Cover

Über dieses Buch

Über dieses Buch

Wie macht man eine Frau an? Locker und charmant, versteht sich. Wie setzt man sich überhaupt ins rechte Licht? Darauf die Antwort zu finden, kann einen kopflastigen jungen Mann wie den Hochschulassistenten Guntram Blommberg in einige Verwirrung bringen. Handfeste sexuelle Wünsche im Hinterkopf, trifft er auf eine Welt „voller Weiber“, aber auch voller Rivalen. Und das Ganze passiert noch dazu im studentischen Milieu, wo auch in der Frauenfrage die gebotene Sensibilität erwartet wird. Setzt man sich dabei selbst unter Leistungsdruck wie Blommberg, der sich mit der überaus attraktiven „alten“ Studienkollegin Babsi verabredet, ergibt sich so manche komisch-„tragische“ Situation.

Aus der Perspektive Guntram Blommbergs wird ein langes Wochenende zwischen (gescheitertem) Rendezvous und (vorläufigem) Happy End geschildert. Die Liebesgeschichte zwischen dem Endzwanziger Guntram, genannt Gunni, der sich heftig wünscht, wie ein „rosa Flamingo“ lässig-erhaben über den Dingen zu stehen und dem „rothaarigen Engel“ Babsi ist dabei der äußere Handlungsrahmen. Ebenso steht es mit den Treffen, die Blommberg mit Arbeitskolleginnen und Freunden durchlebt.

Den Mittelpunkt des Romans bilden die inneren Wechselbäder Blommbergs, das Auf und Ab von Unbehagen und Triumph, durchweg ebenso minutiös wie kurzweilig und plastisch erzählt. Dabei glüht stets der Wunsch, sich gut zu verkaufen. Satirisch gebrochen, erscheint die Kluft zwischen Gesprochenem und Gedachtem. „Schicksal, gib mir eine gut geölte Zunge, die mich aalglatt über meine körperlichen Mängel, charakterlichen Fehlleistungen und was noch Unvollkommenes an mir sei, hinwegreden lässt. Gib mir Aug’ in Aug’ mit einer Frau tausend Engelszungen! Gib mir wenigstens eine, wenn du mir schon die Weiber vor die Nase setzt. Reden, reden, reden ...“

 

Copyright: © Reimer Boy Eilers – publiziert von telegonos-publishing

www.telegonos.de 

(Haftungsausschluss und Verlagsadresse auf der website) 

 

Cover: © Beate Geng, Coverkiste

http://www.geschenkbuch-kiste.de/die-cover-kiste/ 

 

Lektorat: Textcheck Agency, Michaela Marwich

     http://textcheck.agency/ 

 

Kontakt zum Autor:

http://www.telegonos.de 

 

ISBN-13: 978-3839185919

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

 

 

Zwischen all den verwirrten Männern steht der „Rosa Flamingo“ auf einem Bein und bedenkt die Herzensfragen. Guntram Blommberg, Ende zwanzig, ist auch kein Märchenprinz. Will er auch gar nicht sein. Ein rosa Flamingo, das wäre hübsch. Lässig. Überlegen. Ziemlich über den Dingen stehend. Hundstage in Hamburg und Blommberg hat mal wieder Kummer. Aus seiner Perspektive werden vier Tage voll innerer Wechselbäder geschildert: Das Auf und Ab von Unbehagen und Triumph am Arbeitsplatz, in Kneipe und Kino und zu Hause. Dazu das ständige Auseinanderklaffen von Gedachtem und Gesagtem. Aber ein rosa Flamingo kommt am Ende immer zum Mondsee.

 

 

 

 

„Guntram Blommberg ist der Seelenkrüppel in uns allen. Leicht verklemmt, heimlich Pornos lesend - dabei unermüdlich auf der Suche nach der rosarot gepolsterten Beziehungskiste.“ (Auszug aus der Rezension zur Erstausgabe im „Stern“- 1985)

 

 

 

 

 

 

    

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

 

 

Erstes Kapitel: Wenn ich mit Frauen rede 5 

Roswitha 8 

Barbara 11 

Maria 16 

Gunhilda 26 

Lisa 29 

Anke 36 

Zweites Kapitel: Wieder auf der Arbeit 42 

Bertiboy 45 

Frau Wördemeier 56 

Kollege Bodo 61 

Professor Leitner 72 

Drittes Kapitel: Und auf dem Prüfstand 82 

Meister Lieses Imbiss 83 

Klosprüche im Abaton 64 

Okay, k.o. im Madhouse 103 

Resterampe im Rebhuhn 110 

Viertes Kapitel: Allein auf meiner Wiese 121 

Schwarzer Slip 126 

Schräger Trip 135 

Sascha und Sandra 142 

Fünftes Kapitel: Dann in der Kneipe 146 

Kleinanzeigen 148 

Miesepeter 155 

Alk und Zoff 169 

Sechstes Kapitel: Bis hier und zum Mondsee 179 

Badezimmerüberraschung 180 

Wohnzimmerwirren 183 

Sitzpolstersession 188 

Küchenabenteuer 197 

Mondseestimmigkeit 207 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorwort: Im schönen Garten

Vorwort: Im schönen Garten

 

von Hilde Willes

 

Der Autor dieses Buches muss ein gar verwirrter Mann sein, weil er ausgerechnet mich gebeten hat, ein Vorwort zu schreiben. Als Autorin halte ich mich in den Genres auf, die ich gerne „die vier L’s“ nenne: Leben, Liebe, Lust und Leidenschaft. Und noch ein wenig Schicksal mit hinzu. 

Die Privatfrau Hilde könnte man mit einem bisschen guten Willen als eine Mischung zwischen den weiblichen Figuren aus diesem Roman - Barbara, Roswitha, Claudia und Maria - betrachten. Nicht zu vergessen: Gunhilda! Ach ja, bei Letzterer handelt es sich um eine Schwanenfrau. Nun, warum eigentlich nicht?

Von daher sollte ich nun geradezu prädestiniert sein, einige „vor-Worte“ zu Reimer Boy Eilers‘ „Verwirrten Männern“ zu flüstern. Jedoch will ich zugeben, dass mich dieses Ansinnen schon ein wenig durcheinanderbringt. Mahatma Gandhi sagte einmal: „Liebe ist die stärkste Macht der Welt, und doch ist sie die demütigste, die man sich vorstellen kann.“ Daphne du Maurier wiederum meinte: „Frauen möchten in der Liebe Romane erleben, Männer Kurzgeschichten.“

Und was will Guntram? Um ihn geht es ja in diesem Buch. Was möchte Barbara, die Frau, um die sich für ihn plötzlich die Welt dreht? Ganz abgesehen von all den anderen Frauen, die scheinbar nur dafür geschaffen wurden, sämtliche Guntrams dieser Welt gnadenlos konfus zu machen.

