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Ginas Sicht:
Es war Nacht. Ich lief alleine durch die Straßen Berlins. Ich war auf dem Weg nach Hause von einer Party. Obwohl die Straßen hell erleuchtet waren, drückte mich die Dunkelheit regelrecht zu Boden. Etwas streifte mein rechtes Bein. Ich zuckte zusammen und musste mir den Schrei verkneifen, der in meinem Hals steckte. Es war mir unheimlich. Keine Menschenseele war zu dieser nächtlichen Zeit unterwegs. Der Friedhof, durch den ich tagsüber immer von der Bushaltestelle zur Schule abkürzte und mir sehr vertraut war, war mir auf einmal nicht ganz geheuer. Auf einem Baum schuhute eine Eule. “Warum bist du so blöd gewesen und hast die Taschenlampe zu Hause auf dem Schreibtisch liegen gelassen?” dachte ich nur. “Wie blöd kann man denn sein? Das sowas auch immer nur mir passieren muss!” Wieder einmal hatte ich es nur mir selbst zu verdanken, dass ich in einer solchen Lage war. Vor mir war eine Kreuzung. Zwei Schritte noch, dann war ich dort, um die Straße zu überqueren. Dort sah ich jemanden im Schein der Straßenlaterne stehen. “Noch einer, der seine Lampe zu Hause vergessen hatte!” dachte ich und ein lächeln flog mir über die Lippen. Er sah mich an. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber er schien keine angst vor mir zu haben. Und so verrückt es auch war, aber ich spürte auch keine angst. Ich sah auf den Gehweg vor mir, um nicht von der Bordsteinkante zu fallen. Das hätte mir gerade noch gefehlt. An der Kreuzung angekommen blieb ich stehen und sah mich um. Ich dachte zwar nicht daran, dass um diese nächtliche Zeit noch jemand mit dem Wagen unterwegs war, aber hier in Berlin musste man auf alles gefasst sein. Doch Moment. Wo war der Typ unter der Laterne hin. Es war keine zwei Sekunden her, als ich ihn in dort hab stehen sehen. Sollte ich mir das nur eingebildet haben? Ich war verwirrt. Ich sah jede der vier sich kreuzenden Straßen entlang, aber er war nirgends zu sehen. “So schnell kann doch keiner laufen!”, dachte ich mir. Doch er war weg - wie vom Erdboden verschluckt. Ich überquerte die Straße. Wie ich nach Hause kam, wusste ich nicht mehr. Eine gute Stunde meines Lebens war wie weggeblasen. Zu Hause angekommen schloss ich die Tür auf. Die Uhr im Flur zeigte mir, dass es kurz nach 4 Uhr war. “Wo war der plötzlich hin? So schnell konnte er gar nicht abhauen!” fragte ich mich in Gedanken und ging die Treppe hinunter in mein Zimmer. Es war schön kühl. So wie ich war legte ich mich aufs Bett und schlief ein. Mein Traum war ruhig und schön. Ich träumte nur kurz. Ich sah einen unbekannten jungen Mann und betrachtete ihn genau. Seine Haut war blass, fast schon kalkweiß. Trotzdem sah er wunderschön aus. Er hatte pechschwarzes, kurzes Haar. Wild durcheinander fiel es ihm ins Gesicht. Er trug eine dunkle Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Vielleicht war er nur deswegen so blass. Er hatte wunderschön geformte Augen - Mandelförmig waren sie. Sie waren blutrot. Er stand im Wald und lehnte an einem Baum. Ein leichter Wind wehte mir durch mein langes rotblondes Haar. Er verzog das Gesicht zu einer schmerzhaften Grimasse. Ich blinzelte nur ein einziges Mal - und er war weg. Ich sah mich um - es schien mir so, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Mir fiel auf, als ich mich umsah, dass ich die Baumwipfel ungewöhnlich gut erkennen konnte. Dann erst merkte ich, dass ich keinen richtigen Boden unter meinen Füßen hatte. Ein kurzer Blick nach unten verriet mir dann schließlich, dass ich auf einem Ast stand und der Waldboden irgendwo unter mir kaum zu erkennen war. Binnen Sekunden drehte sich mir der Magen um, da ich nicht schwindelfrei war. Vor Schreck ließ ich den Baum los, an dem ich mich bis dahin festgehalten hatte und fiel in die Tiefe hinunter. Während der Boden unter mir immer näher kam merkte ich, wie mich jemand wach rüttelte.

