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Er war sauer, doch er wusste auch was er tun musste um seine Wut zu stillen. Er stand an der Luisestraße und beobachtete sie. Sie steuerte den alten Park an. Dieser lag dunkel und verlassen da. Das war ihm gerade nur recht. Sie ging zugig darauf zu. Er verringerte den Abstand zu ihr. Sie blieb stehen und blickte sich um, doch darauf war er vorbereitet gewesen und so machte er einen geschickten Schritt in den Schatten eines Baumes. Sie ging weiter; er folgte ihr. Lautlos trat er hinter sie und schloss seine Finger um ihren Hals.

Julia Schulze war schon einiges gewohnt durch ihre langjährige Polizeierfahrung, doch als sie diesmal zu einem Tatort gerufen wurde drehte sich ihr der Magen um. Schon am Telefon wurde ihr gesagt, dass es sich um einen sehr grausamen Mord handelte und so hatte sie sich auf vieles eingestellt; doch dies übertraf ihre schlimmsten Vorahnungen. Das Opfer war weiblich und weiß; das viel ihr am Rande auf, denn ihre Aufmerksamkeit war auf den Tatort, um genauer zu sagen auf das viele Blut, gerichtet. Das Opfer wurde in der Mitte bis zum Bauch aufgeschlitzt und lag in Mitten ihres Blutes. Auch die Identifizierung würde schwer werden, denn ihr Gesicht war mit einem Messer gekennzeichnet worden.
Julia musste sich umdrehen und ein paar Schritte weggehen um dem Geruch des Blutes und der Verwesung einen Moment entgehen zu können. Sie atmete einmal tief ein und drehte sich wieder zu ihrem Kollegen Michael Coral um. Dieser sah sie verständnisvoll an. Um das Thema zu wechseln und so von ihrer Schwäche abzusehen, fragte sie:“ Wie heißt sie? Sie sieht ja noch ziemlich jung aus. Schrecklich.“ „Wir haben keine Papiere bei ihr gefunden“, er hatte ihre Absicht erkannt und fügte deshalb hinzu: „doch die KTU wird auch zu Todesart und Todeszeit etwas sagen können.“ „ Gibt es Zeugen?“ , fragte sie. „Ja Julia, eine alte Dame sagt, sie habe gesehen, wie das Mädchen den Park um ca. 4 Uhr betrat.“

Ich heiße Hannah, um genauer zu sagen Hannah Monziella und ich lebe gemeinsam mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder in einer Wohnung in Neu Köln. Wir leben von Harz4, das würde vielleicht auch ganz gut klappen, wenn unsere Mutter unser Kindergeld nicht für Alkohol und Zigaretten ausgeben würde. Sie ist starke Alkoholikerin und heult immer noch meinem Vater nach, der nach der Geburt meines Bruders abgehauen ist. Sie sitzt die ganze Zeit vor unserem noch nicht abbezahltem Fernseher und trinkt. Die meiste Zeit kümmere ich mich um meinen kleinen Bruder, aber manchmal muss ich einfach weg. Dann halte ich es nicht mehr aus; die Wände kommen näher. Wie jetzt.
Der Regen prasselt mir ins Gesicht und läuft meine Wangen hinunter. Es können keine tränen sein, denn ich habe schon seit vielen Jahren aufgehört zu weinen. Ich habe es verlernt.
Ich kann kaum etwas sehen, renne aber unbeirrt weiter. Ich weiß wohin ich rennen muss. Dorthin wo ich immer hinlaufe, wenn ich allein sein möchte; wenn mich niemand finden soll.
Bald schon sehe ich denn Wald vor mir. Mein Ziel. Ich laufe schneller und mein Herz klopft mir bis zum Hals. Ich habe eine dunkle Vorahnung. Ich weiß noch nicht was das bedeuten soll, aber… Was war das? Irgendetwas hat hinter mir geraschelt! Ich drehe mich um. Nichts. Nichts außer Nebel und der schwarzen Nacht. Ich renne weiter. Gleich bin ich da. Ja, ich sehe sie schon! Die alte Eiche, wo mein Vater kurz bevor er abgehauen ist noch mit mir geklettert ist. Damals war noch alles gut. Er fehlt mir so! Ohne ihn fühle ich mich nur noch halb.
Ich höre wieder ein Knacken hinter mir und fahre zusammen. Mir läuft ein Schauder über den Rücken und ich beginne zu zittern. Ob das so eine gute Idee war nachts hier her zu kommen?
Ich spüre einen Luftzug. Plötzlich schließen sich zwei feste Hände um meinen Hals und drücken zu. Ich versuche zu schreien, aber es kommt kein Ton über meine Lippen. Ich merke wie mir langsam die Luft ausgesogen wird. Ich denke an meinen kleinen Bruder. Was soll er nur ohne mich machen? Ich probiere mich zu wehren, aber Hände halten mich fest. Dann sinke ich auf dem Boden zusammen. Die Nacht verschlingt meine bewegungslose Gestalt. Meine Leiche.

