Da saß ich nun und hatte keine Ahnung, wie ich mit dieser Nachricht umgehen sollte.
Ich meine, nicht, dass ich es nicht geahnt hätte und doch traf mich dieser Schlag unvorbereitet. Als ich nach der Schule nach Hause kam und meine Mutter weinend vorfand, wusste ich dass es nun soweit war.
Wir würden alles verlieren! Unser Haus, unseren Status in der Gesellschaft und unser Leben.
Ich erhob mich von meinem wunderbaren großen Bett und ging zum Spiegel. Was ich dort sah, war ein schwaches, trauriges Mädchen. Glasige, rehbraune Augen mit dicken verquollenen Augenrändern und verschmiertem Mascara sahen mich vorwurfsvoll an und ermahnten mich, stark zu bleiben. Nicht zusammen zu brechen.
Die brustlangen braunen Haare waren zu einem wirren Dutt zusammengebunden. Ein luftiges, knielanges weißes Sommerkleid zierte ihren Körper. Insgesamt gesehen ein Bild, das man wohl in einem Horrorschinken erwarten würde, dachte ich sarkastisch. Ich setzte mich wieder hin und dachte darüber nach, wie es nur so weit kommen konnte. Bis vor drei Monaten war doch noch alles in Ordnung.
Die Welt um mich herum schien perfekt zu sein und ich war es auch.
Ja.. das perfekte Mädchen, dass jeder um ihre Schönheit und ihren Besitz beneidete. Doch vor genau drei Monaten an einem Montag änderte sich plötzlich mein ganzes Leben...
Drei Monate zuvor
*riiing riing*
"Dieser blöde Wecker" , waren meine ersten Worte an diesem Montagmorgen.
Ich wälzte mich in meinem Bett herum, um mich dann schlussendlich doch zu erheben. "Wie ich Montage hasse", nuschelte ich vor mich hin. Ich hatte am Wochenende eindeutig zu wenig Schlaf gehabt und dennoch bereute ich es nicht, gestern noch auf die Cocktailparty bei Cindy gegangen zu sein. Immerhin waren alle dort gewesen.. naja zumindest all die, die etwas auf sich hielten.
In der Gesellschaft, der meine Eltern und ich angehörten, war es immer äußerst wichtig, sich auf den angesagtesten Partys sehen zu lassen. Mein Vater war angesehener Anwalt , während meine Mutter es ihrerseits als Arbeit verstand, sich mit den feinen Damen aus der Gesellschaft im Country-Club zum Bridge zu treffen. Mir war auch damals durchaus bewusst, dass meine Eltern sich längst auseinander gelebt hatten, ständig war Dad in der Arbeit und machte "Überstunden" während meine Mum sich fast schon täglich eine halbe Flasche Wein genehmigte. Damals war mir das egoistischer Weise egal, da ich immer die teuerste Kleidung bekam und auch sonst alles, was ich wollte.
Mit müden Beinen ging in mein Badezimmer, das direkt an mein Zimmer grenzte und putzte mir erst einmal die Zähne und stieg unter die Dusche. Nach dem Duschen ging ich in meinen begehbaren Kleiderschrank, um mir etwas zum Anziehen auszusuchen. Die Wahl fiel auf eine Jeansshort und einem yve saint laurent top, dass ich mir erst vor kurzem gegönnt hatte.
Nachdem ich mich angezogen hatte, ging ich ins Bad, um mich ein wenig zu schminken. Kajal, Eyeliner und Mascara, mehr brauchte ich nicht um mich herzurichten, da ich dank meiner spanischen Wurzeln von Natur aus eine schöne gebräunte Haute besaß und deshalb kein Make-up benötigte. Mein braunes Haar ließ ich nach dem Föhnen einfach in sanften Wellen fallen. Schnell zog ich mir meine schwarzen Vans an und ging noch einmal zum großen Spiegel. "Perfekt" sagte ich zu meinem Spiegelbild. Das Outfit schmeichelte meiner schmalen und dennoch an den richtigen Stellen kurvigen Figur.
Als ich runter in die Küche ging, war Maria, unsere Haushälterin, bereits dabei, den Frühstückstisch zu decken , während meine Mum zeitunglesend am Tisch saß. "Guten Morgen", brummte ich etwas unfreundlich. Jetzt sah auch meine Mum auf und summte: "Alexandra Schätzchen, hast du gut geschlafen? Maria bereitet dir gesunden, fettarmen Haferbrei zu, los setz dich." "Nein Danke, ich esse nur einen Apfel auf dem Weg zur Schule, ich bin spät dran." sagte ich kurz angebunden. Bevor meine Mum etwas erwidern konnte, stürmte ich aus der Tür.
Schnell stieg ich in mein schwarzes Cabrio und fuhr los, da ich aber eigentlich gar nicht spät dran war, sondern nur der Konversation mit meiner Mum aus dem Weg gehen wollte, fuhr ich langsam durch die Straßen von Los Angeles zur Schule.
Dort angekommen traf ich auf dem Parkplatz auch direkt auf meine Freundinnen Cindy und Ashley, die an Ashleys Auto lehnten und auf mich warteten. "Morgen Mädels!", rief ich ihnen auf sie zugehend zu.
"Morgen Alex, na hattest du eine heiße Nacht? Bist ja früh mit Kyle abgehauen von meiner Party gestern", stichelte Cindy wie aus der Pistole geschossen. "Naja, nicht wirklich. Es ist nichts mehr gelaufen. Ich war einfach nicht in der Stimmung." "Also ich versteh dich nicht Alex, Kyle ist der heißeste Typ der Schule: Blond , durchtrainiert und seine Familie ist die wohlhabendste in der Gegend hier. Andere Mädels würden alles tun , um mit ihm zusammen zu sein und du lässt ihn in 2 Jahren Beziehung so gut wie nie ran" , empörte sich nun Ashley über mich. "Ja das weiß ich doch.. ich war einfach nicht in Stimmung, okay? Und außerdem geht euch mein Sexleben absolut nichts an!" regte ich mich jetzt auf.
Ja, sie hatte Recht mit dem, was sie sagte, aber Kyle langweilte mich einfach. Als ich 15 war, fand ich es ja noch aufregend, mit ihm zusammen zu sein und somit in der Beliebtheitsscala ganz nach oben zu steigen. Doch jetzt nach 2 Jahren und mittlerweile 17, wusste ich, dass er nicht besonders Klug oder tiefgründig war und außerdem auch nicht wirklich aufregend in Sachen Sex. Schlicht und ergreifend langweilig!
Schnell lief ich vorraus ins Schulgebäude, während die anderen beiden mir nun stillschweigend hinterhertrotteten.
Der Schultag ging schnell vorrüber, nichtsahnend fuhr ich nach Hause und fand meine Mum in der Küche vor. Sie saß wie eine Wachsfigur am Tisch und hielt ein Papierstück in der Hand, auf das sie vollkommen fixiert war. "Mum? Was ist los ? Mum..? Sag doch was!", stotterte ich beunruhigt. "Er ist weg .. er ist weg und kommt nicht mehr zurück. Dein Vater hat sich nun endgültig von uns verabschiedet."
Ungläubig starrte ich sie einen Moment an, bevor ich ihr das Stück Papier aus den Händen riss und tatsächlich .. es war ein Abschiedsbrief, jedoch ohne Gefühl ganz kurz und sachlich gehalten. Er war also weg, einfach so. Doch den Grund dafür sollten wir noch am selben durch einen Anruf von der Bank herrausfinden. Er hatte Schulden, große Schulden.. Dieser Tag veränderte einfach alles. Die nächsten drei Monate begang meine Mum damit für unsere Existenz zu kämpfen ... sie zu retten. Leider vergeblich.
...
Langsam öffnete ich die Augen und versuchte die Erinnerungen an diesen einen Montag, der so harmlos anfing und schließlich so dramatisch zu Ende ging, zu verdrängen. Noch einmal stand ich vom Bett auf, doch diesmal um zu Packen, einzupacken was mir noch blieb .. das, was wir noch nicht verkaufen mussten oder gepfändet wurde. Denn heute hatten ich und meine Mum diese Schlacht um unsere Existenz endgültig verloren. Wir mussten raus aus unserem großen schönen Haus und das schon Morgen. Die Menschen um uns herum hatten sich längst von uns abgewandt.. Freunde, Bekannte und sogar Kyle, mein ach so toller Freund.
Zum letzten Mal an diesem Tag schaute ich in den Spiegel und sah die Angst in den rehbraunen Augen des Mädchens, die Angst vor der Zukunft und dem Ungewissen...
Als ich an diesem Morgen erwachte, hatte ich für einen kurzen Moment die leise Hoffnung, dass das alles nur ein böser Alptraum war. Die ganzen letzten drei Monate meines Lebens.
Ich würde gleich meine Augen öffnen und mein wunderschönes großes Zimmer würde so sein, wie es immer war. Ich würde mich fertig machen und dann zur Schule fahren, um dort mit meinen Freunden den Tag zu genießen.
Das es leider kein Alptraum war, sondern die harte Realität, musste ich schon in der nächsten Sekunde feststellen, da meine Mum in meinem Zimmer hin und her lief und dabei großen Krach verursachte.
Ich öffnete die Augen und sah sie direkt an. „Alex verdammt! Du solltest gestern doch alles einpacken. In einer Stunde müssen wir das Haus verlassen!“, schrie sie mir auch schon direkt entgegen. „Guten Morgen Mum“, entgegnete ich ihr sarkastisch. Langsam stand ich auf und steuerte auf das Badezimmer zu, doch bevor ich hineinging schoss mir eine überaus wichtige Frage durch den Kopf.
„Mum? Wo sollen wir denn überhaupt wohnen und wie kommen wir mit unseren Kartons dorthin?", fragte ich nun leicht panisch. „Dein Onkel Jesùs holt uns gleich ab, wir werden vorerst bei ihm wohnen in Los Santos. Das Viertel ist nur eine halbe Stunde von hier entfernt“, ratterte sie schnell und nebensächlich herunter, während sie weiterhin die Kartons füllte.
„Moment mal, Mum?! Seit wann hab ich einen Onkel ? Du hast immer gesagt, deine Eltern verstarben früh und du hättest keine Geschwister.. UND Los Santos Mum? Nur weil ich hier in Brentwood aufgewachsen bin heißt es nicht, dass ich dieses schäbige Viertel nicht kenne. Das ist nichts für uns Mum, da können wir nicht hin!“, schrie ich nun hysterisch.
„Verdammt Alex, was erwartest du? Wunderland? Wir haben nichts mehr, dein Vater hat uns hängen lassen. Wir müssen seine Fehler nun ausbaden und haben keine andere Wahl“, schrie meine Mum nun bevor sie in Tränen ausbrach. „Weißt du Alex, ich bin dort aufgewachsen zusammen mit meinem Bruder, doch eines Tages lernte ich deinen Vater kennen und wurde nach einer Nacht mit ihm schwanger. Das war mein Fahrticket raus aus der Armut direkt in die hohe Gesellschaft. Dein Vater und ich entschieden gemeinsam, dass es besser ist den Kontakt zu meinem Bruder abzubrechen.“
Völlig geschockt und überrumpelt von dem plötzlichen Gefühlsausbruch, und den damit einhergehenden Informationen, meiner Mum stand ich da. Niemals hätte ich gedacht, das meine Mum aus solchen Verhältnissen stammt. Ihr war es stets wichtig gewesen gut vor anderen darzustehen. Ansehen und Reichtum schien ihr immer das Wichtigste. Das sie den Kontakt zu ihrem Bruder abgebrochen hatte, weil dieser nicht in die feine Gesellschaft passte, überraschte mich hingegen wenig.
Noch völlig benommen ging ich ins Badezimmer, um mich fertig zu machen, und lies meine Mum weinend in meinem Zimmer zurück.
…
Still schweigend standen ich und meine Mum nun mit den wenigen Kartons in der Einfahrt. Überhaupt hatten wir kein Wort mehr nach dem frühmorgendlichen Vorfall gewechselt. Plötzlich hielt ein schäbiger weißer Van direkt vor der Einfahrt und ein großer dunkler Mann stieg aus und kam direkt auf uns zu.
Er hatte dunkle Locken und rehbraune Augen, die meinen zum verwechseln ähnlich waren, unter seinem rechten Auge befand sich eine mittelgroße Narbe, die ihn leicht gefährlich aussehen ließ. Ich schätzte ihn auf etwa 40. Er stand direkt vor meiner Mum und grinste spöttisch. „Lucinda Mason“, sagte er wobei er das Wort Mason abwertend in die Länge zog. „Es ist mir eine Ehre Sie heute zu ihrer Villa fahren zu dürfen, entschuldigen sie bitte für den Wagen, aber die Limosine ist zur Zeit in der Reinigung“, sprach er nun in einem sarkastischen Ton weiter. „Sehr amüsant Jesùs, wirklich toll das mein Bruder sich in dieser Lage noch über mich lustig macht“, empörte sich meine Mum und ging auf das Auto zu, um direkt einzusteigen.
Der Mann vor mir seufzte traurig und sah mir nun direkt in die Augen. „Na dann bleibt das Schleppen wohl uns überlassen was?!“, sagte er scheinbar nervös während er sich am Kopf kratzte. „He Kleines ich bin Jesùs Cortez.. ehm.. dein Onkel“, völlig perplex starrte ich den fremden Mann vor mir an ohne einen Ton herauszubringen. „Das kommt dir sicher komisch vor, aber für mich ist das Ganze auch neu. Ich meine eine Nichte zu haben. Du bist wunderschön. Alexandra ist dein Name richtig?“, stammelte er nun. „Ja.. ja das ist mein Name“, war alles was ich herausbringen konnte.
Zuerst hielt ich ihn für einen Arsch, doch die Art wie er mit mir redete gab mir ein anderes Gefühl. Und ich bedauerte es für einen kurzen Moment sogar, ihn nicht in meinem Leben als Onkel gehabt zu haben. Meine Eltern hatten nie wirklich Zeit für mich gehabt und sahen immer nur das perfekte Vorzeigekind in mir, doch er sah mich mit einem anderem Blick an, den ich nicht ganz deuten konnte.. besorgt? Liebevoll?
Schweigend luden wir die Kartons in den Van, um gleich darauf loszufahren. Erschöpft lehnte ich mich im Autositz nach hinten, schloss die Augen und bereitete mich mental auf das vor, was am heutigen Tag noch kommen mochte. Doch wie bereitet man sich auf etwas vor, dass einem eine heiden Angst einjagt..?! Die Fahrt ins Ungewisse begang.
…
Nach einer etwa 30minütigen Fahrt waren wir da. Wie nicht anders zu erwarten, war Los Santos eine Plattenbausiedlung. Immer noch schweigend stiegen wir aus dem Auto und nahmen uns jeder einen Karton aus dem Van.
Der Mann, der nun mein Onkel war, brach das Schweigen als erstes: „Es ist im dritten Stock. Einen Aufzug gibt es nicht, also müssen wir die Kartons nach oben tragen. Nehmt ihr die, die ihr gerade habt und ich werde gleich den Rest holen. Na dann folgt mir mal.“ Mit leerem Blick folgte meine Mum der Anweisung ihres Bruders und ich tat es ihr gleich.
In der Wohnung angekommen, ergriff mein Onkel erneut das Wort: „So hier ist die Küche und dort das Wohnzimmer, wo ich schlafen werde. Hier rechts die Tür ist mein Schlafzimmer, wo du schlafen wirst Lucinda und Alexandra? dein Zimmer verbirgt sich hinter der Tür im Wohnzimmer. Es ist nicht sehr groß aber mehr kann ich dir leider nicht bieten. Ehm.. achja das Badezimmer befindet sich hier auf der linken Seite.“
Das war es also. Mein neues –Zuhause-...
Die Küche, die mit dem Wohnzimmer verbunden war befand sich direkt geradeaus, wenn man im kleinen Flur stand, während links und rechts besagte Zimmer ihren Platz fanden.
Langsam ging ich geradeaus, um mein neues Zimmer zu begutachten. Was ich dort vorfand, raubte mir vor Schock den Atem. Es war wirklich klein und nur ein Bett, ein Schrank und eine kleine Kommode, über der ein Spiegel hing, fanden Platz darin. Was mich allerdings irritierte, war das die Möbel neu zu sein schienen. Ein kleiner brauner Teppich zierte die Mitte des kleinen Raumes.
Gegen Abend hatten wir soweit alles ausgepackt und saßen nun gemeinsam im Wohnzimmer und starrten in den Fernseher. Meine Mum schien immer noch unter Schock zu stehen. Mit immer noch leerem Blick erhob sie sich, ohne ein Wort zu sagen, und ging in ihr Schlafzimmer.
Mein Onkel blickte ihr traurig hinterher, bevor er mich mit seinem Blick fixierte. „Sie wird damit klarkommen, keine Sorge sie ist stark. Weißt du Alexandra.. deine Mum und ich waren mal ein richtig gutes Team. Ständig haben wir davon geträumt, mal gemeinsam mit unseren Kindern alt zu werden. Als unsere Eltern starben, änderte sich alles.
Als sie Frederic Mason zufällig in einer Tankstelle sah, war sie versessen darauf durch ihn ein besseres Leben zu bekommen. Ihre schnelle Schwangerschaft ermöglichte ihr all das, da der Kerl keine andere Wahl hatte, als sie zu heiraten. Ich gönnte ihr ein glückliches Leben in guten Verhältnissen, doch das sie sich vollkommen von mir abgewandt hat, hat mich tief getroffen“, flüsterte er gedankenverloren.
Völlig überrumpelt sah ich meinen Onkel an. Diese ganze Situation war so neu für mich. Es kam mir vor, als wäre ich in einem Paralleluniversum gefangen. Diese ganzen Dinge aus der Vergangenheit warfen ein ganz anderes Licht auf Mum.
„Wieso hilfst du ihr dann.. uns? Ich meine, sie hat dich so sehr verletzt und auch jetzt zeigt sie keinerlei Dankbarkeit. Ich versteh das Ganze nicht“, flüsterte ich zurück. Jetzt sah er mir direkt in die Augen und sagte: „ Weil sie meine Schwester ist und ich sie liebe.. als sie mich anrief gab es nur eine Antwort für mich! Und sie liebt mich auch. Sie ist nur zu stolz, um es mir zu zeigen. Sie muss erstmal mit der Situation umgehen, wieder hier zu sein.“ Er sagte es so, als ob er es sich selber einreden wollte.
Mit einer Verletzlichkeit, die einem bei so einem Berg von Mann irritieren lies, wendete er seinen Blick ab und sprach weiter. „Du solltest nun schlafen gehen, ich habe dich hier an der Schule angemeldet und werde dich morgen früh dort hinfahren. Schlaf gut kleines.“
Einen kurzen Moment lang dachte ich über das Gesagte nach, dann erhob ich mich und ging, um mich Schlafen zu legen. Als ich im Bett lag brodelte bereits die Angst vor dem morgigem Tag in mir.
Mit Magenschmerzen fiel ich erst spät in der Nacht in den Schlaf, wohlwissend das der heutige Tag erst der Anfang vom Ende war..
Mit Kopfschmerzen, und nach einer äußerst unruhigen Nacht, nahm ich den Wecker am frühen Morgen zur Kenntnis. Nur langsam und mühselig, hiefte ich mich aus dem Bett und versuchte erst einmal die ungewohnte Umgebung zu realisieren, bevor ich aus dem Zimmer ins Bad trottete. Nach einer kurzen Dusche band ich mir ein großes Handtuch um und ging zurück in mein Zimmer.
Dort angekommen stand ich vor der Frage, was ich heute am ersten Schultag anziehen sollte. Sollte ich mich eher schlicht kleiden, um nicht direkt aufzufallen?! Oder sollte ich genau das tun? Auffällig sein. Um direkt klar zu machen, das ich kein Mauerblümchen war das sich mobben lässt? Nach kurzem Nachdenken entschied ich mich dafür, einfach ich zu sein. Ich war nie schüchtern gewesen, an meiner alten Schule gehörte ich immerhin zu den Beliebtesten! Doch da hatten andere Kriterien Vorrang…
Letztendlich entschied ich mich für eine Highwaist-jeansshort im used-look, dazu ein schwarzes top und meine geliebten schwarzen Vans. Schnell ging ich ins Bad, um mich zu schminken und die Haare anschließend wellig auf eine Seite zu legen. Als ich mich fertig im Spiegel betrachtete, war ich zufrieden, denn das war einfach ich. Ich kleidete mich auch gerne mal schick und elegant, aber dies war einfach der perfekte Alltagslook.
Ich ging in die Küche um mir einen Caffee zu machen, da stach mir ein großer Zettel auf dem Tresen ins Auge. Ich nahm ihn zwischen die Finger und las: „Hey Kleines, ich musste leider früher zur Arbeit und kann dich nicht zur Schule fahren. Der Bus hält direkt in dieser Straße. Du bist nur ca 10min unterwegs. Viel Spaß. Jesùs“, darunter hatte er die Buslinie aufgeschrieben.
Erst jetzt wurde mir seine Abwesenheit bewusst. Meine Mum würde wahrscheinlich noch schlafen. „Das auch noch“, flüsterte ich leise, holte meine Tasche und ging aus der Wohnung.
Draußen angekommen fand ich das Busschild sofort und wartete keine 5min, als der Bus eintraf. Die Busfahrt ging schnell vorüber. Der Bus hielt direkt vor einem kleinen Parkplatz, hinter dem sich auch schon das Schulgebäude auftat. Es war nicht annähernd so groß wie meine alte Schule, außerdem wirkte es kalt und grau. Langsam lief ich über den Parkplatz auf das Schulgebäude zu und versuchte die Blicke der anderen Schüler, die sich auf dem Parkplatz bereits tummelten, zu ignorieren. Ich fühlte mich unter diesen Blicken zwar reichlich unwohl, aber es war nicht meine Art Schwäche zu zeigen, egal in welcher Situation. Ich gab stets vor die starke toughe Alex zu sein, dabei fühlte ich mich manchmal innerlich wie die kleine, schwache Alexandra.
Mit einem dennoch mulmigem Gefühl betrat ich das Gebäude und stand nun direkt in der Aula. Suchend blickte ich mich nach dem Sekretariat um, als plötzlich jemand neben mir stand.
„Kann ich dir helfen? Du scheinst neu hier zu sein.“ Ich blickte den Typen an, der mich soeben angesprochen hatte. Er hatte braune hochgegelte Haare und strahlend grüne Augen. Er schien ziemlich gut gebaut zu sein und war ca. ein Kopf größer als ich es mit meinen 1,65m war. Alles in allem sah er ziemlich gut aus.
„Ehm ja.. kannst du. Ich suche das Sekretariat“, antwortete ich schnell bevor er merkte, dass ich seinen Körper musterte. „Mein Name ist Tyler, willkommen an der Schule und dort geradeaus die Tür, führt dich ins Sekretariat.“
„Oh.. okay Danke, meine Name ist Alexandra. Aber nenn mich ruhig Alex.“ „Gut Alex dann werden wir uns ja jetzt öfter über dem Weg laufen, also bis nacher“, sagte er mit einem Lächeln und verschwand.
Im Sekretariat saß eine kleine rundliche Frau mit rot gefärbtem Haar, die ziemlich unsympatisch wirkte. Scheinbar gelangweilt blickte sie auf die ihr vorliegenden Papiere und schien mich nicht zu bemerken. Also räusperte ich mich einmal und schon sah die Frau auf. „Ja bitte?“, fragte sie genervt.
„Mein Name ist Alexandra Mason und ich bin neu hier“, entgegnete ich ihr freundlich. „Hier hast du deinen Stundenplan mit den Klassenräumen. Die Bücher wirst du nach und nach im Unterricht erhalten“, brachte sie hervor während sie mir die besagten Unterlagen überreichte. „Viel Erfolg“, murmelte sie noch während sie den Kopf wieder senkte.
Schnell verließ ich den Raum und machte mich auf die Suche nach meinem Klassenraum, in dem jetzt Mathematik stattfinden würde. Der Klassenraum war schnell gefunden. Ich entschied mich jedoch im Flur auf den Lehrer zu warten, da ich mich sonst womöglich auf einen besetzten Platz setzten würde. Ratlos mitten im Klassenzimmer zu stehen und zu warten bis alle saßen, schien mir dann doch ein wenig dämlich. Da hätte ich ja gleich schreiend ins Klassenzimmer rennen können: „Seht her ich bin die Neue“.
Nach dem Klingeln der Schulglocke sah ich auch schon einen sehr klein geratenen kahlköpfigen Mann mit einer für sein Gesicht viel zu großen Brille, der sich den Weg durch die Schülermenge bahnte. Kurz vor mir blieb er stehen, runzelte die Stirn und beging zu Sprechen.
„Sie sind die neue Schülerin stimmts? Na da hat ihr Onkel sie aber auf den letzten Drücker hier angemeldet was? Mein Name ist Mr.Spencer und ich unterrichte Mathematik und Sozialwissenschaften.“
„Ja ich bin die neue Schülerin. Mein Name ist Alexandra Mason“, antwortete ich kurz aber freundlich. Auf die kurzfristige Anmeldung ging absichtlich nicht ein. Danach folgte ich dem Lehrer auch direkt ins Klassenzimmer.
„Ruhe! Ich bitte um Ruhe in der Klasse, wir haben eine neue Schülerin.“ Rief er auch direkt in die Meute. Das würde also meine neue Klasse werden. Einige der Mädchen beäugten mich kritisch und feindselig, wiederum andere schienen desinteressiert zu sein, während die Mehrheit des männlichen Geschlechts entweder neugierig oder auch vulgär starrten.
Es fing auch jemand an zu pfeifen,was die meisten zum Lachen brachte und mich dazu, mich reichlich unwohl zu fühlen. Ich kam mir vor wie ein Affe im Zoo. Vielleicht wirft ja gleich jemand eine Banane, dachte ich sarkastisch.
Was mich ein wenig beruhigte war, das Tyler in meiner Klasse war. Er saß weiter hinten und grinste schelmisch in meine Richtung. „Also liebe Leute, das ist Alexandra Mason unsere neue Schülerin. Sie ist kurzfristig aus Brentwood hierher gezogen. Dort hinten können sie sich setzten Ms Mason.“ Sprach der Lehrer weiter und ich hätte ihn am liebsten mit meiner Tasche vermöbelt, denn als er Brentwood sagte, fingen alle an zu tuscheln.