Ich blinzelte gegen das grelle Licht der Mittagssonne an, das durch die Terrassentür herein kam. “Guten Morgen, Schatz!” Meine Mutter saß neben mir auf der Bettkante. “Morgen! Wie spät ist es?” gähnte ich sie an. “Kurz nach halb 1. Wie gehts dir? Du hast gestern so ausgesehen, als hättest du einen Geist gesehen!” Vielleicht hatte ich das ja sogar. Wer weiß das schon? “Ich hab mich nur vor einer Eule erschreckt.” antwortete ich und versuchte mich daran zu erinnern, ob ich sie gesehen hatte, nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte. “Ich hab gar nicht bemerkt, dass du noch wach warst.” sagte ich und rocht erst jetzt den Kaffee, den mir meine Mutter auf den Nachttisch gestellt hatte. “Ich hab eigentlich auch schon halb geschlafen, aber ich hatte mir irre Sorgen um dich gemacht, weil du noch nie so spät nach Hause gekommen bist.” Sie klang beruhigt. Mum und ich hatten ausgemacht, dass ich etwas später als sonst nach Hause kommen durfte, obwohl ich erst 16 war. Ich nahm einen Schluck aus der Tasse während meine Mutter zur Tür ging. “Ich muss dann los.” sagte sie. “Ja, viel Spaß auf der Arbeit und Danke für den Kaffee.” Ich stand auf und wartete darauf, dass meine Lebensgeister zu mir zurück kamen. “Ach Gina.” sagte meine Mutter und drehte sich im Türrahmen zu mir um. “Könntest du dich heute um unsere zwei Süßen kümmern? Bei mir wird’s heut bestimmt wieder spät werden?” “Klar, mach ich!” sagte ich und suchte mir frische Kleidung zusammen. Ich hörte, wie meine Mutter die Treppe wieder nach oben ging. Unsere beiden Süßen hießen Sammy und Mina. Sie waren Golden Retriever. “Tschau Mum!” rief ich ihr hinterher. “Tschüss, mein Schatz!” hörte ich sie noch rufen, bevor die Haustür hinter ihr ins Schloss fiel. Ich zog mich um und ging mit der Tasse Kaffee in der Hand nach oben. Von der Garderobe aus, in der ich ankam, ging es die Treppe runter in mein kleines Reich und nach oben, wo meine Mutter ihre Räume hatte. Links war die Haustür. Mir gegenüber war das Gäste-WC und von mir aus gesehen rechts ging eine Tür in den Wohnbereich. Ich ging durch die Tür und stand im großen, geräumigen Wohnzimmer. Alles war in brauntönen gehalten. Eins musste ich meiner Mutter lassen - Sie hatte Stil. Ich ging weiter durch die Tür an der linken Seite in die kleine Küche. Mit einem leisen quietschen öffnete ich die Tür. Freudig wurde ich von Sammy und Mina begrüßt. Schwanzwedelnd liefen sie um mich herum. “Ihr wollt bestimmt was zum futtern?” sagte ich, stellte die Tasse auf den Tisch und füllte den großen Futternapf geräuschvoll mit Trockenfutter. Der Wassernapf war noch voll. Auf dem Esstisch hatte Mum bereits eine Müsli-Schüssel und einen Löffel bereit gelegt. Ich setzte mich und starrte auf die Schüssel, während ich den letzten Schluck aus meiner Tasse trank. Schmerzhaft verzog ich das Gesicht, weil der Kaffee mittlerweile kalt geworden war. Ich überlegte, ob ich etwas essen wollte, oder nicht. Ich beschloss letztendlich erst einmal mit den Hunden gassi zu gehen und dann erst etwas zu essen. Also schnappte ich mir in der Garderobe die beiden Leinen und gab den beiden damit das Zeichen, dass es nach draußen ging. Ich hängte die beiden an, schnappte mir den Haustürschlüssel und ging nach draußen. Ich zog dir Tür hinter mir zu und schloss sorgfältig ab. Wir kamen an den Feldern vorbei auf denen Mais, Weizen und Senf angebaut wurde und gingen auf den nahegelegenen Wald zu. Ich lief den Waldweg entlang auf eine kleine Lichtung zu. Ich setzte mich dort auf einen Baumstumpf und lies die Hunde laufen. Ich warf ihnen Stöckchen und lies sie spielen. Ein paar Stunden saß ich dort und ließ die beiden frei laufen. Erst, als sich der Hunger langsam in mir breit machte rief ich die beiden zurück und leinte sie wieder an, damit wir zurück gehen konnten. Die Schüssel stand immer noch auf dem Esstisch. Ich holte die Müsli-Packung aus dem Regal hinter mir und die H-Milch aus dem Kühlschrank und schaltete das Radio ein, damit ich etwas Unterhaltung hatte. Mein Lieblingslied lief gerade und ich drehte die Lautstärke fast bis zum Anschlag auf. Genauso laut - und allerdings ziemlich schräg - sang ich ‘21 Guns’ von Green Day mit. Tanzend und singend aß ich somit mein Frühstück.


Damians Sicht:
Es war Nacht in Berlin - ca. 3 Uhr. Ich stand unter einer schlecht beleuchteten Straßenlaterne und wartete. Vorauf ich wartete wusste ich nicht einmal. Ich hörte Schritte, bevor ich sah, dass jemand auf mich zukam. Ich roch sie schon lange, bevor ich sie hörte. Ihr Geruch brannte mir in der Kehle. Ich hatte wahnsinnigen Durst und dennoch konnte ich ihr nichts tun. Ich stand da, wie angewurzelt und sah sie auf die Kreuzung zu kommen. Sie stand da und sah mich an. Ein leichter Wind wehte ihren Duft zu mir herüber. Ich musste weg, bevor ich ihr wehtat. Ich durfte ihr nicht weh tun. Das hätte ich mir sonst niemals verziehen. Ich wollte sie zwar um jeden Preis, aber weh tun wollte ich ihr nie. Ich musste also die Beine in die Hand nehmen und laufen. Am besten soweit weg, bis ich ihren Geruch nicht mehr wahrnahm. Was sie sich dachte wusste ich nicht. Ich musste nur weg, damit ich nichts tun konnte, was ich später bereut hätte. Ich lief durch halb Berlin, am Alexander Platz vorbei, rannte quer über die Spree und jagte im Treptower Park das Ungeziefer aus den Büschen! Warum musste ich es erst soweit kommen lassen, dass sie mich überhaupt sah, dass ich sie überhaupt sah - geschweigedenn roch. Sie roch nach einer Blumenwiese, die mit Rosen und Tulpen übersät war.

