Feodora saß auf dem Fenstersims ihrer Küche und schaute verträumt in den Himmel.
Wie schön es doch ist, dieses Kribbeln im Bauch zu spüren, diesen Schwarm von Schmetterlingen, der da hin und her flattert, der in MIR hin und her flattert, dachte sich Feodora.
Ein Gefühl, das mit nichts zu vergleichen ist, wenn man auf der berühmt berüchtigten "Wolke 7" schweben tut.
Waren es wirklich erst 5 Minuten, seit Felipe von ihr gegangen ist? Sind es wirklich 10 Stunden, bis sie ihn wiedersehn wird? Feodora schloss die Augen und dachte an jenen Tag zurück, als das Glück der Beiden begann.
Es war ein bis dahin grauer Tag. Der morgendliche Nebel, der über der Stadt wie eine Dunstglocke lag, wollte sich einfach nicht auflösen und ließ der Sonne keine Chance, auch nur einen Lichtstrahl auf die Erde durchzulassen. Feodora hasste solche Tage, sie zogen einen irgendwie runter, jedoch konnte sie bis dahin nicht ahnen, das genau dieser Tag ihr ganzes bisheriges Leben auf den Kopf stellen würde.
Heute musste sie wohl oder übel endlich mal dafür sorgen, dass ihr Kühlschrank seiner eigentlichen Aufgabe, dem Kühlen, zur Nutzung übergeben wurde. Jedes mal, wenn sie ihn öffnete, strömte ihr eine gähnende Leere entgegen.
Alle, aber auch alle Reserven waren aufgebraucht und deshalb setzte sich Feodora Richtung Supermarkt in Bewegung und konnte auf den nebelverhangenen Tag keine Rücksicht nehmen, wenn sie denn heut Abend etwas zu Essen haben wollte.
Gesagt-getan...Im Supermarkt angekommen herrschte die bekanntliche Hektik. Der Flaschenpfandrücknahmeautomat war mal wieder ein Opfer der Technik geworden und deshalb schlängelte sich eine kleine Einkaufswagenkarawane samt Einkaufswagenfahrer um die bis zur Umkippgrenze gestapelten Getränkekisten. Hinter den Kisten, kaum zu sehn, stand ein Mitarbeiter des Supermarktes, der damit beschäftigt war, eins und eins zusammenzuzählen und als Ersatz für den Automaten die leeren Flaschen in Empfang zu nehmen.
Feodora merkte erst jetzt, dass sie sich gar keinen Einkaufszettel zu Hause gemacht hatte. Auch das noch!
Nun musste sie also aus dem Steggreif wissen, woran es ihr an Lebensmitteln & Co mangelt.
Obwohl...im grunde genommen, mangelt es ja an allem.
Deshalb füllte sie systematisch ihren Einkaufswagen mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Zeitweise kam sie nicht vorwärts, weil entweder 2 quatschende alte Omis ihr den Weg versperrten. War doch immer das gleiche...warum müssen die alten Omis und Opis ausgerechnet immer im Feierabend-Berufsverkehr auch den Laden betreten? Haben die nicht vormittags Zeit dazu? Schon sehr komisch, oder? Oder aber eine Verkäuferin ist damit beschäftigt , neue Ware auszupacken und es ist nur ein Durchkommen möglich, indem man sich zwischen der kleinen Lücke, die zwischen Regal und Waren-Colli ist, durchzuquetschen. Also Bauch einziehn, Luft anhalten und....durch!
Feodora hatte so gut wie alles zusammen. Brot, Butter, Milch, Käse, Eier, Kaffee, Tee...Tee? nee!
Tee fehlte noch und bei dieser Gelegenheit konnte sie auch gleich ins gegenüberliegende Regal langen, wo das Toastbrot zu finden war.