Sie tanzen diesen ganz besonderen Reigen umeinander, nebeneinander, miteinander, voneinander. Ein Schritt vor und zwei zurück. Redseligkeit und Verschwiegenheit mit Abertausend Engelszungen; immer hübsch um den heißen Brei herum. Kindisch, wie kaum ein Kind es schaffen kann zu sein und sich dabei selbst mehr und mehr verwirrend. Wie es so geht, wenn dieses uralte Spiel beginnt, so unglaublich aufregend, schwierig, nervenaufreibend und doch wunderwunderschön!

Vielleicht mit einem Irrgarten zu vergleichen? Als ich ein Kind war, besuchte ich einmal so eine menschengemachte Verwunschenheit in einem Park. Es war wunderschön, aber natürlich verirrte ich mich darin. Hochgewachsene, grüne Hecken, die unzählige schmale Wege säumten, herrlich und Furcht einflößend zugleich. Ein Lust- und Frustgarten, in dem man voller Spannung, ja Angst herumrannte, weil man den Ausgang nicht fand, die Stimmen der anderen jedoch hören konnte. Ganz nah und doch so fern! 

All dieser Wirbel um das Tohuwabohu der Zwischenmenschlichkeiten, Kopf- und Ratlosigkeiten, Chaos und Kuddelmuddel! Wie man sich auch entscheidet, den Dingen strikt aus dem Wege zu gehen oder sich mutig mitten hinein zu stürzen: Es bleibt was es ist, Irritation der Gefühle. Das war schon zu Adam und Evas Zeiten so und wird auch ewig so bleiben. Und warum? Ganz einfach, weil es schön ist und das, was Leben und Liebe ausmacht mit all den verwirrenden Facetten.

In diesem Lied aus ‚Casablanca’ heißt es: „… ein Kuss sei ein Kuss und ein Seufzen ein Seufzen.“ Das wären fundamentale Dinge, die jederzeit ihre Bedeutung behielten. Mondlicht und Liebeslieder kämen niemals aus der Mode, genauso wie Leidenschaft, Eifersucht und Hass. Frauen bräuchten Männer und Männer bräuchten Frauen. Es sei immer die gleiche Geschichte … Dem ist auch gar nicht zu widersprechen!

Aber was geschieht denn nun mit Gunni und den Frauen? Oder Guntram und der Einzigen, der Babsi-Barbara? Wenn sie’s denn sein sollte. Werden sie sich am Ende finden in diesem zwischenmenschlichen Irrgarten? Möglicherweise!

Jedoch, wenn Guntram immer wieder das verwirrende Gefühl bekommt, sich permanent „zum Affen“ zu machen und sein Verhalten diesem Zustand auch anpasst, nach rechts hüpft, wenn eigentlich links gemeint ist. Einen Schritt nach hinten geht, obwohl er zwei nach vorne machen sollte und sich nicht traut, eine Hand zu ergreifen, die ja nur darauf wartet, gehalten zu werden. Was dann?

Sollte Guntram vielleicht eines Tages mit aller Bestimmtheit, die er aufzuweisen in der Lage ist, feststellen: „Nein, ein Supermann bin ich nicht, aber auch kein Hanswurst!“ Wenn er diese Worte sogar verinnerlichen kann und eine weitere überaus verblüffende Feststellung macht. Nämlich jene: „Könnte es möglich sein, dass Babsi ein recht normales, irdisches Wesen ist?“

Tja dann?

Tja dann …

… bildet sich mir das Bild einer verschollenen Wagneroper: Zwei schneeweiße Schwäne, wie sie im Licht der untergehenden Sonne verliebt über den Teich gleiten. Seite an Seite, Herz an Herz, Schwanenhals an Schwanenhals … hinein in eine gemeinsame Zukunft, und sie leben glücklich und zufrieden, bis … Nun, das sollte dann eine neue und völlig andere Geschichte werden … Diese dann zu bevorworten, fühle ich mich inzwischen viel zu durcheinander!

Und ich nannte mich anfangs prädestiniert?

Aber schuld an allem ist nur dieser liebenswert verwirrte Autor!

 

 

Verzeichnis der Gedichte im Buch:

 

Fernmündliches Versprechen 11

Der lyrische Fisch 56

Johann Wolfgang von Goethe: Selig bist du, liebe Kleine 78

Rosa Flamingo 81

Beipackzettel 121

Schwanengesang, Gedankengang 132

Im Wiesengrund 139

Auf der Piste piept es 175

Das verlorene Peh 178 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für A. B., D. E., Yasmin Zander und all die anderen, die ich verlassen und verloren habe.

Ups, als Entschuldigung!

Erstes Kapitel: Wenn ich mit Frauen rede

Erstes Kapitel: Wenn ich mit Frauen rede

 

Überall Frauen, und ich kann ihnen nicht ausweichen. Um halb drei ruft Roswitha an. „Blommberg“, schaffe ich gerade noch in die Muschel zu sprechen. Dabei geht die zweite Silbe schon in ihrer Begrüßung unter.

„Hallo, Lieber, Lieber! Ach, war das heute wieder ein Tag! Wir haben so lange nicht telefoniert. Wie geht es dir?“

Wie’s mir geht? Aber bitte, das ist wohl kaum ein Thema. Meine Beziehung zu Roswitha ist beschrieben, wenn ich ihre Sätzchen schlicht erläutere.

Ihr „Lieber“ bin ich, weil sie mich gern hat, nicht weil wir ein Paar wären. Gern hat Roswitha mich vor allem, weil ich ihr nachmittags mit einer Engelsgeduld zuhöre. Roswitha lebt mit einem Marketing-Manager für Kosmetika zusammen, der ihre täglichen Probleme als Lehrerin nicht versteht. Ferdinand ist wiederum nicht ganz zu Unrecht eifersüchtig auf manche Freunde seiner Freundin.