Ein molliger aber dennoch modebewusster Junge sprach seine Gedanken laut aus. „Wie bitte? Brentwood? Verdammt was hat sie dann hier zu suchen?“
Da er mich nicht direkt ansprach, sondern so redete als wäre ich garnicht da, ging ich auch nicht darauf ein. Ging stattdessen zu meinem Platz in der mittleren Reihe, um mich zu setzten. Neben mir saß eine dunkelhaarige Schönheit, mit schwarzem starkgelocktem Haar und dunkelbraunen Augen, die mich jedoch keines Blickes würdigte.
„Na ist doch klar. Die Kleine ist pleite! Die hat nicht mehr zu bieten als jeder von uns also starrt sie nicht so an, als wäre sie was besonderes“, gab nun ein Mädchen ein paar meter rechts von mir von sich. Sie hatte sehr hell gefärbte blonde Haare, die einen starken Kontrast zu ihrer gebräunten Haut und den matten braunen Augen ergaben. „Halt die Klappe Justina, du bist doch nur neidisch“, nahm mich Tyler auch sofort in Schutz.
„Mr Baxtor, Ms Santiago das hört jetzt sofort auf. Der Unterricht beginnt jetzt ohne weitere Störungen“ schrie Mr. Spencer aufgebracht, bevor Fake-Blondie etwas erwidern konnte, wofür ich ihm sehr dankbar war.
Die Stunde ging schnell um und ich konnte beruhigt feststellen, dass ich den anderen vom Lernstoff her weit voraus war. Wenigstens eine Sache um die ich mich nicht sorgen musste.
Da die darauffolgende Pause nur 5min ging, machte ich mir nicht die Umstände aufzustehen. Stattdessen kam Tyler zu meinem Tisch. „Hey Alex, das mit vorhin tut mir echt Leid. Justina hasst es, wenn sie nicht der Mittelpunkt ist. Aber keine Sorge, nicht mal die Hälfte der Klasse kommt mit ihr zu Recht.“
„Ach von sowas lass ich mich ohnehin nicht unterkriegen. Danke dass du mich verteidigt hast, wäre aber nicht nötig gewesen. Ich regel so etwas normalerweise allein.“
„Das war aber nötig! He in der Pause zeig ich alles ein wenig ok? Also bis gleich“, beendete er noch schnell die Unterhaltung während es zur nächsten Stunde klingelte.
Der Rest des Schultages ging schnell zu Ende und auch die darauffolgenden 3 Tage liefen bis auf kleine Sticheleien seitens Justina ereignislos ab. Viele tuschelten über mich aber keiner sprach mich direkt an, bis auf ein paar Typen die ihre Flirtkünste vergeblich austesteten.
Die meiste Zeit verbrachte ich mit Tyler und seinem Freund Jeremy, der mir gegenüber auch sehr nett wirkte, allerdings den meisten Frauen gegenüber ziemlich arschig zu sein schien. Sie spielten beide im Basketballteam der Schule, was ihre durchtrainierten Körper erklärte. Nicht das ich gaffen würde, aber es fiel halt auf. ;)
*Zuhause* lief es eher frustrierend ab, da meine Mum sich depressiv in ihrem Zimmer verschanzte und mein Onkel immer lange arbeiten war und wir auch sonst keine großartigen Gesprächsthemen hatten. Außerdem hatte ich mich immer noch nicht an die Situation gewöhnt und bezweifelte, dass ich es jemals tun würde. Ich hoffte immer noch jeden Morgen aus meinem Alptraum zu erwachen.
Der vierte Tag jedoch, der auf einen Freitag fiel, verlief nicht so ereignislos ab. Rückblickend würde ich ihn den *Tag der Veränderung* nennen. Nichtsahnend saß ich in einer Pause in der Schulcafeteria zusammen an einem Tisch mit Tyler, Jeremy und noch einem Basketballer (dessen Name mir leider entgangen ist.).
Tyler strich mir einen Krümel aus dem Haar, als plötzlich Fake-Blondie mit ihrer besseren Hälfte, die soweit ich weiß Terry hieß (sie war dünn wie eine Bohnenstange und trug einen braunen Bob, ansonsten ohne Ausstrahlung, nur ein Anhängsel Justinas) auf mich zu kamen.
„Na hat sich unsere kleine Möchtegern-Reiche schon gut eingenistet? Lass dir eins gesagt sein Sweetheart, der gute Tyler hier steht auf Frauen, die etwas zu bieten haben, deswegen war auch ich mit ihm zusammen.“ Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Tyler gerade etwas sagen wollte, doch diesmal würde ich ihr zeigen, dass man sich mit mir nicht anlegt.
„Scheinst ihm ja nicht viel geboten zu haben, wenn ihr jetzt nicht mehr zusammen seid“, giftete ich nun zurück, während ich mich genau vor sie aufstellte und ihr dabei bedrohlich in die Augen schaute, ohne den Blick abzuwenden. Mir war bewusst, dass uns nun alle anstarrten, doch das war mir egal.
„Oh wenn du wüsstest, wenn man jemanden wie mich im Bett hatte, vergisst man das nicht so schnell“, gab sie, nach einem kurzem erstaunten Aussetzer über meine Reaktion, von sich.
„Oh wow das ist es also was du so tolles zu bieten hast. Aber hey pass auf, du bist nicht die einzige, die mit dieser Strategie vorgeht. Es gibt da gewisse Frauen, die sind so klug und nehmen Geld dafür“, gab ich mich nun auf ihr Niveau herab und grinste spöttisch.
„Wooah das hat gesessen“, brachen nun Tyler und Jeremy in lautes Gelächter aus, während Fake-Blondie rot wurde wie eine Tomate. „Hast du mich gerade wirklich als Nutte beschimpft?“, schrie sie und ging auf mich los um mir eine Ohrfeige zu verpassen, doch ich war schneller, ergriff ihre Hand und schlug mit der flachen Hand zu. „Das wirst du büßen“ schrie sie und lief mit schnellen Schritten davon, dicht gefolgt von Bob (Terry mit der Bob-Frisur).
Von meiner eigenen Reaktion total überrumpelt, setzte ich mich wieder hin, während alle Leute um uns herum sich amüsierten oder verwundert zu mir schauten. Keiner schien richtig geschockt zu sein, da so eine Situation scheinbar für die meisten nichts besonderes zu sein schien. An meiner alten Schule wäre das ein regelrechter Skandal gewesen.
„Ich glaube, ich hab mich soeben in dich verliebt. Geile Sache Alex“, brachte Jeremy immer noch lachend hervor und erhielt Zustimmung von Tyler und auch NoName lachte noch. „Ach haltet die Klappe“, entgegnete ich , wobei ich ein Grinsen nicht unterdrücken konnte.
Als ich nach der Schule über den Parkplatz ging, um auf den Bus zu warten, hörte ich hinter mir jemanden nach mir rufen, dessen Stimme mir so garnicht bekannt vorkam. „Heee Alex warte mal, bleib stehen!“ Ein wenig verwundert blieb ich stehen und drehte mich zu diesem Jemand um.
Und da sah ich auch schon zwei Mädels auf mich zukommen. Bei der einen handelte es sich um die dunkelhaarige Schönheit aus meinem Mathekurs, während ich die andere nicht zuordnen konnte. Es war ein dunkelhäutiges, leicht bekleidetes Mädchen. Sie trug einen Minirock und ein kurzes schwarzes Top.
„Ich bin Tina und das ist Lorell, deine Aktion vorhin war ja echt der Hammer. Ich glaube Justina, hat danach erstmal ihr Mittagessen ausgekotzt“, plapperte die dunkelhaarige drauf los und strich sich eine schwarze Locke aus dem Gesicht.
Erst jetzt erkannte ich in ihren dunkelbraunen Augen Wärme, zuvor hatten sie immer so kalt und desinteressiert gewirkt. „Du scheinst nicht so langweilig zu sein, wie wir dachten“, sprach das andere Mädchen ihre Gedanken aus.
Jetzt musste ich ein wenig lachen, bevor ich antwortete. „Ich nehme an das war ein Kompliment.“ „Ja auf jeden Fall, und jetzt komm mit ich fahr dich nach Hause Crazy Chica“, plapperte Tina wieder.
Ich kann es einfach nur als Plappern bezeichnen, da sie so schnell sprach und dabei total chaotisch aber auch unglaublich sympatisch wirkte. Manchmal zählt der erste Eindruck eben doch nicht.
Zusammen gingen wir zu Tinas olivgrünem kleinen Auto, das ziemlich alt aber gemütlich wirkte. Ich stieg vorne ein, da Lorell sich schon hinten einquartiert hatte. Die kurze Fahrt zu mir, unterhielten wir uns und ich stellte fest, dass die beiden auf meiner Wellenlänge lagen.
Es war so leicht mit ihnen zu quatschen, es wurde einfach drauf los geplappert ohne vorher die Worte gedanklich abzuwegen, so wie es bei Ashley und Cindy immer der Fall war. Keine Spur von Oberflächlichkeit. Die beiden waren so offen und herzlich. Es kam mir so vor, als würde ich sie schon länger kennen. Ich bedauerte es sogar ein wenig, das die Autofahrt so kurz war.
„Also du kommst auf jeden Fall morgen mit zu der Party bei Martie“, sagte Tina freudig.
„Und vorher kommst du zu Tina, da machen wir uns zusammen fertig und bringen uns schonmal ein bisschen in Stimmung“, zwinkerte Lorell mir zu, während Tina mir ihre Adresse auf einen kleinen Zettel schrieb.
„Aber ich kenne diesen Martie doch garnicht. Ich bin ja nicht mal eingeladen“, gab ich zu Bedenken. „Alex du bist soo süß, die Hälfte der Gäste wird Martie nicht kennen. So ist das hier, wenn man eine Party schmeist, spricht sich das rum und jeder der Lust hat kommt“, lachten Tina und Lorell mich nun aus.
„Ok ok, dann bin ich morgen Abend um 6 Uhr bei dir? Wenn es deine Eltern nicht stört“, antwortete ich auf den Lachanfall der Beiden. „Ach Tina hat keine Eltern, dafür aber einen heißen großen Bruder.“ „Halt die Klappe Lorell“, lachte Tina und schlug ihrer Freundin auf die Schulter.
„Jetzt steig ich aber aus, bevor wir heute Nacht noch hier sitzen“, lachte auch ich und ging zu meinem Wohnhaus. „Bis Morgen Chica und zieh dir was heißes an“, riefen die beiden immer noch lachend aus dem Fenster und rauschten davon.
…
In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal seit ich hier war ruhig ein und freute mich sogar auf den morgigen Tag. Vielleicht würde es mir ja hier doch nicht so schlecht gehen, wie ich dachte.
Seit einer geschlagenen Stunde stand ich nun schon vor meinem Kleiderschrank und wusste immer noch nicht, was ich zur Party anziehen sollte. Inzwischen war es 15 Uhr.
Nach dem heutigen Duschen, hatte ich mir einfach schnell eine Leggins und ein Schlabbershirt angezogen. Auch meine Haare hatte ich nach dem Föhnen nur zu einem Dutt gebunden. Normalerweise hatte ich nie Probleme damit etwas zum Anziehen zu finden, aber da wusste ich auch immer was mich erwartet.
Heute hingegen stand ich vor einem großen Fragezeichen. „Alex verdammt nochmal! Hör auf dir so viele Gedanken zu machen!“, meckerte ich mich doch tatsächlich selber an. Dann nahm ich mir eine große Tasche und warf einfach verschiedene Outfits, Schuhe, Schmuck und Makeup-utensilien hinein.
„Wir wollten uns ohnehin zusammen fertigmachen“, redete ich mir wieder selbst zu.
„Alex? Mit wem redest du denn da?“, hörte ich meinen Onkel hinter der Tür fragen, begleitet von einem Klopfen. „Darf ich reinkommen“, fügte er hinzu. „Mit.. ehm niemandem! Komm rein“, räusperte ich mich peinlich berührt.
„Wie geht es dir Kleines? Wie läuft es in der Schule? Wir hatten die letzten Tage ja nicht wirklich Zeit, uns mal zu unterhalten“, sagte er, während er sich auf das Bett setzte. „Ja also das ist eine ganz neue Situation für mich, aber mir geht es gut. Ich komme klar. Der Lernstoff fällt mir auch nicht schwer“, antwortete ich ihm.
Skeptisch betrachtete er mich einen Augenblick lang, bevor er wieder zu Sprechen anfing. „Und jetzt die Wahrheit?“
Ich lächelte leicht darüber, dass er mich so schnell durchschaut hatte. Bisher hatte ich immer allen vormachen können, mir ginge es gut. Aber diese Tatsache könnten wahrscheinlich viele von sich behaupten, da sich in der heutigen Zeit niemand mehr für den Anderen interessiert. Doch er interessierte sich für mich und das berührte mich tief.
„Naja, um ehrlich zu sein bin ich momentan ziemlich verwirrt, was meine Gefühle betrifft. Es fällt mir schwer, mich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Doch andererseits – und das verwirrt mich am meisten – finde ich mich damit ab. Es lässt sich ja eh nicht ändern. Mit der neuen Umgebung ist auch meine Persönlichkeit dabei, sich zu verändern. Wie ich das finden soll, weiß ich selbst noch nicht“, versuchte ich zu erklären, wie es in mir aussah.
„Du bist stärker, als du denkst Kleines“, sagte er nachdenklich. „Ich wünschte du könntest deiner Mum etwas von dieser Stärke geben. Ich weiß nicht wie ich ihr helfen kann, sie kommt seit Tagen nicht aus dem Zimmer. Kannst du nicht mal mit ihr reden?“
„Für Mum ist das Ganze mit einem Weltuntergang gleich zu setzten. Sie hat dieses Leben in Wohlstand und Oberflächlichkeit geliebt. Es wird ein langer Weg für sie werden, diese Situation zu akzeptieren. Nichts was ich sage, könnte ihr dabei helfen. Sie muss alleine erkennen, dass das Leben auch ohne all das lebenswert ist“, sprach ich die bittere Wahrheit aus, während ich auf den Boden starrte.
„Vielleicht hast du Recht“, sagte mein Onkel mit brüchiger Stimme.
Kurz räusperte er sich, bevor er weiter sprach. „Was ist in der Tasche? Hast du was vor?“, versuchte er es unbekümmert klingen zu lassen.
„Ich hab in der Schule zwei Mädchen kennen gelernt und sie haben mich auf eine Party eingeladen. Um halb 6 geh ich um den Weg zu suchen. Die Adresse hab ich. Ich weiß noch nicht, wann ich wieder zu Hause bin“, ratterte ich die Worte runter.
„Na das ging ja schnell. Den Weg musst du nicht suchen, ich fahr dich. Geh aber bitte nicht alleine nach Hause oder schlaf einfach bei deiner neuen Freundin. In der Gegend ist es nicht sicher, für ein junges Mädchen.“
„Freunde sind wir ja noch nicht, aber ich denke das wird kein Problem sein. Ich pack mal zur Sicherheit noch meine Zahnbürste ein. Danke“, sagte ich , während ich mir darüber Gedanken machte was Tinas Bruder davon halten würde, wenn eine Fremde bei ihnen übernachten würde.
Da Tina nicht weit weg wohnte, waren wir nach einer etwa 10-15minütigen Fahrt angekommen. Nachdem ich mich von meinem Onkel verabschiedet hatte, ging ich auf das Wohnhaus mit der richtigen Hausnummer zu, las noch schnell den Namen auf den kleinen Zettel mit der Adresse ab und klingelte bei – Sanchez.
„Ja?“, krächste Tinas Stimme auch schon aus dem Lautsprecher. „Ich bins, Alex.“
„Alles klar, komm rein. Es ist im zweiten Stock“, hörte ich sie noch sagen, bevor die Tür aufgedrückt wurde.
Oben angekommen, stand Tina auch schon im Flur. „Hola Chica! Heute wird gefeiert. Lorell kommt auch gleich“, sagte sie mit einem Grinsen und gab mir zur Begrüßung einen Kuss links und rechts.
Zusammen gingen wir in die Wohnung, die mir Tina auch direkt zeigte. Sie war klein, hatte aber einen großen Flur, an dem sich die Türen zu den einzelnen Zimmern nebeneinander her reihten. Küche, Wohnzimmer, Tinas Zimmer, Badezimmer und hinter der letzten Tür befand sich das Zimmer ihres Bruders.
„Und das ist das Zimmer von meinem Bruder Diego. Er ist gerade nicht zu Hause, ansonsten würde er einen Anfall kriegen. Er hasst es, wenn ich mit Freundinnen in seinem Zimmer bin. Manchmal kann er eine echte Zicke sein“, amüsierte sich Tina über ihren Bruder.
In dem Zimmer stand an der gegenüberliegenden Wand ein großes Bett. Rechts stand eine kleine schwarze Ledercouch, davon gegenüber ein Flatscreen auf einer schwarzen Kommode. Außerdem befand sich noch ein schwarz-weißer Kleiderschrank neben der Kommode. Insgesamt wirkte das Zimmer eher kalt, schon fast so als würde niemand hier drin wohnen.
„Sag mal wie alt ist dein Bruder eigentlich? Und was meinte Lorell gestern damit, als sie sagte du hättest keine Eltern?“, überkam mich die Neugierde.
„Meinen Vater haben wir nie kennen gelernt und meine Mum starb vor 5 Jahren. Da hat Diego alles in die Hand genommen. Er ist 23, auch gerade mal knapp 5 Jahre älter als ich“, antworte Tina scheinbar leichthin.
„Oh das tut mir wirklich Leid. Entschuldige, dass ich gefragt habe.“
„Mach dir keinen Kopf. Ich bin drüber hinweg und wir kommen klar. So und jetzt gehen wir in mein Zimmer.“
Tinas Zimmer besaß, im Gegensatz zu dem Zimmer ihres Bruders, viel Wärme. Die Wände waren in einem Fliederton gehalten, der sich auch sonst im Zimmer oft wiederholte. Die Möbel waren hauptsächlich in weiß gehalten.
„Sag mal Tina? Meinst du es wäre okay, wenn ich heute hier schlafe? Ich wüsste nicht, wie ich nach Hause kommen könnte“, fragte ich ein wenig nervös. „Klar, kein Problem“, antwortete sie und im selben Moment klingelte es an der Tür. „Das ist Lorell“, sagte sie und ging, um die Tür zu öffnen.
Kurze Zeit später kam Tina, in Begleitung von Lorell, ins Zimmer zurück. Diese winkte mir mit einer Tequila-Flasche zu. „Die Party kann beginnen Ladys“, grinste sie frech.
Die darauffolgenden Stunden, verbrachten wir damit uns für die Party herzurichten. Jedoch nicht, ohne dabei immer wieder zwischendurch mit Tequila anzustoßen und nebenbei verrückt zur Musik zu tanzen.
Ich konnte mich wirklich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte.
Um halb 9, kurz bevor wir uns auf den Weg machen wollten, schauten wir ein letztes Mal in den Spiegel. Ich trug eine eng anliegende Röhrenjeans in heller Waschung und im destroyed-look, ein schwarzes, bauchfreies Top mit langen Ärmeln von Tina, und schwarze Lita-Boots mit Nieten. Lorell hatte meine Haare mit dem Lockenstab bearbeitet. Ich selbst hatte mir Smokey-Eyes geschminkt.
„Wir sind so verdammt heiß“, rief Tina freudig. „Bad Girls, Bad Girls what you gonna do, when we come for you”, fing nun Lorell an zu singen, während wir uns schlapp lachten.
Auf der Party angekommen, stellten mir Lorell und Tina einige ihrer Freunde vor. Am Ende der Party hatte ich mehr als die Hälfte der Leute kennen gelernt.
Die Musik belief sich auf Hip Hop und Reaggaton, worauf wir fast die ganze Nacht tanzten.
Tyler und Jeremy waren auch dort. Als sie mich sahen, nahmen sie mich auch sofort in den Arm und wir quatschten ein wenig.
Mit Tyler tanzte ich auch eine Weile, was ihn dazu veranlasste mich mit in eine Ecke zu ziehen, wo wir auf einem Sofa Platz nahmen.
„Wow Alex, du tanzt echt wahnsinnig und siehst heute so verdammt heiß aus“, sagte er ganz außer Atem.
„Danke, aber du tanzt auch nicht schlecht und siehst auch garnicht so doof aus“, antwortete ich ihm mit einem frechen Grinsen.
„Hee, was soll das denn heißen? Siehst du diese Muskeln? Wenn ich mich ganz ausziehe, fällst du in Ohnmacht Süße“, entgegnete er ebenso frech und zog dabei sein Shirt ein Stück hoch, so dass seine Bauchmuskeln zu sehen waren.
„Na was glaubst du, was du tun würdest wenn ich mich erst ausziehen würde Süßer?!“, lachte ich ironisch. „Na vielleicht das“, antwortete er, kurz bevor er mich küsste.
Zuerst leicht überrumpelt, erwiderte ich den Kuss. Ich hatte viel getrunken und Tyler war nicht nur nett, sondern sah auch sehr gut aus.
Er küsste gut, seltsamerweise regte sich dennoch nichts bei mir. Deshalb brach ich den Kuss abrupt ab, woraufhin Tyler mich ein wenig erstaunt, anstarrte.
„Komm wir holen uns was zu trinken“, sagte ich schnell, um den peinlichen Moment zu beenden.
Den Rest der Party versuchte ich ihm unauffällig aus dem Weg zu gehen. Zwischendurch trank ich hier und da mal mit jemandem etwas, so dass ich gegen Ende ziemlich angetrunken war.
Um halb 5 Uhr morgens, machten Tina und ich uns torkelnd auf den Weg nach Hause.
„Weißt du Alex, du bist für eine Brentwood-Tusse echt verdammt cool drauf“, lallte Tina mir entgegen. „Brentwood? Was ist das? Nen neuer Burger?“, lallte ich zurück, woraufhin wir beide anfingen zu Lachen.
„Oh Shit ich kann nicht mehr“, waren meine ersten Worte an diesem Morgen.
Um 5 Uhr waren wir heute Morgen erst bei Tina gewesen. Und jetzt um 8 Uhr - also gerade mal drei Stunden später - konnte ich schon nicht mehr schlafen.
Ich bekam die Quittung für die gestrige Nacht: Ich hatte einen Kater, und was für einen!
Mein Kopf dröhnte und auch meinem Magen ging es alles andere als gut. Ich musste etwas dagegen tun.
Langsam aber bestimmt stupste ich Tina, die neben mir auf dem Bett lag und offenbar keine Probleme beim Schlafen zu haben schien, an.
„Tina? Bist du wach? Tina?“
„Mhmmmm“, stöhnte diese im Halbschlaf auf.
„Ich kann nicht mehr schlafen, darf ich bei dir duschen gehen? Ich bin auch ganz leise“, fragte ich sie.
„Mhmmmm“, gab sie wieder von sich. Kurz starrte ich in die Dunkelheit des Zimmers, dann entschied ich mich daraus einfach mal ein – Ja – zu interpretieren.
Nur langsam und mühselig schaffte ich es aus dem Bett zu kommen und griff nach meinem Handy, das auf der Kommode neben dem Bett lag. Dieses funktionierte ich kurzerhand zur Taschenlampe um und fischte Zahnbürste, Bürste und Unterwäsche aus meiner Tasche.
Dann ging ich ins Badezimmer, das wie ich mir gestern gemerkt hatte links von ihrem Zimmer war, um erstmal ausgiebig zu duschen.
Nur in Unterwäsche bekleidet bürstete ich meine nassen langen Haare und musste feststellen, dass es mir gleich viel besser ging, obwohl ich noch todmüde war. Ich könnte mir von Tina frische Schlafsachen geben lassen und mich auch noch ein wenig hinlegen, dachte ich und machte mich auf den Weg zurück in Tinas Schlafzimmer.
Leise betrat ich das dunkle Zimmer, in dem ich kaum etwas erkennen konnte. Das Handy hatte ich natürlich dummerweise nicht wieder mitgenommen. Ich wusste, das sich das Bett geradeaus im Zimmer befand also ging ich darauf zu und berührte auch schon nach kurzer Zeit mit den Beinen die Kante des Bettes.
Ich hob die Hand und stupste Tina leicht mit einem Finger an:
„Tina? Hast du was zum Anziehen für mich?“
Keine Reaktion.
Nun rüttelte ich etwas heftiger mit der Hand an ihr und bemerkte im selben Augenblick, dass dies nicht Tinas Schulter war. Doch für diese Erkenntnis war es zu spät, denn ich wurde sofort und heftig an meiner Hand ins Bett gezogen und kurze Zeit später lag jemand auf mir und hielt meine Arme mit nur einer Hand nach oben hin fest. Mit der anderen Hand schaltete er eine kleine Lampe neben dem Bett an.
Ich starrte in dunkelbraune, kalte Augen die um die Iris herum einen rehbraunen Stich hatten. Mein erster Gedanke war: „Das ist ganz eindeutig nicht Tina“, mein zweiter war: „Verdammt!! Der Typ ist heiß“.
Nicht gerade der klügste Gedanke in so einer Situation aber hey! Ich meine der Typ sah wirklich göttlich aus.
Er hatte ein markantes Gesicht mit einem Drei-tage-bart. Die schwarzen Haare waren an den Seiten milimeter kurz und oben länger die jetzt, offenbar vom Schlafen, äußerst sexy verwuschelt waren. Er trug nur eine schwarze Boxershorts und war ziemlich gut gebaut, soweit ich das beurteilen konnte.
Wirklich viel sehen konnte ich aus dieser Position nicht, da er ja immer noch auf mir lag, aber ich spürte seine Bauchmuskeln auf meiner nackten Haut.
Moment mal!
Nackte Haut?
Oh Shit.. ich lag ja auch nur in meiner schwarzen Spitzen-unterwäsche unter ihm. Das fiel ihm offenbar auch im selben Moment auf. Mich immer noch mit seinen muskulösen Armen festhaltend, erhob er sich ein wenig und blickte an mir herab, bevor er seinen Griff um meine Arme lockerte und mir wieder in die Augen sah.