Leider oder vielleicht auch Gott sei Dank! lag das Toastbrot ganz ganz unten, ganz ganz hinten im Regal, so daß sie vor dem Regal auf die Knie gehn musste, um dort anzukommen. Gerade als sie dieses eckige lange Etwas mit Folie drumherum gegriffen hatte,sich noch in der Hocke zur Seite drehte, um aufzustehn, verspürte sie einen Stoß im Rücken.Sie kippte nach vorn über und fand sich im Vier-Füßler-Stand wieder. Das Toastbrot in der Hand. Einer kleinen Schrecksekunde folgte ein schallendes Gelächter von ihr. Das war ein Bild für die Götter wie sie auf dem Fußboden hockte bzw. viel besser kniete, denn über ihr kniete noch etwas bzw. jemand - nämlich der Verursacher dieser kleinen Karambolage - ein gutaussehender junger Mann, der genauso erschrocken und dann genauso laut loslachte wie Feodora. Nachdem er sich besonnen hatte, rappelte er sich hoch und half Feodora auf.
In diesem Moment sahen sie sich sehr tief in die Augen und verharrten ein wenig. Erst jetzt stammelte der gutaussehende junge Mann Worte der Entschuldigung vor, wie leid es ihm tät, wo er nur mit seinen Gedanken war, wie das nur passieren konnte...
Feodora winkte jedoch nur ab und meinte:"Alles halb so schlimm. Mir ist ja nichts passiert und Dir sicher auch nicht, so weich wie Du gefallen bist auf mir." und lachte.
So plötzlich wie der grosse Unbekannte erschienen war, so schnell war er auch dann weg. Dabei hatte sich Feodora nur umgedreht und nach ihrem Einkaufswagen Ausschau gehalten. Aber als sie sich wieder ihrem liebenswerten Supermarktstolperer widmen wollte, war er weg, aus ihrem Sichtfeld. Sie ging noch paarmal durch die Regalgänge und hoffte, ihn zu sehn, aber nichts, er war einfach weg.
Trotzdem musst sie den ganzen Heimweg über noch schmunzeln und zeitweise laut auflachen, wenn sie sich diese verfahrene Situation wieder vor Augen führte, wie sie da auf dem Fußboden kniete und der junge Mann über ihr.
Eine Woche verging und Feodora konnte einfach nicht diese Augen vergessen, in die sie im Supermarkt geschaut hat. Braune Augen, die so verführerisch und lieb und überhaupt...ach, sie kam einfach nicht raus aus dem Schwärmen und bedauerte es sehr, daß sie diesen unbekannten braunen Augen nicht einmal einen Namen zuordnen konnte, da der Besitzer sich einfach wortlos aus dem Staub gemacht hatte.
Wieder mal musste Feodora ihren Vorrat an Lebensmitteln im Haus auffüllen und ging in denselben Supermarkt wie letzte Woche.
Schnell hatte sie alles zusammen und war nach wenigen Minuten bereits an der Kasse. Vor ihr 3 andere Kunden. Zum einen war ihr das ganz lieb, denn so konnte sie in aller Ruhe ihre Waren aufs Laufband legen, zum anderen hoffte sie sehr, dass nicht irgendwelche Verzögerungen zustande kommen wie zum Beispiel...Doppelbuchung und die Kassiererin muss erst ihre Vorgesetzte rufen, damit diese dann Storno macht, oder...dem Kunden da vorne fällt das Portemonai aus der Hand und sämtliches Kleingeld kullert auf den Fliesen des Supermarktes überall hin oder...die Kassenrolle ist mitmal alle und muss gewechselt werden...aber nein, diesmal ging alles glatt und Feodora war schnell an der Reihe und bezahlte. Während sie das Wechselgeld und den Kassenbon in Empfang nahm, blieb ihr Blick am Schwarzen Brett vom Supermarkt haften.
Zwischen all den Kaufe, Verkaufe, Suche, Biete, Tausche, Verschenke...Anzeigen erweckte ein grosses rotes Herz ihre Aufmerksamkeit.
Sie trat näher und sah, dass in dem Herz eine Mitteilung stand. Sie las:"Zwischen Tee-und Toastregal, Mittwoch - 15 Uhr"
Sie ahnte etwas. Sollte dies eine verschlüsselte Botschaft ihres braunäugigen unbekannten Stolperers von letztens sein? Sie war fasziniert. Also ging es ihm genauso wie ihr und wollte sie wiedersehn.
Sie nahm das Herz von der Pinnwand und schaute immer und immer wieder auf diese zwar nur paar aber dennoch eindeutigen Worte, die nur sie verstand.