„Guntram versteht mich viel besser als du!“, hat Roswitha ihm im Streit an den Kopf geworfen. Dummerweise oder berechnend. Ob sie verhindern wollte, dass ich ihren Ferdinand besser kennenlerne, ist mir unklar. Jedenfalls erscheint es ihr seitdem als unklug, dass ich sie eventuell zu Hause besuche. Ein paar Mal im Monat findet sie einen Vorwand, um mit mir ohne Ferdinands Wissen ins Theater zu gehen. Gut, zugegeben, es kann auch nur ein Schauspielbesuch pro Jahreszeit sein, Frühling, Herbst und Winter, im Sommer sind wir ja alle ausgeflogen. Und dann gibt’s noch Kaffeetrinken im „Lindner“ in Eppendorf als monatliche Dreingabe.

Im wesentlichen bedeutet ihr Kosewort für mich also: „Wie lieb, dass du mir zuhörst!“ 

Der Seufzer, Roswitha habe „einen Tag“ hinter sich, überrascht nicht wirklich. Jeder Schultag, nach dem sie mich anruft, ist so ein Tag mit tausend Widrigkeiten vor der Klasse, wenigen Erfolgserlebnissen und einem allgemeinen Erschöpfungszustand. Hinter ihrer Bemerkung, wir hätten so lange nicht telefoniert, verbirgt sich, dass heute Donnerstag ist. Und zuletzt hat sie am Montag angerufen. Roswitha unterbricht mich beim Studium eines Artikels über ein neues Verfahren zur Synthese von Penicillin. Deshalb bin ich nicht sofort auf der Höhe der Situation. 

Als sie fragt, wie es mir geht, antworte ich das Übliche: „Danke, ganz gut. Und dir?“

Dabei habe ich doch gelernt, dass Roswithas Mitteilungsdrang kaum Unterbrechungen duldet. Auch keine rhetorisch kurzen. Mein „ganz gut“ wird von einem Schwall aktueller Katastrophenberichte hinweggeschwemmt. Ich bin ein Kübel, der langsam mit der Schlacke gefüllt wird, die der Schultag bei Roswitha hinterlassen hat.

Zwei Jungen aus der achten Klasse haben sich in der Pause geprügelt. Einer hat geblutet und Roswitha hatte die Aufsichtspflicht. Ein Vater, Lagerarbeiter in der Speicherstadt unten am Hafen, hatte sich frei genommen, um mit ihr über seinen Sohn zu reden. Der hatte letzte Woche die Schule geschwänzt. Bei dem Termin ist ihre Freistunde draufgegangen. Politik in der Neunten ist heute sehr gut gelaufen. Vor allem wegen der Diaserie, die Roswitha zum Thema ‚Unterentwicklung in Lateinamerika’ gezeigt hat. Die halbe Klasse hat sich anschließend an der Diskussion beteiligt.

„Ja, Dias sind immer gut“, werfe ich versuchsweise ein. „Als ich noch zur Schule ...“

Roswitha beklagt sich jetzt über einen dieser jungen Punker aus der Achten. Der Knabe hat in der fünften Stunde „Alte Muckerbutze!“ durch die Klasse gerufen. „Was macht man da nur, mein Lieber?“

Die Achte in der Fünften, das ist wohl ‘ne blöde Kombination, meine Liebe. Ich zucke die Achseln. Will Roswitha andeuten, dass ich ratlos bin, ohne sie richtiggehend unterbrechen zu müssen? Eigene Erfahrungen versagen hier, denn wir haben halt vor zehn, fünfzehn Jahren Anreden dieses Kalibers in der Schulstunde höchstens gedacht. Roswithas Erzählungen machen mich jedes Mal über Teenie Bopper Slang und Rotwelsch staunen, diese Mischung, die den einschlägigen Dialekt ihrer Hauptschüler abgibt.

Muckerbutze ist am genauesten mit Groupie zu übersetzen und meint in der pubertären Fantasie ein Mädchen, das es mit jedem treibt. Roswitha muss sich als Lehrerin höllisch anstrengen, um überhaupt zu wissen, wovon die ihr anvertrauten Blagen reden. Würde sie einfältigerweise im Duden nachschlagen, läse sie ratlos von einem „heuchlerischen Frömmler“. Mucker heißen aber die Mitglieder der Rockbands, seit in der Hamburger Musikhalle am Karl-Muck-Platz nicht mehr allein Mozart oder Mahler erklingt. Und Mädchen werden von den Nachwuchs-Machos nur noch Butzen oder Torten genannt. Roswitha unterhält mich laufend mit den Sprachblüten, welche die Szene treibt. Danke, auch dafür ... 

(Und üben, Junge, üben. Die Musikhalle ist längst zu einem Privatmythos für mich geworden. Ihr - oder vielmehr einem Witzbold, der sie im Munde führte - verdanke ich eine der wichtigen Lektionen in meinem Leben. Ein Fremder steht auf dem Jungfernstieg und fragt sich, in welcher Richtung wohl der Karl-Muck-Platz liegt? Schließlich spricht er einen Passanten an. Entschuldigung, mein Herr! Können Sie mir sagen, wie ich zur Musikhalle komme? - Üben, junger Mann, immer hübsch üben!)

Dieser ganze Muckerbutzen-Kuddelmuddel zieht mir sekundenschnell durch den Kopf, bevor mir auffällt, dass Roswitha mein Achselzucker gar nicht sehen kann. Die Anruferin lenkt bereits auf ein neues Thema. Mit einem entsagungsvollen Seufzer erzählt sie von dem fünfzehnjährigen süßen, blonden Engel. Der sitzt in der Deutschstunde in der ersten Reihe und merkt genau, wie erotisch sie ihn findet. Damit nicht genug: Ist es ihm etwa peinlich? Denkste, wir leben nicht mehr in Blommbergs vernagelten Jugendzeiten. Der Engel lacht Roswitha aufreizend an. 

„Was mache ich da nur?“

Ich verwirre meine Telefonpartnerin unabsichtlich durch die Frage, ob sie denn mit der Muckerbutze gemeint war? Nehme aber gleich die Kurve und bin wieder auf der Höhe des Gesprächsstandes. „Meiner Erfahrung nach ist es der feuchte Traum eines jeden Jünglings, mit einer älteren Frau zu schlafen. Also sieh dich vor, du schwaches Weib. Setz deinen Bengel ganz nach hinten in der Klasse.“

„Wenn das so einfach ginge! Glaubst du denn, die machen heute brav, was du sagst? Womit, bitte, soll ich diese Maßnahme begründen, du Schlaukopf?“

Da hat sie recht.

Ein hartes Brot ...

Als Roswitha auflegt, empfinde ich spontan Mitgefühl, weil sie kaum eine halbe Stunde geredet hat. Demnach muss sie wirklich erledigt sein.