Dem vorher noch kalten Blick wich nun einem äußerst verwirrten und verschlafenen Ausdruck.
„Träum ich etwa?“, fragte er doch tatsächlich und ich konnte nicht umhin diese Frage in Verbindung mit seinem Blick total süß zu finden. Meine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und schon hörte ich Tina laut nach Luft schnappen.
„Was geht denn hier ab?“, empörte sie sich auch sofort. Der Typ, der offensichtlich Tinas Bruder zu sein schien, rollte sich von mir runter und lag nun neben mir. Erst jetzt konnte ich sehen, dass seine Arme und seine Brust tattowiert waren.
In Verbindung mit dem muskulösen Körperbau wirkte er sehr gefährlich, doch das gefiel mir irgendwie.
Verschlafen ging er sich mit der rechten Hand durch die Haare und schaute von Tina zu mir und wieder zurück.
„Das sollte ich dich wohl eher fragen! Ich hab zwar getrunken gestern Nacht, aber ich hätte es gemerkt wenn ich nen Weib mit nach Hause genommen hätte. Die muss zu dir gehören“, antwortete er seiner Schwester in einem total abfälligen Tonfall.
Erst jetzt schaltete sich mein von Hormonen gesteuertes Gehirn wieder ein und auf einmal war mir die ganze Situation mehr als peinlich. Ich war doch tatsächlich, so dumm wie ich war, nur in Unterwäsche bekleidet geradewegs ins Zimmer von Tinas Bruder gelatscht.
„Dein Ernst?! Natürlich gehört sie zu mir du Vollidiot! Das Thema hatten wir schon einmal Diego: meine Freundinnen sind Tabu!“, schrie diese ihm entgegen.
Diego schnaubte wütend und schien seiner Schwester den Hals umdrehen zu wollen.
„Tina nein es ist meine Schuld, er kann nichts dafür“, sagte ich schnell, bevor er etwas erwidern konnte. Nun starrten mich beide verwundert an und warteten offenbar auf eine Erklärung.
„Ich hab vergessen mir Anziehsachen mit ins Badezimmer zu nehmen. Als ich mir welche von dir geben lassen wollte, bin ich wohl ins falsche Zimmer gelaufen.“
„Oh Gott Diego bist du echt so notgeil, dass eine Frau in Unterwäsche nicht mal in dein Zimmer kommen kann ohne dass du sie gleich flachlegst? Alex das ist nicht deine Schuld, ich weiß wie mein werter Herr Bruder die Frauen um den Finger wickeln kann!“
„Sag mal wollt ihr mich verarschen am frühen Morgen? Ich hab deine Freundin nicht geknallt und jetzt Raus Hier! Beide!“, schrie er ihr entgegen, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
Schnell stand ich auf und zog Tina mit aus dem Zimmer, die noch etwas erwidern wollte.
„Aber, hää?“, fragte sie mich vollkommen perplex.
„Ich hatte nichts mit deinem Bruder. Ich hab an ihm gerüttelt, weil ich dachte er wäre du. Er hat sich scheinbar erschrocken und so kam es zu dieser seltsamen Stellung, in der du uns gesehen hast“, ratterte ich schnell runter.
Mir war das alles so peinlich, ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Erst schaute Tina mich an wie ein Auto, bevor sie sich vor Lachen krümmte. Sie fiel regelrecht auf den Boden, um dort wild und lachend rum zu hampeln.
„Oh mein Gott! Ich kann nicht mehr! Wenn ich das Lorell erzähle! Der arme Diego.“
Wütend sah ich sie an, bevor ich zurück in ihr Zimmer lief. Dabei musste ich mir noch den Spruch „Verlauf dich nicht“ anhören, was mich dann doch dazu veranlasste leise zu lachen.
Zwei Stunden später saßen wir (Angezogen!) in Tinas Küche und warteten auf Lorell, die gerade die Treppe zu Tinas Wohnung hochging und Brötchen mitgebracht hatte.
Kaum war sie in der Wohnung, musste Tina ihr auch schon den morgigen Vorfall berichten. Jetzt gab es schon zwei, die sich über mich lustig machten.
„Hey guck nicht so grimmig! Dazu hast keinen Grund, immerhin lagst du heute Morgen mit einem superheißen Typen im Bett. Also ich an deiner Stelle hätte die Situation eindeutig ausgenutzt. Ich meine Diego ist der Hammer. Hrrr“, grinste mich Lorell an.
„Hallooo? Wir reden hier immer noch von meinem Bruder du Luder!“, regte sich Tina gespielt sauer auf.
„Is ja gut du Spielverderberin, wechseln wir das Thema. Was lief da gestern mit Tyler?, richtete sich nun Lorell augenbrauenwackelnd an mich.
„Was meinst du?“, fragte ich unschuldig.
„Versuch gar nicht erst dich rauszureden Süße! Wir haben gesehen, wie ihr euch geküsst habt“, antwortete Tina auch schon sofort für Lorell.
„Najaa.. Ja er hat mich geküsst“, gab ich nun doch zu.
„Ja und weiter? Wie wars denn so?“
„Er küsst ganz gut und er ist wirklich süß und so, aber ich glaube nicht das was daraus wird“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Tyler ist ein guter Freund von mir und ein echt toller Kerl! Er sieht gut aus, hat einen echt tollen Charakter UND er steht ja mal so was von auf dich“, setzte sich Tina nun für ihren Kumpel ein.
„Ich mag ihn ja auch, aber ich denke mehr als Freundschaft wird daraus nicht. Ich komm gerade aus einer oberflächlichen Beziehung, in der die Gefühle zu kurz kamen. Wenn ich mich auf etwas Neues einlasse, dann nur wenn ich mich wirklich verliebe“, versuchte ich nun das Thema Tyler zu beenden.
„Dann bin ich mal gespannt, wie du dich hier bei uns noch entwickelst und was für einen Typen du uns anschleppst“, lachten Lorell und Tina.
Ohne es zu wissen berührten sie mich mit dieser Aussage, denn diese signalisierte mir, dass die Beiden mich mochten und auch zukünftig mit mir Zeit verbringen wollten.
Ich hatte Freundinnen gefunden!
Noch bevor ich den Gedanken zu Ende bringen konnte, kam Diego in die Küche und zog sich beim Gehen eine schwarze Lederjacke über.
Er trug ein schwarzes enges Shirt, dass seinen durchtrainierten Körper gut zur Geltung brachte, dazu eine verwaschene Jeans und weiß-rote Nike-Sneakers. Seine Haare versteckte er unter einer roten Cappy.
„Diego Honey! Na du siehst ja wieder heiß aus. Hast du gut geschlafen?“, fragte Lorell ihn und blickte bei dem letzten Satz provozierend in meine Richtung, wofür sie von mir einen bitterbösen Blick zugeworfen bekam.
Gelangweilt und scheinbar genervt schaute Diego erst mich dann Lorell an. „Halt die Klappe Lorell! Tina wenn ich wieder zu Hause bin, sind du und deine Hühner verschwunden“, presste er wütend hervor, während er die Wohnungstür öffnete und sie danach hinter sich zu knallte.
„Yes Yes Sir“, antwortete Tina salutierend, ohne dass er es noch hören oder sehen konnte.
Lorell und Tina fingen automatisch an zu lachen, während ich nur lächelnd zur Tür starrte, durch die gerade eben Tinas Bruder verschwunden war, und mich fragte was Diego Sanchez wohl für ein Mann war…
Diego
Nachdem ich die Tür hinter mir zugeknallt hatte, atmete ich als erstes einmal tief durch. Wie ich es hasste, wenn meine kleine Schwester ihre Freundinnen am Morgen zu uns einlud. Lorell war mir schon lange ein Dorn im Auge. Die ist eindeutig nicht der richtige Umgang für meine Schwester, aber die macht ja in letzter Zeit eh was sie will.
Mit schnellen Schritten ging ich die Treppe hinunter, um mir draußen dann eine Zigarette anzuzünden. Die hatte ich nach diesem wirren Morgen bitter nötig.
Wer war das Mädchen heute Morgen in meinem Bett? Ich kann mich nicht erinnern sie jemals zuvor gesehen zu haben, dabei kannte ich jeden der mit Tina verkehrt.
Es hatte mich ziemlich wütend gemacht, am frühen Morgen so von meiner hysterischen Schwester für nichts angeschnauzt zu werden. Es gab allerdings eindeutig schlimmeres, als von einer Frau in schwarzer Spitzenunterwäsche geweckt zu werden. Die Kleine war verdammt heiß und wenn Tina nicht reingekommen wäre…
Shit ich musste aufhören damit. Sie ist eine Freundin meiner kleinen Schwester also war sie tabu! Außerdem konnte ich tausende von ihrer Sorte ins Bett kriegen!
Es schadete ja dennoch nicht, sie mal im Auge zu behalten. Natürlich nur um herauszufinden, ob sie der richtige Umgang für meine Schwester war.
Komplett uneigennützig also!
Zufrieden mit meinem Gedankengang zertrat ich die Zigarette auf dem Boden und ging die Straße hinüber zu meinem schwarzen Mercedes. Nach einer etwa 10minütigen Autofahrt war ich an meinem Ziel angekommen. Gähnend stieg ich aus dem Auto und betrat nach wenigen Schritten das Fitnessstudio mit angrenzender Boxhalle.
„Dieeegoo? Ich wusste ja garnicht, dass du heute arbeitest. Dann können wir ja gleich Heute mit meinem Fitnessprogramm weitermachen.“
Müde sah ich Wendy an, die mich so eben angesprochen hatte. Mit einem erwartungsvollen Ausdruck in den Augen sah mich die blonde Frau an. Sie hatte grüne Augen und war ziemlich heiß. Außerdem war sie einer meiner Kundinnen hier im Studio, in dem ich als Trainer arbeitete.
Nicht der beste Job, aber es war besser als das was ich davor gemacht hatte und außerdem konnte ich so meine Leidenschaft zum Sport mit der Arbeit verbinden.
Ein positiver Nebeneffekt dieses Jobs, waren Frauen wie Wendy. Schon einige Male ergaben sich „Privattrainings-stunden“ mit ihr oder auch anderen Kundinnen. Nicht gerade Gentleman-like aber ich war noch nie ein Gentleman gewesen.
Zumindest wussten die Frauen bei mir, dass es nur auf das Eine hinauslief. Wenn sich die ein oder andere Hoffnungen machte mich verändern zu können, war ich vielleicht nicht immer wirklich konkret was die Chancen diesbezüglich angingen, aber wie gesagt:
Ich war noch nie ein Gentleman gewesen.
„Nein ich arbeite heute nicht Wendy, ich bin privat hier. Mit deinem Programm machen wir Morgen weiter“, antwortete ich kurz angebunden und machte mich auf den Weg zu der Personal-Umkleide. Aus dem Augenwinkel sah ich noch den enttäuschten Blick von Wendy. Sie gehörte zu der Kategorie von Frau, die aus mir einen zahmen monogamen Kater machen wollte, doch so war ich noch nie gewesen.
Nachdem ich mir mein graues Shirt und meine Schwarze Jogginghose angezogen hatte, nahm ich mir auch noch meine schwarzen Boxhandschuhe aus meiner Tasche und verstaute die Tasche anschließend in meinem Schließfach. Bevor ich jedoch in die Boxhalle ging, führte mich mein Weg zum Tresen im Studio, um meine Termine für die nächste Woche nochmal durchzugehen.
Hinter diesem stand bereits Jeremy, ein nerviger Typ der erst seit kurzem bei uns arbeitete. Der braunhaarige Typ mit den blauen Augen ging in die Highschool meiner Schwester und zu meinem Leidwesen war er auch mit ihr befreundet und hing viel zu oft bei uns rum. Er war sehr sportlich - Basketballer soweit ich weiß – doch der Typ war ständig dabei mich voll zu texten.
„Hey Diego na auch wieder hier? Dein Kumpel Dave hat vorhin angerufen und gefragt ob du heute arbeitest. Hab ja nicht gewusst, dass du Privat hier auftauchst, dann hätte ich ihm das gesagt. Er wäre dann bestimmt auch gekommen“, plapperte er auch schon drauf los.
Manchmal erinnerte mich der Typ sogar ein bisschen an meine Schwester, die konnte auch ohne Punkt und Komma labbern.
„Alles cool, ich schau nachher bei ihm vorbei“, murmelte ich leicht genervt und blätterte im Terminkalender rum. „Ich geh jetzt in die Boxhalle“, fügte ich diesmal etwas lauter hinzu, während ich mich auch schon auf den Weg machte.
Nach einer Stunde des Dampf-Ablassens beim Boxen beschloss ich noch ein paar anschließende Hantel-züge im Studio zu machen. Schon beim Betreten des Studios sah ich, dass die Anzahl an Idioten sich verdoppelt hatte. Jeremy hatte seinen Kumpel Tyler hier antanzen lassen. Ich lad noch meine Schwester ein, dann können wir einen Kindergeburtstag veranstalten, dachte ich sarkastisch und ging zur Hantelbank.
„Diego na alles klar? Sind Tina und Alex gestern noch gut nach Hause gekommen?“, sprach mich der Typ auch direkt an, während er es sich mit Jeremy im Schlepptau auf der Hantelbank neben meiner gemütlich machte.
Seit die Beiden mit Tina rumhingen, gingen sie mir echt auf die Nerven. Es ist sogar schon einmal so weit gekommen, dass die was mit mir und meinen Jungs unternehmen wollten. Wer bin ich denn, dass ich 17 oder meinetwegen 18-jährige Bubis mitschleppe?!
Gelangweilt sah ich ihn an: „Wer ist Alex?“
„Hat Alex nicht bei euch gepennt? Das ist ne Neue bei uns in der Schule. Eine hübsche Brünette.“
„Ach ja? Dann wohl doch“, antwortete ich nur kurz angebunden, da ich dabei war zu trainieren. Außerdem fiel mir wieder schlagartig die Szene heute Morgen in meinem Bett ein.
Die distanzierte Antwort meinerseits zog, denn nun sprachen die Beiden ohne mich zu beachten über die Party, auf der sie gestern waren. Erst hörte ich gar nicht hin, doch als ich den Namen der Unbekannten vernahm, hatten sie meine Aufmerksamkeit wieder erlangt.
„Was lief gestern mit Alex? Du hast sie geküsst!“, kam es von Jeremy.
„Ja hab ich. Hab aber irgendwie im Gefühl, dass sie nicht auf mich steht. Sie ist mir danach die ganze Zeit aus dem Weg gegangen“, sagte Tyler nachdenklich.
„Vielleicht aber auch gerade weil sie auf dich steht Alter! Ich mein vielleicht ist sie eine Frau der schüchternen Art“, versuchte Jeremy nun seinen Kumpel aufzumuntern.
„Ich weiß nicht man. Die Kleine kommt aus Brentwood! Ich mein wer weiß was die schon für Typen dort hatte, die haben alle Kohle und so ein Scheiß. Sie sah gestern echt heiß aus und schüchtern schien sie nicht zu sein, ganz und gar nicht. Überleg mal wie sie letztens Justina die Stirn geboten hat“, brachte Tyler verzweifelt hervor.
Mal ganz abgesehen davon, dass die Beiden sich wie Weiber benahmen, die Liebeskummer hatten machte mich noch etwas anderes stutzig.
Brentwood? Dort kam sie her?
Ich mein ich hatte heute Morgen direkt gemerkt, dass die Kleine irgendwie anders war als die Frauen die sonst immer hier rum liefen. Aber damit hätte ich nicht gerechnet. Was machte denn so ein verwöhntes Girly hier ins Los Santos, dachte ich verwundert.
In meiner Zeit als Dealer - die mittlerweile 2 Jahre zurücklag – hatte ich viele der Jugendlichen aus Brentwood kennengelernt. Sowohl Weiber als auch Typen, die im „Ghetto“ ein kleines Abenteuer suchten. Drogen waren da schon einmal ein guter Anfang. Manche Weiber verstanden es auch als Abenteuer, sich einen „Bad-Boy“ von hier klar zu machen. Auch das hab ich ihnen damals nicht abgeschlagen.
Wieder zurück in der Gegenwart mit meinen Gedanken, fragte ich mich ob diese Alex auf so einen Typen wie Tyler stehen könnte. Der Typ war zwar gut in Form, aber der war doch noch grün hinter den Ohren. Ein Bubi eben..
Irritiert davon, warum ich überhaupt über so etwas nachdachte, hörte ich Jeremy noch etwas sagen:
„Alter ich bin mir sicher, dass Alex nicht so eine ist die auf Geld achtet. Sie ist cool drauf und wirkt nicht wie so eine Tusse aus einem reichen Vorort. Also gib mal nicht auf und mach dich ran!“
„Musst du gerade sagen du kriegst deinen Scheiß ja auch nicht auf die Reihe, wenn es um Frauen geht. Wann hast du das letzte Mal versucht ein Date mit T“
„Halt die Klappe Alter!“, unterbrach ihn Jeremy mit einem wissenden Blick auf mich gerichtet.
Was sollte der Scheiß denn, dachte ich mir. Kurz blickte ich skeptisch in ihre Richtung, doch dann beschloss ich, dass ich es gar nicht wissen wollte. Ich erhob mich und ging in Richtung Umkleide, um erst einmal duschen zu gehen.
„Was geht Diego?“, begrüßte mich Dave, nachdem er die die Tür geöffnet hatte.
„Nicht viel“, antwortete ich ihm, begrüßte ihn per Handschlag und trat in seine Wohnung ein.
Ich steuerte direkt auf das Wohnzimmer zu und setzte mich in den großen roten Sessel, während Dave sich auf die Couch schräg gegenüber setzte.
„Was gibt’s? Du hast heute im Studio angerufen?“, fragte ich ihn auch sofort.
„Du wirst nicht glauben wer mich heute angerufen hat“, antwortete er mir mit einem vielsagenden Blick.
„Ja machs nicht so spannend“, brachte ich genervt hervor.
Manchmal konnte Dave echt nervig sein. Der Typ hatte durch das Bodybuilding eine krasse Statur und bis auf ein paar millimeter kurz geschoren Haare, außerdem hatte er unzählige Tattoos am ganzen Körper – eine Berufskrankheit bei Tattoowierern – war also insgesamt eine gefährliche Erscheinung und redete dennoch zwischendurch wie ein Weib.
„Marc hat angerufen. Er ist wieder in der Stadt und hat nach dir gefragt, wollte deine neue Nummer haben. Hab sie ihm natürlich nicht gegeben. Hab nur gesagt, der soll das mit dir klären“, erzählte mir Dave nun doch.
„Ich hab überhaupt nichts mehr mit Marc zu klären! Ich weiß doch genau was der will, aber ich mach den Scheiß nicht mehr“, knurrte ich Dave entgegen.
„Beruhig dich mal Alter! Wir hatten mal echt geile Zeiten, auch ohne den ganzen Mist drum herum.“
Dave hatte Recht. Schon in der Kindheit hatten Dave, Danny, Marc und ich viel zusammen erlebt. Doch irgendwann fing Marc mit dem Dealen an und versuchte uns zu überreden mit einzusteigen. Danny hatte er sofort überredet, der war ständig pleite und sah darin seine Chance was Großes zu werden. Dave fand das Ganze von Anfang an nicht gut und ist bei seinem Wunsch geblieben Tattowierer zu werden.
Ich bin erst mit eingestiegen, als vor 7 Jahren meine Mum an Krebs erkrankte und ich plötzlich Alleinversorger der Familie wurde. Zwei Jahre nach der Diagnose verstarb sie und ich blieb weiter im Geschäft. Bis ich vor drei Jahren plötzlich erwischt wurde und für ein Jahr in den Knast gehen musste. Tina musste das Jahr über bei unserer Tante wohnen.
Von da an, war der Scheiß für mich gelaufen. Ich wollte ein guter Bruder für meine Schwester sein, einer ehrlichen Arbeit nachgehen so das Tina nie wieder in so eine Lage kam.
„Die Betonung liegt auf – hatten -. Jetzt will ich davon nichts mehr hören klar?! Mach mal die Glotze an, Football läuft gerade“, sagt ich gereizt während ich schon stur in den noch nicht eingeschalteten Fernseher schaute.
Abwehrend hob Dave die Hände. „Ist ja gut man! Bist ja heute super drauf Alter“, entgegnete er sarkastisch und schaltete den Fernseher ein.
Bilder von Footballspielern flimmerten über den Fernseher , doch ich starrte nur durch sie hindurch. Ein wenig überrumpelt dachte ich über meine Vergangenheit als Dealer, die Zeit im Knast und den Tod meiner Mum nach. Was hatte Marc wieder hierher verschlagen, wo er doch kurz nach meiner Verhaftung aus Angst vor der Polizei abgetaucht war?
Ich würde es wohl noch erfahren, war mein letzter Gedanke bevor ich mich nun endgültig dem Spiel widmete.
Erleichtert atmete ich auf, als ich die Schulglocke vernahm, die nun endlich diese langweilige, theoretische Chemiestunde beendete.
Naturwissenschaften waren mir schon immer ein Dorn im Auge. Aus diesem Grund war ich zunächst froh, als ich hörte das man an dieser Schule nur eines der Fächer belegen konnte. Leider hatte ich nicht die Wahl zwischen Biologie, Physik und Cehmie, sondern wurde einfach aus Platzmangel in den Chemiekurs abgeschoben.
Im Prinzip wäre es mir egal gewesen, welches der drei Fächer ich nun belegen müsste, allerdings war ich in diesem Kurs mit keinem meiner neu gewonnen Freunde zusammen. Justina hingegen schon, wie ich nur zu gut durch ihre nervigen Sticheleien zu Spüren bekam.
Langsam verließ ich den Chemie-Raum und ging den Flur runter um mich auf den Weg in den Aufenthaltsraum zu machen. Ich hatte eine Freistunde und da Tina und Lorell nun auch eine hatten, hatten wir uns schon vorher dort verabredet.
Während ich den Flur so runterlief, dachte ich über die vergangen Tage nach. Heute war Mittwoch und ich musste feststellen, dass die ersten beiden Tage der Woche schnell vorbeigezogen waren.
Ich wunderte mich über mich selbst, dass ich mich bereits so gut angepasst hatte an meine neue Umgebung und doch traute ich mich nicht den Gedankengang tiefer zu legen.
Ich war schon immer eine Meisterin darin, negative Gefühle zu verdrängen. So geht man unangenehmen Dingen aus dem Weg, doch diese Methode hat auch seine Tücken. Als sich die angestauten, weggedrängten Gefühle in der Vergangenheit doch einmal in Form eines Wutanfalls oder eines Zusammenbruchs an die Oberfläche gedrängt hatten, hatte meine Mum stets dafür gesorgt mich zu dem teuersten Psychatern zu schicken.
Ihrer Ansicht nach sollte man sich stets wie eine Lady verhalten und so ein Gefühlsausbruch stimmte in ihrer Welt wohl nicht ganz mit dem Bild einer Lady überein. In den letzten Tagen hatte sie ihre Grundsätze wohl auch vollkommen über Bord geworfen. Sie lebte in der Wohnung meines Onkels wie ein Geist. Ich hatte das Gefühl, sie seit Tagen nicht gesehen zu haben. Mit meinem Onkel hingegen verstand ich mich richtig gut. In dieser verfahrenen Situation war er wie ein Rettungsboot, das mir half über Wasser zu bleiben.
Mit diesem Gedanken betrat ich den Aufenthaltsraum, in dessen Mitte sich ein Kicker befand an dem einige Jungs ihren Spaß hatten. Der Raum sah im Großen und Ganzen wirklich alt und ranzig aus. Die Wände waren vollgesprayt.
Ashley und Cindy hätten es wohl als typisch Ghetto bezeichnet und wären rückwärts wieder rausgerannt. Ich hingegen, hatte in den letzten Tagen oft hier mit den Anderen gesessen.
Hinten rechts in der Ecke befand sich eine große L-förmige blaue Couch. Dort saßen breits Lorell, Tina, Jeremy und Tyler und winkten mich lächelnd zu sich.
Mit den Worten: "Hey Leute, ich bin endlich erlöst!", setzte ich mich zwischen Tina und Tyler. Tyler hatte in den letzten Tagen kein Wort über den Kuss verloren, was mich sehr erleichterte, da ich ihn echt mochte und nicht wollte das es kompliziert wird zwischen uns.
"Ich hab die Schule auch echt satt. Es ist gerade mal Mittwoch und ich kann nur ans Wochenende denken", stöhnte Jeremy neben Tina und lehnte sich in der Couch zurück.
"Nicht nur du mein Lieber. Ich brauche Alk und ne ordentliche Party und das Pronto!", beschwerte sich nun auch Lorell aus der Ecke neben Tyler.
Damit fing eine hitzige Disskussion darüber an, wer das Wochenende denn am nötigsten hatte.
Lächelnd lehnte ich mich in der Couch zurück, was Tyler mir so gleich nachmachte und nun praktisch neben mir lag.
"Du Alex? Was hast du eigentlich am Freitag vor? Ich dachte wir machen was chilliges, feiern gehen kann man ja auch Samstags."
Oh nein er hatte den Kuss scheinbar nicht vergessen und fragte mich nun nach einem Date. Wie konnte ich ihm einen Korb geben ohne das es komisch zwischen uns wurde?!
Plötzlich kam mir eine Idee:
"Das ist eine tolle Idee Tyler. Was haltet ihr davon Leute? Freitag was Chilliges?", fragte ich etwas lauter in die Runde.
"Hey ja warum nicht, ihr könnt zu mir kommen. Freitags ist Diego eigentlich immer unterwegs", sagte Tina freudig. Alle anderen stimmten ihr zu, bis auf Tyler der ein wenig beleidigt dreinschaute.
Nach Schulschluss ging ich gemeinsam mit Tina zu ihrem Auto, die kurzerhand beschlossen hatte, dass ich mit zu ihr kommen sollte. Ich freute mich darüber, mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Zu Hause wäre es ohnehin nicht sonderlich toll gewesen. Außerdem musste ich zugeben, dass ich darauf hoffte Tinas Bruder wiederzusehen..
Bei Tina angekommen, gingen wir sofort ins Wohnzimmer und machten den TV an.