Heute war Montag, wie sollte sie nur die 2 Tage bis zum Wiedersehn überstehn? Sie freute sich zwar wie wahnsinnig, aber war ebenso aufgeregt, dem Traum von einem Mann wieder gegenüberstehn zu dürfen. Auf solch eine Idee muss man erstmal kommen, einen Aushang im Supermarkt zu machen, in der Hoffnung, das es von der Richtigen gelesen wird.
Der Montag verging, der Dienstag zog sich wohl mit Absicht in die Länge, der Mittwoch brach an.
Feodora schaute an diesem Tag 100, ach was sag ich...sicher 1000 mal auf die Uhr und sehnte sich den Nachmittag herbei.
14.30 Uhr ging sie mit einem mulmigen Gefühl zum Supermarkt. Sie war viel zu früh, aber lieber wartete sie, als dass sie zu spät kommen würde und der grosse Unbekannte dann weg wäre.
Sie ging ohne Einkaufswagen in den Laden und steuerte zielgerecht die Regale Tee und Toast an. Noch war niemand ausser ihr dort, aber sie rührte sich nicht vom Fleck, blieb wie festgewurzelt dort stehn und schaute sich nach allen Seiten um.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es in 2 Minuten 15 Uhr sein wird. Die Spannung stieg und Feodora wurde zusehends nervöser.
Mit einmal hörte sie eine ihr bekannte Stimme hinter sich. "Schön guten Tag junge Frau."
Sie drehte sich um und war fasziniert. Er war es! Er war es tatsächlich! Ihr Gefühl hatte sie also nicht getäuscht, dass es sich bei der Herzens-Botschaft um ihren vermissten sympathischen Stolperer handelte.
Sie lächelte ihn an und stammelte hervor: "Guten Tag. Ich bin froh, dass wir uns wiedersehn und ich bin begeistert davon, welch glorreiche Idee dazu beigetragen hat."
"Ja, was sollte ich machen. Irgend etwas musste ich mir ja einfallen lassen, um dich wiederzusehn, denn du bist mir die ganze Woche nicht aus dem Kopf gegangen."
Beide verließen den Supermarkt und nahmen im angrenzenden Cafe Platz, um sich dieses Mal für einander Zeit zu nehmen, um sich kennenzulernen und zumindest auch den Namen des anderen in Erfahrung zu bringen.
Felipe stellte sich Feodora vor und umgekehrt.
Sie tranken Kaffee, erzählten lange und stellten schnell fest, dass sie auf einer Wellenlänge lagen. Die Zeit verging wie im Fluge und Felipe musste leider wieder los. Aber vorher wurden noch die Telefonnummern ausgetauscht.
Felipe verabschiedete sich von Feodora, die von diesem Nachmittag noch total hin und weg war und verließ das Cafe.
Feodora ging nach Hause und kam sich vor, wie ein Teenager. Ihr ging es so gut,wie schon lang nicht mehr, sie hätt die ganze Welt umarmen können. Endlich hatte sie ihren Unbekannten wieder und konnte den wunderhübschen Augen einen Namen geben...Felipe...ein Name wie Musik.
Kaum zu Hause angekommen ging auch schon die 1. Textnachricht auf ihrem Handy ein.Absender: Felipe; Text: bin total durcheinander, freu mich, dass ich dich wiedergefunden habe, danke! es geht mir so gut wie nie zuvor, lg Felipe
Beim Lesen der SMS schlug Feodoras Herz wie verrückt.Kaum die Tasten treffend, so zitterte sie vor Aufregung schrieb sie an Felipe zurück: geht mir ganz genau ebenso, lg Feodora
Aus einer SMS wurden an diesem Abend noch viele und aus den vielen SMSen wurden Telefonate, aus den Telefonaten Verabredungen und das Glück nahm seinen Lauf.
Es hatten sich 2 Menschen durch eine verrückte zufällige Begebenheit gefunden, die einfach perfekt füreinander bestimmt zu sein schienen.
