendlichkeit, denn jenseits der Tore geht er nun weiter. Nachdem sämtliche Kolonien im Universum diesseits der Tore gefunden wurden, bleibt das Schicksal vieler Schiffe, auch solcher, die wir in diesem Kreis hätten finden müssen, ungeklärt. Wir werden unsere Suche allerdings ausdehnen müssen. Das erfordert von uns allen das Denken in anderen Dimensionen. Denn wenn wir bisher über Forschungsreisen von einem halben oder einem Jahr gesprochen haben, so reden wir jetzt über Reisen von Jahrzehnten oder auch Jahrhunderten.“ Wieder wurde es unruhig im Saal. Arts Blick suchte Patricia und sie lächelte ihm zu. „Ja ihr habt recht“, setzte er dann fort. „Bisher haben wir nicht die Möglichkeit, unsere Suchschiffe außerhalb der Reichweite der Tore einzusetzen. Aber auch unsere Entwicklungsabteilung hat ja nicht geschlafen. Hier also nun die nächste Überraschung: Die Leiterin unserer Konstruktionsabteilung, Ter’sa Ra, wird ihnen, wird euch, hier und heute das erste Forschungsschiff mit Tiefschlaffunktion vorstellen!“ Damit trat er zur Seite und die Weganerin nahm seinen Platz ein. Sie hat sich kaum verändert, dachte Patricia etwas neidisch. Ihr sieht man die vergangenen zehn Jahre überhaupt nicht an.

Die hochgewachsene Weganerin mit den roten Augen und dem langen, weißblauem Haar strich sich eine Strähne aus der Stirn und sagte: "Für uns hat sich nie die Frage gestellt, ob wir irgendwann kleine Forschungsschiffe entwickeln müssen, die Jahrzehnte ohne manuelle Steuerung den Raum durchqueren können, da ihre komplette Besatzung im Tiefschlaf liegt. Wir haben uns nur gefragt, wie wir das in so einem kleinen Schiff technische bewältigen können und wie so ein Schiff dann aussehen würde. Meine Damen und Herren, liebe Freunde, das ist das Ergebnis:" Sie betätigte ein Tastenfeld auf dem Pult und in der Mitte des Raumes erschien, unter der Decke schwebend das dreidimensionale Hologramm eines linsenförmigen Raumschiffs. An der unteren Seite des Rumpfes befand sich eine Art Kanzel und auf der Oberseite im Heckbereich zwei röhrenartige Aggregate.
"Die PEGASUS, verkündete Ter'sa voller Stolz, "das Pilotschiff eines völligen neuen Raumschifftyps. Zwar immer noch mit Tiefschlafkammern ausgerüstet aber dennoch mehr als doppelt so schnell wie jedes bisher auf der Ers-Raumwerft gebaute Schiff vor ihm."
Die Fragen der Medienvertreter prasselten auf sie ein. Geduldig versuchte sie, jede zu beantworten, winkte dann aber ab. "Ich schlage vor, dass wir in den nächsten Tagen ausgiebig über unsere Pläne sprechen", sagte sie dann. Sie sah zu Paul hinüber, der zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf. Dann setzte sie hinzu: "Heute sollten wir aber erst einmal feiern."
Art eröffnete den inoffiziellen Teil und schon bald schoben sich mehrere mit Speisen und Getränken beladene Servicerobots in den Saal. Die PEGASUS schwebte unter der Decke durch den gesamten Raum.
Patricia wollte zu Art hinüber gehen, sah aber dann, dass er in ein Gespräch mit Paul und einem Vertreter der Ersianischen Kolonisierungsbehörde vertieft war. Dann bemerkte sie, wie sich die Eingangstür öffnete und ein junger Mann in der hellblauen Uniform der ersianischen Raumflotte den Saal betrat. Im ersten Augenblick erkannte sie ihn gar nicht. Er war hochgewachsen, hatte tiefbraune Haut und trug einen schmalen Schnurbart über der Oberlippe. Sein langes, dunkles Haar, das er offen trug und das ihm weit in den Rücken reichte. Dann fielen ihr die hellen Strähnen in seinen Haaren auf und als er ihr mit seinen dunkelroten Augen direkt ins Gesicht sah, erkannte sie ihn.
Freudestrahlend kam er auf sie zu. Sie umarmte ihn freundschaftlich und lachte. „Tabor, du bist ja richtig erwachsen geworden!" Er drückte sie herzlich an sich und meinte: "Wir haben uns ja auch schon ein paar Jahre nicht mehr gesehen, Pat." Seine Stimme klang tief und nachhallend wie ein Gong. Weganisches Erbe eben, dachte Patricia.
"Willst du deine Mutter nur abholen, oder zur Erfindung ihres genialen Raumschiffes gratulieren?" fragte sie. Tabor schüttelte den Kopf, antwortete aber nicht. Dennoch bemerkte Pat, wie sich sein Gesicht schmerzlich verzog. Sie sah ihn aufmerksam an und dann fiel ihr noch etwas auf. "Du bist zum Capitän befördert wurden? Glückwunsch Tabor!"
Keine Regung war in seinem Gesicht zu erkennen als er sagte: "Danke, Patricia. Vorige Woch habe die Akademie mit Auszeichnung bestanden. Ich muss aber erst mal zu meiner Mutter hinüber." Dann ging er zu Ter'sa, die ihn ebenfalls fest in ihre Arme schloss.
Ein wenig später, Patricia war gerade im Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen, der sich die Exklusivrechte an der Berichterstattung vom Start der PEGASUS sichern wollte, vernahm sie die Stimme ihres Mannes.
„Ich komme nun zum Höhepunkt dieser Feier, liebe Gäste und möchte euch, möchte ihnen eine weitere Neuigkeit unterbreiten." Patricia horchte auf. Hatte sie etwas verpasst? Was gab es denn noch zu berichten, von dem sie nichts wusste?
Art stand hoch aufgerichtet hinter dem Rednerpult. "Ich wollte ihnen sagen, dass die PEGASUS“, er wies auf das immer noch an der Decke entlang ziehende Modell, "in zwei Tagen zu ihrem Jungfernflug ins Karios-System aufbrechen um nach den Kolonisten der PERSEUS 9 zu suchen. Unterwegs wird die PEGASUS in gleichmäßigen Abständen automatisch tausende winziger Kommunikationssatelliten aussetzen, damit irgendwann auch die Mitglieder dieser Kolonie Kontakt zum Kolonialen Rat aufnehmen können. Und nun meine Damen und Herren, begrüßen wir den Kommandanten der PEGASUS - Capitän Tabor Romanescu!"