Ich rannte durch die Wälder nahe Berlin. Ich rannte so schnell, dass ich fast schon flog. Das Laub unter mir bewegte sich nicht als ich drüber lief. Den Boden unter mir spürte ich kaum noch. An einer der Eichen, an denen ich vorbei kam, krallte ich mich fest und kletterte fast bis zu der Baumkrone hoch. Die Bäume waren vom bereits ganz kahl. Auf einem der dicken Äste blieb ich stehen und sah mich um. So stand ich da und lies mir den kühlen Wind um die Nase wehen. Die halbe Nacht verbrachte ich dort. Zu Hause würde mich keiner vermissen. Plötzlich stieg mir ein blumiger Duft in die Nase - Meine Kehle fühlte sich an, als würde sie lichterloh brennen. So fühlte es sich jedenfalls an. Ruckartig drehte ich mich um. Da stand sie und sah mich an. “Verdammt!” fluchte ich in Gedanken los und blieb wie angewurzelt stehen. Ich starrte sie an. Was zum Henker machte dieses Mädchen hier? Bildete ich mir etwa ein, dass sie da war? Machte ich mir umsonst Gedanken um ihr Leben? Oder um meinen immensen Durst, der nie ganz vergeht? Eine leichte Brise wehte mir ihren Duft zu. Er stieg mir in die Nase und ich ergriff - wieder einmal - die Flucht. Nach ein paar Metern blieb ich stehen und drehte mich noch einmal zu ihr um. Sie war weg! Sie war ein Mensch. So schnell konnte kein Mensch abhauen. Ich versuchte mich mit der Jagd nach Tieren abzulenken. Sonst hätte ich mir zu viele Gedanken darüber gemacht. Ich würde schon herausfinden, warum dieses Mädchen, dessen Namen ich noch nicht kannte, so wichtig für mich war. Heute standen Rehe und Braunbären auf der Speisekarte. Nach einigen Stunden der Jagd hatte ich meinen Durst einigermaßen gestillt. Ich lief weiter nachdem ich mein letztes Reh erledigt hatte und kam bei einem Feld raus. Es war bereits hell draußen. Dem Stand der Sonne nach zu Urteilen war es früher Nachmittag. Ein paar Kilometer von hier war eine kleine Neubausiedlung. Gans schwach nahm ich den Geruch des Mädchens wahr. Sie musste hier vor kurzer Zeit vorbei gekommen sein. Neben ihr waren 2 Geruchsspuren von Hunden. Bah. Ich rümpfte die Nase, weil es nach Hund stank. Sie rochen so, als wären sie gerade erst aus dem Regen gekommen. Jedes Tier hat einen eigenen Geruch und man kann sie exakt von einander unterscheiden. Wenn man ganz genau hin roch konnte man bei Hunden sogar die Rasse am Geruch erkennen. Ich folgte dem Geruch und kam bei einem Grundstück an. Lautlos lief ich den Kiesweg zu dem weißen Haus entlang. Vor kurzen ist hier ein Wagen weggefahren. Ich konnte die Reifenspuren noch sehen. Fenster und Haustür hatten rote Holzrahmen. Sogar die Tür selber war rot. Ich lief an der Wand entlang ums Haus. Aus einem Fenster, unter dem ich mich im vorbei gehen duckte, schepperte mir das Radio entgegen. Es klang stark nach Green Day. Musste ein neues Lied von ihnen sein. Und ich hörte sie. Zum ersten mal hörte ich ihre Stimme. Sie war einfach nur bezaubernd. Auch wenn es schräg klang, wenn sie sang, konnte ich es mir gut vorstellen, wie sie wohl klang, wenn sie sprach. Ich blieb stehen und wagte einen Blick durch das Fenster über mir. Sie wirbelte durch eine kleine, geräumige Küche wie ein Wirbelsturm. Mit ihren langen, rotblonden Haaren schlug sie regelrecht um sich. Ab und zu blieb sie stehen und nahm mit einem Esslöffel eine Art Matsch aus einer kleinen Schüssel und schob ihn sich in den Mund. Es musste also etwas sein, was meine Eltern auch essen würden. Ich war anders als meine Eltern und all die anderen Menschen da draußen es jemals sein werden. Schon seit ich denken konnte war ich anders gewesen und dennoch wusste ich, dass ich niemals mit irgend jemanden darüber reden durfte. So saß ich nun unter dem Fenster und dachte darüber nach, was ich die letzten 17 Jahre meines Lebens - oder sollte ich lieber sagen “meiner Existenz” - nicht gemacht hatte. Ich sah mich um. Der Garten, der zum Haus gehörte, war groß. Viel Wiese war hier. Die Grenze zu den anderen Grundstücken bestanden aus Büschen und ein dünner Maschendrahtzaun. Ein paar Bäume standen auf der Wiese. Zwischen zwei Eschen war eine Hängematte gespannt. Rechts hinten in einer Ecke war ein kleines Gartenhäuschen, dass als Geräteschuppen genutzt wurde. Ein kleiner Weg aus Steinplatten führte von einer Terrasse zu einer Schiebetür, die so wie es aussah ins Wohnzimmer führte. Zwei Kirschbäume und ein Apfelbaum standen ebenfalls im hinteren Teil des Gartens. Die Schiebetür ging mit einem leisen, für normale Menschen kaum hörbaren Quietschen auf. Ich sprang erschrocken auf und rannte ums Haus herum auf den Kiesweg zurück.

Ginas Sicht:
Ich beendete mein Frühstück und schaltete das Radio aus. Meine Müsli-Schüssel stellte ich in die Spülmaschine. Dann sah ich aus dem Fenster. Die Sonne schien vom Himmel herunter. Ich schnappte mir eine große Schüssel und ging ins Wohnzimmer. Sammy und Mina folgten mir. Mit einem leisen quietschen schob ich die Glastüre in den Garten auf. Kaum hatte ich die Tür einen Spalt aufgeschoben, quetschten sich die beiden schon an mir vorbei durch die Tür nach draußen. Ich ging hinterher und sammelte das Fallobst ein, das von den Bäumen gefallen war. Zwei mal musste ich eine neue Schüssel holen. Nachdem ich die letzte Schüssel in die Küche getragen hatte, ging ich kurz in mein Zimmer um das Buch, das ich gerade las und eine Decke zu holen. Wieder im Garten angekommen breitete ich die Decke auf der Hängematte aus und machte es mir darin gemütlich. Ich nahm das Bändchen, welches zwischen den Seiten herausschaute und klappte damit das Buch auf, um weiter in der Twilight-Saga zu schmökern. Ich war gerade an der Stelle angekommen, in der Edward Bella zu seiner Lichtung brachte, um ihr zu zeigen, wie er bei Sonnenlicht aussah, als ich merkte, dass es langsam kühl würde. Ich sah von meinem Buch auf in den Himmel. Es wurde dunkel. Ich legte das Bändchen zwischen die Seiten und klappte es zu, schnappte mir die Decke und ging ins Haus zurück. Sammy und Mina waren bereits in der Küche und fraßen geräuschvoll ihr Futter.

