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"Bleiben Sie noch lange, Frau Kurowski?"
Lena winkte ab und sah seufzend auf ihren Bildschirm.
"Nein, nein, mein Laptop läd noch irgendwelche Updates, auf die muss ich warten..."
Herr Marwahn nickte und verschwand aus dem Büro. Lena seufzte erneut gelangweilt und ging in die kleine Teeküche um sich eine heiße Schokolade anzurühren. Missmutig rührte sie das Instantpulver in die Tasse und kehrte dann zu ihrem Schreibtisch zurück. Sie fluchte leise, als das System sich nach Upload-Beendigung neustartete. Entnervt lehnte sie sich zurück und schlürfte die heiße Schokolade, wobei sie sich fast die Lippe verbrannte.

Als der Rechner wieder hochgefahren war, und die Autostartprogramme samt Virenscanner und diverser Messenger gerade aufhören wollten zu nerven, sprang Lena ein Fenster entgegen.

dr.a.heller:

hi leni!



Lena stellte die Tasse zur Seite und sah auf den Absender; dann auf die Uhr. Fast acht, sie wollte längst auf dem Weg nach Hause sein, doch dort erwartete sie nur ein einsamer Abend mit ihren beiden Katzen vor vollkommen nutzlosen TV-Programmen.

scifi_lullaby:

hey sophie!! was schreibstn du kursiv? ^^
dr.a.heller:

kp.. hat sich selbst so eingestellt


scifi_lullaby:

mein rechner macht im mom auch was er will -.-
dr.a.heller:

kenn ich..


dr.a.heller:

hey sag, wie ists gelaufen gestern?



Lena lehnte sich vor und stützte ihre Ellbogen auf die Tischplatte. Sie sah aus dem Fenster und nahm sich eine Minute Zeit, bevor sie antwortete.

scifi_lullaby:

denke ganz ok.. weiß nich so genau, haben mir meine geschichte aber wohl abgekauft.
scifi_lullaby:

hoffe ich zumindest
dr.a.heller:

wird schon, keine panik


dr.a.heller:

deine geschichte muss nur noch fuenf tage halten..


scifi_lullaby:

kauf dir mal ein ü

Lena stand auf und ging zum Fenster, als sie unten einen Lichtschein sah. Ein Auto fuhr auf den dunklen Parkplatz hinter dem Bürogebäude. Das war nicht ungewöhnlich, in den Stockwerken unter den Büros des Porter und Olin Verlags, für den sie arbeitete, befanden sich viele Büros kleinerer Medienunternehmen, deren Mitarbeiter es gewohnt waren, bis spät abends zu arbeiten.

Aus dem Lautsprecher des Laptop klingelte es, als Sophie zwei weitere Chatnachrichten schickte. Lena kehrte nicht sofort zum Schreibtisch zurück. Sie beobachtete das Auto, bis die Scheinwerfer erloschen. Nachdem sie die Jalousien des Büros zugezogen hatte, warf sie wieder einen Blick auf ihren Bildschirm. Sophie hatte unterdessen weitere Nachrichten geschrieben.

dr.a.heller:

jaja... 'ue'.. scheiß ami-tastaturen..


dr.a.heller:

achduscheiß! hey leni??


dr.a.heller:

leni??? bist du noch am rechner? das ist wichtig!!


dr.a.heller:

martin schreibt dass die auf dem weg zu dir sind! bist du schon zu hause?



Und auch ein zweites Chatfenster hatte sich geöffnet:

sn00py:

hi Lena. ich bin eben zufällig bei dir vorbei und hab gesehen, dass die Bullen in deiner Wohnung waren. Alles O.K. bei dir?

Lena starrte auf den Bildschirm. Sie drehte sich abrupt um, stieß dabei die halb volle Tasse zu Boden und eilte weiter zum Lichtschalter. Sekunden später war das Büro fast dunkel. Ihr Monitor und die blinkenden Statusleuchten am ewig defekten Faxgerät waren die einzige Lichtquelle. Lena dachte an das Auto, das Minuten zuvor auf dem Parkplatz gehalten hatte. Doch das karge Licht durfte nun nicht mehr durch die Jalousien dringen. Das Büro musste von unten ganz leer wirken.

scifi_lullaby:

ich bin noch im büro, sophie.. aber ein freund hat mir eben geschrieben, dass die polizei bei meiner wohnung sei.
scifi_lullaby:

scheiße, was mach ich jetzt..?
dr.a.heller:

hast du geld dabei für ein hotel? geh nicht zur wohnung zurück!


scifi_lullaby:

ach wirklich?? das hatte ich nicht vor.. ich fahr zum flughafen und versuch noch ein ticket zu bekommen
dr.a.heller:

nein! leni, bleib jetzt ruhig!! wenn du fliegst, dann haben sie dich..



Lena tippte schnell ein "bin beschäftigt. melde mich später" in den Chatdialog mit sn00py und schloss diesen.

dr.a.heller:

pack deine sachen zusammen, leni, keine persönlichen sachen vergessen! das ist wichtig!


scifi_lullaby:

was für persönliche sachen..? meinen kaffebecher? der ist hin...

Lena sah auf die Scherben am Boden, machte sich aber kaum Gedanken um die Tasse, die sie zu ihrem vorletzten Geburtstag von ihrem Ex-Freund bekommen hatte.

dr.a.heller:

keine ahnung.. fotos von deiner familie oder visitenkarten oder...



"Als ob ich eine Familie hätte, von denen ich mir Fotos aufstellen würde", murmelte Lena zu sich selbst, während sie anfing, alle persönlichen Dinge aus den Schreibtischschubladen zu räumen.

dr.a.heller:

und dann gehst du ganz in ruhe raus. nicht zur nächsten bahnstation, nimm lieber eine abgelegene bushaltestelle oder sowas. und fahre raus in irgendein kaff in der nähe, nimm dir ein hotelzimmer mit netzanschluss. dann melde dich wieder..


scifi_lullaby:

ich werde es versuchen.. ich melde mich später

Lena wartete eine Antwort nicht mehr ab und klappte ihren Laptop zu, der daraufhin in den Standymodus entschlief. Sophie hatte gut reden, ein kleines Kaff mit Hotel und Netzanschluss. Das gab es vielleicht in Kalifornien haufenweise.

Keine zehn Minuten später hatte sie ihre Sachen gepackt, die Spuren der Tasse beseitigt und war nach draußen gegangen. Lena entschloss sich für den Seitenausgang über den Parkplatz. Wenn sie bereits hier waren, würde sie dort weniger leicht gesehen. Sie überquerte den Parkplatz abseits der schwachen Beleuchtung an der Auffahrt und nahm einen kleinen Trampelpfad durch eine steile Böschung, die hinab zur Landstraße führte.

Lena war froh, dass sie sich zumindest richtig an die Bushaltestelle erinnert hatte, die sie einige Minuten später erreichte. Hier im Gewerbegebiet war es nicht einfach eine Haltestelle zu finden, wenn man sich nicht auskannte. Und dann hatte sie auch noch Glück, dass sie den letzten Bus erwischte. Auch das war ein Problem im Gewerbegebiet. Hier fuhren keine Busse nach neun.

Lena sah auf ihr Handy-Display. Noch zehn Minuten, bis der Bus kommen würde. Sie holte ihren Laptop aus der Tasche und klappte ihn auf. Als das Display im dämmrigen Laternenlicht aufflackerte, zuckte sie zusammen. Schnell stellte sie es schwächer. Mit ein paar Clicks suchte sie nach freien WLAN-Ports in der Umgebung, fand jedoch nichts. Als sie aber den Laptop wieder in die Tasche packte, stellte sie erschrocken fest, dass sie ihr Netzteil im Büro hatte liegen lassen. Sie sah auf die Uhr, aber es war keine Zeit mehr, um zurück ins Büro zu laufen.

Als sie kurz darauf im fast leeren Bus saß, holte sie ihren Laptop erneut hervor. Der Akku war noch fast voll, aber vorsichtshalber schaltete Lena den Rechner aus, bevor sie ihn wieder in der Tasche verschwinden ließ. Sie würde sich schnellstens ein neues Netzteil besorgen müssen, dachte sie, als der Bus über die Landstraße in die Dunkelheit fuhr. Und das war erst der Anfang ihrer Probleme...

[Fortsetzung folgt --]

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.06.2008

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