Felipe und Feodora gehörten einfach zusammen. Dies erkannten sie schnell und keiner wollte vom andern unnötig länger getrennt sein, als zwingend nötig. Deshalb wurden Zukunftspläne geschmiedet. Ein Plan davon war, aus 2 Wohnungen 1 zu machen. Dieses ständige hin und her und Getrenntsein tat schon lange beiden nicht mehr gut und deshalb wollten sie Nägel mit Köpfen machen und zusammenziehn.
Gut, man kannte sich jetz noch nicht so lange, ca. 3 Monate, aber was ist bitteschön der richtige Zeitpunkt für so ein Vorhaben?
Wenn man sich 100pro sicher ist, dass es DER Mensch ist, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen möchte, dann ist es keine Frage der Zeit, sondern eine Frage des Herzens. Und in diesem Falle sagten beide Herzen - JA!
Sie fanden dann auch relativ schnell eine passende Wohnung, die ihren Ansprüchen zusagte.
3 Zimmer, Küche, Bad. Was will man mehr.
Die Wohnung war inmitten der Stadt, aber dennoch ruhig gelegen und hatte einen gigantischen Ausblick auf den angrenzenden See.
Da die Wohnung sofort bezugsfertig war, konnte bereits nach 1 Woche der Umzugswagen vorfahren.
Überaus glücklich trug Felipe Feodora über die Türschwelle. Sie lagen sich nach getaner Arbeit des Aus-und wieder Einräumens lange und fest in den Armen und wollten so ihr derzeitiges Glück einfach festhalten. Sie hatten es geschafft!
Nun würden sie den Alltag wirklich von morgens bis abends gemeinsam meistern und jede Nacht zusammen einschlafen und jeden Morgen gemeinsam aufwachen können. Gibt es etwas Schöneres?
Ich glaube kaum!
Ein halbes Jahr war vergangen und der 30.Geburtstag von Feodora rückte näher. Felipe hatte diesen Tag früher Feierabend gemacht und entführte Feodora in ein luxuriöses Restaurant.
Dort hatte er ein extravagantes 5-Gänge-Menü bestellt, das die Beiden nun zu sich nahmen und genossen.
Es war ein wunderschöner Abend bei Wein und Kerzenschein. Solch einen schönen Geburtstag hatte Feodora noch nie gehabt.
Nachdem der letzte Gang, das Dessert verzehrt war, suchte Felipe etwas in seiner Jackentasche und hielt ein kleines Schächtelchen in der Hand. Feodora verstand nicht ganz, war aber gespannt auf das, was kam.
Felipe öffnete das kleine Schächtelchen und zum Vorschein kamen 2 Ringe. Der eine schlicht, dennoch elegant, der andere genauso aussehend, jedoch mit 3 kleinen weissen Steinchen verziert.
Jetzt gehts ans Eingemachte, dachte Feodora.Und so war es dann auch. Kaum gedacht, nahm Felipe mit der einen Hand die Hand seiner Geliebten und in der anderen Hand hielt er den steinchenbesetzten Ring. Mit feierlicher Stimme sagte er:"Schatz, du bist das Beste was mir je passiert ist. Ich liebe dich über alles und will keine Sekunde mehr ohne dich sein. Ich möchte mit diesem Ring offiziell um deine Hand anhalten und dich fragen, ob du mich heiraten möchtest?" Wow! Feodora war sprachlos. Jedoch nur den Bruchteil einer Sekunde, denn das "JA!" kam wie aus der Pistole geschossen und ohne lang zu überlegen. Felipe war sichtlich erleichtert über diese Antwort, auch wenn er mit nichts anderem gerechnet hatte, dennoch atmete er förmlich auf und streifte seiner Zukünftigen den Verlobungsring auf den Finger.
Feodora tat es bei ihm gleich und nachdem diese soeben vollzogene Verlobung mit einem langandauernden intensiven Kuss besiegelt wurde, konnte der Abend nicht schöner enden.
Feodora war die glücklichste Frau der Welt und Felipe ohne Ausnahme der glücklichste Mann der Welt.
Alles hätte so schön sein können, werden können, wenn dieses bis dahin perfekte Glück nicht von einem Unglück überschattet worden wäre.