 

Roswitha

Roswitha

 

Vor gut einem Jahr habe ich Roswitha kennengelernt. Das war auf einer Gartenparty bei Bodo Merkentin, meinem Arbeitskollegen. Roswitha kam mit einer Bekannten. Die übliche Lehrermehrheit auf Bodos Fêten gab den Grundton an. Denn Claudia, also Bodos Freundin - oder heimlich schon Verlobte? - arbeitet an der Gesamtschule Steilshoop. Wenn ich genügend trinke, bewege ich mich auch in diesem berufsfremden Kreis recht locker. Beim Abschied fragte ich Roswitha nach ihrer Telefonnummer.

Warum spiele ich seitdem so treu meinen Part? Warum lasse ich Roswitha nach Lust und Laune reden und ärgere mich nicht, wenn sie mir ganz selbstverständlich über den Mund fährt? Oder ärgere ich mich doch? Ich sollte Roswithas Redefluss gelegentlich unterbrechen. Jetzt hör du mir bitte zu! Die Schule beschäftigt dich sehr, das verstehe ich. Aber jeden Kikikram haarklein auszumalen, also ehrlich ... Klar, du musst Dampf ablassen. Nebenbei, ich möchte auch mal zu Wort kommen. Interessiert dich nicht, was mit mir gerade so vorgeht? Oder ich sollte Roswitha kurzhalten. Ich hätte grad überhaupt keine Zeit, wenn sie verstehe, Arbeitsstress.

In diesem Ton mit Roswitha zu reden, wäre ehrlicher. Ich steige schließlich nicht über jede Klippe, vor der sie in der Schule steht, mit ihr hinweg. Entschuldigung, Roswithas breit geschilderten Alltag finde ich manchmal läppisch. Also fast, pillepalle möchte ich mal sagen ... Trotzdem könnte ich nicht so hart sein. Das wäre der Weg zum Beziehungskrüppel. Wahrscheinlich braucht sie nur jemanden, der ihr zuhört und mit grundsätzlicher Sympathie sagt: Klaro, wenn es dir wichtig ist, erzähl ... 

Nein! Letztlich rede ich um den heißen Brei herum. Ich möchte bloß nicht vom anderen Ende der Leitung hören: Ach, Gunni, wie furchtbar schade! Du bist genauso wie mein Freund.

Roswithas Freund, den ich nur einmal vor Monaten auf ihrem Geburtstag gesehen habe. Ihr mieser Freund, von dem ich weiß, wie sehr sie an ihm leidet!

Womöglich würde sie danach fortfahren: Weißt du, Gunni, vielleicht haben wir tatsächlich etwas zu viel telefoniert in der letzten Zeit. Ich möchte dich wirklich nicht strapazieren. Etwas Abstand wird ganz gut sein. Ja, schau, im nächsten Monat habe ich Ferien, danach kurz Schule, und dann gehe ich auf Klassenreise ... Du siehst, ich habe jetzt unheimlich viel um die Ohren. Na dann, mein Lieber, ich rufe dich an. Irgendwann nach der Klassenreise, okay?

Tuuut, tuut, tz .... Das Urteil wäre verkündet und gleich vollstreckt. Die Verbindung gekappt.

Nein, ich möchte unsere Verbindung nicht aufs Spiel setzen. Schließlich gibt es meinem Selbstgefühl mächtig Auftrieb, mit Roswitha befreundet zu sein. Exklusive Gespräche mit ihr zu führen. Ihr Ratschläge zu geben. Den Überblick zu haben. Sie ist eine Frau, der sogar meine staubtrockenen Bekannten auf der Straße hinterherblicken. Am Telefon fällt das nicht unbedingt auf, wie attraktiv sie ist, klaro. Wie sie sich bewegt, ihrer Wirkung voll bewusst. Ich finde das Gerücht kaum übertrieben, ein Porschefahrer hätte sich bei Hundertneunzig nach ihr umgesehen und noch in der Leitplanke ein anerkennendes Lächeln zur Schau getragen. Nach unseren Theaterbesuchen fühle ich mich richtig aufgedreht. Wir fahren nach Eppendorf, trinken unseren Edelzwicker im „Roger“ und flippern. Dicht aneinander gedrängt albern wir an dem Gerät in der Ecke herum. Dann sind die lockeren Typen an der Theke allesamt nur gewöhnliche Trinker.

Doch nun mal von der anderen Seite betrachtet, rein um den Überblick zu behalten. Könnte Roswitha unsere Beziehung einfach aufgeben? Ihr liegt doch genauso an mir! Betont sie nicht ständig, was sie an mir hat? Stellen wir an unseren Abenden, den vor Ferdinand verheimlichten, nicht glückliche Übereinstimmungen fest? Wie wir in einer gut gehenden Zweierbeziehung auf den Partner eingehen würden? Dass wir am italienischen Stegreiftheater jahrmarktsderbe Situationskomik schätzen. Ganz genau! Lacht sie nicht ebenso ausgelassen am Flipper wie eine krass geschminkte italienische Komödiantin? Gut, was Wunder, da bin ich an ihrer Seite. Wenn sie schon bei Ferdinand im Hause bleibt, braucht sie mich erst recht. Wie eine Zimmertanne den wöchentlichen Dünger, damit auch alle Triebe sprießen und nicht in ausgelaugter Erde kümmern. Gar nicht schlecht, das Bild. Werde ich ihr demnächst mal beipulen: Ferdinand ist wie ausgelaugte Erde für dich! Und wo oder wer oder was ist der Dünger? Na? Eben. 

Ich sollte lieber ernsthaft mit Roswitha reden. Und das nicht auf die lange Bank schieben. Alter, alles klar? Wieso denke ich eher zögerlich daran? Kann mir das mal jemand verklickern? Fühle ich mich denn unsicher, weil wir in dem Jahr nie miteinander geschlafen haben? Nein, das doch nicht! Ich will nicht mit Roswitha schlafen. Das würde unsere Beziehung eher lockern. Auf eine banale Ebene heben. Unser Verhältnis lebt aus der Spannung von gefühlsbetontem Abstand und intellektuellem Gleichklang.

Allerdings mag ich Roswithas Nähe, mag ihr langsam und umsichtig den Mantel um die Schultern legen. Oder im Theater mit einem kessen Finger federleicht die Lage ihrer übereinander geschlagenen Beine nachzeichnen. Stegreif eben ... Und der Tonfall geht mir besonders ein, wenn ihre Stimme ganz weich vom Wunsch nach mehr Vertrauen in eine Freundschaft erzählt. Stopp! Mann, Guntram, rede kein Blech! Du drehst dich grade ziemlich im Kreise, mein Freund.

Ich ermahne mich also, löse meinen Blick von der grünen Schreibunterlage, auf die ich mich glatt verirrt habe. Schaue auf die Uhr. Halb vier. Weit in den Abend hinein sieht mich das Institut heute nicht. Nur den Artikel über die Penicillinsynthese will ich unbedingt zu Ende lesen.

Also keine Grübeleien mehr! Und überhaupt ist Roswitha nicht die einzige Frau auf der Welt. Im Gegenteil, es gibt viel zu viele davon. Sag ich doch. Herrimhimmel, ich lebe hier nicht von der andauernden Schärfung und Verschärfung aller Stimmungsmöglichkeiten. 

Nun ziehe ich den grauen Vorhang in meinem Büro wieder auf. Das Sonnenlicht fällt flacher ein. Auch die Raumtemperatur ist erträglicher geworden. An einem makellosen Sommertag wie diesem sollte ich in Timmendorf oder Hohwacht am Strand liegen. Nun, wir sind ein Team hier im Institut und müssen uns abstimmen. Richtig! Ich sollte noch kurz Barbara anrufen und unsere lockere Verabredung festmachen. Das ist mehr als ’ne Abstimmung, ist nun doch verschärfte Stimmung! Die Idee ist, morgen Abend ins Kino zu gehen. Das Wochenende steht bevor. 

 

Fernmündliches Versprechen

 

Sie trafen sich in der großen Pause
zum heimlichen Date im Schauspielhaus.
Ein rasches Glas Sekt, das war die Sause,
geladen ging‘s wieder zur Stadt hinaus.

 

Drinnen hatte man Tschechow gegeben,
sie versicherten sich größter Sympathie.
Im Privaten lagen die Dinge völlig daneben,
also galt es für beide: Jetzt oder nie!

 

Ich schwöre dir, dieser Beziehungsbanause
hat die längste Zeit mein Bett geteilt -
Du Ärmste, du Liebste, das kalte Zuhause,
vergiss es! Uns hat das Schicksal ereilt!

 

Dieser Zustand, mein Lieber, kann ewig nicht dauern,
komm, gib mir einen letzten Kuss.
Soll der Kerl in seinem Ego versauern!
Mit dir ist das Leben ein Kunstgenuss!

 

Ihr Heimweg war die gelbe Strecke,
beide wohnten sie in der Peripherie.
Mit ihnen fuhren die letzten Zwecke,
seine U-Bahn war blau, sein Gedanke war sie.

 

Sie gab sich entschieden in Telefonaten,
ihre Stimme war deutlich, die Worte genau.
Er sah sich inmitten von Heldentaten.
Sie sagte: Muss Schluss machen, Liebster. Tschau!

 

 

Barbara

Barbara

 

Ich suche Barbaras Nummer raus und stecke mir erstmal eine Zigarette an. Solche Anrufe kosten mich leichte Überwindung. Obwohl ich Ende Zwanzig bin. Kleiner Fortschritt, heute genügt die Zigarette. Früher konnte ich stundenlang grübeln, ob dies wohl der taktisch günstigste Augenblick sei, um anzurufen. Bin halt noch nicht mit dem ständigen Telefonhörer am Ohr aufgewachsen, das wird der Grund dafür sein.

Wichtig war mir stets, wie ich diesen Anruf wohl ganz beiläufig begründe. Unverfänglich eben. Ja, von wegen! Wie kann man denn unverfänglich eine weibliche Nummer wählen, wenn es nicht um den Abschluss einer Lebensversicherung geht? Soll mir mal jemand erzählen ... Nach krampfhaft lockeren Irrwegen und Irrreden blieb mir das Gefühl, hölzern mit der Tür ins Haus zu fallen. Übrigens, was mir gerade einfällt, heute gibt’s doch „Für eine Handvoll Dollar“ im Grindel ... Du hast nicht Lust, womöglich ... Ich meine, vielleicht könnten wir ganz spontan ... Muss natürlich nicht sein ... Geht auch ein andermal ... 

Barbara ist wirklich ein Schatz. „Mensch, hallo, Gunni“, sagt sie. „Das ist ja nett, dass du anrufst. Kenn ich gar nicht von dir. Du warst früher ein ziemlicher Telefonmuffel.“ 

Ihre natürliche Sprache wirkt auf mich wie das Murmeln eines Baches. Entspannt lehne ich mich am Schreibtisch zurück. Trotz der Zigarette ging mein Puls beim Wählen etwas schneller. Allzu oft treffe ich keine Verabredungen, selbst heutzutage nicht. Sagen wir mal, kaum so direkt mit einer bestimmten Frau, für die ich mich interessiere. Die gute alte Barbara! Sie war schon damals in unserer Examensgruppe ein liebes, hilfsbereites Mädel. Komisch eigentlich, dass wir in der langen Zeit nie zu zweit ausgegangen sind.

Sie freut sich darauf, mit mir zusammen Robert Altmans „Nashville“ anzuschauen. Dann fügt sie tatsächlich hinzu: „Obwohl ich nicht unbedingt mit dir gerechnet habe. Wir hatten das nur vage ins Auge gefasst, oder?“

Bingo! Mist! Da haben wir’s! Hätte ich mir denken können. Sie hat eigentlich bereits etwas vor, na klar. Ist ihr nur peinlich, mir jetzt einen Korb zu geben. Aber das möchte ich nicht, darauf kann ich verzichten ... Keine höfliche Geste! Heimliche zweite Wahl sein? Nee, echt geschenkt. Auch nicht bei der guten Barbara. Oder erst recht nicht bei ihr.

„Also Barbara“, sage ich, den Hörer fest ans Ohr pressend, „wenn du bereits jemandem zugesagt hast oder vielleicht was Alternatives ins Auge gefasst hast oder so ...“ Ich räuspere mich, nur ein kleiner Piks im Rachen. „Wir könnten natürlich auch einen andern Tag ... Der Film läuft noch eine Woche.“

Warum habe ich das nun wieder gesagt? Wer weiß, ob sie überhaupt mit mir ausgehen will? Freiwillig, mit Lust, meine ich ... Da hätte ich sie nicht so auf die Woche festlegen sollen.

„Immer noch der alte Gunni“, lacht Barbara ins Telefon. „Als wir in der letzten Woche Wiedersehen gefeiert haben, dachte ich: Na, der ist ja reichlich aus sich rausgekommen, der Guntram. Wie wir da auf Peters Sofa Memphis tanzen wollten, das war witzig. Früher, glaube ich, bist du nicht mal allein mit mir in der Mensa Essen gewesen.“

Bei Peter war ich ganz gut in Form, das stimmt. Da hatte ich auch ihn und Bodo als Rückendeckung. Und, nebenbei, die richtige Dosis getankt. Nett, wie die heutige Barbara die Veränderung bemerkt. Trotzdem, ihre Frotzelei über die Mensa geht zu weit. Ich starte einen überzeugenden Protest.

„Lass gut sein, Gunni!“ Sie lacht beständig. „Du Kindskopf, ich habe doch gesagt, ich freue mich auf morgen. Also, was redest du denn?“ 

Barbara, gute alte Barbara! Moment, so ganz die alte ist sie nun auch wieder nicht. Sie gibt sich offener, selbstsicherer. Soll sie doch Kindskopf zu mir sagen, egal. Sie FREUT sich also wirklich! - Ja, warum auch nicht? Schließlich bin ich ganz vorzeigbar. Sagt auch Roswitha. Mein Einwurf kommt mir jetzt albern vor. Peinlich. Deshalb nutze ich Barbaras Natürlichkeit schamlos aus und sage eine Spur zu cool und kokett: „Man weiß ja nie. Ich wollt’s nur nochmal hören. Alles paletti. Und Tschau!“ 

Als ich aufgelegt habe, merke ich, dass ich eigentlich etwas ganz Anderes habe sagen wollen. Babsi, du bist ein liebes Mädchen. Und einen tollen Hintern hast du auch, ehrlich wahr! Ich wünschte, es wäre schon morgen Abend. Babsi ist es! Egal, wem ich sonst schon mal erotisches Kauderwelsch zugeflüstert habe. Mein lieber Schally. 

Ich wende mich erneut dem vertrackten Artikel zu. Noch ein solches Telefonat, und ich werde Penicillin nur noch mit Frauen assoziieren, die mich durcheinander bringen. Als ich auf der vorletzten Seite angelangt bin, klopft es. Mein Chef, Professor Karl Leitner, füllt den Türrahmen aus, die Aktenmappe unter den Arm geklemmt.

„Herr Leitner“, sage ich einfach, denn wir haben uns schon begrüßt und stehe auf. Mit Blick auf die Aktenmappe: „Bei dem Wetter hält es Sie wohl nicht mehr im Institut.“

„Ach, wissen Sie, Herr Blommberg, die Kinder. Ich habe den Gören versprochen, mit ihnen Eis essen zu gehen. Das sollte ich wohl besser tun, wenn die Sonne noch tüchtig scheint.“

„Finde ich auch“, bestätige ich gern. „Und jetzt schauen Sie kurz zu mir herein. Vermutlich, weil Sie mich fragen wollen, ob wir morgen noch eine Versuchsreihe aus der null-dreizehner Serie einschieben sollen? Warum nicht, die von gestern hat nur Nieten gebracht. Wir brauchen uns also mit der Auswertung nicht weiter abzugeben.“

Ich bin stolz auf meine Kombinationsgabe.

„Sie sind mir ein schlaues Kerlchen, Blommberg“, grient Professor Leitner. „Dann ist alles in Ordnung. - Ach so“, schließt er an, fast schon zum Flur gewandt, „ich denke, wir werden wohl nicht vor 21 Uhr fertig sein. Nämlich, ich kriege die Rechnerzeit am Computer erst gegen vier Uhr nachmittags. Und der Rechner sollte schon sein. Ohne eine Zwischenauswertung arbeiten wir einfach zu ineffektiv. Nun, das dürfte uns natürlich nicht weiter stören.“

Jetzt steht er bereits draußen auf dem Gang.

„Warten Sie, Herr Leitner!“, rufe ich. „Morgen muss ich um sieben, also 19 Uhr, spätestens weg.“

Mein Chef ist zu Recht überrascht. Im allgemeinen lehne ich nie ab, zumal die Arbeit gleichzeitig mein Steckenpferd ist. Deshalb hatte ich auch glatt vergessen zu fragen, wie viel Zeit Professor Leitner für die Analyse rechnet.

„Aber, aber, Bommi!“ Er zieht die Augenbrauen hinter der Goldrandbrille hoch. „Sie meinen wohl, morgen Abend fängt das Wochenende an. Was soll bei dieser Arbeitshaltung nur aus Ihnen werden?“

Bommi - ohne das „l“ - nennt der Chef mich, wenn er besonders witzig oder sarkastisch sein will. Die Wortschöpfung übersetzt sich stillschweigend mit „Pflaume“. Kommt von diesem komischen Softdrink. Bommerlunder mit Pflaume. Der Chef hat einen echten Chemikerhumor. Hart an der Feuerzangenbowle.

Die Verabredung mit Barbara scheint mir wirklich am Herzen zu liegen. Mit einem entschuldigenden Lächeln in den Augenwinkeln entgegne ich ungewohnt schlagfertig: „Sie wissen doch, Chef, die Pflaume fällt nicht weit vom Stamm. Ich meine, wo Sie doch heute schon um Viertel nach vier gehen.“

Professor Leitner lacht gutmütig zurück. Er mag mich, denn ich arbeite gründlich und lege saubere Ergebnisse vor. Außerdem sind wir uns gesprächsweise näher gekommen, weil ich sein neues Manuskript Korrektur lese und ein Stichwortverzeichnis anfertige. Sonst hätte ich mir diese Antwort sicherlich verkniffen.

„Im Ernst, Chef, ich kann nur bis um sieben. Vermutlich genügt es ausnahmsweise, wenn Frau Nerke und Herr Merkentin länger bleiben können.“

„Na gut, dann muss es ohne Sie gehen. Aber bis um sieben ist abgemacht. Dann bis morgen!“

Nachzufragen, was ich denn so furchtbar Wichtiges am Freitagabend vorhabe, dazu ist Professor Leitner zu feinsinnig. Das erleichtert mich ungemein. Denn sollte ich ihm etwa sagen, die Wissenschaft müsse hintenanstehen, weil ich unbedingt mit Fräulein Barbara ins Kino gehen will? Überhaupt bin ich mir soeben wie ein schäbiger Egoist vorgekommen, als ich Maria Nerke und Bodo erwähnt habe. Sich mit Frauen einzulassen, ist wirklich eine zweischneidige Sache. Auf der ganzen Linie. Für mein Verhalten gibt es doch gar keine Entschuldigung! 