Im Kühlschrank fand ich eine Schüssel Spagetti Bolognese vom Vortag und schob die in die Mikrowelle zum aufwärmen. Das Telefon klingelte. Ich ging ins Wohnzimmer. Das Telefon stand auf einer kleinen Kommode. Ich nahm den Hörer von der Station und erkannte an der Nummer auf dem Display, dass es meine beste Freundin Nancy war. “Hallo Schnecke! Was gibts?” legte ich los, nachdem ich auf den “Abnehmen”-Knopf gedrückt hatte. “Hey Süße. Wie ich höre bist du gestern gut nach Hause gekommen und lebst noch.” “Ja, das bin ich, danke! Aber du hättest es doch sowie vorausgesehen, wenn mir etwas passiert wäre.” Nancy konnte in die Zukunft und in die Vergangenheit schauen. “Deswegen ruf ich ja an!”Ich kann dich kaum noch wahr nehmen.” hörte ich sie aufseufzen. “Wie meinst du das?” fragte ich sie total verdattert und setzte mich auf die Couch. “Ich kann dich kaum noch erkennen, wenn ich in deine Zukunft schaue. Du bist irgendwie total verzerrt und unscharf und es wird jedes Mal schlimmer. Wenn das so weiter geht, bist du bald ganz von meinem Radar verschwunden.” antwortete sie besorgt. “Aber all die anderen, die in deiner Zukunft eine Rolle spielen seh dafür umso besser. Was anderes: Wer ist der Typ, den du gestern Nacht auf dem Heimweg gesehen hast?” War ja klar, dass Nancy den mysteriösen Typen auch gesehen hat. “Keine Ahnung wer das ist! Ich kenn den Typen nicht. Aber ich habe ihn heute Nacht im Traum gesehen.” sagte ich und erzählte ihr davon, was ich geträumt hatte. Das Essen war mittlerweile fertig und die Mikrowelle piepte schon eine Zeit lang. “Hmm, das ist sehr komisch. Ich kann dir auch leider auch nichts über ihn sagen. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen!” “Ehm, okay macht nichts. Du, das Essen ist fertig. Ich mach jetzt Schluss!” sagte ich. “Ja, ich will dich davon nicht abhalten. Guten Appetit!” sagte sie. Dann verabschiedeten wir uns und ich legte auf. Das Telefon stellte wieder auf die Ladestation. Und ging mit dem Buch in meiner Hand zurück in die Küche. Draußen war es bereits dunkel. An der Wand neben der Küchentür drückte ich auf einen Schalter und der Rollo ging von alleine runter. In der Küche schaltete ich als erstes die piepsende Mikrowelle aus und danach das Radio ein. Ich machte es mir am Küchentisch gemütlich und aß in Ruhe. “Währenddessen las ich da weiter, wo ich vorhin aufgehört hatte. Irgendwann schlief ich mit dem Kopf auf dem Tisch ein.

Ich sank in einen Traum.
Wieder befand ich mich in dem selben Wald. Vorsichtig sah ich nach unten und stellte fest, dass ich auf dem Waldboden stand und nicht, wie erwartet auf einem Ast in 10 Meter Höhe. Als ich aufblickte stand er wieder ein paar Meter entfernt vor mir. Er hatte seine Haare wieder wild durcheinander auf seinen Kopf verteilt. Er trug eine dunkle Jeans und ein weißes T-Shirt. Stocksteif stand er da und starrte mich an. Er betrachtete mich genau. Seine Lippen bewegten sich, doch ich konnte ihn nicht hören. Jetzt wartete er. Wahrscheinlich hatte er etwas gefragt. “Ich kann dich nicht hören!” sagte ich in der Hoffnung, dass er es von meinen Lippen ablesen konnte. Dann war er auf einmal wieder weg. Von einer Sekunde auf die Nächste. Kurz darauf wachte ich auf und sah mich um. Ich war irritiert. Denn ich befand mich nicht mehr in der Küche, wie ich erwartete hatte, sondern in meinem Bett. Ich tastete nach der Nachttischlampe und schaltete sie ein. Das Licht ließ den dunklen Raum etwas heller erscheinen. Neben der Lampe sah ich “Twilight” liegen. Ich schlug das Buch auf und sah, dass das Lesezeichen an der Stelle war, an die ich mich als letztes erinnern konnte sie gelesen zu haben. Ich stand auf und stellte fest, dass die Schiebetür offen war. Ich konnte mich nicht erinnern die Tür zur unteren Terrasse aufgemacht zu haben. Ich wusste ja noch nicht mal, wie ich in mein Bett gekommen bin. Ich stand auf um die Tür wieder zu schließen. Ich ging am Schreibtisch vorbei und bemerkte einen Zettel auf dem in geschwungener Schrift folgende Nachricht für mich stand:

“Sorry, aber du konntest mich anscheinend nicht hören! Du scheinst in einer anderen Welt zu leben, als ich! Anscheinend können wir erstmal nur so kommunizieren! Du fragst dich bestimmt, wie du in dein Bett gekommen bist - Das war ich! Damian”