Die beiden Turteltauben machten am nächsten Tag, einem Sonntagnachmittag einen Spaziergang. Ein Frühlingstag wie er im Buche steht. Viele Familien nutzen diesen herrlichen sonnigen Sonntag, um mit den Kindern den nahegelegenen Spielplatz zu besuchen. Der Spielplatz grenzte an eine Strasse. Feodora und Felipe gingen eng umschlungen und sahen und hörten aus der Ferne die spielenden Kinder. Einige kletterten, andere rutschten die Rutsche herunter, wieder andere waren im Sandkasten beschäftigt. Als die beiden näher kamen war ihr Blick auf einen kleinen Jungen gerichtet, der einen Fussball in der Hand hielt. Feodora wunderte sich noch, dass das Kind hier, ausgerechnet hier direkt neben der Strasse Ball spielen durfte. Im selben Moment setzte der Junge zum Fusstritt an und schoß den Ball durch die Luft. Der Ball flog aber in die falsche Richtung. Er flog Richtung Strasse. So schnell wie der Junge hinter dem Ball her war, konnte man gar nicht gucken. Nun war er auf gleicher Höhe wie Felipe und Feodora auf dem Gehweg. Der Junge rannte, weder nach links noch nach rechts zu gucken, nur den davonkullernden Ball im Blick, auf die Strasse.
Felipe instinktiv hinterher, riss den Jungen an sich und schubste ihn zu Feodora auf den Gehweg. Sie fing ihn auf und hörte in diesem Moment einen dumpfen Schlag, Reifengequietsche und dann Stille. Sie blickte sich um und wünschte sich, das es nicht wahr war, was sie sah. Ihr geliebter Felipe war gegen einen Transporter geknallt, der zwar sofort eine Vollbremsung machte, aber dennoch nicht verhindern konnte, Felipe zu überfahren.
Feodora war starr vor Schreck, sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie wollte hinlaufen, aber ihre Beine waren wie gelähmt. Endlich kam die Mutter des geretteten Jungen und nahm sich seiner an. Feodora stürzte nun zum Transporter, sah Felipe nicht, wo war er bloß? Sie schmiß sich auf die Strasse und schaute unter den Transporter. Der Anblick war so schrecklich! Blutüberströmt lag Felipe unter dem Auto und rührte sich nicht. Feodora schrie seinen Namen, flehte ihn an, zu antworten, wollte seine Hand fassen, aber kam nicht an.
Er schien sich unter dem Fahrzeug verklemmt zu haben und war deshalb jetzt eins mit ihm.
Ein Augenzeuge hatte schon vor etlichen Minuten Polizei und Krankenwagen gerufen, die jetzt mit lautem Sirenengeheule und Blaulicht eintrafen.
Die Polizei sperrte umgehend die Strasse und die Rettungssanitäter verschafften sich einen Überlick über die Lage des Schwerverletzten.
Aber auch sie kamen nicht an ihn heran. Man traute sich auch nicht, den Transporter weiterfahren zu lassen, da Felipe ja mit dem Unterboden des Fahrzeugs festgeklemmt war und ein Bewegen des Autos ein zu hohes Risiko für ihn darstellen würde. Also wurde das THW gerufen. Die rückten innerhalb kürzester Zeit mit schwerer Technik, einem Kranauto an und hoben den Transporter ein kleines Stückchen in die Höhe, grade soviel, dass die Rettungskräfte unter das Fahrzeug gelangen konnten und so endlich an den Verletzten herankamen.
Feodora beobachtete das Ganze mit grossem Entsetzen. Der Tag hatte so schön begonnen. Der gestrige Abend so schön geendet und nun? Sie war einfach fassungslos und wollte nicht wahrhaben, was sich vor ihren Augen grade abspielte. Der Rettungssanitäter versuchte den Puls vom Verletzten zu ertasten, aber er konnte nichts fühlen. Nun wurde Felipe von 2 anderen Helfern vorsichtig vom Unterboden des Autos befreit und ins Freie hervorgezogen.
Abermals wurde er nach Lebensfunktionen untersucht und abermals konnte der Notarzt keine mehr feststellen.
