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Frühling - und endlich geschafft! Mein Werk ist vollendet und liegt fertig und in einen großen Briefumschlag gesteckt auf dem Beifahrersitz neben mir. Alle Seiten habe ich mit Akribie und unter Einsatz aller meiner Möglichkeiten gefüllt, habe Unterlagen gewälzt und Informationen aus dem Internet geholt, um dann mein gesammeltes Wissen dem Wohl der nationalen Allgemeinheit zu unterbreiten.
Was habe ich geflucht und geschimpft, wenn es mal an einer passenden Formulierung, einem bestimmten Ausdruck fehlte! In den Zeiten der inneren Einkehr - zwischen den Zeilen also - sinnierte ich über Politik, die Kirche, Wissenschaft und Wirtschaft. Nein, nicht die um die Ecke! Eher die, die ich zwar manchmal auch mit gewissen Flüssigkeiten vergleiche, aber die mit Alkohol in direktem Zusammenhang nichts zu tun hat: ich kam zu dem Schluss, dass die Wirtschaft wie das Verhältnis zweier unterschiedlich schwerer flüssiger Stoffe zueinander ist.
Der Träge, Schwere von ihnen - der mit dem höheren spezifischen Gewicht - sinkt auf den Grund des Bodens, geht also ‘unter’ und wird durch den Leichten, Agilen geschluckt, der nach oben an das Licht der Sonne strebt und durch deren warme Strahlen noch leichter, noch agiler wird.
Der Volksmund spricht auch von dem 'Hund, der immer auf den gleichen Haufen scheißt'.
An dieser Stelle meiner Überlegungen allerdings brach ich abrupt ab. Nicht, dass mir diese Sprache fremd ist. Sicher nicht! 
Jedoch, obwohl ich bekennender Tierfreund bin, besitze ich keinen Hund - ‘nur’ eine Katze, und die sucht sich für ihre Geschäfte in der freien Wirtschaft - äh - Natur stets einen anderen Platz. Was auch eindeutig klüger ist, denn bei gestreuten Anlagen sind, wie die Vergangenheit erst kürzlich noch bewies, erlittene Verluste in der Regel wesentlich geringer.
 
Draußen schönstes Frühlingswetter, doch trotzdem sitze ich am frühen Morgen des folgenden Tages wieder am Schreibtisch. Die schöpferische Pause während meiner weiteren Ausarbeitungen füllte Fragen der Wissenschaft.
Was nützen doch all die Erkenntnisse der klugen und hochgebildeten Menschen, dachte ich mir, wenn wir sie nicht nutzen können?
Nehmen wir doch nur einmal die Länge des Erdentages: genau 23 Stunden, 56 Minuten und 4,10 Sekunden! Schaffen unsere allwissenden und mit diversen akademischen Titeln behafteten Wissenschaftler es denn nicht, die Erde so zu verlangsamen, dass sie genau 3 Minuten und 55,90 Sekunden länger für eine 360°-Erddrehung benötigt und so einen sekundengenauen 24-Stunden-Tag ausführt? Unglaublich! Sie haben es doch mit der globalen erdnahen Temperatur auch geschafft, sie innerhalb von 1,5 Jahrhunderten um einen Grad zu erhöhen. Sie haben Tausende Tier- und Pflanzenarten aussterben lassen, damit wir Menschen, die Krone der Schöpfung, mehr Platz auf dem Globus haben. Da dürften doch diese paar Minuten und Sekunden nur ein Kinderspiel sein!
Dann (aufgrund helgas.' Anregung) kam der Nachmittag. Wieder einmal fand ich den bewussten Dreh nicht. Während des Mittagessens las ich in meiner Tageszeitung von bereits vor Jahrzehnten begangenen wiederholten sexuellen Übergriffen kirchlicher Würdenträger. Bemitleidenswerte Opfer sollten ihnen anvertraute Jugendliche beiderlei Geschlechts gewesen sein. Die Übeltäter waren zum größten Teil in den Diensten der katholischen Kirche zu finden.
Aber ist das deutsche Volk nicht selbst schuld daran? Es fördert doch diese Taten mit der Zahlung der Kirchensteuer. Subventioniert sie über die Kirche, die die von uns erhaltenen Gelder stillschweigend als Entschädigung an die Opfer oder Alimente an die entstandenen 'Kolateralschäden' zahlt.
Allerdings soll, wie ich vor einiger Zeit einmal las, die Zahl der Kinder pro bockigem Kirchendienstler auf vier begrenzt sein. - Na, dann werden die über diese vier hinausgehenden Geburten, wie im Mittelalter bewiesenermaßen allgemein geschehen, eben einfach in die Brunnen geworfen. Denn dass das Zölibat in naher Zukunft aufgehoben wird, ist nicht zu erwarten. Ist ja auch eigentlich abzusehen, denn die kirchlichen Entscheidungsfinder sind alle weit über das Alter hinaus, in dem sie sich noch für Sex interessieren könnten. Deshalb sind auch bis zum heutigen Tag keine Frauen in hohen Kirchenämtern zu finden. Die alten Männer wollen unter sich sein und durch keine Frau gestört werden. Vermutlich sind sie auch der Meinung, Frauen würden die Skatregeln nicht begreifen.
Obwohl - die Abschaffung des Zölibats hätte für alle Seiten etwas für sich. Die Kinder könnten in normalen Verhältnissen heranwachsen, bekämen statt der (illegalen) Alimente (legalen) Kinderzuschuss von Staat und Arbeitgeber - und selbst das fünfte und jedes weitere Kind würde überleben. Und sogar unser Bundespräsident würde sich für das achte Kind einsetzen. Naja, er hat doch sonst nichts zu tun.
Ja, leider hat die Kirche einige schwarze Schafe in ihren Reihen. Und obwohl sie diese Tierart besonders für sich requiriert hat, schafft sie es nicht, die Böcke - pardon - die Mitarbeiter reinweiß zu halten.