"Sag mal ist dein Bruder nicht zu Hause?", fragte ich beiläufig und steckte mir ein Stück Schockolade in den Mund. "Doch doch, es ist gerade kurz vor 6. Der liegt bestimmt im Bett. Er musste heute bis 5 arbeiten, dannach legt er sich manchmal noch ne Stunde hin."
"Wo arbeitet denn dein Bruder?"
"Er ist Fittnesstrainer und trainiert auch in der Boxhalle. Ist ganz praktisch, weil ich im Studio umsonst trainieren darf. Wenn du willst, besorg ich dir auch ein Gratis-Abo", zwinkerte sie mir zu.
Noch bevor ich darauf antworten konnte, klingelte Tinas Handy.
"Hey Jeremy....öhm jaa..nein Alex ist bei mir. Na gut. Ja ok bis gleich", verwirrt legte sie auf."Jeremy steht im Teppenhaus und will mit mir reden. Allein", sprach sie verdutzt aus.
"Komm schon tu doch nicht so unwissend! Jeremy steht auf dich, das sieht doch jeder der Augen im Kopf hat", lachte ich sie nun aus.
"Ich hatte auch oft das Gefühl, aber er hat nie was versucht. Naja dann geh ich mal raus zu ihm. Wenn Diego aufsteht, sag ihm einfach ich bin eben was einkaufen im Kiosk gegenüber", antwortete sie bereits im Laufen und schon war sie weg.
Keine 10min später ging die Wohnzimmertür wieder auf, doch es war nicht Tina.
"Was machst du denn hier? Und wo ist Tina?", fragte Diego unfreundlich und setzte sich auf den Sessel neben der Couch auf der ich saß.
Seine Haare waren leicht verwuschelt und er trug Sportsachen mit einem Shirt, das seine Muskeln gut zur Geltung brachten, was ihn verboten sexy aussehen ließ.
Warum war er nur so unfreundlich zu mir?
"Tina ist eben gegenüber im Kiosk", antwortete ich ihm. Kurz schaute er mir in die Augen und mir stockte der Atem. Er hatte einen unglaublich intensiven Blick mit seinen dunkelbraunen Augen die um die Iris einen rehbraunen Stich hatten. An dunkle Schockolade, die anfing zu schmelzen, erinnerte mich diese Kombination.
"Ziemlich leichtsinnig, fremde Leute alleine in der Wohnung zu lassen", sagte er wieder unfreundlich während er sich die Fernbedienung schnappte und einfach auf einen Sportsender zappte.
"Also entschuldige mal ja? Seh ich so aus, als wollte ich etwas klauen?", empörte ich mich über seine Aussage.
"Oh Sorry, ich hab vergessen das du aus Brentwood kommst. Unser Zeug ist der verwöhnten feinen Dame wohl nicht gut genug was?!", entgegnete er in einem viel zu ruhigem Tonfall mit seiner rauen aber dennoch warmen Stimme, die mich leicht verwirrte.
Er schaute mich noch nicht einmal an, während er mich beledigte sondern starrte stur in den Fernseher.
"So habe ich das nicht gemeint und das weißt du!", brachte ich in einem zickigen Tonfall hervor.
"Garnichts weiß ich", antwortete er beiläufig.
Wütend über seine abweisende Art baute ich mich direkt vor seinem Sessel auf und versperrte ihm somit die Sicht auf den TV.
"So siehts nämlich aus. Garnichts weißt du! Du kennst mich nicht, also urteile nicht einfach so über mich! Ist das klar?"
Spöttisch lächelte er mich an, dabei zog er eine Augenbraue in die Höhe.
"Und wenn nicht? Springst du mich dann an? Aber sei vorsichtig, beim letzten Mal, als du mich überrascht hast lagst du leicht bekleidet unter mir. Nicht das ich das nicht gerne wiederholen wollte", entgegenete er spöttisch.
Völlig perplex starrte ich ihn an. Hatte er gerade mit mir geflirtet? Was war nur mit dem Kerl los? Erst ist er die Unfreundlichkeit in Person und plötzlich das? Wie kann man nur so wiedersprüchlich sein? Oder machte er sich gerade über mich lustig?
Erleichtert stellte ich fest, dass er seinen Blick auf etwas anderes richtete. Eine passende Antwort wäre mir wohl nicht mehr eingefallen. Tina war gerade eben zu Tür herein gekommen und konnte kein besseres Timing haben.
"Alex warum stehst du da so rum? Hey Bruderherz wie war die Arbeit?", sagte sie während sie sich auf die Couch setzte und ich es ihr gleichtat. "Gut", brummte Diego nur ohne noch einmal aufzuschauen.
"Und hast du alles bekommen, was du brauchst?", fragte ich Tina zweideutig.
"Mehr als ich haben wollte!", grinste sie zurück.
Nach drei Stunden, die wir im Wohnzimmer verbrachten (ohne Diego! Der hatte sich in sein Zimmer verzogen..), verließ ich nun Tinas Wohnhaus und wartete auf meinen Onkel, der mich jeden Moment abholen würde.
Auf der Treppe sitzend dachte ich über die vergangenen Stunden nach. Tina hatte mir erzählt, das Jeremy sie nach einem Date gefragt hatte und außerdem zugegeben hatte bereits seit längerem Gefühle für sie zu haben. Außerdem hatte er sie geküsst. Ich war der Meinung, dass die Beiden ein tolles Paar abgeben würden. Und ich sah auch in Tinas Augen, dass sie Jeremy mehr mochte als sie zugab. Sie spielte halt die stolze Latina, die das Ganze angeblich völlig kalt lässt.
Was meinen Gedanken aber keine Ruhe gab, war Diego..
Dieser Mann war doch wirklich ein Wiederspruch in sich. Kalt, abweisend, unfreundlich und dennoch hatte er eine raue warme Stimme und Augen die mich an schmelzende Schockolade erinnerten. Von ihm ging eine unglaubliche Wirkung auf mich aus. Er war schlichtweg Heiß und dieses BadBoy-Getue änderte leider nichts daran, das ich ihn unbedingt wieder sehen wollte.
Auch Tina wirkte anfangs arrogant und ist dennoch ein herzensguter Mensch mit sehr viel Wärme. War ihr Bruder das auch? Ich musste es einfach herrausfinden!
Freitag Abend.
„Denkst du nicht, dass dieses Outfit ein bisschen zu viel für den heutigen Abend ist?“, sprach ich meine Gedanken aus, während ich skeptisch in den großen Schrankspiegel schaute.
„Ohh Alex jetzt stell dich nicht so an. Du siehst heiß aus! Du bist nicht mehr in Brentwood, wo man mit Cocktailkleidchen rumläuft“, hörte ich Tina sagen, die hinter mir auf ihrem Bett saß und in ihre Schuhe schlüpfte.
Noch eimal blickte ich meinem Spiegelbild entegegen, das in einer schwarzen Leggins steckte, die den Po äußerst gut zur Geltung brachte. Außerdem trug es ein Jeans-corsagentop, das den flachen Bauch frei gab. Die langen Haare lagen wellig auf den Schultern und schwarze Peeptoes rundeten das Outfit ab.
Der geplante chillige Abend bei Tina zu Hause hatte sich rumgesprochen, somit wurde daraus eine Hausparty. Tina hatte allerdings nichts dagegen, ganz im Gegenteil: Sie hüpfte in diesem Moment praktisch vor Vorfreude in ihrem Zimmer herum. Ihr Bruder wusste nichts von dieser Party, nur das ein paar Freunde zum chillen vorbeikommen würden (so wie es ursprünglich auch geplant war). Da er aber die ganze Nacht weg sein würde, machte Tina sich keine großen Sorgen erwischt zu werden.
Am Mittwoch hatte sie bereits erwähnt, dass Diego Freitags nie da wäre. Auch wenn ich ziemlich neugierig war, was ihn denn jeden Freitag aufhielt traute ich mich nicht Tina dannach zu fragen. Auf keinen Fall sollte sie denken, dass ich mich an ihren Bruder ranmachen wollte.
„So genug in den Spiegel gestarrt! Komm wir legen im Wohnzimmer noch ein paar Tüten Chips aus“, gab Tina von sich während sie sich vom Bett erhob.
Als wir kurze Zeit Zeit später im Wohnzimmer standen und gerade dabei waren die Musik anzumachen, hörten wir Stimmengewirr aus dem Flur. Verwirrt sahen Tina und ich uns gleichzeitig an.
„Tina.. hast du Lorell oder Jeremy einen Schlüssel gegeben? Außerdem dachte ich die Leute kommen erst nach acht uhr“, sprach ich meine Gedanken aus während ich einen kurzen Blick auf die an der Wand hängende Uhr warf, die mir viertel vor acht anzeigte.
„Keiner hat einen Schlüssel außer.. OH Shit! Diego ist da“, sagte sie in einem leicht panischen Ton und blickte sich im Zimmer um, als würde die Lösung des bevorstehenden Problems irgendwo dort liegen. Schon im nächsten Moment ging die Tür auf und fünf Männer starrten uns neugierig an, bis auf einer, dessen Augen nur so vor Wut strozten.
„Sag mal willst du mich eigentlich verarschen Tina? Wieso steht so viel Alkohol auf dem Tisch? Hast du etwa vor bei uns eine Party zu feiern?“
„Ich hätte ja alles aufgeräumt bevor du gekommen wärst. Was machst du auch hier? Ich dachte ihr pokert heute die ganze Nacht bei Dave?!“, gab Tina bedröppelt von sich, während ich nur unsicher in der Gegend rumstand und mir die Typen ansah, die dort in der Tür standen.
Direkt neben Diego stand ein viel zu muskolöser Typ mit kurz geschorenen Haaren, der wahrscheinlich mehr Tattoos besaß als freie Haut. Der Typ direkt daneben hatte dunkle Locken, Augen die fast schwarz wirkten - und mich fixierten - gepaart mit einem anzüglichem Grinsen auf den Lippen. Der dritte im Bunde hatte ebenfalls sehr dunkle Haare und Augen, war aber wesentlich größer und muskolöser als der neben ihm. Der vierte hingegen schien so gar nicht in die Runde zu passen: er hatte haselnussbraune Haare und freundliche olivgrüne Augen die mich neugierig anzublicken schienen. Er war ebenfalls gut gebaut, jedoch eher der sportliche Typ während die anderen eher wie Bodybuilder aussahen. Die größte Aufmerksamkeit jedoch schenkte ich Diego, der mal wieder verboten gut aussah in seinem schwarzen enganliegenden Shirt und der lockeren Jeans.
„Wir pokern heute hier bei uns! Ich hab mir schon gedacht das du mir nur Schwachsinn erzählst und..“, weiter kam er nicht, denn er wurde von dem tattoowierten Typen unterbrochen.
„Boahh Diego piss dich mal nicht so an! Wir waren auch mal jung. Lass Tina ihre Party feiern und wir gehen in die Küche.“
Verständnislos blickte Diego diesen an und wollte gerade etwas sagen, als auch die anderen Typen zustimmten und Diego schließlich einwilligte. Tina klatschte freudig in die Hände, während Diego ihr wütend entgegenblickte.
Langsam kamen die Jungs auf uns zu, um Tina zu begrüßen und sich bei mir vorzustellen. Der tattoowierte hieß Dave, der Gößte unter ihnen hieß Alec und der mit dem anzüglichen Grinsen stellte sich mit einem Handkuss, der schmieriger nicht sein konnte, als Danny vor. Sofort symphatisch war mir John mit den freundlich dreinblickenden olivgrünen Augen.
„Ich wusste garnicht, dass Tina so eine hübsche Freundin hat. Da fühlt man sich ja total unwürdig in deiner Gegenwart“, sagte er mit einem freundlichem Lächeln auf den Lippen.
„Übertreib mal nicht“, antwortete ich ebenfalls mit einem Lächeln.
„Lass den Scheiß John, die Kleine ist zu jung und das gilt auch für euch! Und jetzt bewegt eure Ärsche in die Küche verdammt!“, sprach Diego gereizt aus.
Ich wusste nicht warum, aber dieser Spruch verletzte mich. So jung war ich auch wieder nicht! In zwei Monaten würde ich 18 werden und Diego war somit gerade mal 6 Jahre älter als ich.
„Ich will heute keinen Ärger hier, also reißt euch zusammen verstanden?“, richtete sich Diego nun an uns.
Während Tina nur nickte, konnte ich mir durch meinen verletzten Stolz einen Spruch nicht verkneifen.
„Könnte schwer werden! Wir sind doch so verdammt jung, da kann man für nichts garantieren“, kam es sarkastisch von mir.
Verwundert fixierte Diego mich mit seinen Augen, die mich immer noch an Schockolade erinnerten, bevor er anfing spöttisch zu grinsen und einen Schritt auf mich zumachte und uns nur noch wenige zentimeter voneinander tretten. Fast hätte ich auf seine tollen Lippen gestarrt, zwang mich jedoch seinem Blick stand zu halten.
„Dann komm mir mal nicht zu Nahe, denn auch ich kann für nichts garantieren“, brachte er mit leiser bedrohlicher Stimme heraus.
Das seltsame daran war, dass es mir so vorkam als würde er gerade mit mir flirten, statt mir mit Ärger zu drohen. Völlig perpelex von dieser Erkenntnis starrte ich ihn einfach nur an, während er anfing schief zu grinsen und sich dann davon machte.
„Was war das denn bitte?“, fragte Tina irritiert, woraufhin ich nur mit den Schultern zucken konnte, womit sie sich anscheinend zufrieden gab und die Musik einschaltete.
„Dann kann die Party ja losgehen!“, rief sie freudig aus.
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Einige Stunden später lief die Party auf Hochturen. Die Wohnung war gut gefüllt und auch der Alkohol lief in Strömen, einige – darunter auch Lorell - tanzten im Wohzimmer zur Black Music. Jeremy unterhielt sich mit Tina auf der Couch, die hielt sich mit dem Alkohol allerdings zurück, da ja immerhin ihr Bruder nur ein paar meter weiter in der Küche Poker spielte.
Ich hingegen hatte bereits viel getrunken, vielleicht lag es daran das mir ständig irgendwer was zu trinken brachte.. vielleicht aber auch daran, dass mich die Bermerkung von Diego immer noch sehr störte. Ich wusste nicht einmal warum, immerhin konnte es mir doch egal sein was er von mir hielt oder etwa nicht?!
Ein wenig schwankend schängelte ich mich durch die tanzenden Leute und ging raus in den Flur, um von dort aus auf die Küche zu zusteuern. Diese war gut gefüllt, viele Typen sahen interresiert dem Pokerspiel zu, während die Tussen sich nur versuchten an die älteren Männer ranzumachen. Der wiederliche Kerl namens Danny hatte bereits eine Brünette auf seinem Schoß sitzen, zwinkerte mir dennoch zu als ich zur Tür reinkam. Ein blondes Dummchen klebte Diego am Arsch, sie saß neben ihm auf einem Stuhl flirtete offensichtlich mit ihm.
„Alex! Na wie siehts aus? Trinken wir einen zusammen?“, kam Tyler lallend auf mich zu.
„Du solltest vielleicht ne Runde aussetzen! Setz dich doch zu Jeremy und Tina auf die Couch, ich komm gleich nach“, antwortete ich eigentlich mehr um ihn loszuwerden.
Dieser befolgte meinen Rat auch tatsächlich und ging nach einem Kuss auf meine Wange aus dem Zimmer. Ich steuerte zielstrebig einen freien Stuhl schräg hinter Diego an und setzte mich.
„Na da ist ja wieder die Schönheit! War klar das du vergeben bist“, sprach mich plötzlich jemand von der Seite an. Ich blickte in olivgrüne Augen und erkannte John, neben den ich mich gesetzt hatte ohne es zu merken.
„Oh hey John.. warte mal Vergeben?“, antwortete ich irritiert und bemerkte wie Diego sich kurz zu mir umdrehte als ich sprach.
„Der Typ, der gerade verschwunden ist. Ist das nicht dein Freund?“
„Nein das ist Tyler! Ein guter Freund. Mehr nicht.“
„Weiß er das auch? Sieht doch ein Blinder, das er in dich verknallt ist“, stellte John belustigt fest und nahm einen Schluck von seinem Bier.
„Er wird es wissen. Das würde nicht klappen!“, grinste ich zurück.
John war wirklich freundlich und es gefiel mir, dass er mit mir flirtete.
„Du hast Recht! Du bist irgendwie anders als die anderen Leute hier. Du brauchst einen Mann und keinen Jungen an deiner Seite“, sagte John nun mit einem Lächeln.
„Da könntest du Recht haben! Was ist mit dir? Warum spielst du nicht mehr mit?“, fragte ich.
„Ich hab verloren, aber wie heißt es so schön: Pech im Spiel, Glück in der Liebe“, zwinkerte er mir zu, woraufhin ich nur schmunzelnt den Kopf schüttelte und das Wort „Spinner“ murmelte.
Daraufhin redeten wir noch eine ganze Weile miteinander und tranken auch etwas. Zwischenzeitlich hatte Diego auch fluchend beim Pokern verloren und wütend mit einer Whisky-Flasche die Küche verlassen. Diese Show hatte viele im Raum ziemlich eingeschüchtert, ich hingegen hatte ein klein wenig Schadenfreude gehabt.
Irgendwann stieg mir der Alkohol und der Rauch in der Küche ein wenig zu Kopf deshalb machte ich mich auf den Weg ins Bad um mir ein wenig Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die Tür war jedoch verschlossen, was bei einer Party nicht sonderlich verwunderlich war. Ein kurzen Moment wartete ich bis ich an die Tür klopfte, als kein Lebenszeichen zu hören war klopfte ich lauter und länger an die Tür. Vielleicht war ja jemand dort drinnen eingeschlafen.
Plötzlich ging ruckartig die Tür auf „Verdammte Scheiße es ist... “
Einen endlosen Moment lang starrten mich die Schockoladen-Augen glasig an.
„Bestezt?“, half ich Diegos Aussage nach, da ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.
So schnell, das ich es erst garnicht wahrnahm, zog mich Diego ins Badezimmer hinein, drückte mich gegen die Tür und verschloss diese dann neben mir. Nun stand er dicht vor mir, die muskulosen Arme neben meinem Kopf abgestützt, seine Schockoladen-Augen fixierten mich wütend. Sein markantes Gesicht war angespannt und ich konnte nicht umhin seinen Anblick unglaublich sexy zu finden.
„Was denkst du dir dabei einfach so mit meinen Freunden rumzuflirten? Stehst du etwa auf John? Halt dich von ihm fern verstanden?!“, brachte er wütend hervor.
Nun auch wütend hielt ich seinem Blick stand und antwortete: „ Was geht es dich an? Weil ich ja ach so jung bin? Das lass mal meine Sorge sein! Und auch John kann selbst entscheiden!“
„Nein kann er nicht! Verdammte Scheiße du machst mich wahnsinnig! Ich.. Ich..“, presste er hervor während ich plötzlich etwas anderes als Wut in seinen Augen zu erkennen glaubte. Verlangen?
Dies bestätigte sich, als er plötzlich wie wild seine Lippen gegen meine presste und mich somit unsaft gegen die Tür drückte. Nach einem kurzen Moment der Verwirrtheit stieg ich voll in den Kuss ein. Er küsste wild und drängend und schmeckte nach Rauch und Whisky, doch das gefiel mir irgendwie. Unsere Zungen harmonierten in einem wilden Tanz aus Leidenschaft und ich griff in seine Haare, was ihn dazu veranlasste mich an der Taille hochzuheben. Nun waren seine Hände direkt unter meinem Po während ich die Beine um ihn geschlungen hielt.
Dieser unglaubliche Moment wurde von einem Klopfen unterbrochen „Diego bist du da drin? Wo ist mein Whisky?“, hörten wir jemanden fragen. Dave vielleicht? Seufzend und schwer atmend löste Diego sich von mir und stellte mich zurück auf den Boden ab, jedoch nicht ohne mich aus den Augen zu lassen.
„Halloooooo?“, rief wieder die Stimme von draußen. Erst jetzt löste Diego auch seine Augen von meinen.
„Ja verdammt, ich komme sofort“, schrie er der Tür entgegen.
Sanft schob er mich zu Seite, öffnete die Tür und verließ den Raum mit einem gemurmelten Kommentar, dass sich anhörte wie: "ich hab ja gesagt, ich kann für nichts garantieren".
Ich blieb völlig verwirrt von dem, was eben geschah, zurück.
Was war das eben? Warum hatte er das getan? War er vielleicht unzurechnungsfähig durch den Alkohol geworden? Das musste es sein, immerhin hatte er bereits deutlich klar gemacht, dass er mich für zu jung hielt. Die Aktion gerade war zwar ein vollkommener Wiederpruch zu dem, was er gesagt hatte, aber er ist immerhin auch nur ein Mann.
Unglücklich – ohne genau zu wissen warum – mit dem Ausgang meiner Gedanken, verließ auch ich den Raum und ging zurück zur Party.
Diego
Langsam öffnete ich die Augen, denn ich fürchtete wenn ich es zu schnell tat, würde mein Kopf platzen. Scheiße verdammt! Wieviel hatte ich gestern denn nur getrunken?!
Genau so langsam setzte ich mich in meinem Bett auf und bemerkte gleich, das ich nicht alleine war. Eine Frau mit blonden Locken und caramellfarbener Haut lag neben mir. Da wir beide nackt waren, war die Frage wohl überflüssig, was sie hier machte.
Leise, um sie nicht zu wecken, fischte ich nach meiner am Boden liegenden schwarzen Boxershorts, zog sie über und setzte mich an den Bettrand. Als nächstes griff ich in meine Schublade in der Kommode neben meinem Bett, um mir eine Zigarette und ein Feuerzeug zu holen. Diese zündete ich auch gleich an und nahm erst einmal einen tiefen Zug um den Kopf frei zu kriegen.
Was war gestern passiert? Kurz dachte ich nach, bevor auch schon Bilder des gestrigen Abends vor meinem inneren Auge vorbeizogen..
Wütend verließ ich das Badezimmer, in dem ich eben mit der Freundin meiner kleinen Schwester rumgemacht hatte. Warum verdammt hatte ich das getan? Ich wollte das doch vermeiden!
Aber zu meiner Verteidigung: Sie hat es herausprovoziert! Den ganzen Abend flirtet sie mit den Typen hier auf der Party, alle gaffen sie an als sei sie ein verdammtes Stück Fleisch. Bei dem was sie anhat, ist es aber auch kein Wunder dass die Typen durchdrehen... dass ich durchdrehe! Bin doch auch nur ein Mann und durch den Alkohol war ich eh nicht Herr meiner Sinne.
„Was hast du da drin so lange gemacht man?“, fragte Dave, der mich gerade unbewusst vor einem großen Fehler gerettet hatte..
Warum war ich dennoch so scheiß sauer auf ihn?
„Ja was macht man denn in einem Badezimmer? Kannst dir was aussuchen du Spinner!“, antwortete ich genervt und ging ins Wohnzimmer.
Tina saß dort auf der Couch mit diesem Vogel Jeremy und dann küsste er sie einfach. Ich glaubte es nicht, dieser Dreckstyp war nicht annähernd gut genug für sie. Nun brodelte es in mir, ich konnte noch nie gut mit meiner Wut umgehen. Ich ging direkt auf die Beiden zu, zog ihn am Kragen seines Hemdes von der Couch und schuppste ihn Richtung Tür.
„Mach das du hier wegkommst du Spast!“ , schrie ich aufgeregt.
„Diego lass ihn in Ruhe!“, hörte ich Tina verzweifelt sagen, während Jeremy mich mit einem ängstlichem Blick musterte und wohl überlegte, was er sagen konnte.
„Sie ist alt genug und wir mögen uns, ich behandle sie gut“, wagte er es zu sagen.
Ich war schon im Begriff auf ihn zuzugehen und ihm eine zu verpassen, als plötzlich Alex im Weg stand.
„Diego beruhige dich! Jeremy ist ein guter Mensch und hat nichts falsch gemacht“, redete sie ruhig auf mich ein.
„Halt dich daraus und geh mir aus dem Weg, bevor ich dir weh tue!“, erwiderte ich kalt.
„Nein“, war ihre einfache Antwort.
„Geh beiseite du verwöhntes Görr! Du bist dem nicht gewachsen, lass dir lieber von Daddy einen Bodyguard besorgen.“
Ihre Augen weiteten sich und ich erkannte darin, dass ich sie nun wirklich verletzt hatte. Ich hatte ja gesagt ich würde ihr wehtun.. wenn auch auf eine andere Weise.
„Du bist so ein Arschloch! Siehst nicht was du deiner Schwester hiermit antust, was für ein Bruder tut so etwas?!“, sagte sie dennoch eben so kalt und stark, obwohl ihre Augen etwas anderes aussagten: Verletzlichkeit.
Der Spruch saß und brachte mich kurz ins Stocken, schnell fasste ich mich jedoch wieder, ging an ihr vorbei zur Anlage und schaltete diese aus.
„Die Party ist vorbei! Verpisst euch alle, bevor ich euch mit Gewalt rausschmeiße“, schrie ich alle an.
Nach einer kurzen Schockstarre verließen alle die Wohnung und nahmen auch gleich alle aus der Küche mit raus. Nur Tina und Alex standen jetzt noch im Wohnzimmer und blickten mich teils schockiert teils wütend an.
„Ich hasse dich! Du hast mich blamiert und wahrscheinlich Jeremy verschreckt. Ich bin in ihn verliebt und er ist ein toller Typ! ER lässt seine Launen nicht an mir aus und benimmt sich auch nicht wie ein verdammter Psycho“, schrie mir Tina entgegen und verließ den Raum gefolgt von Alex, die mich keines Blickes mehr würdigte.
Im nächsten Moment kamen Dave und Danny zur Tür rein. (John und Alec waren wohl mit den anderen gegangen, weil sie kein Bock auf einen schlecht gelaunten Diego hatten.. ich konnte es ihnen nicht verübeln. Ich könnte schon immer ein echter Arsch sein.)
„Show-reife Leistung Diego Sanchez! Musste das echt sein?“, fragte Dave anklagend.
Zur Antwort schaute ich ihn nur genervt an.