Jetzt spukt mir beim Weiterlesen ein geheimnisvoller Zusammenhang zwischen dem Penicillin, Roswitha und Barbara durch den Kopf. Und weitet sich aus, eine chemische Bindung zwischen Penicillin und den Frauen, die mich von der Arbeit ablenken. Als ich kurz vor fünf zu Bodo rübergehe, bin ich unsicher, ob ich den Artikel so gut verstanden habe, wie ich sollte.

„Na komm, Bodo, dann lass uns Claudia abholen.“

Wir drei hoffen auf einen lauen Abend und wollen in Övelgönne Ewerscholle essen.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl gesellt sich Maria zu uns. „Meinen Gruß, verehrte Frau Kollegin. Einen angenehmen Feierabend Ihnen!“

Das Siezen und die hochgestochene Sprache sollen witzig klingen, einen dandyhaften Ton ironisieren. Wo wir doch voll leger miteinander umgehen.

Aber ich bin wohl nicht angekommen, denn Maria grüßt nur kurz wieder. „Hallo, Guntram.“

Pah, sowas Sprödes! Auch Bodo äußert sich nicht weiter, und so treten wir schweigend in die Kabine. Das sprachlose Nebeneinander auf engem Raum berührt mich unangenehm. Heute fühle ich mich als notgelandeter Spaßvogel zusätzlich verpflichtet, Konversation zu machen.  

„Da hab’ ich wieder was gelernt, Maria“, wende ich mich an die Kollegin. Erleichtert, dass mir ein Gesprächsstoff eingefallen ist. „Blickst du, was eine Muckerbutze ist?“

Maria schüttelt den Kopf. Stumm, schmallippig.

Ich ignoriere alle schlechten Schwingungen und lache zur Abwechslung. Dann lasse ich mich über meine neuen Einblicke in den pubertären Slang aus.

Bodo hakt ein. „Gunni, du Paradiesvogel. Was hast du dauernd für exotische Rosinen im Kopf? Wir sind biedere Chemiker, keine Germanisten oder Sozialhelfer.“

Wenn du wüsstest, was mir alles im Hirn rumgeht, befinde ich halb ärgerlich, halb beklommen im Gedenken an eine zufällige Enthüllung. 

Bodos Einwurf hat meine Schilderung des extra-universitären Sprachmilieus abrupt versiegen lassen. In die erneute Stille sagt Maria unvermittelt, als sich die Lifttür zur Seite schiebt: „Es ist noch so gute Luft draußen. Am liebsten würde ich mich auf eine Terrasse setzen. Nachmittags habe ich keine Sonne mehr auf meinem Balkon.“

Bodo verblüfft mich, wie selbstverständlich er darauf reagiert. „Na, dann komm doch mit uns! Wir fahren direkt nach Övelgönne.“

 

Maria

Maria

 

So bieten wir ganz das Bild zweier freundschaftlich verbundener Paare, als wir eine Stunde später am Elbufer sitzen. Dabei waren Bodo und ich noch nie mit Maria unterwegs. Sie sitzt mir gegenüber und erstaunt nehme ich sie eher als Frau denn als Kollegin wahr. Besonders anziehend ist sie nicht. Lange dunkelbraune Haare, glatt und selbst geschnitten. Sie liegen leicht strähnig um ein sommersprossiges Gesicht, in das sich bereits feine, aber scharfe Linien eingegraben haben. Kann man Lachfältchen und Krähenfüße an den Augen unterscheiden? Es kommt mir so vor, wenn ich Maria betrachte.

Mager steckt sie in ihren verwaschenen Jeans und der weiten, ockerfarbenen Bluse. Ihre Hände spielen mit Bodos Streichholzschachtel. Die Fingerkuppen sind vom Hantieren mit schwacher Säure gerötet. Mein Blick wandert hinaus auf das Fahrwasser. Die Bugwellen eines Tankers laufen über die Elbe, die sich in der Weite bei einer leichten Brise kräuselt. 

Ich versuche mir vorzustellen, was Maria vielleicht attraktiv machen könnte. Aber mir geht eher Gegenteiliges durch den Sinn. Unter den Falten ihrer Bluse sind die Konturen nur angedeutet. Ihr Hintern versteckt sich unauffällig in den Jeans. Sie bewegt sich eckig. Maria vermittelt mir den Eindruck, als mache sie sich gar nicht erst die Mühe, ein männliches Gegenüber für mehr als ihren Beruf zu interessieren.

Kritisch beäuge ich ihre Hosen, diese Nachwehen amerikanischer Anstrengungen uns Deutsche zur Demokratie zu erziehen. Seit ihre Verbreitung bei uns US-Zuschnitt angenommen hat, seit also der Kassierer der Hamburger Sparkasse nach Feierabend seinen Konfektionsanzug mit Nietenhosen und blau-rot kariertem Hemd vertauscht, habe ich das Vertrauen in schweißtreibende Sinnlichkeit, Rock ‘n Roll und Jeans eingebüßt.

Aber nun mal halblang! In mir steckt wohl ein heimlicher Anarcho? Was werte ich hier eigentlich? Ja, bittschön, wie lebe ich denn? Zeichne ich mich etwa durch etwas so Zweifelhaftes wie schweißtreibende Sinnlichkeit aus? Und sei es nur an Wochenenden? Gehe ich auch nur tanzen? Womöglich in Diskotheken? 

Nichts davon, so ein Bad in der Menge wäre mir ähnlich zuwider, als sollte ich in einen Zuber abgestandener Waschlauge springen. Allerdings will ich schon seit geraumer Zeit Jive und Discofox lernen. Es soll mir keine hämische Zunge nachsagen, ich sei gehemmt. Ich will beweisen, dass ich schlicht gegen das nervöse Saturday Night Fever immun bin. 

Wie komme ich von Maria auf Diskotheken? Es ist nur ein schwacher Reiz des Neuen, mit Maria abendzuessen. Mein Hungergefühl verstärkt sich, neben uns wird aufgetragen, verschiedene Gerichte. Der Geruch von Bratfisch, Zwiebeln, Essig und Knoblauch dringt herüber. Der Kellner bringt uns Wein, herben Elsässer, zum gewünschten Fisch, der auf sich warten lässt. Wir stoßen schon mal an. Bodo und Maria unterbrechen dazu ihr angeregtes Gespräch.

Also, das ist ja überhaupt bemerkenswert! Mir geht auf, wie Claudia und ich schweigend Elbe und Spazierweg mustern, während Bodo und Maria in lebhafter Unterhaltung begriffen sind. Und zwar, kalkuliere ich jetzt, spielen sie die Labertaschen, seit wir hier Platz genommen haben! Sie bemerken uns kaum. Ein Gedanke zwickt mich ... Sollte Bodo etwa mit Maria ... 

