Cover

Montag, Dienstag, Mittwoch, sogar am Donnerstag und erst recht am Freitag - fast überall wird es betrieben...
Angeblich tut es keiner, nie nich! Dennoch sind allmorgendlich tausende mit dabei, wenn es heisst: "Bist du online? - Bin grad im Büro und du???"
Die vielen Chat-Plattformen, die sich da so alle im
www-punkt-de tummeln, scheinen ja grenzenlos.

Erstaunlicherweise sind es vielerorts die Damen und/oder Herren aus den oberen Chef-Etagen, die ihren ach so tristen Büroalltag mit Chat-Kommunikation auffrischen. Aber wehe, ein Mitarbeiter würde dabei von ihnen ertappt werden, nicht auszudenken!
Apropo nicht auszudenken: wer weiß, vielleicht chattet ja auch grade die kleine Angestellte aus der unteren Etage Namens Engelchen mit ihrem Chef aus dem Vorstand Namens Teufelchen ohne es zu wissen.
DAS wär doch mal was! Aber da ja im Chat größtenteils eh gelogen wird, das sich die Balken biegen, ist es eher unwahrscheinlich, das die wahre Wahrheit über deren realen Status jeh rauskommt.
Verborgen in der angeblichen Anonymität wiegen sich die meisten in Sicherheit, wenn da nicht von Zeit zu Zeit paar klitzekleine Datenpannen passieren würden, aber die sind ja kaum der Rede wert, oder?
Kann ja schon mal vorkommen, bloss nicht aufregen!

Apropo Lügen haben kurze Beine...das kann man jetzt schon fast wörtlich nehmen.
Denn bei der gegenseitigen Beschreibung, falls leider kein Profilbild vorhanden ist im Chat, wird das Blaue vom Himmel gelogen. SIE hat natürlich 90-60-90, irre lange Beine, ist blond, langhaarig und überhaupt...die schönste Frau weit und breit.
Wohingegen ER das absolute Abbild von George Cloney ist, logisch!
Schon schmilzt man gegenseitig dahin und muss aufpassen vor lauter Geschmelze nicht konfus zu werden.
Sollte es jeeehmals dazu kommen, daß sich das Super-Model und der Hollywood-Star treffen , kommt leider schnell die Ernüchterung, das reell und virtuell nicht nur Fremdwörter zu sein scheinen, sondern auch ein himmelweiter Unterschied in der Betrachtungsweise.
Denn plötzlich sucht man vergebens nach dem Super-Model mit den Super-Traummaßen und dem Film-Star mit dem ach so charmanten Lächeln.
Es treffen nämlich Frau M., daß Engelchen,welche bei der Beschreibung von sich im Chat bei den Körpermassen - sorry, Körpermaßen anscheinend eine 1 überall vergessen hatte und Herr L., das Teufelchen (der Chef aus dem Vorstand) aufeinander. Von den langen Beinen keine Spur, mal grad die Hälfte dessen, was er sich in seinen kühnsten Träumen gedacht hatte. Auch der Rest, der an den Beinen dran ist, entspricht nicht wirklich seinen Vorstellungen. Nichts gegen etwas mehr auf den Hüften, aber das ist dann doch etwas zuviel des Guten und wo in alles in der Welt ist die lange blonde Mähne? Raspelkurze dunkle Haare mit einem undefinierbaren Rotton fast schon Rosa blitzt ihm entgegen.
Nunja, soviel aus der Sicht von Herrn L. .
Allerdings hat auch Frau M. auf der anderen Seite zu tun und mustert ihr Teufelchen von oben bis unten.
Aber Herr L. gleicht in keinster Weise einem Filmstar. Nein! Was hat man sich gegenseitig Honig ums Maul geschmiert und jetzt das...
Die sitzende Tätigkeit hat seine Spuren hinterlassen und ist unschwer an seinem gewölbten Etwas unter dem Mantel zu erahnen und sein Haupthaar hat auch schon mal bessere Zeiten gesehn.


Schlimm genug, daß man vom gegenseitigen Erscheinungsbild mehr als enttäuscht ist - viel viel schlimmer ist, das man sich gegenseitig beruflich kennt.
Welch Katastrophe! Beschämend und nicht wohin mit ihren Blicken wissend, entschließen sie sich dann doch,beide kurz im Cafe, das als Treffpunkt gewählt wurde, Platz zu nehmen.

Nachdem der 1. Schock überwunden scheint, bricht Frau M. in ein nicht enden wollendes Gelächter aus.
Sie kriegt einen dermaßen starken Lachanfall, daß sie Bauchschmerzen kriegt und die Tränen nur so runterlaufen im Gesicht.
Ihrem Chat-Partner-Chef ist es sichtlich peinlich, er versteckt sich hinter der Speisekarte und würde am liebsten im Erdboden versinken.

Nachdem sich Frau M. wieder einigermaßen beruhigt hat und zu einem Gespräch fähig ist, ringt Herr L. immer noch nach Worten, wie "es dazu nur kommen konnte"...

Tja, wie konnte es nur dazu kommen, daß man sich seit 5 Jahren kennt, nur per Sie verkehrt und sich jetzt die geheimsten Geheimnisse seit Tagen im Chat anvertraut und ja nuuur einen obligatorischen Kaffee trinken wollte...

Das sind halt die Tücken des Chat-Set-Jumpens,
ein gewisses Rest-Risiko ist immer dabei, sich blindlinks für ein Blind-Date zu verabreden.
Pech halt, das sich nun ausgerechnet Chef und Angestellte gegenüberstanden, aber was solls...So ist das Leben!

Übrigens schworen sich Frau M. und Herr L. beide, gegenseitig Stillschweigen über diese Angelegenheit zu wahren. Ein 2. Treffen fand nie statt und auch im Chat wurden keine intimsten Geständnisse mehr ausgetauscht.

Wenn sie sich aber in der Firma zufällig über den Weg laufen, grinsen sie sich verschmitzt an und denken an die Zeit zurück, als sie noch per DU und das Model und der Film-Star waren.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.12.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /