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Bisher kamen wir stets glänzend miteinander aus. Wir lebten in Harmonie und Eintracht. Gemeinsam betrieben wir Sport, unternahmen lange Wanderungen in der Natur, lagen faul auf der Couch oder im Gartenstuhl und gingen tanzen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab.
Zugegeben, Letzteres war nicht oft der Fall, aber doch wiederum nicht so selten, dass er Grund zur Beschwerde hatte. Wir waren ständig beisammen und verstanden uns blind.
Nie gab es Grund zu Klagen, keine Streitereien, auch war sein Verhältnis zu seinem Zwillingsbruder bisher ungetrübt. Gut, ab und zu traten sie sich gegenseitig auf die Füße, aber das war dann immer nach kurzer Zeit ausgestanden

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Dies ging solange gut, bis ich mir mein neues Auto kaufte.
Bisher war er stets begeistert bei der Sache, nahm Anteil und hatte Spaß an einer Autotour.
Aber schon die erste Fahrt mit dem Neuen war ein Fiasko. Zuerst wusste er nicht recht, wie er die neuartigen Gegebenheiten einschätzen sollte, zuckte noch einige Male, wenn sein Bruder voller Elan bei der Sache war.
Nach den ersten Kilometern wurde er dann immer stiller und einsilbiger. Selbst meine aufmunternden Worte, meine Begeisterung über das neue Fahrzeug ließen ihn nicht aus seiner Zurückgezogenheit ausbrechen.
Seit diesem ersten Erlebnis ist er unzufrieden, fühlt sich unausgelastet und nicht beachtet, ganz im Gegensatz zu seinem Bruder, der auch heute noch vollkommen glücklich mit sich und seinem Leben ist. Während jeder gemeinsamen Ausfahrt, die dieser aktiv und begeistert mitbestreitet, verkriecht er sich mürrisch und teilnahmslos in eine Ecke des Fahrzeugs und ist als Erster mit einem Satz wieder aus ihm heraus, wenn die Tür sich öffnet und die Fahrt beendet ist.

“Wenn Du mich nicht mehr brauchst, dann kann ich ja gehen oder mich aufhängen,” waren seine harmlosesten Kommentare.
Ein anderes Mal sprach er davon, uns zu verlassen und sich einen neuen Partner zu suchen.
“Was willst Du denn?” erwidere ich in den Augenblicken seiner missmutigen Niedergeschlagenheit, “ich brauche Dich, Du bist mir ebenso wichtig wie Dein Bruder, mein Kopf oder meine Arme.”
“Du hast mich abgestempelt zu einem Ding zweiter Klasse!”
“Nein! Sieh’ doch nur, ich gehe mit Dir zum Einkauf, treibe gemeinsam mit Dir Sport, denn ohne Dich wäre mir dies zu mühsam. Alles ist noch so, wie es früher war. Hier hat sich nichts geändert. Ich gebe Dir doch auch, was Du nur benötigst, gehe in meiner Fürsorge gar so weit, dass ich Dir und Deinem Bruder die Füße wasche. Würde ich das tun, wenn Ihr - Du - mir gleichgültig wäret!? Wenn ich Dich nicht mehr brauchen würde, wäre ich krank!”
“Aber eben dies ist es doch, was ich zur Zeit bin. Du tötest mich sogar mit Deiner Missachtung! Ich fühle mich gerade so, als wäre ich von Dir auf das berühmte Abstellgleis geschickt worden!”
“Nichts liegt mir ferner als das. Du würdest mir schmerzlich fehlen, wenn Du fort gehen, nicht mehr bei mir sein würdest. Ohne Dich könnte ich doch fast selbst nicht überleben!”
“Seitdem Du dieses neue Auto hast, ist alles anders geworden. Du bevorzugst meinen Zwillingsbruder, unternimmst wesentlich mehr mit ihm als mit mir.”
“Ja, aber das hat doch überhaupt nichts mit Dir zu tun. Das ist doch nur rein technisch bedingt.”
“Denkst Du, ich habe nicht bemerkt, dass Du ihn gestern wesentlich fürsorglicher gestreichelt hast als mich?”
“Auch richtig, aber da hatte er doch nur einen Krampf in der Wade, den ich massiert habe. Du weißt doch, wie schmerzhaft ein Wadenkrampf ist!”
“Jaaa, aber anschließend hast Du ihm noch den Nagel………….”
“…….aber doch nur, weil der abgebrochen war!”
“Das sind alles nur überaus dumme Ausreden! Du magst mich nicht mehr. Außerdem hast Du mich heute Morgen so böse angeschaut!”
“Das galt doch nicht Dir, bestimmt nicht!"
"Den Eindruck hatte ich aber ganz und gar nicht! Und anschließend hast Du mich sogar noch geschlagen."
"Aber das musste ich doch. Hast Du denn nicht bemerkt, dass auf Deinem Knie eine Stechmücke saß? Die ganze Aktion galt alleine ihr und hatte nur insoweit mir Dir zu tun, als dass ich Dich schützen wollte! Leider habe ich sie nicht erwischt, darum saß sie einige Sekunden später auf dem Oberschenkel Deines Bruders."
"Ja, das war lustig."
"Das finde ich aber überhaupt nicht. Sieh', jetzt hat er eine Entzündung, die ständig juckt."
"Soll er eben aufpassen und Dich nicht ständig anflehen, dass Du mit uns Auto fährst, dann passiert das nicht."
"Ach komm, jetzt beruhige Dich endlich wieder und sprich auch wieder mit Deinem Bruder. Wie sieht es denn aus, wenn ich mit euch durch die Gegend laufe und ihr harmonisiert und kommuniziert nicht miteinander.”
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“Duuu,” flötet mein linkes Bein nach einigen Momenten angestrengten Nachdenkens, offensichtlich zur Versöhnung bereit, “verkaufst Du das neue Auto und holst Dir wieder eines mit einem Schaltgetriebe und Kupplungspedal?”

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Texte: copyright: Roland Böhme
Tag der Veröffentlichung: 08.06.2009

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