Feodora liefen die Tränen wie ein Wasserfall das Gesicht runter. Hatte sie eben richtig verstanden? Hatte der Notarzt eben wirklich gesagt, wir kommen zu spät, wir können nichts mehr für ihn tun? Nein! Das konnte nicht sein. Aber da die anfängliche Hektik der Rettungskräfte in ein gelassenes Aufräumen überging, schien der Notarzt doch die Wahrheit gesagt zu haben. Feodora sah den Notarzt an, dieser schüttelte jedoch nur wortlos den Kopf und brachte damit gleichzeitig seine Hilflosigkeit zum Ausdruck, für ihren geliebten zukünftigen Mann nichts mehr tun zu können.
Feodora fühlte sich in diesem Moment leer, konnte nichts denken, es schien, als zerreisse es ihr das Herz in der Brust, so sehr schmerzte es, auf solch tragische Weise ihren Felipe soeben verloren zu haben.
Sie saß am Straßenrand und beobachtete, wie man Felipe für den Abtransport fertigmachte. Diesen Anblick wird sie nie vergessen. Dieser Anblick hat sich in ihr Gehirn tief eingebrannt und ruft immer wieder schmerzhafte Erinnerungen hervor.
Die Polizei fuhr Feodora nach Abschluß der Aufnahme des Unfalles nach Hause.
Angekommen in ihrer Wohnung, brach sie weinend zusammen. Erst seit gestern waren sie verlobt gewesen, hatten noch heut Morgen am Frühstückstisch im Groben geplant, wie und wann und vor allem wo eine Trauung stattfinden könnte, haben noch schön zu Mittag gegessen und haben danach diesen verheerenden Spaziergang unternommen. Wären sie doch bloß zu Hause geblieben, hätte es doch bloß geregnet an dem Tag. Es fielen ihr 1000 Gründe ein, um nicht nach draussen zu gehn. Aber was brachte das jetzt noch alles? Es war zu spät.
Das junge Glück wurde auf tragische Weise geschieden, noch bevor das Glück per Ehe und vielleicht auch späteren Kinderseegen besiegelt worden wäre.
Paar Tage später fand die Trauerfeier mit anschließender Beisetzung statt. Es war der schlimmste Tag für Feodora, den sie bis dato erlebt hatte. Es war ein schlimmer Gang, ein Gang, der ihr nicht leicht fiel, da es ein Abschied für immer war.
Felipe hatte keine Familie mehr, deshalb kamen lediglich 2 engere Freunde und 1 Arbeitskollege, um ihm die letze Ehre zu erweisen. Feodora hielt krampfhaft eine rote Rose in der Hand und kam mit dem Wegwischen der Tränen überhaupt nicht hinterher. Die Trauerrede mit der von ihr dazu ausgesuchten Musik war herzzerreissend. Immer wieder starrte Feodora auf den vor ihr stehenden Sarg, der über und über mit Blumen verziert war. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, dass dort ihr geliebter Felipe drin war. Es kamen immer wieder Erinnerungen an die letzten Tage und Wochen hoch und sie schluchzte und schaute im Wechsel auf den Boden und auf den Sarg.
Als der Redner fertig war und die Sargträger kamen, wollte Feodora aufstehn, aber ihr versagten die Knie. Sie fiel wieder zurück auf den Stuhl, sammelte Kraft und versuchte erneut, aufzustehn. Diesmal gelang es ihr und sie folgte den Sargträgern bis zur vorbereiteten Grabstelle. Als der Sarg in die Erde herabgelassen wurde und sie vor diesem Loch stand, blickte sie auf den Sarg. Sie wollte die Rose auf ihn fallen lassen, aber es fiel ihr schwer, sich davon zu trennen. Sie stand einfach nur starr da und blickte gebannt auf den Sarg hinab. Dann tat sie es. Sie warf die Rose und brach im selben Augenblick weinerlich zusammen. Es war sowas Endgültiges jetzt.
Obwohl ja ihr Felipe ein Lebensretter für das Kind gewesen war, so hat er dafür mit seinem eigenen Leben bezahlt.Feodora brauchte lange, sehr sehr lange, um sich von all dem zu erholen.
Sie glaubte, nie wieder lachen zu können.
Das Glück, was beide bis dahin immer fest in den Händen gehalten hatten und nie loslassen wollten, wurde durch solch einen unglücklichen Umstand jäh beendet.
Tag der Veröffentlichung: 04.03.2010
Alle Rechte vorbehalten