War dieser Typ aus dem Wald etwa dieser Damian? Normalerweise sollte ich jetzt angst haben, weil ein fremder im Haus war, aber aus einem unerklärlichen Grund war ich total beruhigt. Beruhigt, weil ich das Gefühl hatte in Sicherheit zu sein. Ich nahm den Zettel vom Tisch und ging nach oben, um mit Nancy darüber zu reden. Außerdem wollte ich ihr von dem neuen Traum erzählen. Oben angekommen, ging ich schnurstracks zum Telefon, suchte im Telefonbuch nach ihrer Nummer und ging auf wählen. “Riley” meldete sich eine müde Stimme am Telefon. “Nancy?” fragte ich unsicher, da ich sie immer mit ihrer Mutter verwechselte. “Ja?! Was los? Warum rufst du so früh an?” hörte ich Nancy am anderen Ende gähnen. Ich sah aus dem Fenster und bemerkte erst jetzt, dass es noch dunkel draußen war. “Tschuldigung. Hab nicht auf die Uhr geschaut!” antwortete ich entschuldigend. “Schon okay. Was ist denn so wichtiges passiert, dass du die Zeit vergisst?” Dann legte ich los und erzählte ihr von meinem Traum und dem Zettel von Damian auf meinem Schreibtisch. “Und du meinst, dass das der Typ aus deinem Traum war, der dir den Zettel geschrieben hatte?” “Ja, ich denke schon. Es steht ja drauf ‘aber du konntest mich anscheinend nicht hören!’. Das kann nur er gewesen sein. Er wollte mir ganz sicher im Traum etwas mitteilen. Ich konnte ihn aber wirklich nicht hören und es war mucksmäuschenstill in dem Wald.” erklärte ich. “Hmmm... okay, da ist wirklich was dran! Ich werd mich mal schlau machen, was er von dir will!” hörte ich Nancy wieder gähnen. “Okay, danke. Jetzt hab ich dich aber genug vom schlafen abgehalten. Tut mir leid nochmal, dass ich dich geweckt hab. Schlaf schön weiter!” sagte ich und hörte nur ein leises “Gute Nacht” und ein anschließendes ‘Klick’ in der Leitung. Sie hatte aufgelegt. Ich ging mit dem Zettel in meiner Hand wieder zurück in mein Zimmer. Auf meinem Nachttisch lag immer noch der erste Vampir-Band von Stephenie Meyer. Ich ging zum Bett und machte es mir darauf bequem. Die Nachttischlampe brannte noch und ich fing an, an der Stelle weiter zu lesen bei der ich aufgehört hatte. Schlafen konnte ich nicht mehr. Ich hatte das Buch fertig gelesen, als die Morgensonne ihre Strahlen über die Wipfel der Bäume schob und mir sagte, dass es jetzt zu spät war um zu schlafen.
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Damians Sicht:
Ich blieb nicht auf dem Kies stehen um zu sehen, was sie machte, sondern machte mich auf den Weg nach Hause. Vielleicht konnte mir dort jemand erklären, was hier vor sich ging. Ich rannte solange, bis ich an einer Berliner U-Bahn-Station ankam und bewegte mich binnen Sekunden in menschlichem Tempo weiter. Ich durfte nicht auffallen. Ich ging die Treppe hinunter zu der U-Bahn, die mich nach Hause bringen sollte. Da unten war es ziemlich stickig und es stank extrem nach Benzin. Ich hörte die U-Bahn schon von weitem. Als ich unten am Bahnsteig angekommen war, fuhr der Zug gerade eben am Gleis ein. Ich wartete bis alle Fahrgäste ausgestiegen waren, die hier aussteigen wollten und stieg in einen der 5 Waggons ein. Ein paar Stationen später war ich an meinem Ziel. Mit quietschenden Reifen kam der Zug am U-Bahnhof zum stehen. Die Türen öffneten sich und ich stieg zusammen mit einigen anderen Gästen aus. Ich ging die Treppe nach oben, die mir am nächsten war.
Ich machte mir nicht die Mühe die Rolltreppe zu benutzen. Ich war schneller, wenn ich selbst lief, auch wenn ich im menschlichen Tempo gehen musste. Der Gestank von Benzin wurde immer schwächer. Vor mir lichtete sich das Dunkel der U-Bahn-Treppe. Der Lärm der Autos und Busse wurde in meinen Ohren immer lauter. Langsam betrat ich den Gehweg. Ich war im Geschäftsviertel am Stadtrand von Berlin ankommen. Vor mir erschien eine Kreuzung. Eine Straßenbahn fuhr gerade an mir vorbei. An den Straßenecken waren Hochhäuser in denen die großen Firmen ihre Büros hatten und in anderen waren Wohnungen. An der Kreuzung ging ich nach rechts und folgte der Straße aus Berlin raus. Ich hätte auch mit der S-Bahn weiter fahren können, aber mir war danach den Weg zu Fuß zu gehen. Ich lief am Ortsschild vorbei und wurde immer schneller. Ich rannte um schnellstmöglich nach Hause zu kommen. Ich hatte es auf einmal richtig eilig nach Hause zu kommen. Ich wollte immer noch wissen, warum mich dieses Mädchen nicht hören konnte und ich sie auch nicht hören konnte. Ich lief so schnell ich konnte. Ich wohnte im nächsten Dorf. Ein paar Minuten später war ich angekommen. Im nächsten Ort ging ich an einer Weggabelung nach rechts und folgte der Sackgasse bis zum Ende.