Danny hingegen fing an zu Lachen. „Also ich fands geil! Nicht schlecht wie du den Highschool-Schülern Angst gemacht hast, ich wette einige haben sich in die Hosen geschissen. Sind ja schon fast an uns vorbei gerannt.“
Ich hob eine Augenbraue und schüttelte langsam den Kopf, während Dave seinem Nebenmann in die Seite boxte, der daraufhin nur „Was denn?“ kicherte.
„Ich geh jetzt pennen also könnt ihr auch abhauen“, sprach ich müde aus. Dave schüttelte verständnislos den Kopf und verließ auch schon das Zimmer, während Danny einfach stehen blieb.
„Diego hast du dir das nochmal überlegt mit Marc? Er würde echt gerne mit dir reden, sich entschuldigen und so. Er wohnt wieder in seiner alten Wohnung und will einfach nur, dass es wie früher wird“, sagte Danny in einem drängendem Tonfall.
Er hatte bereits den ganzen Abend versucht mich dazu zu bringen mit Marc ins Reine zu kommen. Dieser hatte natürlich sofort Danny als Vermittler engagiert. War doch klar.
Danny hat ihm die Sache von damals nie wirklich übel genommen. Er verdankte ihm immer noch den Einstieg in die Dealer-szene, mit der er immer noch seine Kohle machte. Auch Marc, da war ich mir sicher, machte noch krumme Dinger. Der Dreckskerl hatte sich damals einfach verpisst, als ich in den Knast wanderte.
„Hau ab Danny!“, war das einzige was ich als Antwort zu bieten hatte und Danny musste sich, wenn auch schwer, damit abfinden und ging geknickt davon.
Als ich dannach in mein Zimmer zum Schlafen ging, erwartete mich die Blondine, die sich beim Pokern schon an mich rangeschmissen hatte. Den Namen hatte ich wieder vergessen. Sie lag dort in meinem Bett mit nichts an außer ihrer roten Unterwäsche. Fragend hob ich eine Augenbraue in die Höhe und blickte sie direkt an.
„Nun ja ich dachte du musst dich ein wenig abreagieren, da du heute ja anscheinend nicht ganz ausgeglichen bist“, säuselte sie mit einem Grinsen auf den Lippen.
Warum nicht, dachte ich nur und schloss die Tür hinter mir..
Und damit war ich wieder zurück in der Gegenwart. Ich zerdrückte den Zigarettenstummel in meinem Aschenbecker auf der Kommode, drehte mich zu der Frau in meinem Bett und rüttelte unsanft an ihr.
„Hey steh mal auf, du musst jetzt gehen!“
Verschlafen öffnete sie die Augen und erhob sich ein wenig.
„Warum denn?“ fragte sie verschlafen. Ist die wirklich so doof in der Birne?
„Weil ich keinen Bock mehr auf dich hab“, antwortete ich wie selbstverständlich.
Erst traurig doch dann wütend schaute sie mich an.
„Warum lasse ich mich immer nur auf Arschlöcher ein?!", fragte sie sich selbst, schnappte nach ihren Klamotten und ging aus dem Zimmer.
Was ne blöde Frage dachte ich nur, immerhin lag sie gestern einfach so in meinem Bett und wollte Sex. Die tat ja so, als hätte ich ihr das Blaue vom Himmel verprochen. Nichts dergleichen hab ich getan, selbst Schuld!
Nach kurzem Warten zog ich mir eine graue Zipperjacke über, ließ sie jedoch offen und ging ins Wohnzimmer. Dort waren Tina und Alex gerade dabei das Chaos zu beseitigen. Ich lehnte mich an den Türrahmen und schaute ihnen einen Moment zu, bevor die beiden mich bemerkten.
Einen Moment lang schauten sie mich an, gingen jedoch sofort wieder ihrer Arbeit nach. Sie hatten also vor mich zu ignorieren. Auch gut, dachte ich und ging in die Küche um mir einen Caffee zu machen.
Doch soweit kam ich nicht, denn es klingelte an der Tür. Stirnrunzelnd öffnete ich die Tür und staunte nicht schlecht, als ich Marc dort stehen sah.
Seine braunen Haare waren länger als früher, geschickt waren sie nach oben gegelt. Er trug eine tiefschwarze Lederjacke und schaute mich mit seinen grünbraunen Augen unsicher an.
Ich hob eine Augenbraue und blickte ihn abwartend an.
„Schön dich zu sehen man. Es ist lange her“, sagte er nun endlich was. Ich antwortete immer noch nicht, schaute ihn nur weiter an.
„Kann ich bitte reinkommen? Ich muss mit dir reden. Ich.. es tut mir alles so leid wie das gelaufen ist“, fuhr er nun nervös fort und fuhr sich durch die Haare.
„War das alles?“, fragte ich unfreundlich.
„Diego verdammt, wir waren wie Brüder. Dave,Danny , du und ich.. wir waren das Chaosteam. Denk mal nach, was wir alles erlebt haben. Als deine Mutter krank war, wer war Tag und Nacht mit dir und Tina im Krankenhaus? Wer stand bei der Beerdigung neben dir? Du kannst das nicht alles einfach so wegwerfen man“, redete er sich nun in Rage.
Ein fetter Kloß bildete sich in meiner Magengegend und Erinnerungen prallten auf mich ein.
„Wie kannst du es wagen diese Dinge anzusprechen? Weißt du genau den ganzen Scheiß hab ich mich auch gefragt, als ich im Knast saß. Du bist vor drei Jahren feige abgehauen, hast es nicht mal für nötig gehalten zurück zu kommen um mich zu warnen dass die Polizei auf dem Weg war. Hast nur an deinen eigenen Arsch gedacht, obwohl du wusstest das ich für meine 14-jährige Schwester verantwortlich war. Dann warst du drei Jahre einfach weg ohne Erklärung, warum du deinen Bruder“, ich spuckte das Wort schon fast, „verraten hast. Jetzt stehst du hier und redet von der Vergangenheit. Was erwartest du?“
Traurig blickte Marc mich an: „Du wirst mir nicht zurhören richtig? Egal was ich zusagen habe, auch wenn ich alles erklären kann?“
„Verdammt richtig Bruder“, erwiderte ich sarkastisch und knallte die Tür.
Tief durchatmend stand ich nun vor dieser, ging mir mit beiden Händen durch die Haare.
„Bastardo“, schrie ich und boxte in die Wand.
„Was zum Teufel..?“, hörte ich Tina sagen, die in der Wohnzimmertür stand.
„Nichts! Garnichts!“, schrie ich und ging zornig in mein Zimmer.
Der Tag fing ja gut an, dachte ich sarkastisch.
„Es tut mir so leid....der beruhigt sich schon wieder....nein du brauchst das Geld, geh Montag zur Arbeit...ja was soll er denn machen?! Dich während der Arbeit verprügeln?!...“
Müde öffnete ich die Augen und schaute vom Bett auf. Was ich sah war Tina, die mit ihrem Handy in ihrem Zimmer auf und ab lief während sie damit telefonierte.Langsam setzte ich mich auf und rieb mir müde über die Augen. Dies ließ Tina mitten im Auf- und Abgehen stoppen. Entschuldigend blickte sie mich an und beendete ihr Telefonat sofort.
„War das Jeremy?“, fragte ich mit heiserer Stimme.
„Ja..“, grinste sie, „Sorry, wenn ich dich geweckt habe aber ich musste das unbedingt klären.“
„Deiner Laune nach zu urteilen hat ihn die Show deines Bruders gestern doch nicht abgeschreckt“, stellte ich fest. „Nope und ich hoffe er hat auch dich nicht verschreckt?! Ich weiß er war ein Arschloch, aber er meint es eigentlich nie so.“
Nachdenklich biss ich mir auf die Lippen.
„Du bist seit langem die beste Freundin, die ich habe. Da hau ich nicht gleich ab, weil dein Bruder einen auf Psycho-Macho macht...wobei es mich gestern schon sehr verletzt hat“, brachte ich es nüchtern auf den Punkt.
Dabei wusste sie garnicht, in welchem Ausmaß er mich verletzt hatte. Erst fiel er im Badezimmer praktisch über mich her und dann beschimpft er mich als ein verwöhntes Görr, das hier nicht hergehört. Hatte er sich denn nicht mal gefragt, was ich hier überhaupt machte? Das ich keinen Vater mehr hatte der mich 'verwöhnt, geschweige denn mir einen Bodyguard besorgen' würde? Wahrscheinlich nicht. Dieser Mann verwirrte mich mehr und mehr, und nahm schon jetzt viel zu viel Platz in meinen Gedanken ein.
„Mensch Süße“, piepste Tina während sie mich schwungvoll in den Arm nahm.
„Du bist auch eine echt tolle Freundin und meinem Bruder werde ich noch ordentlich die Deviten lesen! Darauf kannst du dich verlassen!“
Langsam löste sie sich aus der Umarmung und sah mich undschuldig an „Und da wir so tolle Freunde sind, wäre es nicht zu viel verlangt wenn du mir hilfst das Chaos des gestrigen Abends zu beseitigen?!“
Theatralisch zog ich die Augenbrauen zusammen und erhob mich zur Antwort aus dem Bett.
Nachdem wir uns im Bad ein wenig frisch gemacht hatten, gingen wir mit Mülltüten und Putzutensilien bewaffnet ins Wohnzimmer. Nach ca. einer halben Stunde hörten wir wütendes Gemurmel aus dem Flur, das ganz eindeutig von einer Frau kam.
Irritiert sahen wir uns an, um dann gemeinsam in den Flur zugehen. Dort stand eine halbnackte blonde Frau, die sich fluchend direkt vor Diegos Zimmertür anzog.
„Dürfen sich die Tussen meines Bruders jetzt nicht mal mehr in seinem Zimmer anziehen?“, fragte Tina abfällig. Wütend schaute die Blonde auf, zog sich noch ihre Jacke über und kam dann auf uns zu bis sie direkt vor uns stand.
„Dein Bruder..“, sprach sie leise aber bedrohlich, „ist ein Arschloch!“
„Erzähl mir mal was neues“, gab Tina unbeindruckt von sich, um dann doch eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen.
„Hat dich allerdings nicht davon abgehalten sein Betthäschen zu werden!“
Kurz dachte ich jetzt würde der Krieg losbrechen und ich müsste mich gleich zwischen zwei kämpfende Furien werfen, als die Blonde empört den Mund öffnete. Doch dann schloss sie ihn wieder und ging stöckelnd an uns vorbei zur Haustür, um diese dann hinter sich zuzuknallen.
„Die werden auch immer dümmer“, murmelte Tina während sie zurück ins Wohnzimmer ging.
Ich blieb noch dort stehen, um das eben Geschehene zu verdauen. Diego hatte also gestern nach dem Ganzen tatsächlich noch eine Frau im Bett. Dieses Wissen verletzte mich, mehr als seine Worte mich gestern verletzt hatten. Zuerst hatte er mit mir rumgemacht und dann mit einer Anderen geschlafen. Wenn Dave gestern nicht dazwischen gefunkt hätte, dann wäre ich womöglich noch weiter gegangen.
War ich im Endeffekt nicht besser als all die anderen Frauen, die mit ihm in die Kiste gingen? Nicht besser als die Blonde von eben?
Ich war nie eine von denen gewesen, die sich von einem Aufreißer einfach so verarschen lässt, die einfach so auf eine Masche hereinfiel. In diesem Moment beschloss ich, dass ich auch nicht so werden würde. Diego Sanchez war der Bruder meiner besten Freundin und ich würde ihn von nun an auch nur noch so sehen. Das dies nicht funktionieren würde und ich noch sehr viel mehr in ihm sehen würde, als ich es bereits schon tat, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen..
Das Aufräumen würde heute noch viel Zeit in Anspruch nehmen, dachte ich als ich mich plötzlich beobachtet fühlte und zur Tür aufsah. Dort lehnte Diego am Rhamen und sah einfach verboten sexy aus.
Seine Haare waren noch zerzaust vom Schlafen, er trug nur eine schwarze Boxershort und eine graue offene Zipperjacke, die seinen durchtrainierten tattöwierten Oberkörper nicht verdeckte. Schnell wendete ich den Blick wieder ab und sah, dass Tina es mir gleichtat.
Im Augenwinkel sah ich wie er kurz mit den Schultern zuckte und dann in den Flur ging, wo kurz dannach das Klingeln der Tür ertönte.
Reflexartig trafen sich die Blicke von Tina und mir, wobei Tina die Stirn runzelte, jedoch nichts sagte. Ein paar Minuten dannach wurde die Wohnungstür zugeknallt gefolgt von wütendem Gesbrüll und einem dumpfen Geräusch.
Sofort ging Tina an die Wohnzimmertür: „Was zum Teufel..?“
„Nichts! Garnichts!“, hörte ich Diego brüllen, bevor laute Schritte gefolt von einem weiteren Knallen einer Türe ertönten.
Langsam drehte sich Tina zu mir um „Jetzt ist er komplett verrückt geworden!“
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Mit einem mulmigen Gefühl in den Magengegend drehte ich den Schlüssel in der Tür, um mein „Zuhause“ zu betreten.
Während der Zeit die ich außer Haus verbrachte, konnte ich meine momentanen Lebensumstände immer ganz gut verdrängen.
An den kleinen Lebensraum und den niedrigen Standard der Wohnung konnte ich mich gewöhnen, wenngleich ich vorher in einer Art Villa gelebt hatte, in der mir an materiellen Gütern nie etwas fehlte.
Meine Mum konnte das nicht so einfach und irgendwie konnte ich sie da auch verstehen. Immerhin ist sie an diesem Ort aufgewachsen, immer mit dem Ziel vor Augen irgendwann ein besseres Leben zu führen. Ihr Vorhaben ging auf und alles deutete auf ein Happy End hin, bis ihr der Mann der das alles möglich machte, dies auch wieder wegnahm. Und nun stand sie wieder komplett am Anfang.
Und damit bin ich bei dem Teil, der mir das mulmige Gefühl bereitete: Meine Mum. Sie vegetierte nur noch so vor sich hin und redete kaum. Mein Onkel versuchte alles um es ihr zu erleichtern, er ist ein so guter Mensch. Und das obwohl meine Mum den Kontakt zu ihm abbrach, als sie in das Leben der High Society eigeführt wurde.
Manchmal fragte ich mich auch wo mein Dad wohl war, was er nun für ein Leben führte und ob er noch an mich und Mum dachte. Es tat weh darüber nachzudenken. Er war zwar schon früher kaum zu Hause und unser Verhältnis war schon immer distanziert und eher auf gesellschaftliche Anlässe zum Schein der perfekten Familie gewahrt. Und doch war er mein Dad.
Warum er so viele Schulden bei der Bank hatte, wurde bisher nie aufgeklärt. Noch eine unbeantwortete Frage, die in meinem Kopf wütete.
Ich betrat die Wohnung und vernahm sofort eine Stimme aus der Küche. „Alex? Kommst du bitte in die Küche?“, hörte ich meinen Onkel fragen.
Langsam folgte ich seiner Anweisung und erstarrte kurz, als auch meine Mum am Küchentisch saß. Ihre Haare waren zu einem strengen Zopf zusammengebunden und sie trug eine weiße Bluse. Fast sah es so aus, als wäre wieder die alte stolze Lucinda Mason in ihr zum Vorschein gekommen. Etwas war jedoch anders. Ihr Blick war starr auf die Tasse vor ihr gerichtet, die sie mit beiden Händen fest umklammerte, früher hätte sie mir direkt in die Augen gesehen während sie mal wieder an mir herumgemäkelt hätte.
Mit einem ungutem Gefühl bezüglich des bevorstehenden Gesprächs, setzte auch ich mich an den Tisch und wartete bis mein Onkel anfing zu sprechen.
„Alex wir sitzen hier zusammen, weil wir darüber reden möchten wie es weitergeht“, kurz stoppte er und sah zu seiner Schwester, die sich immer noch nicht rührte.
„Denn eins ist klar, so kann es nicht weitergehen. Lucinda muss anfangen wieder zu leben und sich neue Ziele stecken.“„Das sehe ich auch so“, sagte ich schnell.
Es beunruhigte mich auf welche Weise er mich ansah, so als ob er mir eine schlechte Nachricht mitteilen würde, dabei war ich doch vollkommen seiner Meinung. Plötzlich sah auch Mum auf und mir direkt in die Augen, sie waren glasig und ließen nichts mehr von der Stärke erahnen, die sie eigentlich besaß.
„Alexandra ich..ich werde daran arbeiten uns ein besseres Leben zu ermöglichen. Ich suche mir einen Job, immerhin habe ich Frisösin gelernt. Ich habe deine Schulunterlagen, an ein renommiertes Internat in Long Beach geschickt. Du bekommst dort ein Stipendium, so kannst zumindest du für eine Weile wieder in guten Verhätnissen leben.“
Geschockt starrte ich sie an. War das etwa ihr Ernst?!
„Nein ich möchte nicht an ein Internat gehen, ich habe mich inzwischen ein wenig eingelebt und Freunde gefunden. Und zusammen kriegen wir das ganz sicher hin.“
„Alexandra du verstehst nicht! Ich möchte dich nicht hier haben. Ich muss mich jetzt erst einmal auf mich konzentrieren, das alles auf die Reihe kriegen. Das ist wichtig für uns Beide.“
Meine Augen wurden glasig, „Aber..“, hilfesuchend blickte ich zu meinem Onkel, der beschämt auf die Tischplatte schaute. Also würde er mir nicht helfen?!
„Nein! Ich werde nicht dort hingehen!“, sprach ich mit fester Stimme aus und verließ ruckartig die Wohnung.
Ich musste jetzt einfach da weg. Schnell rannte ich die Treppen hinunter und verließ das Wohnhaus, um draußen einfach weiter zu rennen. Ich wusste nicht wohin, doch ich musste einfach laufen.
Tränen rannen unaufhörsam meine Wangen hinab, auch einige Schluzer konnte ich nicht verbergen. Bis ich plötzlich in jemanden hinein lief, der uns Beide gerade noch festhalten konnte bevor wir auf den Asphalt geflogen wären.
„Hey sachte Lady, wir wollen doch nicht, dass jemand zu Schaden kommt“, vernahm ich eine warme Männerstimme, traute mich jedoch nicht zu ihm aufzublicken, da mein Gesicht schrecklich verheult ausgesehen haben musste.
Das einzige was ich von ihm sah, war seine schwarze Lederjacke unter der er ein graues enganliegendes Shirt trug, dass seinen muskulösen Oberkörper betonte. Kurz kehrte Stille ein, bevor er plötzlich mein Kinn anhob, so das ich ihn ansehen musste.
Dies schockierte mich für einen Augenblick, weshalb ich ihm mit geweiteten Pupillen in die grün-braunen Augen sah.
Er hatte braune, längere Haare die kunstvoll nach oben gegelt waren, sein Gesicht war markant , hatte jedoch auch weiche Züge. Wenn ich nicht so durcheinander gewesen wäre, hätte ich mir vielleicht Gedanken über meine Frisur oder ähnliches gemacht, denn der Mann vor mir war eindeutig gutaussehend.
„Du hattest wohl einen scheiß Tag bisher hmm?“, ich konnte nicht antworten, entzog ihm jedoch mein Kinn und trat einen kleinen Schritt zurück.
Kurz musterte er mich, bevor er erneut sprach: „Weißt du, den hatte ich auch bisher.. wollen wir ihn nicht versuchen zu retten indem wir uns in ein Cafee setzten und wetten wer den schlechteren Tag von uns hatte?“
Kurz dachte ich darüber nach, kam aber zu dem Entschluss das ich eh nicht wusste, wo ich hingehen sollte. Bei Tina war Diego, den ich in dieser Verfassung ganz sicher nicht sehen wollte, bei Lorell war ich bisher noch nicht gewesen und Tyler würde es falsch verstehen, wenn ich nun zu ihm ging.
Dieser Typ hier schien nett zu sein, also was konnte es schon schaden?
„Ok warum nicht“, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. „Ich bin übringens Alex“, fügte ich hinzu während ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte.
„Freut mich Alex!“, sagte er mit einem schiefen Grinsen, „mein Name ist Marc.“
Nachdenklich biss ich mir auf die Lippen, während ich in die Karte des kleinen Cafees schaute. Ich sah die Worte, konnte deren Bedeutung allerdings nicht wirklich erfassen.
Ich wusste, dass er mich beobachtete. Er saß mir direkt gegenüber, an diesem kleinen roten Tisch.
Allgemein war das Cafee in vielen Rot und Beige Tönen gehalten, es war klein aber gemütlich. Im Hintergrund ertönte langsame Musik und die kleine rundliche Kellnerin, mit den schwarzen hochgesteckten Haaren beobachtete uns ein wenig zu feindselig, als das sie nur wartete bis wir etwas bestellten.
Wir hatten nur wenige Schritte gehen müssen, um diesen Ort zu erreichen.
„Weißt du was du möchtest?“, fragte mich Marc nun und ich erschrak ein wenig, weil es so lang still zwischen mir und dem Fremden gewesen war.
„Ja ich nehme eine heiße Schockolade“, antwortete ich ein wenig verlegen. Seine Mundwinkel zuckten leicht, „hört sich gut an, das nehme ich auch!“, erwiderte er, bevor er die Kellnerin rüber winkte, die sich auch sofort auf dem Weg machte.
„Was darfs sein?“, fragte die Frau unfreundlich und ich fragte mich, was ich verpasst hatte.
„Aber aber, wer wird denn gleich so unhöflich sein liebe Clarry?! Immerhin haben wir uns lange nicht gesehen“, antwortete Marc mit einem höhnischen Ton.
„Von mir aus hätte diese Zeit auch gut und gerne ein wenig länger anhalten können, du weißt das wir hier keinen Ärger wollen. Also bestell was und dann verschwinde wieder!“
Leise fing Marc an zu lachen „Wir hätten gerne zweimal die heiße Schockolade.“
Mit diesen Worten machte sich Clarry auch schon davon. Mit einer hochgezogegen Augenbraue schaute ich Marc entgegen.
„Was war das denn eben?“
„Sie scheint mich nicht besonders zu mögen was?!“, fragte er rhetorisch mit einem Augenzwinkern und ich hatte das Gefühl, dass das Thema damit beendet war, also hakte ich nicht weiter nach.
Kurz dannach brachte Clarry uns unsere Bestellung und ich nahm einen kleinen Schluck von der köstlichen Flüssigkeit, verbrannte mir leicht die Zunge.
„Also was hat dir den Tag so versüßt, das du mir in die Arme rennst?“, fragte Marc während er sich im roten Polster zurücklehnte.
„Du zuert! Du sagtest vorhin auch du hättest einen schlechten Tag gehabt.“
Er schien zu überlegen, bevor er sich wieder nach vorne lehnte und die Arme auf den Tisch sinken ließ.
„Weißt du, ich bin erst seit ein paar Tagen wieder in der Stadt. Vor drei Jahren habe ich schon einmal hier gewohnt, bin hier aufgewachsen. Ich und meine Freunde haben damals viele krumme Dinger gedreht. An jenem Abend hatten ich und ein Freund einen echt großen Deal am laufen. Es lief alles gut, also ging ich kurz raus um zu telefonieren. Auf einmal ging alles ganz schnell: Die Polizei kam um die Ecke, machte direkt vor der Bar halt in der alles stattfand. Ich wusste weshalb sie da waren, genau so wie ich wusste dass ich diesmal nicht mit ein paar Sozialstunden davonkommen würde. Ich hab nicht nachgedacht, bin aus Angst einfach abgehauen und hab meinen Freund im Stich gelassen.“
Traurig schaute er auf die Tischplatte vor sich und ich fragte mich insgeheim, warum er soviel von sich preisgab, außerdem fragte ich mich auch..
„Was hat das alles mit dem heutigen Tag zu tun?“
Jetzt schaute er mir wieder in die Augen: „Nun ja mein Freund ist damals in den Knast gegangen, weil ich mich schämte habe ich die Stadt verlassen. Und heute.. ja heute bin ich zu ihm gegangen. Ich wollte..keine Ahnung das Ganze irgendwie erklären, mich entschuldigen und so. Er hat mir die Tür vor der Nase zugehauen.“
Ich konnte diesen Freund irgendwie verstehen, wobei es Marc echt leid zu tun schien. Über das nachdenkend, was er gerade erzählt hatte schaute ich ihn an. Er fing leicht an zu lächeln.
„Jetzt denkst du: Man ist das ein Arsch, der hats nicht anders verdient. Außerdem fragst du dich, warum ich dir das so ausführlich erzähle“, stellte er fest ohne wissen zu können, ob das der Wahrheit entsprach. Bevor ich antworten konnte, sprach er weiter:
„Du würdest es sowieso rausfinden, wenn wir uns näher kennenlernen. Jeder hier weiß, dass ich ein Scheißkerl war. Der kriminelle Typ, der allen nur Ärger macht und zu guter letzt noch seinen Freund hat hängen lassen und feige abgehauen ist.“
Jetzt wurde mir klar, weshalb die Kellnerin so unfreundlich war und wenn man sich genau umsah, war sie nicht die Einzige die ihn/uns mit einem vorwurfsvollen Blick bedachte.
„Nein ich denke nicht, dass du ein Arsch bist. Das kann ich auch garnicht, weil ich dich nicht kenne und ich weiß wie es ist in eine Schublade gesteckt zu werden. Wenn du mich fragst, was ich von deiner Geschichte halte kann ich dir sagen: Ja du hast Scheiße gebaut in mehr als einer Hinsicht, aber jeder Mensch verdient eine zweite Chance.“
Und das was ich da sagte, meinte ich auch so. Er wirkte so, als ob es ihm wirklich leid tun würde. Mit einem ehrlichen Lächeln blickte er mir direkt in die Augen, „Du kommst nicht von hier oder? Du bist irgendwie so anders, die Art wie du redest und dein Mitgefühl.“
Ein wenig verlegen schüttelte ich den Kopf leicht zur Antwort.
„Also los! Jetzt du! Ich hab dir eben eine ausführliche Angabe gemacht, bin gespannt wie du das toppen möchtest.“
Kurz zögerte ich, sollte ich einem Fremden wirklich erzählen was mich bedrückte? Ich war noch nie der Typ Mensch gewesen, der sich gern ausheult. Ich machte sowas stets mit mir selber aus. Allerdings hatte er sich mich gerade geöffnet, da wollte ich nicht unhöflich sein.