Sie saß gerade an ihrem Schreibtisch als es klopfte.“ Herein!“ Die Tür öffnete sich und Michael, ihr Kollege trat ein. „ Wir wissen wer das Opfer ist, Julia. Ihr Name ist Hannah Monziella, erst 16 Jahre alt; wohnhaft in Neu Köln, zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder.“ Gut, Fahren wir zu ihrer Mutter?“
Julia bestand darauf mit ihrem Wagen zu fahren; sie wollte nicht in seinem Auto rauchen. Sie hatte nie geschafft es sich ganz abzugewöhnen, auch wenn sie es nie öffentlich zugeben würde. Doch Michael war für sie nicht nur ein Kollege, sondern auch ihr bester Freund geworden. Er kante sie so gut wie niemand anderes. Deshalb wäre es nicht nötig gewesen ihn über ihr Rauchverhalten aufzuklären. Das machte ihn als Freund aus; er stellte sich nicht über sie, indem er ihr das Rauchen schlecht redete. Er probierte es zu respektieren und sie zu verstehen. Aber er hieß das mit dem Rauchen keinesfalls gut, denn er war gerade erst Vater geworden und wusste was Zigarettenrauch anrichten konnte. Nicht das sie das nicht auch wüsste, aber sie schaffte es nicht mit dem Rauchen aufzuhören. Besonders jetzt bei so einem Mord nicht.
Sie saßen also in ihrem Wagen, in dem sie bereits genüsslich an ihrer Zigarette zog, und waren auf dem Weg zur Mutter des Opfers. Sie bogen in die besagte Straße ein. Julien hielt den wagen an. Sie stieg aus und trat den kleinen Rest der Zigarette auf dem Fußweg aus. Michael beobachtete dies missbilligend. Als sie schon auf dem Weg zur Haustür war, sah sie aus den Augenwinkeln wie er den Abfall der Zigarette mit seiner Schuhspitze auf die Straße kickte. Sie schmunzelte. Er schloss zu ihr auf und klingelte, sagte aber nichts. Die Tür ging auf und sie standen, entgegen ihrer Erwartungen, vor einem kleinen Jungen, etwa im Alter von 5 Jahren. Wahrscheinlich so vermutete Julia, der kleine Bruder von Hannah. Michael übernahm das Wort, wenn auch etwas überrascht. „Na kleiner Mann. Ist deine Mama denn da?“ „Ja, aber mit der kannst du nicht sprechen.“ „Warum denn nicht?“ fragte Michael. „Sie ist sauer, weil Hannah abgehauen ist. Sie hat mich einfach so alleine gelassen.“ Dem Jungen lief eine Träne über die Wange. Julia überlegte gerade was sie jetzt mit diesem weinenden Kind machen sollten, als es hinten in der Wohnung schepperte. „Was war das?“ „Lass uns reingehen, Michael.“ „Gut.“ Sie schob den Jungen sachte zur Seite und betrat die Wohnung, immer vor sich Michael. Sie zückten ihre Waffen als das nächste Scheppern durch den Flur hallte. Sie standen vor der Tür hinter der die Geräusche zu hören waren. Julia stieß die Tür auf. Das erste was sie sahen waren viele Scherben. Danach viel ihr Blick auf eine Frau, die wutentbrannt schon das nächste Bild in der Hand hielt. "Polizei! Bitte beruhigen sie sich!" "Was wollen sie in meiner Wohnung?" schrie sie zornig. "Wir wollen nur mit ihnen sprechen." "Ich will aber nicht mit ihnen sprechen!" "Wir möchten ihnen nur ein paar Fragen stellen", beruhigte Julia sie. "Worüber denn? Ich habe keine Zeit!Ich warte noch auf meine Tochter. wenn die kommt, die kann was erleben! Einfach so abzuhauen!" "Genau darüber möchten wir mit ihnen sprechen. Ihre Tochter, Hannah, richtig?" "Ja, was hat sie wieder angestellt? Nur Ärger mit diesem Balg!
Ihr Gesicht lief rot an. "Ihre Tochter ist einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Sie ist tot. Es tut mir leid." " Oh, dass hat sie auch nicht besser verdient." Sie fing an zuweinen. Julia war verwirrt. Das Verhalten der Frau war so gegensätzlich. Merkwürdig. "Wie soll ich dass denn überleben? Nur noch einmal Kindergeld.Sie schluchzte. Julia schaute sich im Zimmer um. Da wurde ihr alles klar. Das ganze Zimmer war mit leeren Bierflaschen und Zigarettenschachteln überfüllt. Sie gab das Kindergeld für ihre Alkoholprobleme aus.


Mo saß auf seinem Sofa und sah fernsehen. Obwohl, eigentlich hatte es nur den Anschein, denn er überlegte. Er überlegte was er tun sollte, wenn ihn wieder so eine Wut überkommen sollte. Gab es eine Möglichkeit, dass er nicht…. Er wusste es nicht. Er würde es herausfinden müssen, dass wusste er, denn sonst würde es zu spät sein. Aber tief in seinem Inneren wusste er, er konnte nicht aufhören. Er wollte weinen, wollte es hinaus schreien, aber seine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Was sollte er tun?
Mit einem Mal wachte er aus seiner Trance auf. Auf dem Fernsehbildschirm liefen Nachrichten. Ein Bild erschien in Großformat. Er traute seinen Augen kaum als er das Mädchen sah. Sie war es, darin bestand kein Zweifel. Es war das Mädchen, das er in seiner Wut umgebracht hatte. Er hatte ihren kleinen, zierlichen Hals in seine Hände genommen und gedrückt. Gedrückt, als wenn es keinen Morgen mehr geben würde. Als wäre dies seine letzte Chance. Sein Notausgang. Aber dafür hatte er ein Leben beendet. Für wen hielt er sich eigentlich, dass er einfach so bestimmen konnte, wann ein Leben aufzuhören hatte. Als ob er die Gewalt über Leben und Tod hatte. Er war verzweifelt. Aber er wusste: er musste es wieder und immer wieder tun.
"Wenn sie Hinweise haben, die zum Täter führen, melden sie sich bitte unter..." Er warf einen Schuh nach dem Fernseher und er ging aus.

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Tag der Veröffentlichung: 14.09.2010

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