Nach einer kreativen Auszeit von einer Woche, kurz nach Pfingsten, nahm ich meine Arbeit wieder in Angriff. Ich holte mir eine Tasse Kaffee und setzte mich erst einmal untätig an meinen Schreibtisch.
Wieso ich nun an unsere Politiker dachte, bleibt mir allerdings bis heute ein Rätsel. Denn Parallelen werde ich hier sicher nicht ziehen können. Oder?

Vermutlich lag es einfach nur daran, dass sie zur Zeit versuchen, sich mit all ihrer zur Verfügung stehenden Macht nach vierjähriger Abstinenz wieder einmal in unsere Erinnerung einzuschleichen: es stehen Wahlen an! Wir sollen wieder unsere Gaugrafen, Fürsten, Könige und Kaiser wählen!
Schön, die heutige Bezeichnung ist eine etwas andere, der Effekt aber der Gleiche.
Der einzig unwesentliche Unterschied zur damaligen beschlussfassenden blutsaugenden adligen Oberschicht besteht doch nur darin, dass wir sie selbst wählen dürfen. Wir dürfen mit unseren Kreuzen - mehr Schriftkenntnisse traut uns die Legislative nicht zu - selbst be”stimme”n (obwohl be“kreuze”n doch passender wäre), wer uns als Nächster das bereits vorher bis auf die nackte Haut geschorene Fell über die Ohren ziehen darf. -
Was habe ich? Nur negative Gedanken? Liegt mir fern - oder doch vielleicht daran, dass ich in meiner Midlifecrisis stecke, die ich aber eigentlich schon hinter mir haben müsste - oder bin ich noch mittendrin? Nein, glaube ich nicht, denn dann müsste ich ein Stück über einhundertundzwanzig Jahre alt werden.
Oder könnte ich bis dahin dann nicht doch noch den genauen 24-Stunden-Tag erleben!?
Nein, muss nicht sein, denn in diesem Fall müsste ich den 29. Februar alle vier Jahre aus meinem Gedächtnis streichen, und das würde mir in dem Alter doch recht schwer fallen. Außerdem liegt es mir fern, die gesetzliche Rentenversicherung über Gebühr zu belasten. Der geht es ja eh schon dreckig genug. - Habe ich nicht vor einiger Zeit gehört, alle Rentner sollen ab 2024 in einem Ghetto eingepfercht werden? Erhalten nur ein knapp bemessenes Taschengeld, von dem sie Unterkunft und Verpflegung zu zahlen hätten? Dies würde dann sicherlich auch das Problem 'Rente ab 67' lösen. Jeder wäre froh, wenn er so lange arbeiten dürfte. Und sogar noch darüber hinaus. Nur, um dem Ghetto zu entgehen.
                                                                                                                                                            

Doch zu guter Letzt schaffte ich den Dreh doch noch: mein Werk wurde endlich fertig! Auf die letzte Seite kam der Hinweis auf mein Copyright, Umschlag auf, die Seiten hinein und ab ins Auto damit. Nun stehe ich, nachdem ich endlich nach langem Suchen einen Parkplatz fand, vor dem riesigen Gebäude und überlege gerade, ob ich es sofort zu meinem Lektor tragen soll oder ob der Einwurf in den Hausbriefkasten reicht.
Ich entscheide mich für Letzteres, blicke noch einmal hoch zur Fassade und erkenne den in dicken Lettern aufgebrachten Namen des Institutes. Etwa vier Wochen wird es dauern, bis feststeht, ob mein Werk angenommen oder verworfen wird. Vier Wochen Bangen und Warten. Vier Wochen quälende Ungewissheit, ob meine lange Arbeit sich letztendlich doch auszahlt.
Mit der drohenden Ahnung, mit meinem nächsten Werk wieder vor dem gleichen Problem zu stehen, wende ich mich ab und zeige so dem Pförtner des Finanzamtes, der bei meinem Erscheinen schon den Daumen auf dem Türöffner hatte, demonstrativ meinen Rücken.

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Tag der Veröffentlichung: 05.06.2009

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