„Naja ich komme tatsächlich nicht von hier, ich wohne erst seit ein paar Wochen hier. Vorher habe ich in.. naja in Brentwood gewohnt“, sprach ich nervös aus und wartete förmlich auf die erstaunte Reaktion meines Gegenübers, die auch promt folgte allerdings bei weitem nicht so energisch wie seine Vorgänger. Er hob ledeglich eine Augenbraue in die Höhe und wartete, dass ich weiter redete.
„Mein Vater hat mich und meine Mum mit einem Schuldenberg sitzen gelassen, so das wir hierher zu meinem Onkel ziehen mussten. Meine Mum verkraftet das nicht so gut, möchte ihr Leben jetzt dennoch wieder regeln.. ohne mich! Ich soll auf ein Internat. Ich mein ich bin 17, fast 18 da werde ich mich ganz sicher nicht hinschicken lassen. Aber allein die Tatsache, dass das ihr Wunsch ist tut..naja weh eben.“
Dies zuzugeben war wirklich schwierig, weshalb die Tischplatte vor mir nun wirklich interessant zu sein schien.
„Ich verstehe, das ist echter Mist. Ich würde sagen wir haben Gleichstand“, sagte Marc und lockerte die Stimmung somit wieder ein wenig auf.
Die darauffolgenden Stunden, in denen ich das vibrieren meines Handys ingnorierte, unterhielten wir uns noch sehr gut. Marc war echt ein netter Typ, auch wenn er irgendwie etwas austrahlte das mir Ungehagen bereitete. Zwischendurch führte er ein knappes Telefongespräch, bei dem er sich mit dem Anderen in der Leitung später treffen würde. Es klang geschäftlich, dennoch unseriös, aber vielleicht bildete ich mir das Ganze auch nur ein. Irgendwann verabschiedeten wir uns dann voneinander, nicht ohne vorher Nummern auszutauschen. Normalerweise gab ich nicht jedem meine Nummer, aber immerhin hatte er mich von meinem Dilemma abgelenkt und hatte auch mir viel von ihm selbst erzählt. Da war das nur fair.
Zuhause angekommen ging ich direkt in mein Zimmer und setzte mich aufs Bett und schaute ersteinmal auf mein Handy. Viele Anrufe in Abwesenheit von meinem Onkel, außerdem 2 SMS von Tina.
1. Hey Alex, machen wir heute Abend was? Es ist immerhin Samstag. Party können wir vergessen, wegen dem Miesepeter... Aber nen Mädelsabend wär doch drin oder?
2.Hallooooo??? Meldest du dich mal bitte, das ich Bescheid weiß? Lorell kommt auch.
Schnell tippte ich eine Antwort:
Sorry, das ich mich so spät erst melde. Bin immer noch kaputt von gestern. Ich bleib wohl heute zu Hause, wir schreiben morgen wieder.
Gerade wollte ich mir einen Schlafklamotten raussuchen, als es leise an die Tür klopfte, bevor mein Onkel auch schon das Zimmer betrat.
„Alex kann ich bitte mit dir reden?“
Sturr starrte ich in meinen Kleiderschrank. Ich wollte nicht kindisch sein, war aber auch noch nicht bereit dazu mir seine Überedungsversuche anzuhören. Leise konnte ich ihn seufzen hören und wusste, dass er sich gerade auf mein Bett gesetzt hatte.
„Ich weiß, dass das heute echt hart für dich war. Weißt du ich dachte, es sei vielleicht eine gute Idee wenn du auf dieses Internat gehst, wo du deinen gewohnten Lebenstil weiterführen könntest.“
Und schon ging es los, ich fing an zu schnaufen und wollte schon antworten, als er jedoch weitersprach.
„Ich hätte wissen müssen, dass du das nicht willst. Du bist soviel stärker, als deine Mum. Ich hab den Eindruck, dass es dir sogar anfängt hier zu gefallen. Das hier ist eine komplett andere Welt für dich und dennoch findest du dich zurecht.“
Ich drehte mich zu ihm um, konnte nicht glauben in welche Richtung dieses Gespräch gerade ging. Also hatte ich mich doch nicht in ihm getäuscht. Warmherzig lächelte mich mein Onkel an.
„Trotzdessen muss deine Mum endlich zur Besinnung kommen und das sollte sie vielleicht wirklich erst einmal allein ohne ihre Tochter tun. Versteh mich nicht falsch, ich werde dich nicht schon aus deinem Leben reißen. Ich habe womöglich eine Lösung für das Ganze. Ich werde gleich einen Anruf machen müssen. Geh jetzt erst einmal schlafen. Gute Nacht Kleines“, so beendete er das Gespräch, bevor er aufstand und mich in eine Umarmung zog, mir einen Kuss auf die Stirn gab und schließlich das Zimmer verließ.
Total verwirrt blieb ich zurück, ich verstand garnichts mehr. Er hatte eine Lösung, die sich durch ein Telefonat ergeben sollte? Was sollte das denn heißen? Würde meine Mum nun gehen müssen? Er sagt eindeutig, dass er mich nicht aus dem Leben reißen wollte. Also konnte ich doch bleiben oder etwa nicht?
Diese ganzen Fragen beschäftigten mich die ganze Nacht, was mich sehr schlecht schlafen ließ. Doch am nächsten Tag sollte sich das Rätzel auflösen, eine Lösung mit Folgen.
Sonntagmittag.
Immer noch vokommen ahnungslos war ich gerade dabei meine Sachen zu packen. Mein Onkel hatte mich nach dem Aufstehen darum gebeten. Er sagte er würde es mir erklären sobald ich fertig war. Außerdem versprach er mir, das dies nichts mit einem Internat zu tun haben würde.
Was verstand ich also darunter ? Richtig! Nichts!
Beim Packen ergab sich ein gewisses Deja Vu- Gefühl, nur das ich diesmal weitaus weniger zu packen hatte. Das Ganze behagte mir ganz und garnicht. Als ich schließlich fertig war, ging ich in die Küche in der mein Onkel mit der Tageszeitung an dem kleinen Tisch saß. Er blickte sofort auf, als ich mich zu ihm setzte und lächelte warm.
„Fertig?“
„Ja“, erwiderte ich kühl, weil ich noch immer unwissend war. Er bemerkte dies natürlich und begann endlich damit mich aufzuklären.
„Ich denke mit der Lösung wirst du sehr zufrieden sein. Ich habe gestern mit jemandem telefoniert, der mir noch etwas schuldet. Du wirst in der nächsten Zeit bei ihm wohnen, natürlich werde ich ihm ein kleinen Betrag monatlich auszahlen, damit er euch versorgen kann.“
„Wie bitte? Ist das dein ernst? Ich soll bei einem fremden Typen wohnen?“, empörte ich mich sofortig.
„Lass mich doch ersteinmal ausreden Alex! Ich wusste, dass er eine Schwester in deinem Alter hat und durch das Telefonat haben wir festgestellt, dass du sogar mit ihr befreundet bist und die Beiden kennst. Du wirst also folglich in der nächsten Zeit bei deiner Freundin Tina wohnen“, sprach er es aus und mein Blick wurde starr.
Ich würde bei Tina wohnen? Dort wo auch Diego wohnte? Ich würde also mit dem Typen zusammenwohnen, mit dem ich vor kurzem erst rumgemacht hatte.
Der Blick meines Onkels wechselte von erfreut zu besorgt. „Ich dachte du würdest dich darüber freuen“, sagte er kleinlaut.
Schnell fing ich mich wieder. Ich hatte keinen Grund, mich nicht darüber zu freuen. Ich konnte hierbleiben und würde bei meiner Freundin wohnen. Ich konnte meinem Onkel ja schlecht sagen, dass ich mit ihrem Bruder rumgemacht hatte.
„Nein, nein alles ok. Das ist wirklich eine gute Lösung. Wenn ich keine Umstände bereite, nehme ich diesen Vorschlag sehr gerne an.“
Die darauffolgenden 3 Stunden verbrachte ich mit Grübeln. Was würde mich in der nächsten Zeit erwarten? Und warum schuldete Diego meinem Onkel etwas? Zu diesem Thema hatte er geschwiegen.
Gegen 6Uhr am Abend klingelte es an der Tür. Mein Onkel und ich packten uns meine Sachen, die aus 3 Kartons bestanden, und gingen die Treppen hinunter. Von meiner Mum, wollte ich mich gerade nicht verabschieden. Ich war einfach noch zu verletzt.
Draußen angekommen, stand Diego bereits an seinem schwarzen Mercedes. Ein ziemlich schönes Auto, er jedoch stellte es in den Schatten. Er trug eine schwarze Lederjacke, darunter ein weißes enganliegendes Shirt. Seine Haare, die an den Seiten kurz und oben länger waren saßen perfekt. Die Schockoladen-Augen zuckten nervös, als er uns sah. Schnell warf er seine Zigarette, die er bis eben geraucht hatte zu Boden, trat darauf und kam mir entgegen.
„Hey“, sagte er mit seiner rauen aber dennoch warmen Stimme und nahm mir den Karton ab, den ich trug. Er kam mir dabei so nahe, dass ich seinen Geruch von Rauch und Schockolade wahrnehmen konnte. Es roch verboten gut und gleichzeitig gefährlich.
Schweigend sah ich zu, wie mein Onkel und Diego die Kartons im Kofferaum und einen auf den Rücksitz verstauten. Dann richtete mein Onkel das Wort an Diego:
„Vergiss nicht was ich dir gesagt habe! Ich möchte mir keine Sorgen machen müssen, verstanden.“
„Verstanden“, antwortete Diego kühl und stieg ins Auto.
Mein Onkel wendete sich nun mir zu, nahm mich in den Arm und flüsterte: „Ich hab dich Lieb Kleines! Bald werden wir eine Familie sein. Versprochen!“
„ich dich auch“, antwortet ich schlicht und stieg ebenfalls ins Auto.
Diego startete den Motor und die Fahrt ins Ungewisse begann. Schon wieder!
Diego
Angespannt hielt ich das Lenkrad meines Wagens fest, während ich fuhr. Neben mir konnte ich die Präsenz von Alex deutlich spüren. Ihr Geruch erinnerte mich an frische Himbeeren.
Ich hatte keine Ahnung, weshalb die Freundin meiner kleinen Schwester so eine Wirkung auf mich hatte. Ich meine klar, sie war wirklich hübsch, außerdem hatte ich den Geschmack ihrer Lippen bereits kosten dürfen.
Unter normalen Umständen, würde sie hier niemals in meinem Auto sitzen dürfen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, ihr aus dem Weg zu gehen. Ich mochte es nicht, wenn ich die Kontrolle über mich selbst verlor. Am Freitag hatte ich es getan, was auf jeden Fall am Alkohol gelegen haben musste.
Schweigend fuhren wir den Weg zu meiner Wohnung und ich dachte darüber nach, wie es zu dieser Situation gekommen war.
Gestern Abend war ich bei Dave gewesen. Dass Marc am Morgen vor meiner Tür gestanden hatte, hatte ich ihm verschwiegen. Ich hatte eindeutig keinen Bock über das Thema zu reden, geschweige denn mir irgendeinen Scheiß anzuhören vonwegen Versöhnung und so. Marc war für mich gestorben und dabei würde es bleiben!
Mit dem Anruf, den ich am gestrigen Abend erhielt, hätte ich niemals gerechnet. Eine lange Zeit hatte ich nicht mehr mit Jesús Cortez gesprochen. Eine Zeit, die mich jedoch nicht vergessen ließ, dass ich ihm etwas schuldig war.
Ich wusste sofort, dass er nicht anrief um zu plaudern.
Er hatte gutes Recht etwas zu fordern, immerhin war er es, der damals für mich ausgesagt hatte. Er hatte dafür gesorgt, dass ich nach einem Jahr das Gefängnis mit Bewährung verlassen durfte. Ohne ihn wäre ich heute wahrscheinlich noch dort.
Als ich ihn damals fragte, warum er mir half sagte er nur:
„Deine Mutter war ein guter Mensch. Krieg dein Leben in den Griff und kümmer dich um deine Schwester. Noch einmal werde ich dir nicht helfen!“
Ich tat was er sagte, hatte aber immer im Hinterkopf behalten, dass kein Mensch etwas gutes tut ohne eine Gegenleistung. Besonders nicht in dieser Stadt.
Das es nun darauf hinauslaufen sollte, dass ich mich eine Weile um seine Nichte kümmerte, war ja eigentlich keine große Sache. Als er jedoch ihren Namen erwähnte, zögerte ich erst mit einer Zusage. Wie konnte sie nur seine Nichte sein? Warum hatte sie dann in dieser Bonzengegend gewohnt? Er hatte mir am Telefon auch ausdrücklich klar gemacht, dass sie tabu war und ich meine Finger bei mir lassen sollte.
Wenn der Alte wüsste!
Immer noch schweigend parkte ich das Auto direkt vor meinem Wohnhaus. Sie war wohl immer noch sauer, ich sollte das klären bevor sie bei mir einzog. Entschuldigungen waren aber so garnicht meine Stärke. Ich hasste es Fehler zuzugeben. Alex war bereits im Begriff die Tür zu öffnen.
„Alex warte!“
Kurz zuckte sie bei ihrem Namen zusammen, drehte sich dann aber zu mir. Nervös fuhr ich mir durch die Haare. Sie wartete, bis ich weitersprach, biss sich dabei auf die Lippen und ich musste wieder daran denken wie es war sie zu küssen.
Verdammt! Reiß dich zusammen man!
„Wegen Freitag..das war scheiße was ich gesagt habe. Ich hab nicht nachgedacht“, sprach ich es aus, seufzte dann weil ich sah, dass ihr das nicht ausreichte.
Ich wusste was sie meinte und fügte noch etwas hinzu: „Allgemein war ich wohl nicht ganz Herr meiner Sinne.“
Kurz nickte sie, wohl um mir zu zeigen das sie verstand.
„Da du eine Weile bei uns wohnen wirst, möchte ich das wir miteinander auskommen. Du kannst dann bei Tina im Zimmer schlafen, es sei denn das Wohnzimmer ist dir lieber.“
„Bei Tina ist es schon ok. Danke, dass ihr mich aufnehmt, obwohl ich nicht genau weiß was du mit meinem Onkel zu schaffen hast.“
Endlich sagte sie auch mal was, dachte ich, auch wenn sie mir dabei nicht in die Augen sah sondern auf das Amaturenbrett vor sich. Ich würde auf die Sache mit ihrem Onkel nicht eingehen. Das war privat und mit zu vielen anderen Geschichten verbunden.
„Gut dann lass uns reingehen“, erwiderte ich.
Als wir die Wohnung betraten, kam Tina uns sofort entgegen und nahm ihre Freundin stürmisch in die Arme.
„Oh mein Gott Alex, wir werden eine tolle Zeit haben. Komm wir gehen in mein Zimmer und richten dich ein wenig ein, dann können wir auch über alles reden!“
Das meine Schwester auch immer so hyperaktiv sein musste. Der Karton, den Alex trug, wäre fast bei dieser stürmischen Aktion zu Boden gefallen. Schweigend folgte ich den Mädchen und trug Alexs Kartons in Tinas Zimmer, bevor ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer machte, um in ordentlicher Sonntagsmanier vor der Glotze zu gammeln.
Daraus wurde jedoch nichts, als ungefähr eine Stunde später John und Dave vor der Tür standen. Konnte man denn nicht einen Sonntag lang seine Ruhe haben?! Außerdem ging mir John auf den Sack, keine Ahnung warum das so war. Eigentlich hatte ich ihn immer gemocht, er war der jüngste bei unseren Jungs und war im Gegensatz zu uns anderen nicht so sportbegeistert. Außerdem zog er eine ganz andere Gruppe von Frauen an, sie waren meist jünger und eher süß als sexy.
Doch in den letzten Tagen hatte sich etwas verändert, ich konnte es zu dem Zeitpunkt nur noch nicht definieren.
Träge saßen wir nun in meinem Wohnzimmer, Dave in meine Richtung gebeugt.
„Ein paar Leute haben ihn gestern in unserem Stammcafee gesehen, mit einer hübschen jungen Frau“, erzählte er weiter über die neuesten Ereignisse um den zurück aus der Verschollung gekehrten Marc.
„Warum erzählst du mir den Scheiß? Sind wir jetzt Tratschweiber geworden? Der Typ geht mir am Arsch vorbei, das hab ich ihm gestern auch schon gesagt!“, erwiderte ich genervt, um in gleichem Moment den Fehler zu bemerken, den ich gemacht hatte. Ich hatte es ausgeplaudert und Dave somit neuen Stoff gegeben um Mist zu labbern.
Nun sah auch John vom Fernseher auf. Er hatte sich dezent aus dem Gespräch heraus gehalten. Er kannte Marc nicht, denn damals gehörte John noch nicht dazu. Ich war mir aber sicher, dass Danny ihm und Alec die Geschichte brühwarm erzählt hatte.
„Er war hier?“, empörte sich Dave nun, „und du kommst nicht mal auf die Idee mir das zu erzählen?“
„Weil es da nichts zu erzählen gibt! Und das eine sag ich dir..“, doch bevor ich zu Ende sprechen konnte, kamen Tina und Alex gerade ins Wohnzimmer. Tina huschte sofort auf die Jungs zu, um sie zu umarmen während Alex beiden nur die Hand geben wollte.
John jedoch stand auf und zog sie in eine feste Umarmung. „Schön dich zu sehen Alex“, grinste er sie an und sie erwiderte sein Lächeln.
So ein Bastard..!
„Du wirst sie vielleicht nun öfter sehen, Alex wohnt ab heute hier“, sprach Tina freudig aus.
„Wow wirklich? Ist ja toll“, war seine Antwort.
„Wolltet ihr etwas bestimmtes?“, knurrte ich schon fast.
„Das ist auch mein Wohnzimmer Bruderherz“, antwortete Tina mir frech, „Und jetzt gehört es auch Alex. Aber egal wir wollten eigentlich auch nur sagen, dass wir heute hier im Wohnzimmer einen DVD-Abend zum Einstand sozusagen geplant haben!“
Bevor ich darauf antworten konnte, zog Tina Alex wieder aus dem Wohnzimmer. Na das würden wir ja noch sehen, dachte ich. Verständnislos starrte Dave mich an. „Was?“, zischte ich. „Die Kleine wohnt jetzt bei dir? Das ist eine gute Idee?“, fragte er mit einem zweideutigem Blick, den ich nicht deuten konnte.
„Sie ist die Nichte von Jesùs Cortez!“, war meine schlichte Antwort.
„Oh ok“, und damit wusste ich, das er verstand. Er kannte immerhin die ganze Geschichte.
„Hätte ich niemals gedacht, wie klein die Welt doch ist“, sprach er verblüfft aus und schaute zu der Tür aus der die Mädchen vorhin verschwunden waren.
„Und was soll das heißen? Wer ist dieser Typ?“, fragte John neugierig. Lahm blickte ich ihn an.
„Ein alter Bekannter. Ich passe von nun an auf sie auf, sie ist meiner Schwester gleichgestellt. Das heißt Finger weg, comprende?“
„Ähm..Ok“, erwiderte er nur kleinlaut. Ich sah ihm an, dass ihn meine Worte und die Kälte darin verwirrten.
„Das ist sowas wie eine Regel, die befolgt werden muss, klar?“, wiederholte ich meinen Standpunkt mit Nachdruck.
„Diego jetzt bleib mal ruhig man. In letzter Zeit bist noch launischer als sonst!“, hörte ich Dave sagen.
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Am Abend nach dem Duschen, fand ich mich in Jogginghose und Shirt vor dem Fernseher wieder, als Tina und Alex den Raum betraten. Beide trugen eine kurze rosa karierte Schlafhose mit jeweils weißen Tanktops. Die Haare trugen sie ebenfalls im Partnerlook, in einem Zopf. Sanfte braune Wellen fielen Alex über die Schulter.
Im Normalfall hätte ich einen Witz über dieses kindische Partnerlook-Getue der Weiber gerissen. Doch Alex sah selbst in diesem Aufzug viel zu sexy aus. Sie hatte so unglaublich lange und gebräunte Beine, in dieser viel zu kurzen Hose. Ihre rehbraunen Augen blickten mich erwartungsvoll an.
„Erde an Diego! Hallo?“, hörte ich plötzlich Tina sagen.
„hmm?“, gab ich heiser von mir und ärgerte mich darüber, wie ein Schuljunge der zum ersten Mal eine Frau sah, gegafft zu haben.
„Ich sagte, wir wollen jetzt DVD schauen! Meinetwegen suchen wir einen Film aus, den auch du gucken möchtest. Obwohl ich immer noch mega angepisst von dir bin Diego Sanchez.“
Ich hasste es, wenn sie auf diese Art mit mir sprach, ich war hier immerhin der Ältere. Dennoch wollte ich den Scheiß endlich aus der Welt schaffen.
„Freitag ist Scheiße gelaufen, aber ich werde mich nicht bei diesem Vollidioten entschuldigen, hast du verstanden? Er hat sich in MEINER Wohnung an meine kleine Schwester rangemacht! Ich habe nichts dagegen, wenn du mit ihm zusammen sein willst. Ich werde dennoch ein paar Worte mit ihm reden müssen morgen in der Arbeit. Keine Sorge, ich werde ihn schon nicht umbringen.“
Ein kleines Lächeln bildete sich auf dem Gesicht meiner Schwester aus, ehe sie auf mich zukam um mich zu umarmen. „Danke Diego“, flüsterte sie.
„Ist ja gut! Und jetzt setzt euch! Ich hab was zu sagen!“, sagte ich in einem ernsten Ton. Beide folgten meiner Anweisung und sahen mich nun abwartend an. Ich stand auf, baute mich vor ihnen auf.
„Nur weil ich von nun an zwei Frauen im Hause habe, heißt das nicht dass sich etwas ändert. Ihr liegt falsch, wenn ihr glaubt mir auf der Nase rumtanzen zu können, also versucht es erst garnicht! Hier werden nach wie vor keine Typen schlafen, außerdem fangt ihr nicht an Partys zu veranstalten während ich außer Haus bin. Hier laufen auch nicht dauernd irgendwelche Weiberfilme und das Badezimmer wird auch nicht stundenlang blockiert. Meine Wohnung, Meine Regeln! Verstanden?“, beendete ich meine Ansprache.
Tina rollte mit den Augen, Alex zog eine Augenbraue in die Höhe. Dennoch antworteten beide synchron: „Verstanden!“
„Gut, dann geh ich jetzt schlafen. Guckt ihr nur eure Schnulzen-Filme.“
Und damit verließ ich das Wohnzimmer und hörte im Flur wie die beiden anfingen zu kichern, während Tina mich nachäffte.
Na das kann ja heiter werden mit zwei Weibern im Haus. Aber die werden schon noch sehen was passiert wenn man mich nicht ernst nimmt, dachte ich, und verschwand in meinem Zimmer..
Montag Morgen.
Die erste Nacht in meinem neuem vorrübergehenden Zuhause hatte sich irgendwie echt gut angefühlt. Tina machte es mir aber auch echt leicht, durch sie hatte ich das Gefühl ein ganz normales Leben als Teenager zu haben, die Probleme wirkten da irgendwie fern.
Doch was wäre ein Teenagerleben ohne ein ordentliches Gefühlschaos?! Richtig! Es wäre Super..
Aber Pustekuchen, denn nun lebte ich mit einem Typen zusammen, dessen Körper und gesamte Austrahlung heiß wie Feuer ist, aber ansonsten kalt wie die Antarktis ist. Naja eigentlich ja nicht immer, immerhin hatten wir miteinander rumgemacht und dann immer diese zweideutigen Sprüche und Blicke.
Tja Ladys & Gentleman da wären wir nun bei meinem Gefühlschaos, mal abgesehen davon das er Tinas Bruder ist und schon allein deshalb tabu war, war er sowieso nicht an mir intressiert. Gestern im Auto hatte er deutlich gemacht, dass er nur wegen des Alkohols so gehandelt hatte. Ich konnte nicht leugnen, dass mich das irgendwie verletzt hatte.
Frisch angezogen tanzten wir nun an diesem Morgen in der Küche herum, während im Radio “Crush“ von Jennifer Paige lief zu dem wir lauthals mitsangen und uns zusätzlich Frühstück zubereiteten.
„Its just a little crush..“, sangen wir gerade, als plötzlich die Musik ausging. Verwirrt drehten wir uns um und sahen in schockoladenbraune verschlafene Augen, die uns beide verspottend anblickten.
Tina und ich blickten uns daraufhin an und konnten nicht umhin lauthals loszulachen. Diego hingegen hob nur eine Augenbraue.
„Weiber!“, war seine schlichte Reaktion, bevor er sich an den Küchentisch setzte und sich durch die zerzausten Haare fuhr, sie damit noch mehr zerzauste.
Verdammt Sexy!
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„Und ihr wohnt jetzt also zusammen ja?“, fragte Lorell ungläubig. Breit grinsend nickte Tina nur zur Antwort, während ich an meinem Cafee nippte um die Unsicherheit, die dieses Thema in mir auslöste zu vertreiben.
Wir hatten eine Freistunde und saßen gerade mal ein paar Minuten hier in der Cafeteria. Tyler und Jeremy wollten auch noch dazustoßen. Die Beiden hatten zwar keine Freistunde, wollten aber schwänzen. Für mich käme das momentan nicht in Frage, immerhin hatten wir in ein paar Monaten Abschlussprüfungen.
Bei dem was momentan in meinem Leben los war, kam ich eh schon nicht zum Lernen. Da ich aber immer schon eine gute Schülerin war, reichte es bei mir völlig aus nur anwesend zu sein und mitzuarbeiten um meine Noten zu halten.
Ich weiß, ich weiß.. ich hör euch schon verärgert “Scheiß Streberin“ rufen, aber hey wenigstens etwas das kein Chaos bei mir verursacht.
„Wieso hat Diego das erlaubt? Der beschwert sich doch schon, wenn ich mal ne Woche bei euch bleiben wollte?“, fragte Lorell weiterhin skeptisch. Ein wenig überfordert mit der Frage starrte ich sie nur an wie so ein Auto.