Am Ende der Straße stand ein großes Haus. Es war in einem hellen gelb gestrichen. Ich ging auf den Vorplatz. Ein Jeep stand da. Mein Vater war zu Hause. Das war gut. Vielleicht konnte er mir meine Fragen beantworten. Rechts neben dem Vorplatz führte ein Weg zur Haustür. Die Wegplatten unter meinen waren von der Sonne gewärmt. Ich ging langsam die Stufen zur Haustür hoch. Die Tür vor mir ging auf und mein Vater sah mich an. “Damian, was ist los?” Ich sah ihn verdutzt an. “Warum? Was soll denn sein?” Es irritierte mich doch jedes Mal aufs Neue, dass mein Vater es mir vom Gesicht ablesen konnte, wenn mich irgendwas bedrückte. “Ich seh’s dir doch an, das etwas nicht stimmt und du dir über irgendwas Gedanken machst.” Er ließ mich rein und schloss die Tür hinter mir. Wir waren direkt im Hausflur. Rechts an der Wand waren Haken angebracht, an denen wir unsere Jacken hängten. Darunter stand eine Kommode für die Schuhe. Neben der Kommode war ein Haufen neumodischer Damenschuhe auf einem Haufen. “Typisch Mary-Anne” dachte ich. Mary-Anne war meine ältere Schwester. Die Wände waren gelb gestrichen. Neben der Kommode ging eine Treppe in den ersten Stock. Direkt gegenüber ging eine Tür ins Gäste-Bad. “Komm, lass uns ins Wohnzimmer gehen.” sagte mein Vater und ging die Treppe nach oben. Oben war bei uns sozusagen der Wohnbereich. Das ganze obere Stockwerk war offen, bis auf das Bad und das Schlafzimmer meiner Eltern. Die beiden Räume waren vom Rest abgetrennt. Oben angekommen standen wir direkt in der Wohnküche. Die hintere und die rechte Hausseite bestanden aus einer Glasfront. Im hinteren Bereich des Hauses auf der linken Seite an der Hauswand war die Küchenzeile und eine Theke an der wir essen konnten. Zumindest die, die es nötig hatten etwas zu essen. An der Seite der Glasfronten war ein großer Esstisch aus Kiefernholz und sechs Holzstühlen. Im Bereich rechts neben der Treppe war der Wohnbereich. Eine riesige Couchgarnitur aus weißem Lederimitat stand mitten im Raum. An der Wand stand ein Fernsehtisch mit einem neumodischen TV-Gerät. Mein Vater setzte sich auf einen der weißen Ledersessel und legte seine Füße auf die Couch, die direkt gegenüber stand. Ich setze mich ihm gegenüber und sah ihn an. Was er wohl wissen wollte. “Damian, was ist los mit dir? Du bist schon seit Tagen anders. Du bist kaum noch zu Hause. Ich mach mir langsam sorgen um dich.” fing er schließlich an. “Ich weiß auch nicht genau, was zur Zeit mit mir passiert. Aber da ist dieses Mädchen, dass mich einfach nur fasziniert. Egal wo ich hingehe, sie ist entweder schon dort oder kreuzt dort kurz nach mir auf.” Ich erzählte ihm von der Begegnung im Wald und wir unterhielten uns noch den ganzen Nachmittag, bis mich wieder Gedanke erfasste, dass ich etwas verpassen könnte. Bevor ich wieder ging, zog ich mich um. Eine dunkle Jeans und ein weißes T-Shirt sprangen mich regelrecht an und ich entschloss mich dazu es auch anzuziehen.
Dann zog es mich wieder nach draußen. Eine magische Hand schien mich in die richtige Richtung zu ziehen - in ihre Richtung.


Ich kam im Wald an. Dort stand sie und sah sich um. Ich wartete, bis sie mich bemerkte. Sie schaute nach unten auf den laubbedeckten Waldboden. Langsam blickte sie auf und sah mich an. Sie studierte mich und schien jede Einzelheit meines Körpers und meines Aussehens aufzunehmen. “Wie heißt du?” fragte ich sie und wartete. Es dauerte nicht lange bis sich ihre Lippen bewegten. Aber ich hörte nichts. Und Lippen lesen konnte ich leider nicht. Ich sah sie noch einmal kurz an. Der Jogging-Anzug, den sie trug, war grau und alt. Die magische Hand, die mich vor ein paar Minuten erst hierher geschoben hatte, zog mich jetzt schon wieder in eine ganz andere Richtung. Ich konnte nichts dagegen tun, denn ich hätte alles getan um sie länger ansehen zu können und vielleicht jetzt und hier noch herauszufinden, warum sie mich nicht verstand. Aber das Schicksal hatte andere Pläne mit mir. Wo es mich hinzog wusste ich nicht. Ich erkannte erst, wo ich war, als ich vor dem weißen Haus stand indem dieses Mädchen wohnte. Ohne zu wissen, was auf mich zukam ging ich im Garten durch die Terrassentür. Anscheinend hatte sie die Tür nur zugeschoben. Ich hörte das Radio laufen und folgte der Musik in die geräumige Küche. Dort saß sie am Küchentisch und hatte den Kopf auf einem Buch legen. Ich nahm sie hoch, legte das Bändchen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu und nahm es vom Tisch. In windeseile durchsuchte ich das ganze Haus nach ihrem Zimmer und fand es im Kellergeschoss. Ich erkannte es nur, weil es hier nur nach ihr roch. Die Hunde hatten hier anscheinend keinen Zutritt. Ich betrat den Raum und ging direkt auf das Bett zu, dass an der rechten Seite mittig an der Wand stand. Licht brauchte ich keins, denn ich konnte auch ohne Licht seht gut sehen. Das war einer der wenigen Vorteile an mir und meiner Art. Wesen, wie ich es war benötigten kein Licht um etwas zu sehen. Ich legte sie behutsam aufs Bett und deckte sie sorgfältig zu. Das Buch legte ich auf den Nachttisch direkt neben die Leselampe. Hinter mir stand ein Bücherregal, das regelrecht überfüllt war und von Büchern nur so strotzte. Wenn sie aufwachte blickte sie direkt auf die Terrassentür und den Garten dahinter. Sie regte sich leicht. Ich verschwand lieber. Blitzschnell ging ich auf den Schreibtisch zu, der einen Meter von der Terrassentür entfernt stand. Ich lief auf den Schreibtisch zu und schrieb ihr eine kurze Nachricht. Dann verschwand ich durch die Terrassentüre nach draußen und lief nach Hause so schnell ich konnte.

Ich brauchte nicht lange bis ich zu Hause ankam. Es war nachts und ich konnte laufen so schnell ich konnte. Leise schloss ich die Tür auf und ging hinein. Mit einem leisen Klick fiel die Tür wieder zurück ins Schloss. “Oben hörte ich leise den Fernseher laufen. Ich ging die Treppe nach oben, um zu sagen, dass ich da bin. Meine Mutter stellte in der Küche das benutze Geschirr in die Maschine. Mein Vater saß auf der Couch und sah einen Krimi. “Hey Mum, hey Dad!” sagte ich. “Hey Damian!” rief meine Mutter in meine Richtung. “Hey, wie war dein Tag heute?” fragte mich mein Vater. “Ich hab dir doch gestern von diesem Mädchen erzählt.” fing ich an. “Ich war heute wieder bei ihr. Sie geht mir einfach nicht aus dem Kopf! Und es wird immer mysteriöser um sie.” Ich erzählte ihm, dass ich sie wieder im Wald gesehen hatte und dass sie nicht auf meine Frage geantwortet hatte, die ich ihr das letzte mal gestellt hatte. “Ich frage mich, warum sie mich nicht hören konnte.” “Es gibt bestimmt eine einfache Erklärung dafür.” antwortete mein Vater. “Meinst du etwa, dass sie taub ist?”“Nein, dass kann ich mir nicht vorstellen. Aber es gibt mit Sicherheit eine Erklärung dafür, dass sie dich nicht hören konnte.” Wir unterhielten uns noch solange bis seine Sendung zu Ende war und er beschloss ins Bett zu gehen.
Mein Vater konnte mir nicht helfen. Ich hatte eindeutig zu wenig Informationen über sie und musste mehr über sie erfahren.