„Das war gemein, Art“ sagte sie später, als sie draußen vor der Tür standen und sie in der kühlen Nachtluft langsam wieder zu sich fand. „Warum hast du mir nichts gesagt?“
Art sah sie traurig an und meinte: „Ich wollte euch eben nicht aufregen“. Dabei strich er ihr vorsichtig über den hohen, gewölbten Bauch.
„Ist dir nicht gerade gelungen.“ Patricia lächelte schwach.
„Ich hab‘ ja extra gewartet, bis Ter’sa in deiner Nähe war. Und außerdem ist Tabor viel zu spät da gewesen. War alles ein bisschen anders geplant.“
„Seit wann weißt du es?“
„Genau genommen erst seit heute früh. Tabor hat sich vorige Woche, gleich nach seinem Abschluss für die Mission gemeldet. Paul, Ter’sa und ich haben ewig mit ihm diskutiert, aber er ließ es sich nicht ausreden. Zu einem Schiff der neuesten Generation gehöre auch eine Besatzung der neuesten Generation, hat er gemeint. Trotzdem hat er sich Bedenkzeit ausgebeten und heute früh fest zugesagt.“
Patricia schüttelte den Kopf. „Wie hat Ter’sa das aufgenommen?“
„Na, wie schon – nicht eben glücklich, denke ich. Aber irgendwie ist sie auch stolz auf Tabor, das fühle ich.“
„Und Jayden?“
Im hellen Mondlicht sah sie, wie sich ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. „Vielleicht begegne ich ihm mal zwischen den Welten hat er gemeint. Aber er hat seinen Sohn ja sowieso nur selten zu Gesicht bekommen.“
„Meinen will ich nicht so schnell verlieren“ sagte Patricia leise und zog Arts Hände auf ihren Bauch.
Nach einer Weile nahm er Pat in die Arme und ihre Blicken folgten den seinen hinauf in den dunklen Himmel, wo er zwischen den Sternen hängen blieb.
„Das ist das Schicksal der Menschheit“, sagte Art. „Wir lernen einander kennen und verlieren uns in einem winzigen Augenblick der Ewigkeit. Wie viel Zeit zwischen diesen beiden Ereignissen liegt ist nicht vorhersehbar und auch völlig unwichtig. Wichtig ist nur, was wir zwischen diesen Augenblicken damit anfangen.“


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Texte: Alle Rechte beim Autoren
Tag der Veröffentlichung: 13.12.2011

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