Tina kannte die Kurzfassung, wusste das es bei mir Zuhause momentan schwierig war und Diego meinen Onkel kannte, woher auch immer. Sie hatte jedefalls keine Antwort darauf. Ich mochte Lorell, war aber nicht bereit dazu noch jemanden einzuweihen. Ohnehin fiel es mir schwer über negatives zu sprechen.
„Tja vielleicht will er Alex flachlegen“, hörte ich Tina antworten.
Meine Augen weiteten sich. Wusste sie, was auf der Party im Bad gelaufen war?
Doch bevor ich darauf reagieren konnte, brach sie in schallendes Gelächter aus.
„Mein Gott ihr hättet eure Gesichter sehen sollen! Diego kennt wohl Alex Onkel und da haben sie ausgemacht, dass Alex für ne Weile bei uns bleibt. Der hat halt viel zu tun.“
Erleichtert atmete ich auf.
„Hm ok.. Ja sag mal Alex was ist denn mit dir los? Bist heute so abwesend! Das hat doch mit einem Typen zu tun. Hat Tina vielleicht garnicht so unrecht und du stehst auf Diego?“
Beide starrten mich nun abwartend an und ich fühlte mich schlichtweg ertappt. Dabei wollte ich ihn nicht auf diese Weise sehen und schon garnicht wollte ich, dass die Beiden so etwas denken. Blitzartig fiel mir da Marc ein. Er war wirklich nett gewesen und sie würden mir nicht auf die Schliche kommen, wenn ich ihn vorschiebe. Ich hätte auch Tyler nehmen können, aber dann hätten sie mich wahrscheinlich noch mit ihm verkuppeln wollen.
„Nun ja. Ja! Ich hab tatsächlich am Samstag jemanden kennengelernt. Er sieht sehr gut aus und war wirklich nett. Wir haben Nummern ausgetauscht“, ratterte ich schnell runter.
„Hey warum erfahre ich das erst jetzt?“, empörte sich Tina.
„Wann triffst du dich wieder mit ihm?, fragte Lorell.
„Ich hatte das wegen dem Umzug total vergessen zu erzählen. Ich weiß noch nicht wann ich ihn wiedersehe. Ich denke ich warte bis er mich anruft“, antwortete ich erleichtert über den Themenwechsel.
„Mach dich raa Baby! Gutes Mädchen“, sprach Lorell übertrieben Tussig aus, woraufhin wir alle lachen mussten. „Wie heißt er denn?“, fragte Tina nun, doch bevor ich antworten konnte kamen Jeremy und Tyler zu unserem Tisch und damit war das Gespräch vorerst beendet.
„Wisst ihr schon, das wir nächste Woche frei haben?“ war das erste was Tyler überschwänglich sagte, wofür er nur verwirrte Blicke unsererseits erntete.
„Angeblich hat die Schule einen Zuschuss von irgendeinem Sponsor bekommen und hat nun vor einige Räume zu renovieren. Also haben wir eine freie Woche“, erklärte Jeremy grinsend während er Tina den Arm um die Schulter legte.
Begeistertes Wortgeschwall von allen Seiten folgte daraufhin.
„Wir sollten den Einstieg in die freie Woche feiern!“, kam es von Lorell.
„Ja man! Wir gehen ins Takeout. Dein Bruder ist doch mit dem Türsteher befreundet. Da kannst du doch was machen“, sagte Tyler an Tina gewandt.
„Ja Alec arbeitet an der Tür, der würde uns auch reinlassen ohne das ich mit Diego sprechen muss. Alledings würde er es ihm dannach verraten, also muss ich so oder so mit ihm darüber reden.“
„Und wo liegt jetzt das Problem?“, kam es von Tyler.
„Der ist in letzter Zeit so komisch drauf und nach der Sache mit Jeremy, wird er kommen und mich nicht aus den Augen lassen“, endete Tina seufzend.
„Ach hör auf, ich hab jetzt schon die Hosen voll vor heute Nachmittag. Nach der Schule arbeite ich im Studio, der macht mich garantiert runter“, jammerte Jeremy.
„Außer ein paar Knochenbrüchen kann doch nichts passieren“, grinste Tina, woraufhin Jeremy große Augen bekam.
„Mach dir nicht ins Hemd Schatz! Er hat gesagt er will nur mal mit dir reden“, beruhigte Tina ihn nun und mir entging der Kosename nicht, den sie bereits für ihn zu verwenden schien und freute mich für meine Freundin.
„Nochmal zurück zu Freitag. Ich denke wir sollten wirklich beim Plan bleiben ins Takeout zu gehen“, wiederholte Lorell mit Nachdruck
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Dienstag Abend.
Hastig biss ich ein großes Stück von meiner Pizza ab und nickte mit vollem Mund. Kurz zuvor hatte sich Tina darüber beschwert, dass Männer nie pünktlich seien.
Wir hatten uns mit Jeremy und Tyler hier in dieser Pizzeria verabredet, Lorell traf sich mit irgendeinem Typen und hatte deshalb keine Zeit. Die Pizzeria war klein aber gemütlich und hauptsächlich in orangetönen gehalten. Vor uns auf dem eckigen Tisch stand eine kleine Kerze. Außer uns waren noch andere Leute in unserem Alter anwesend, teilweise auch von unserer Schule.
„Ich hab Jeremy heute nur ganz kurz in der Schule gesehen, weil der Sack nur zwei Stunden hatte und jetzt kommt der einfach zu spät“, zickte Tina rum.
Meine Antwort darauf war ledeglich Geschmatze, die Pizza war einfach zu lecker. Wie auf Stichwort kamen in dem Moment Tyler und Jeremy zur Tür herein und setzten sich uns gegenüber, jedoch nicht ohne uns vorher zu begrüßen. Tina schlug Jeremy bevor sie ihn küsste noch eben auf die Schulter.
„Wieso seid ihr zu spät?“, fragte sie empört.
„Meine Schuld“, grinste Tyler unschuldig.
„So und jetzt raus damit, was hat Diego gestern bei der Arbeit zu dir gesagt? Tu nicht so geheimnisvoll!“
Jeremy starrte auf die Tischplatte, Tina starrte ihn abwartend an, Tyler starrte auf meine Pizza und ich?
Ich starrte auf Tylers Hand, die zu meiner Pizza wanderte und schlug mit voller Wucht darauf.
„Auuuuuuuuuuu Shit Alex, warum so fest?“, schrie er, währed er seine Hand vor Schmerz schüttelte. Ich zuckte bloß mit den Schultern und schaufelte das nächste Stück in mich hinein und murmelte leise „meine Pizza!“.
Jeremy warf uns einen belustigten Blick zu, bevor Tina ihm erneut auf die Schulter schlug um ihn zum Reden zu motivieren.
„Ist ja gut, ich fang an zu reden. Er hat mir deutlich klar gemacht, dass er mir jeden Knochen einzelnd brechen wird wenn ich dir wehtun sollte. Außerdem musste ich die Klos putzen, weil die Putzfrau angeblich Urlaub hat und ich nur Aushilfe bin.. Ihr könnt euch vorstellen wie wütend ich war, als die Putzfrau später doch kam nachdem ich ihre Arbeit erledigt hatte. Dein Bruder mag mich nicht und das lässt er mich spüren“, endete Jer zermürbt.
„Mach dir keine Sorgen. Er mag dich, sonst wäre er nicht einverstanden gewesen. Das ist doch nur Machogehabe. Er macht dir klar, was er für eine Macht über dich hat damit du seine Drohung auch ernst nimmst“, antwortete Tina mit einem Lächeln. Wir alle starrten sie nur verständnislos an.
„Als ob ich das nicht ernst nehmen würde, dein Bruder ist scheiß angsteinflößend“, kam es nun von ihm kleinlaut und Tyler nickte eifrig.
„Ach seid mal keine Pussys. In der Schule makiert ihr auch immer den Großen und jetzt benimmt ihr euch wie zwei kleine Jungs“, tadelte Tina die beiden und nun war es an mir eifrig zu nicken, wenn auch nur um die Jungs ein wenig zu ärgern. Ich konnte ihr Verhalten schon nachvollziehen.
Dann kam auch schon die Kellnerin, um die Bestellung der Jungs entgegen zu nehmen. Im selben Moment klingelte mein Handy.
„Ja Hallo?“
„Hey schöne Frau, ich bins Marc. Erinnerst du dich?“, ertönte es aus der Leitung, was mich unfreiwillig grinsen ließ. Tina schaute sofort in meine Richtung. Ich zwinkerte ihr zu und sie wusste Bescheid.
„Ja natürlich. Was gibt’s?“
„Was es gibt?! Hab da am Samstag ein nettes Mädchen kennengelernt und hab mich gefragt, was sie diesen Freitag so vor hat.“
„Naja den Gerüchten zu Folge geht sie am Freitag in diesen Club Takeout“, antwortete ich und Tina hielt den Daumen hoch, während die Jungs das Schauspiel und mein Telefonat verwirrt zur Kenntniss nahmen.
„Hm meinst du sie würde sich darüber freuen, wenn ich auch dort vorbeischauen würde?“
„Sie hätte sicher nichts dagegen.“
„Ok bis Freitag dann. Sag ihr, dass ich mich darauf freue sie wieder zu sehen.“
„Mach ich, bis Freitag“, waren meine letzten Worte bevor ich das Telefonat beendete.
„Da hat wohl jemand ein Date, dein Verehrer kommt also Freitag“, sagte Tina und wackelte mit den Augenbrauen.
„Welcher Verehrer?“, mischte sich Tyler ein.
„Ich hab jemanden kennengelernt“, antwortete ich schlicht.
„Und wie heißt er? Kennt man den? Warum hast du denn nichts gesagt?“, fragte er hastig weiter.
„Gott Tyler mach mal halblang! Sie wird dir den Namen jetzt nicht verraten, wer weiß was du dann anstellst“, reagierte Tina und rollte mit den Augen. Weil er mir irgendwie Leid tat, musste ich etwas sagen.
„Naja wir haben uns nur kurz kennen gelernt. Er ist ganz nett und das wars.“
Und im Prinzip war das noch nicht mal gelogen.
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Freitag Abend.
Der Rest der Woche war relativ ruhig verlaufen. Diego ging mir nach wie vor aus dem Weg, obwohl ich schwören könnte, dass er immer mal wieder zu mir herüber sah und wenn wir uns mal zufällig berührten, wenn wir im Flur aneinander vorbeiliefen konnte ich die Spannung, die durch meinen Körper ging deutlich fühlen.
Gerade standen ich und Tina vor dem Spiegel um uns für den heutigen Abend zurecht zu machen. Tina hatte lange gebraucht, um Diego zu überzeugen uns gehen zu lassen. Schließlich hatte er doch eingewilligt. Tina meinte, dass er das nur tat weil er sowieso nachkommen würde um auch ja dafür zu sorgen das wir keinen Mist machten.
Heute wollte ich besonders gut aussehen und redete mir ein, dass ich das nur wollte um Marc zu gefallen.
Ich trug ein schwarze highwaist Jeans im destroyed Look, dazu ein ebenfalls schwarzes bauchfreies Top. Ein Gürtel mit goldener Schnalle und goldenem Schmuck peppten das Outfit auf. Meine Haare hatte ich mir zu wilden Locken ummodelliert, dazu noch Smokey Eyes und einen dezenten Lipgloss.
Fertig!
Tina trug witzigerweise ein ähnliches Outfit, nur das sie die Jeans in einem dunklem Blau trug. Jeremy und Tyler warteten bereits unten. Lorell und ein paar andere würden wir im Club treffen.
Schnell zogen wir unsere Jacken an und gingen mit bester Laune davon, nicht ohne beim rausgehen noch ein lautes „Tschööö“ zu rufen.
Der Abend konnte beginnen.
Das Takeout war kein großer Club und befand sich in einem Altbau. Die Wände waren zum Teil vollgesprayt, was sehr gut zu der Musik passte. Hiphop und RnB wurde gespielt, außerdem gab es eine große Bar. In den Ecken waren viele Sitzmöglichkeiten in Form von Sofas und Sitzecken zu sehen. Im großen und ganzen überwog die Farbe Rot.
Noch vor ein paar Monaten hätte ich nicht im Traum daran gedacht in so einen Club zu gehen, schon garnicht hätte ich Ashley und Cindy dazu bewegen können. Wir sind schon feiern gewesen, aber das waren dann auch richtige Nobelschuppen. Dort musste man sich stets von seiner besten Seite zeigen. Alkoholabstürze oder sonstige öffentliche Szenarien passierten dort selten und wenn es doch geschah war dies Gesprächthema Nummer 1 in der Tratsch- und Klatsch-Gesellschaft.
Hier hingegen schien es niemanden zu intressieren, was der andere tat. Ich kann nicht leugnen, dass das nicht einen gewissen Reiz auf mich ausübte: Endlich Feiern ohne nachzudenken. Kopf ausschalten und genießen.
Seit einer guten Stunde waren wir nun schon hier. Das Reinkommen war garkein Problem, wie Tina bereits gesagt hatte, stand Alec an der Tür, der uns auch direkt von ganz hinten nach vorne durchwinkte. Bisher saßen wir hauptsächlich auf den Sofas und bestellten eine Runde nach der anderen. Tina saß auf Jeremys schoß und wirkte wirklich glücklich. Tyler und noch jemand mit braunen lockigem Haar, dessen Name Jimmy war, saßen neben ihnen. Lorell und ich saßen auf der anderen Seite.
Wir amüsierten uns wirklich gut, nur das Auftauchen von Diego hatte mir ein wenig an Stimmung genommen. Vor etwa 20 Minuten kam er zusammen mit Dave und zwei Barbie-Tussen hier an. Sie waren nur ganz kurz zu unserem Tisch gekommen um Hallo zu sagen, um sich dann auch schon an einen anderen Tisch in der Nähe zu setzen. Es war wirklich offensichtlich, dass die dort drüben nicht über das schöne Wetter plauderten. Obwohl ich es nicht wollte glitt mein Blick immer mal wieder zu ihnen rüber. Zu meiner Verteidigung, sie saßen auch noch genau in meinem Blickwinkel.. zumindest wenn ich mich ein klein wenig (etwa 90grad) nach rechts drehte.
Lorell schien zu denken das ich mich so seltsam benahm, weil Marc noch nicht aufgetaucht war. Ständig flüsterte sie, dass er auf jeden Fall kommt und ich mir keine Sorgen machen soll. War mir aber ganz recht so.
Irgendwann ging mir das Ganze dann doch zu sehr auf die Nerven. Zur Abwechslung ging ich mal an die Bar um für mich und Lorell etwas zu Trinken zu besorgen. Dort angekommen lehnte ich mich ein Stück über die Tecke, damit die Kellnerin mich auch verstehen konnte.
„Zwei mal Malibu-Sprite bitte“, die Kellnerin nickte zum Verständnis.
„Hey Süße, darf ich dich einladen?“, kam es neben mir von einem schmierigen Typen mit übertrieben gegeltem Haar. „Nein Danke“, antwortete ich leicht reserviert.
„Komm schon Süße, wir unterhalten uns ein bisschen. Wer weiß was der Abend noch bringt?! Ich wohne nicht weit von hier.“
Ich dachte ich hör nicht richtig, was ein widerlicher Kerl. Gerade wollte ich ihm die Hölle heiß machen, als der Typ plötzlich eine starke Hand auf die Schulter gelegt bekam.
„Sie hat Nein gesagt!“, hörte ich Diego gefährlich drohend sagen.
„Halt dich daraus du..“, doch mehr sagte der Typ nicht, denn als er sich umdrehte und sah wer da hinter ihm stand hielt er plötzlich inne.
„Diego? Sorry ich wusste nicht, dass das dein Mädchen ist, kommt nicht wieder vor“, ratterte er runter.
„Ok und jetzt mach das du wegkommst“, antwortete dieser und nickte dabei mit dem Kopf zur Seite, woraufhin der Typ auch gleich die Fliege machte und ich Diego nur fragend angucken konnte.
„Das Wort nachdem du suchst heißt: Danke“, kam es gut gelaunt von ihm.
„Das hätte ich auch allein geschafft“, antwortete ich schnell, was ihn dazu veranlasste eine Augenbraue zu heben und schief zu grinsen. Wieso nur musste er dabei so verboten gut aussehen?
„Jaa ganz bestimmt“, zwinkerte er mir zu. Es machte mich wütend, dass er mit mir sprach, als sei ich ein kleines Kind oder eins seiner dummen Eroberungen.
„Weißt du ich bin nicht deine kleine Schwester, also bitte hör auf einen auf großen Bruder zu machen!“
Jetzt lachte er mich doch tatsächlich aus.
„Glaub mir ich bin weit davon entfernt dir ein großer Bruder zu sein“, flüsterte er mir ins Ohr, was bei mir zu einer gewaltigen Gänsehaut führte. Allgemein tat dieses Gespräch meinem Körper nicht gut, sein Körper war dem meinen viel zu nah was aber auch daran lag, dass man in einem Club mit lauter Musik keine andere Wahl hat als sich näher zu kommen, wenn man sich unterhalten will. Seinen unglaublich männlichen betörenden Duft konnte ich deutlich wahrnehmen.
„Was soll das jetzt wieder heißen?“, fragte ich mit einer etwas zittrigen Stimme.
„Zuerst einmal soll das heißen, dass du dich nicht immer so kleiden sollst. Ich kanns nicht leiden, wenn die Typen dich so angaffen.“
Das verwirrte mich nun wirklich, die ganze Woche hatte er mich gemieden und das obwohl wir zusammen wohnten. Und jetzt sagte er sowas. Lag das mal wieder am Alkohol? Aber behauptete man nicht, dass Alkohol auch dazu führte das man die Wahrheit sagte?
„Warum sollte dich das stören?“, fragte ich ihn und beugte mich leicht zurück um in seine Augen gucken zu können. Lange Zeit sagte er nichts, sah mich einfach nur an und es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Dann wechselte sein weicher Blick plötzlich zu einer harten Miene.
„Na weil ich auf dich aufpassen muss. Dein Onkel weißt du noch? Du machst es mir damit nur unnötig schwer.“
„Tja wenn das so ist. So lange mich keiner gewaltätig angeht, kannst du die Füße still halten. Ich mach was ich will und brauche dich nicht“, zickte ich, nahm die Getränke von der Theke und ging zurück zu den anderen.
Für einen kurzen Moment hatte ich gedacht, dass er ähnlich empfindet wie ich aber da hatte ich mich gettäuscht.
In den nächsten zwei Stunden schaffte ich es Diego aus dem Weg zu gehen. Zusammen mit Lorell machte ich die Tanzfläche unsicher. Tina und Jeremy saßen an der Bar und prosteten uns zwischendurch zu, außerdem warf Tina uns immer wieder Grimassen zu. Tyler und Jimmy waren wer weiß wo.
Plötzlich spürte ich, dass jemand mich von hinten antanzte. Schnell drehte ich mich um und sah in grünbraune Augen.
„Hey Marc, doch noch aufgetaucht?“, sagte ich während ich ihn kurz umarmte.
„Die coolen Leute kommen immer spät“, zwinkerte er.
„Spinner“, lachte ich.
„Das ist meine Freundin Lorell. Lorell? Das ist Marc, der Typ aus dem Cafe.“
Lorell nahm Marcs Hand mit einem skeptischen Blick entgegen.
„Du kommst mir bekannt vor, den Namen hab ich auch schon mal gehört“, sagte sie.
„Jaja die Welt ist klein und so weiter“, grinste er und beendet das Thema damit.
Lorell zuckte nur mit den Schultern und suchte sich einen Tanzpartner. Im Cafee hatte ich ja bereits mitbekommen, dass man ihn hier in der Gegend durchaus kannte. Leider im negativem Sinne. Schlagartig fielen mir seine Worte ein, die er dort zu mir gesagt hatte:
Der kriminelle Typ, der allen nur Ärger macht und zu guter letztnoch seinen Freund hat hängen lassen und feige abgehauen ist.
Schnell verscheuchte ich das aus meinen Gedanken und widmete mich der Unterhaltung mit Marc. Er war echt cool drauf und es machte mir Spaß mich mit ihm zu unterhalten, jedoch konnte ich das nicht mit Diego vergleichen, denn in seiner Nähe fühlte ich mich immer.. naja anders eben.
„Wenn wir noch länger hier rumstehen und nur reden, beschweren sich vielleicht welche. Das ist immerhin die Tanzfläche“, sagte er irgendwann, nahm meine Hand und drehte mich einmal im Kreis, so das er mich am Ende von hinten im Arm nahm. Nun konnte ich genau auf die Bar gucken, an der Tina und Jeremy saßen.
Und auf einmal passierten viele Dinge gleichzeitig.
Tina sah mich mit großen Augen und offenen Mund an, sie schien regelrecht geschockt. Unsanft wurde ich am Arm nach vorne gerissen und herumgewirbelt, so dass ich plötzlich direkt hinter Diego stand. Dieser holte aus und verpasste Marc einen ordentlichen Kinnhaken.
„Scheiße Diego, was soll das man?“, schrie Marc und fasste sich mit schmerzverzerrter Miene ans Kinn. Ich wollte mich gerade dazwischen stellen, weil ich dachte dass Diego mal wieder nur einen auf Bodyguard macht, als ich die nächsten Worte vernahm.
„Als ob du das nicht wüsstest du Bastard! Nur weil ich nicht mit dir reden will, machst du dich an Tinas Freundin ran? Wie armselig bist du eigentlich?“, knurrte Diego und ich verstand garnichts mehr.
Verwirrt schaute Marc von mir zu Diego. „Tinas Freundin? Das wusste ich nicht! Das hat nichts mit dir zu tun.“
„Jetzt weißt du es! Halte dich von ihr fern und von meiner Schwester auch klar?“
Traurig blickte Marc zu Diego, bevor er sich dann umdrehte und einfach ging.
„Marc ist der Typ aus dem Cafee? Wenn ich das gewusst hätte“, sagte Tina die plötzlich neben mir stand. Auch sie schien irgendwie traurig über das eben Geschehene zu sein und jetzt verstand ich. Diego war der Freund von dem Marc gesprochen hatte. Konnte es wirklich so ein Zufall geben?
Bevor ich jedoch länger darüber nachdenken konnte, packte mich Diego am Arm.
„Aus dem Cafee? Du bist diejenige mit dem man ihn gesehen hat?“, fragte er sauer wobei das eher retorischer Natur zu sein schien.
„Wir gehen nach Hause. Holt eure Sachen und keine Widerrede.“
Und sein Ton ließ auch keine Widerrede zu.
Die Fahrt war wirklich beängstigend gewesen, keiner hatte sich getraut etwas zu sagen und Diego war wirklich schnell gefahren obwohl er Alkohol im Blut hatte. Tina und ich hatten uns zu Hause angekommen direkt in ihr Zimmer verzogen.
„Was ein Abend“, schnaufte Tina und schmiss sich aufs Bett. Ich setzte mich immer noch geschockt dazu.
„Hätten wir doch nur mal über den Namen gesprochen, dann hätte ich gewusst wen du da kennengelernt hast und wir hätten das vermeiden können“, seufzte sie weiterhin. Ich hingegen zog es vor zu schweigen.
„Alex, du kannst nichts dafür Ok? Du konntest das nicht wissen... Hmm war komisch Marc wiederzusehen. Ich wusste nicht, dass er wieder in der Stadt ist.“
„Wusstest du was zwischen ihm und Diego vorgefallen ist?“, meldete ich mich nun doch zu Wort.
„Naja nur das was die Gerüchte sagen. Diego spricht ja nicht mit mir über solche Dinge. Ich war ziemlich schockiert über das was da passiert ist und es war falsch was Marc getan hat, aber traurig das er weg war, war ich damals trotzdem. Er war wie ein zweiter Bruder für mich verstehst du, besonders nachdem meine Mum starb.“
„Hmm“, murmelte ich nur zur Antwort.
Lange verharrten wir so, ohne etwas zu sagen. Als ich mich nach einer Weile zu ihr umdrehte, sah ich dass sie eingeschlafen war. Lag wohl am Alkohol, ich hingegen war noch hellwach nachdem was heute passiert war.
Langsam machte ich mich auf dem Weg zum Bad, um mich bettfertig zu machen. Auf dem Weg dorthin vernahm ich Geräusche aus dem Wohnzimmer und beschloss kurzerhand hinein zu gehen um mit Diego zu reden.
Da saß er auf der Couch. Vor ihm auf den Tisch eine halbleere Flasche Whisky, als ich den Raum betrat blickte er kurz zu mir auf, dann jedoch wieder stur geradeaus. Ich fühlte mich unbehaglich, setzte mich jedoch trotzdem neben ihn in einem sicheren Abstand von gut einem halben Meter.
„Es tut mir Leid. Ich wusste nicht wer er ist und in was für einem Verhältnis er zu dir steht“, brachte ich mit heiserer Stimme hervor.
„Stehst du auf ihn“, fragte er immer noch ohne mich anzusehen und ich fragte mich was das jetzt zur Sache tun sollte.
„Ist das jetzt wichtig? Ich werde ihn nicht mit hierher nehmen, das ist jawohl klar.“
Ruckartig drehte er sich zu mir um, kam mir dabei gefährlich nah und schaute mir fest in die Augen.
„Stehst du auf ihn?“, fragte er diesmal mit mehr Nachdruck.
„Nein“, antwortete ich schnell und mit großen Augen.
Eine lange Zeit starrte er mich nur an, was mich verunsicherte weshalb ich mir auf die Lippen biss. Sein Blick sah plötzlich gequält aus, langsam näherte er sich mir.
„Du machst es mir unmöglich zu..“, flüsterte er kurz vor meinem Gesicht.
„Was?“, brachte ich stockend und heiser hervor.
„Zu wiederstehen“, beendete er seinen Satz, fasste mir mit einer Hand in den Nacken und küsste mich stürmisch.
In diesem Moment war mein Kopf vollkommen ausgeschaltet und ich konnte nicht anders als voll mit einzusteigen. Mein Körper sehnte sich schon lange dannach. Er zog mich auf seinen Schoß, unsere Lippen trennten sich nur weil er mir mein Oberteil über den Kopf zog, so dass ich obenrum nur noch im BH auf ihm saß. Ich tat es ihm gleich und zog ihm sein Shirt aus, wobei er mir allerdings helfen musste.