Ginas Sicht:
Heute war Samstag. Seit einigen Monaten sah ich Damian einmal am Tag. Ich stolperte geradezu jedes mal über ihn. Ich war mit Nancy zum shoppen verabredet. Gerade als es an der Tür klingelte suchte ich wie immer meine Turnschuhe. Es war zum verrückt werden. Jedes Mal waren sie verschwunden, wenn ich sie anziehen wollte. Es klingelte wieder. “Dann muss sie eben noch kurz warten.” dachte ich und rannte aus meinem Zimmer und die Treppe hoch. Ich öffnete die Haustür und im selben Moment sah ich sie auf dem Treppenabsatz stehen. “Hi Nancy. Sorry, aber meine Turnschuhe waren mal wieder nicht auffindbar - Bis jetzt. Komm rein. Ich bin gleich fertig.” sagte ich und setzte mich auf die Treppe um meine Schuhe anzuziehen. “Hi Süße. Ich wusste, dass du bestimmt wieder deine Schuhe suchst und bin deswegen extra schon 10 min später losgefahren.” Sie lehnte lässig im Türrahmen und grinste mich an. “Ich muss nur noch schnell meine Tasche holen, dann können wir sofort los.” sagte ich und verschwand durch die Tür neben mir ins Wohnzimmer. Meine Tasche lag auf einem der Sessel. Ich überprüfte nur kurz, ob ich meinen Geldbeutel, mein Handy und den Haustürschlüssel eingepackt hatte und ging wieder zu Nancy in die Garderobe. “So, ich hab alles. Wir können!” Ich ging hinter Nancy nach draußen und schloss die Tür ab. Nancys rotes Cabrio parkte in unserer Einfahrt. Wir wohnten ein paar Kilometer außerhalb von Berlin. Bis zum nächsten Park & Ride-Parkplatz fuhren wir gut 10 Min. “Gestern hab ich Damian wieder gesehen. Wir waren wieder im Wald.” “Kannst du dich denn jetzt mit ihm unterhalten, oder hört ihr euch immer noch nicht?” “Nein, aber er hat mich gestern nach der überrumpelt, als ich gerade Schule aus hatte und an der Bushaltestelle auf den Bus gewartet hatte. Ich bin dann auf die Idee gekommen alles aufzuschreiben, was ich ihn fragen wollte, aufzuschreiben, dass er es lesen konnte.” “Und jetzt erzähl, was habt ihr so beredet?” fragte sie neugierig und starrte auf die rote Ampel. Nancy konnte mich nicht mehr sehen, wenn sie in meine Zukunft sehen wollte. Sie sah nur, die anderen - Ich war weg von ihrem Radar. Deswegen musste ich ihr immer alles haarklein erzählen, damit sie wusste, dass es mir gut ging. “Er hatte mich gefragt, wie ich heiße. Er erzählte mir, dass er 17 sei und gerade seinen Führerschein mache. Ich hatte ihm geschrieben, dass ich den Führerschein bereits besaß und in ein paar Wochen meinen 18. Geburtstag feierte. Naja und dann stand ich auf einmal wieder an der Bushaltestelle und wartete immer noch auf den Bus. Meinen Block hat er noch.” Gerade als ich mit erzählen fertig war bogen wir auf den Parkplatz ein. Nancy parkte ihr Auto an der Seite unter ein paar Bäumen. Die Sonne schien vom blauen Himmel. Es war warm draußen. Nancy war ganz in schwarz gekleidet. Sie war etwas größer als ich und trug einen knielangen Rock und ein bauchfreies Top. Ihre langen Haare fielen ihr lässig über die Schultern. Ich hatte eine dunkelblaue Jeans und ein schwarzes Topf auf dem eine E-Gitarre glitzerte. Es war mein Lieblingstop. Meine Harre hatte ich zu einem lockeren Zopf zusammengeflochten. Ein paar Strähnen meines kinnlangen rotblonden Ponys umschmeichelten mein Gesicht. Nancy ließ einen Parkschein für den ganzen Tag aus dem Automaten und legte es sichtbar hin die Windschutzscheibe ihres Wagens. Dann machten wir uns auf den Weg zur U-Bahnstation mit der wir in die Innenstadt fahren wollten. Wir zogen durch jeden Schuhladen und jedes Modegeschäft, das Berlin zu bieten hatte und waren immer auf der Suche nach dem perfekten Abendkleid. In zwei Monaten war der Schulball, der jedes Jahr zum Schuljahresende stattfand. Und wie immer wollten wir toll aussehen. Wir hatten gerade einen schicken und bestimmt auch teuren Modeladen betreten, weil ich mein absolutes Traumkleid im Schaufenster gesehen hatte. Nancy hatte ihr Kleid bereits. Es war schwarz und ging bis zum Boden. Das Kleid welches ich mir ausgesucht hatte, war weinrot und eng anliegend. “Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?” wurden wir von einer Verkäuferin gefragt. “Hallo. Ich würde gerne das weinrote Kleid aus dem Schaufenster anprobieren.” antwortete ich der Verkäuferin. “Im Schaufenster häng es nur zur Dekoration, aber wir haben es dort hinten bei den anderen Abendkleidern.” sagte sie und begleitete uns in den hinteren Teil des Ladens. Wir gingen an Ständern mit Hosen, T-Shirts und anderen Sachen vorbei in die Abteilung der Abendgarderobe. Dort sah ich sie schon von weitem Hängen. Ein ganzer Ständer mit diesem wunderschönen Kleid. Ich suchte mir meine Größe und ging damit in die Umkleide. Das Kleid hatte keine Träger. Dafür war ein Bügel-BH eingenäht. Ich zog meine Hose aus, um in das Kleid schlüpfen zu können. Anschließend zog ich mein Top und meinen BH ebenfalls aus um das Kleid richtig anziehen zu können. Der obere Teil des Kleides bestand aus einer Korsage. Die Schnüre der Korsage waren vorne. Man konnte damit kleinere Änderungen vornehmen, damit der Reisverschluss am Rücken zu ging. “Nancy, kannst du mir bitte mal eben helfen?” rief ich ihr zu und öffnete die Schnüre der Korsage ein Stück. Hinter mir öffnete sich der Vorhang und Nancy sah mich verblüfft an. “Du siehst toll aus.” sagte sie, legte mir den Zopf über die Schulter und schloss den Reisverschluss. “Danke” Anschließend schnürte sie die Korsage neu. “Komm lass dich mal genau anschauen!” sagte sie und ich folgte ihr aus der Umkleide um mich im großen Spiegel zu betrachten. Dieses Kleid musste ich haben. Ich liebte es jetzt schon. Der Stoff war glatt und fühlte sich weich an. Ich betrachtete mich im Spiegel als ich bemerkte, wie der Raum verschwand und sich langsam in Nichts auflöste. Alles war weiß. Es dauerte einen Moment, bis sich das weiße nichts in eine Lichtung verwandelte. Da stand ich nun mitten im Wald mit dem wunderschönen weinroten Kleid an mir. Ein rascheln war zu hören, dann stieg mir der Geruch von Gras in die Nase. Das musste er sein. Ich drehte mich um und da stand er. Er roch an mir, dann umarmte er mich. Er reichte mir meinen Block.