Nicht lange hatte ich Zeit seinen vollkommenen Oberkörper zu bewundern, denn schon waren wir wieder dabei uns wild zu küssen. Er wusste genau was er da tat, während unsere Zungen einen leidenschaftlichen Tanz tanzten erkundete er mit seinen Händen meinen Oberkörper, auch ich konnte nicht anders und musste diesen muskulösen Körper ertasten.
Seine Lust konnte ich deutlich unter mir spüren, rückartig drehte er uns beide so das wir nicht mehr saßen, nun lag ich mit dem Rücken auf der Couch, er auf mir. Seine Hände glitten nach unten, fanden den Reißverschluss meiner Hose. Er löste sich von meinen Lippen, jedoch nicht von meinem Körper. Langsam küsste er sich meinen Oberkörper hinunter, öffnte die Hose und zog sie mir aus.
Seine eigene gleich mit, um sich dann wieder auf mich zu legen und so glitten wir immer tiefer ins Land unserer Sehnsüchte direkt in Richtung Himmel...
Diego
War mein Kopf vorhin noch volkommen leer und mein Handeln nur von Bedürfnissen geleitet, so prallten die Gedanken jetzt auf mich ein wie ein gut gesetzter rechter Haken voll in meine Fresse.
Ich lag da auf der Couch volkommen nackt, sie schlafend halb auf mir ebenfalls unbekleidet. Keine ungewöhnliche Situation für mich, ich hatte viele One-Night-Stands.
Aber war es das? Ein One-Night-Stand? Ich hatte mir verdammt nochmal vorgenommen, mich von ihr fernzuhalten. Sie ist die beste Freundin meiner kleinen Schwester, zu allem Überfluss auch noch Jesús Nichte, der mir deutlich zu verstehen gegeben hatte das ich ihr nicht zu nahe kommen sollte.
Langsam wendete ich meinen Blick von der Zimmerdecke, senkte ihn und betrachtete die schlafende Schönheit auf mir.
Sie war einfach wunderschön, doch viele Frauen waren das. Was verdammt nochmal war es? Warum ging mir diese Frau so unter die Haut?
Sie war so anders als Andere. Äußerlich manchmal verletzlich wie ein Reh, doch in ihr schlummerte eine Raubkatze. Stark und anmutig. Ihre spanischen Wurzeln ließen sie wie die meisten in unserem Viertel aussehen, dennoch merkte man ihr die vornehme Herkunft an. Sie bewegte sich, sprach und aß sogar auf eine anmutige Art und Weise.
Ja sie war dort aufgewachsen in einer Bonzengegend und fand sich dennoch hier zurecht ohne sich große Trauer oder Bedauern anmerken zu lassen.
Das zeugte von Stärke.
Wenn ich eine Frau einmal im Bett hatte, ließ das Interesse im Normalfall ab.
Bei ihr war es anders.. Und das ging mir scheiße nochmal auf die Eier.
Ich als treuer Freund einer Frau die vorher Typen gedatet hatte, die wer weiß wieviel Kohle hatten? Die auch noch die beste Freundin meiner Schwester ist, was Stress nur garantieren wird und vielleicht deren Freundschaft beenden würde nachdem ich es versauen würde, mal abgesehen davon was ihr Onkel in dem Fall mit mir machen würde?
Seufzend wendete ich meinen Blick von ihr ab, zurück zur Decke.
In einem schnulzigen Liebesfilm würde ich den ganzen Stress und die Probleme die auf uns zukommen würden in Kauf nehmen, weil Liebe ja alles überwindet und der ganze Schwachsinn, den sie einen sonst noch so verkaufen.
Aber das hier war die harte Realität, in der Sie zwar die Schöne Frau war, die die Mühe wert gewesen wäre, aber ich eindeutig nicht der smarte romantische Kerl der ihr die Sterne vom Himmel holt.
Ich musste es bei dieser Nacht belassen. Ja das würde sie verletzten, das war mir klar aber besser jetzt als später wenn wir zu tief drinstecken, denn das würde sie noch viel mehr verletzten. Das ich es früher oder später sowieso versauen würde, da war ich mir sicher. Ich war zwar ein Arschloch aber auch ich hatte Grenzen.
Vorsichtig schob ich sie ein Stück zur Seite, so dass ich von der Couch aufstehen konnte. Leise zog ich meine Boxershorts an, nahm die blaue Wolldecke vom Sessel und deckte sie vorsichtig zu. Hastig sammelte ich meine Klamotten ein und machte mich auf den Weg in mein Zimmer.
Dort angekommen schloss ich die Tür und atmete einmal tief ein und aus.
„Scheiße!“, flüsterte ich während ich mir mit beiden Händen durch die Haare fuhr. Mies gelaunt legte ich mich ins Bett um noch ein wenig zu schlafen.
Hör auf so ein scheiß Weichei zu sein, waren meine letzten Gedanken vor dem Einschlafen.
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- Samstag - 11Uhr Mittag -
„Sag mal warum hast du eigentlich im Wohnzimmer geschlafen?“, hörte ich meine Schwester fragen.
Angespannt wartete ich Alexs Antwort ab.
„Ich..ähm.. wollte noch ein wenig fernsehen und hatte dann keine Lust nochmal aufzustehen.“
Ihre Stimme klang etwas brüchig. Was sie wohl gedacht hatte, als sie heute Morgen dort alleine aufgewacht war?!
So langsam kam ich mir dämlich vor. Wie ein Schuljunge stand ich da an der Küchentür und belauschte Frauengespräche.
Nachdem ich aufgestanden war, hatte ich schnell geduscht und mich fertig gemacht. Ich hatte vor direkt zu Dave zu fahren um der Situation hier vorerst aus dem Weg zu gehen. Früher oder später musste ich die Sache klären, das war mir bewusst. Heute war ich allerdings nicht wirklich in Stimmung für sowas.
Dann fiel mir allerdings ein, dass meine Autoschlüssel in der Küche auf der Anrichte lagen. Ich hätte mich am liebsten dafür geohrfeigt, sie in der gestrigen Nacht nicht mit in mein Zimmer genommen zu haben.
Langsam legte ich meine Finger auf die Türklinke, um sie dann zu öffnen. Aprupt beendeten die Beiden ihr Gespräch und schauten direkt zu mir. Ihre bohrenden Blicke ignorierend ging ich direkt auf die Arbeitsplatte zu, nahm meine Schlüssel und war im Begriff zu gehen, als Tina mich etwas fragte.
„Wollen wir nicht mal über gestern Nacht reden?“
Immer noch an der Arbeitsplatte stehend, mit dem Rücken zu ihnen bekam ich kurz einen kleinen Schock.
„Worüber genau?“, fragte ich unschuldig.
„Hm.. Ich weiß nicht, vielleicht über Marcs Auftauchen in der Stadt und deinen Macho-Auftritt gestern. Übertrieben wenn du mich fragst.“
Ach stimmt da war ja noch was. Langsam drehte ich mich um, lehnte mich lässig an die Arbeitsplatte. Konzentrierte mich darauf nur Tina anzusehen, wohlwissend das auch Alex mich mit ihrem Blick fixierte.
„Ich frage dich aber nicht!“, war meine schlichte Antwort.
„Ich mein ja nur, vielleicht können wir ihn mal einladen und über alles reden.“
„Nein das werden wir nicht tun! Das ist eine Sache zwischen mir und Marc. Du hälst dich daraus! Vielleicht habe ich situationsbedingt übereagiert“, und bei diesen Worten wendete ich meinen Blick Alex zu, „manchmal macht man aus einer Kurzschlussreaktion heraus Fehler. Dann sollte man es dabei belassen und nicht alles tod reden oder zu viel hinein interpretieren.“
In ihren Augen sah ich deutlich, dass sie verstand worauf ich diese Ansprache bezog. Sie waren glasig und trieften nur so vor Enttäuschung und Missverständnis.
„Ahja..“, hörte ich Tina sagen und wendete meinen Blick nun wieder ihr zu. Sie hob eine Augenbraue und ich sah ihr an, dass sie mich für bescheuert hielt.
„Entschuldigt mich, mir ist auf einmal verdammt schlecht!“, kam es von Alex mit brüchiger Stimme.
Sie würde weinen.
Schuldgefühle überrannten mich, als ich sie aus dem Zimmer verschwinden sah.
Es ist besser so, für sie und für dich,
versuchte ich mir einzureden.
„Hat wohl zu viel getrunken“, sagte Tina und zog die Stirn kraus.
„Ja kann sein, ich bin bei Dave“, antworte ich und hastete aus der Wohnung.
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An meinem Ziel angekommen, parkte ich den Wagen am Straßenrand und ging über die Straße geradewegs in das kleine Tattoostudio. Die Tür bestand aus Glas, direkt über ihr hing ein großes weißes Schild mit der schwarzen Aufschrift „Skin-Circuz“.
Drinnen angekommen erwartete mich vertraute Umgebung. Die Wände waren in einem schlichtem Grau gehalten, auf der rechten Seite befand sich eine schwarze Ledercouch, vor ihr ein mitelgroßer Glastisch auf dem lauter Tattoo-Zeitschriften und 2-3 Auswahbücher platz fanden. Die Wand über der Couch war mit lauter Fotos von bisherigen Arbeiten besetzt, hier erkannte man auch den „Circuz“, denn die meisten beinhalteten viel Farbe.
Geradeaus befand sich ein roter Vorhang, hinter dem wie ich wusste der Arbeitsbereich seinen Platz fand. Direkt neben dem Vorhang zur linken Seite hin befand sich der Tresen, hinter dem Dave mir bereits entgegenblickte.
Er hatte sich mit seinem eigenen Tattoostudio einen Lebenstraum erfüllt. Die wenigsten aus dieser Gegend konnten das von sich behaupten. Wobei er es mit mehr Glück als Verstand geschafft hatte. Der Vorbesitzer hatte hier drinnen einen Gemüseladen, der ihm mehr Schulden als Gewinn eingebracht hatte. Aus finanzieller Not verkaufte er den Laden zu einem Spottpreis.
„Tote hose hier was?“, fragte ich, während ich ihn per Handschlag begrüßte.
„Hab nacher noch 2 Termine“, sagte er bevor sein Blick eine Spur ernster wurde.
„Alter was sollte das gestern? Du hast total überreagiert man!“
„Ich bin nicht hergekommen um mir eine Prädigt von dir reinzuziehen!“, antwortete ich streng, ging hinüber zur Couch und ließ mich dort nieder.
Dave folgte mir mit erhobenen Händen zur Abwehr und setzte sich dann dazu. Eine kurze Pause entstand und ich bemerkte seinen bohrenden Blick von der Seite.
Langsam dreht ich mich zur Seite, seufzte einmal laut und fragte dann
„Was?“.
„Du stehst auf die Kleine, stimmts?“, kam es von ihm mit einem gehässigen Grinsen.
„Labber keinen Scheiß klar? Ich steh nicht auf Alex!“, regte ich mich auf.
Sein Grinsen wurde breiter, sein Blick wissend:
„Ich hab ihren Namen nicht gesagt!“
Ich sagte nichts, sah ihn nur an.
„Diego, die kleine ist echt heiß aber das würde nur Ärger bringen, willst du dir das wirklich für ein bisschen Sex antun? Such dir eine Andere, reagier dich ein bisschen ab.“
Langsam fuhr ich mir mit einer Hand durch die Haare und wendete meinen Blick zur Wand.
„Ok.. Ich hab Scheiße gebaut.“
Nun bekam Dave große Augen, „Verdammt Diego! Jetzt ist es nur eine Frage der Zeit bis das Ganze rauskommt.“
„Ich denke sie wird es für sich behalten. Sie weiß nun, dass es eine einmalige Sache war und kann es somit leichter abhaken. Aber es schien ihr sehr wehzutun, ich denke diesmal habe ich echt Mist gebaut,“ sagte ich und wendete meinen Blick nun wieder Dave zu um seine Antwort abzuwarten.
Dieser betrachtete mich ungläubig.
„Diego Sanchez hast du etwa Schuldgefühle? Seitdem.. na du weißt schon bist du das kaltherzigste Arschloch das ich kenne. Du scheißt doch auf alle, wenns nicht gerade um deine Schwester oder um mich geht und jetzt das.. Du magst die Kleine wirklich was?“
Verständnislos sah ich ihn an, ich wusste dass er auf den Tod meiner Mutter anspielte aber auf so einen Schluss zu kommen war einfach.. dämlich? Richtig? Nein!
„Hast du zu viel an deiner Farbe gerochen oder was? Was heißt schon mögen man? Ich bin für sie verantwortlich, weißt du noch? Und ich bin nicht begriffsstutzig, ich weiß halt auch wann ich einen Fehler gemacht habe!“
„Wenn du meinst! Aber es ist nicht falsch Gefühle zu haben, ständige One-Night-stands sind auch keine Dauerlösung. Igendwann werden wir alle sesshaft und..“
„Spar dir diese Scheiße OK?“, unterbrach ich ihn, „Was soll das ganze Gelabber? Erzähl das jemanden, der es nötig hat und geh mir damit nicht auf die Eier!“
Das war das letzte, was ich sagte bevor ich das Studio verließ und hastig über die Straße zu meinem Auto ging.
„Spinner“, murmelte ich, doch in meinem Kopf hallten seine Worte wieder.
Du magst die Kleine wirklich was?
Nein!
…und wenn doch?
Um punkt 8 Uhr stand Ich vor dem kleinen Restaurant namens „Bella Donna“. In weißer geschwungener Schrift prangte es auf einem großem grünen Schild über einer schmalen Ladentür. Durch das Schaufenster konnte man bereits die kleinen Tische aus Holz sehen, die allesamt mit rot weiß karierten Tischdecken bestückt waren. Außerdem befand sich auf jedem Tisch jeweils ein Brotkörbchen gefüllt mit Grissinis und ein kleine brennende Kerze.
Das Restaurant befand sich direkt an einer Hauptstraße, worunter die Atmosphäre sicher leiden würde.
Der Weg dorthin erwies sich als erschwerlicher als anfangs angenommen. Da ich kein Auto besaß musste ich mit dem Bus fahren. Hätte ich mir in diesem Aufzug allerdings sparen können. Dauernd bin ich von "mutigen" Halbstarken angemacht worden und war heilfroh, dass ich durch keine dunklen Gassen gehen musste um diesen Ort zu erreichen. Fast bereute ich meine Outfitwahl, aber auch nur fast denn wenn ich an Diegos Gesicht zurückdachte, war es das eindeutig wert gewesen!
Bevor ich jedoch weiter darüber nachdenken konnte, tippte mir jemand von hinten auf die Schulter.
Als ich mich umdrehte sah ich in grünbraune Augen. Mit einem kecken Grinsen hielt Marc mir eine einzelne rote Rose vor die Nase. Seine braunen längeren Haare waren wie sonst auch hoch gegelt, sein muskolöser Körper war in ein schwarzes Hemd und in einer blue Jeans gehüllt.
Er sah verdammt gut aus! Aber nicht so gut wie...
Keck nahm ich ihm die Rose aus der Hand, um ihm dannach damit auf den Kopf zu hauen.
„Du bist 5 minuten zu spät mein Lieber!“, regte ich mich künstlich auf.
Ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen.
„Ich wusste nicht was ich anziehen sollte“, scherzte er.
„Scheiße siehst du heiß aus!“, platze es im nächsten Moment aus ihm heraus, bevor er meine Hand nahm und mich einfach um die eigene Achse drehte, ganz so als würden wir tanzen.
Ich rollte ledeglich mit den Augen um im nächsten Moment auch schon breit zu grinsen.
„Nun lass uns schon reingehen du Schameur.“
Belangloser Smalltalk und eine Portion Käsetortellini später sah Marc mich plötzlich eindringlich und mit einem seltsam wissendem Blick an.
„Es hat mich gewundert, dass du mich heute angerufen hast. Und jetzt wundert es mich eigentlich nur noch mehr.“
„Was meinst du damit?“, tat ich unwissend... wobei eigentlich wusste ich wirklich nicht worauf er gerade hinaus wollte.
„Du bist doch garnicht an mir intressiert! Und doch hast du mich nach einem Date gefragt.
Irgendwer soll anscheinend wissen, dass du ein Date hast.“
Er sagte das ohne jeglichen Ärger in der Stimme, er schien ledeglich belustigt über diese Feststellung.
„Hm.. und wenn es so wäre? Dann wärst du garnicht sauer?“, hakte ich vorsichtig nach.
„Nein. Versteh mich nicht falsch. Ich finde dich wirklich attraktiv und würde zu ein bisschen Spaß sicher nicht Nein sagen aber an einer Beziehung bin ich momentan eigentlich eher weniger intressiert.“
Er zwinkerte mir kess zu während er diese unverschämten Worte sagte, die allerdings aus seinem Mund weniger unverschämt als sympathisch klangen.
Ich hob eine Augenbraue um ihn spöttisch anzusehen, wohingegen er mich breit angrinste bevor sein Blick ein wenig nachdenklicher wurde.
„Weißt du, wenn Diego ausrastet ist es nicht gerade eine Neuheit. Besonders wenn es dabei um mich geht. Er konnte noch nie mit seinen Aggressionen umgehen! Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass ihm gestern noch etwas gewaltig gegen den Strich ging das nicht direkt mit mir zu tun hatte.“
Verständnislos blickte ich ihn an, nicht wissend warum er jetzt davon anfing.
„Ach komm schon. Tu doch nicht so! Irgendwas läuft da doch zwischen euch. Diego ist im Herzen ein guter Mensch aber er ist ganz sicher kein Kuscheltier! Du spielst mit dem Feuer, wenn du dich auf ihn einlässt. Ich will mich wirklich nicht in sein Leben einmischen - und ich hoffe unser Treffen heute bleibt unter uns – aber du bist ein tolles Mädchen und solltest dir jemanden suchen dem du gewachsen bist. Seit dem Tod seiner Mutter war er immer nur an bedeutungslosem Sex intressiert. 1-2 mal kam es vor, dass er sich ein wenig länger als nur eine Nacht mit einer Frau beschäftigte. Doch das was sich bei ihm entwickelte waren keine romantischen Gefühle ledeglich besitzergreifende und es endete nie gut. ..
Nur einmal war er richtig verliebt, aber das war vor dem Tod seiner Mum. Ariana gehörte zu unserem Freundeskreis. Sie war das einzige Mädchen und hatte es faustdick hinter den Ohren. Jeder von uns war verknallt in sie, doch sie wollte nur ihn. Nach dem das mit seiner Mum war veränderte sich einfach alles...“
Nachdenklich blickte Marc an mir vorbei, während ich total überfordert da saß. Hunderte Fragen schwirrten in meinem Kopf umher.
Warum erzählte er mir das alles?
Woher wusste er das was zwischen mir und Diego war?
Was meinte er damit als er sagte „und es endete nie gut“ ?
Hatte Diego diesen Frauen etwas angetan?
Was ging wirklich in Diego vor?
Wer ist diese Ariana? Und warum verspürte ich eine starke Abneigung gegen sie?
Warum verspürte ich überhaupt so einen starken Schmerz in meiner Magengegend, seitdem Marc mir das alles erzählt hatte?
Ja.. es tat weh. Verdammt weh sogar!
„Ein einfaches – Diego Sanchez ist nicht der Beziehungstyp, schlag dir das aus dem Kopf – hätte auch gereicht!“, gab ich tonlos von mir.
Aufmunternd lächelte Marc mich an. „Ich glaube aber es ist immer besser die Fakten zu kennen.“
Nach diesem Gespräch verlief der Rest des Abends irgendwie verkrampft. Ich war damit beschäftig diese Informationen zu verdauen, während Marc die ganze Zeit versuchte die Stimmung wieder zu heben. Irgendwann gab er dann auch auf. Wir bezahlten und gingen.
Marc bestand darauf mich nach Hause zu fahren und da ich noch so durcheinander war stimmte ich dem widerstandslos zu.
Erst als wir in seinem Auto saßen und er mich nun schon zum zweiten Mal fragte wo ich denn hinmüsse, erkannte ich meinen Fehler.
Stur starrte ich auf die Windschutzscheibe vor mir und gab zaghaft die Adresse preis.
Im Augenwinkel erkannte ich, dass er mir ruckartig den Kopf zuwendete.
„Du wohnst bei Diego?“, fragte er erstaunt.
„Bei Diego UND Tina! Er kennt meinen Onkel, ist nur vorübergehend.“
Verblüfft schüttelte er den Kopf bevor er „Wenn schon, denn schon“, vor sich hinmurmelte.
Schweigend setzten wir unseren Weg fort, erst als wir vor dem Haus in der sich die Wohnung befand standen brach er das Schweigen.
„Tut mir leid wenn ich dir weh getan habe. Ich fands aber wichtig, das du das alles weißt.“
„Danke.. schätze ich“, sagte ich unwissend was ich davon halten sollte.
„Bis dann“, hörte ich ihn neben mir sagen.
„Ja bis dann“, antwortete ich und machte mich daran auszusteigen. Kurz vorher sah ich ihn noch einmal an und versuchte mich an einem ehrlichen Lächeln. Er konnte nichts dafür.
Auch wenn das eindeutig zu viele Informationen waren, war ich einerseits doch froh das alles zu wissen auch wenn sich dadurch nur noch mehr Fragen eröffnet haben.
Warm lächelte er zurück.
Leise betrat ich die Wohnung. Es war 23 Uhr durch und Tina war sicher noch nicht von Jeremy zurück. Da es Samstag Abend war ging ich davon aus, das auch Diego nicht zu Hause war. Leise war ich trotzdem, da ich kein Risiko eingehen wollte.
Ich wollte ihn jetzt einfach nicht sehen.
In Tinas Zimmer angekommen zog ich mir das Kleid aus und schnappte mir mein riesiges Baseball-Shirt, dass ich mal von Kyle bekommen hatte. Ich hatte es nicht aus sentimalen Gründen aufgehoben. Ledeglich deswegen weil es so gemütlich war und gerade noch komplett meinen Po verdeckte so das ich es quasi als Nachthemd nutzen konnte.
Da ich noch nicht müde genug war um schlafen zu gehen, tapste ich ins Wohnzimmer um noch ein wenig fern zu sehen.
Wie angwurzelt blieb ich mitten im Wohnzimmer stehen. Das Licht war aus und ich hatte erst auf halbem Weg gemerkt, das Diego auf der Couch saß und.. schlief. Den kopf in den Nacken gelegt schlummerte er friedlich vor sich hin während im Tv Jean Claude Van Damme gerade jemanden vermöbelte.
Ich wollte mich schon umdrehen und wieder gehen als plötzlich ein Handy klingelte. Vor Schreck erstarrte ich. Diego wachte langsam auf, fuhr sich mit der linken Hand durch die Haare, nahm sein Handy von der Ablage neben sich und hielt es sich an Ohr.
„Ja“, brummte er und erst jetzt schaute er gerade aus und endeckte mich. Mit verschlafenem Blick musterte er mich, während er ein „ich ruf gleich zurück“ murmelte.
Fragend und zugleich abwartend blickte er mir direkt in die Augen. Bei dem flackerndem schlechtem Licht im Raum wirkten seine Augen schwarz und irgendwie bedrohlich.
„Schon zu Hause?!“, fragte er mit kratziger Stimme, was allderings nicht verhinderte dass ich den Spott in dieser Frage erkannte.
„Offensichtlich“, antwortete ich tonlos, woraufhin er schnaubte.
„Lief wohl nicht so gut.. dein Date“, spuckte er hervor.
Es machte mich wütend, wie er sich verhielt also konnte ich die folgenden Worte nicht zurückhalten.
„Oh doch! Er war halt eben ein Gentleman und wusste wie ein schöner Abend zu Ende geht.“
„Im Gegenteil zu mir, was?!“, fragte er deutlich aufgebracht.
Auf diese Frage konnte ich nur eine Augenbraue heben, da die Frage ja eindeutig nur rhetorischer Natur gewesen sein konnte.
Ruckartig stand er auf. „Dann bin ich eben kein scheiß Gentleman! Hat dich aber nicht gestört. Ganz im Gegenteil!“ knurrte er hervor. Plötzlich kam er auf mich zu. Erschrocken stolperte ich zurück. Doch er war zu schnell und bekam meine Handgelenke zu fassen. Unsanft drückte er mich gegen die Wand hinter mir. Sein Gesicht war dem meinem viel zu nah, unsere Lippen berührten sich fast.
Mein Blick war geweitete und ich musste aussehen wie ein scheues Reh.
„Nicht“, flüsterte ich bittend. Andere Regionen meines Körpers wollten das er noch näher kam, wobei das schon garnicht mehr möglich war. Doch mein Herz zog sich zusammen. Ich würde ihn nicht einfach vergessen können, wenn jetzt noch mehr passieren würde. Und da war noch etwas in mir, dass ich zuvor noch nicht in seiner Gegenwart gespürt hatte.
Angst.
Ja in diesem Moment machte er mir auch Angst.
„Wir sind erwachsen und es ist nur Sex, weißt du noch?!“, flüsterte er bedrohlich.
Ich erkannte meine eigenen Worte wieder, doch aus seinem Mund versetzten sie mir einen Stich.
Grob küsste er meinen Hals und seine Hände waren überall, ich kämpfte mit meiner Selbstbehherschung und murmelte schwach „Nein“, was er beflissentlich ignorierte.
Doch dann fand ich meine Selbstbehrrschung wieder und erlangte die Kraft ihn fest von mir zu stoßen und ihm eine gewaltige Ohrfeige zu verpassen. Schwer atmend stand ich vor ihm.
Wütend, abgewiesen und.. Verletzt?! Wich er noch einen Schritt zurück. Seine dunkel von Verlangen gewordenen Augen musterten mich.
„Spiel nicht mit mir. Verstanden“, schrie er mich an und verließ mit schnellen Schritten den Raum.
Geschockt starrte ich an die gegenüberliegende Wand, still und heimlich stahl sich eine Träne aus meinen Augenwinkeln.
„Wer spielt hier mit wem?“, flüsterte ich in die Dunkelheit.
Tag der Veröffentlichung: 24.07.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme das Buch all denen, die das Gefühl kennen wenn sich das Leben von dem einen auf den anderen Moment vollkommen verändert.
Manchmal begreift man erst dadurch, was das Leben wirklich ausmacht.