“Hey Gina! Schön dich zu sehen! Wie geht es dir?” stand darauf geschrieben. Ich nahm den Stift und den Block und schrieb an einem Baum als Schreibunterlage. “Hey Damian. Mir gehts es gut. Und dir?”

“Danke, mir auch! Du siehst toll aus!”

“Danke! Findest du es steht mir?”

“Auf jeden Fall! Für was brauchst du es denn eigentlich? Du siehst so schon wunderschön aus!”

“In ein paar Monaten ist unser Schulball von dem ich dir schon mal erzählt habe. Naja und dafür brauch ich ein neues Kleid. Du hast mich übrigens gerade aus er Umkleidekabine hergeholt. Jetzt muss ich nur noch die perfekten Schuhe dazu finden!”

Er grinste, als er das las und antwortete
“Oh, das tut mir leid. Aber selbst die Schuhe, die du für dieses Kleid kaufen wirst, werden dir nur schmeicheln, denn an deine wunderschöne Figur kommen sie einfach nicht ran.”

“Das muss dir nicht leid tun.” antwortete ich. “Oh mein Gott, jetzt werde ich ja gleich rot, wenn du weiter so redest. Heute war es ziemlich seltsam. Ich konnte regelrecht dabei zuschauen, wie der Laden um mich herum verschwand. Dann stand ich erst einmal in einem weißen Raum. Erst dann sah ich, wie der Wald um mich herum entstand. Das hat mich ein bisschen irritiert!”
Damian stand direkt hinter mir. Ich konnte seinen Atem in meinen Nacken spüren. Ich spürte, wie die Gänsehaut an meinem Rücken hinunter lief. Er nahm mir den Stift aus der Hand und schrieb seine Antwort nieder, ohne sich von mir wegzubewegen. Ich genoss es, ihn so nahe bei mir zu spüren und den Duft von frischgemähten Gras in der Nase zu haben, den er immer mit sich trug.

“Hmm, das ist wirklich sehr komisch. Vielleicht kann mein Vater uns sagen, was das zu bedeuten hat. Und vielleicht wissen wir dann, was mit dir los ist und warum wir uns immer wieder sehen. Nicht, dass mir das etwas ausmacht!”

“Ja, vielleicht kann er uns wirklich helfen.” antwortete ich.

Wir schrieben noch eine ganze Weile hin und her. Langsam wurde alles wieder weiß und ich verabschiedete mich von ihm mit einer Umarmung. Er hatte mir erzählt, dass er es sich gewünscht hatte mich zu sehen. Vielleicht funktionierte das andersrum auch. Ich wollte es morgen ausprobieren. Jetzt musste ich erst einmal zusehen, dass der weiße Raum wieder zu dem Laden war, indem ich immer noch vor dem Spiegel stand und mich betrachtete. Und da stand ich immer noch vor dem Spiegel und sah das wunderschöne Kleid an mir. “Das Kleid steht dir wirklich super.” hörte ich Nancy vor Begeisterung rufen. “Ja, da hast du recht. Das Kleid ist gekauft. Koste es, was es wolle. Ich will es haben. Nein - Ich muss es einfach haben!” grinste ich. Ich hatte das Gefühl, dass ich immer noch das frisch gemähte Gras von Damians Duft in der Nase hatte. Wahrscheinlich hatte es sich in den Stoff des Kleides eingefressen. Ich ging zurück in die Umkleide und zog mich wieder um. Das Kleid hängte ich wieder auf den Bügel und ging fertig angezogen mit Nancy zur Kasse. Ich bezahlte und ging mit Nancy aus dem Laden. “Das ging ja heute mal richtig fix mit den Kleidern. Jetzt brauch ich nur das perfekte Paar Schuhe.” sagte ich und steuerte den nächstbesten Schuhladen in der Straße an. Ein paar Stunden und einige Schuhgeschäfte hatte ich sie gefunden. Dunkelrote Schuhe mit Pfennig-Absätzen und kleinen funkelnden Steinen an den Seiten. Sie passten hervorragend zu dem Kleid. Ein weiterer Grund, warum ich sie unbedingt haben musste.

Fortsetzung folgt!!!!!!....

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Tag der Veröffentlichung: 07.03.2010

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