Jetzt fallen mir gleich mehrere Verdachtsmomente ein.

Wieso hat Bodo mich im Fahrstuhl derart von oben herab behandelt - in Marias Gegenwart? War das noch freundschaftlicher Flachs zu nennen? Schon auf dem Flur, als wir Maria trafen, ist er nicht auf mich eingegangen. Und seine selbstverständliche Maria-Einladung, die mich gleich überrascht hat? So kenne ich den Kollegen Bodo nicht. - Ja, die sitzen da richtig erhitzt! Worüber reden die überhaupt?

Ich habe bislang nicht zugehört. Das Pärchen unterhält sich über Details der morgigen Versuchsreihe, von der sich Maria weiterführende Ergebnisse erhofft. Das muss nichts bedeuten. Wenn das Duo vom Arbeitsplatz auch etwas höchst Privates miteinander hat, ist Chemie das unverfänglichste Thema. Ist Chuzpe genug, dass Bodo sich vor Claudias Augen so offen mit Maria beschäftigt. Warum verheimlicht Kollege Bodo das Techtelmechtel vor mir? Ist es ihm peinlich? Oder ist er viel abgebrühter, als ich annahm? Eher das Zweite, wenn ich bedenke, wie unverfroren die beiden hier mit Claudia und mir an einem Tisch sitzen.

Diese Überlegung wird von einer ganz anderen beiseite geschoben. Wieso macht Maria eigentlich Bodo schöne Augen? Und nicht MIR? Zumal Kollege Bodo in festen Händen ist. In diesem Moment erscheint mir Maria als die begehrenswerteste Frau der ganzen Universität. Was ist denn an Bodo dran? Ausgerechnet. Im Vergleich zu mir? Ist Maria mit Blindheit geschlagen? Bislang hätte ich sie doch als gewiefter eingeschätzt.

Oder kommt Kollege Bodo tatsächlich besser bei den Frauen an? Ich habe mir diese Frage nie schlüssig beantworten können. Claudia, mittelgroß, Bubikopf, ausgeglichenes Temperament, manchmal starsinnig, auch mal zu ernst, ungemein praktisch veranlagt, liegt für mein Gefühl ziemlich in der Mitte. Ich meine, zwischen den gewissen Frauen, puh, die mich verunsichern und den vielen andern, pah, die mir egal sind. Denen ich locker vom Hocker gegenübertrete. Claudia hat somit zur Entscheidung der Frage nichts beitragen können. Also Bodo oder ich? Wer ist Top, wer Flop? Ich meine, weil ich im Vergleich zu Bodo keine feste Freundin habe, hm ... 

Immerhin ist Claudia schon Kollege Bodos zweite Liebe, seit wir uns im Hauptseminar bei Professor Schäfer, dem alten Schwefel-Schäfer, kennengelernt haben. Aber Beate, Bodos kleine Studienreferendarin, war ein ähnlicher Typ wie Claudia. Ganz erstaunlich sogar, praktisch der gleiche Typus Frau, wenn ich mir’s überlege. Deshalb zählen Beate und Claudia für mich eben nur als eine Freundin. Nicht als Mensch, versteht sich, sondern rein beziehungstechnisch, da muss man schon mal abstrahieren. Darum geht’s schließlich. Und Flirts am Rande habe ich bei dem Kollegen bislang nicht bemerkt. Da bin ich ihm weit voraus. 

Bevor sich meine Einschätzung zu einer vollständigen Gewinn- und Verlustrechnung verdichtet, habe ich mich wieder gefangen. Wenn ich mir jetzt nicht die energischsten Kommandos gebe. Nicht umsonst habe ich schließlich vor zwei Minuten festgestellt, dass Maria eine reizlose Person ist. Als Frau für mich, meine ich. Das soll mir gänzlich gleichgültig sein, was die beiden miteinander treiben. Ich möchte Maria nicht geschenkt. NEIN, ich kann froh sein, dass Bodo sich mit ihr beschäftigt. Wär‘ doch öde, wenn ich den Kavalier machen müsste.

Aber das will ich doch genau wissen!

Mit einer leichten Bewegung wische ich meine Serviette vom Tisch. Ich bücke mich so schnell nach ihr, dass meine Nasenspitze fast vor dem Papier am Boden ist. Unmöglich in der kurzen Zeit die Beine abzurücken, selbst Geistesgegenwart des Pärchens unterstellt.

„Huch! Was ist denn mir dir?“

Ich habe durch mein heftiges Vorgehen Claudia aus ihren Betrachtungen aufgeschreckt.

„Die Serviette“, sage ich laut und deutlich unter dem Tisch und schicke rasche Blicke umher.

Leider ist die Lage nicht eindeutig. Die Füße des Pärchens stehen verdächtig nahe beieinander. Aber ich überzeuge mich, dass der Abstand zwischen Claudias und meinen Tretern fast noch geringer ist. Ich ziehe meine Füße weiter zur Seite. Na gut, Kollege Bodo und Maria sind eben vorsichtig genug.

„Was machst du so lange da unten?“, stimmt Bodo in Claudias Frage ein.

Wortlos tauche ich wieder auf, lege demonstrativ die Serviette an ihren Platz und sage erst nach einigen Schweigesekunden: „Ich habe mich gerade mit meinem Fußpilz unterhalten.“

Jetzt möchte Maria ihr Zwiegespräch mit Bodo auf mich ausdehnen. „Was sagst du, Guntram? Meinst du, wir können morgen positive Resultate erwarten?“

Gott, was liegen mir die positiven Resultate im Augenblick fern. Einer Antwort werde ich durch den Kellner enthoben, der endlich den Fisch serviert. Schweigend, mit kräftigem Appetit, trennen wir das Fleisch von den Gräten. Erst allmählich, mit zunehmender Sättigung, kommt wieder ein Gespräch in Gang. Augenscheinlich genießen die Drei den ausklingenden Tag, denn sie bestellen eine Karaffe Wein nach. Die Abendsonne versinkt rötlich im Dunst über dem Fluss. Und drüben, auf der Hafenseite, hebt sich der Feuerschein abfackelnder Raffinerien deutlich von dem Dämmerlicht ab. Rote, weiße, grüne und gelbe Lichter schwimmen über dem Wasser. Sie regeln den Verkehr der Schiffe untereinander. Rot für Backbord und grün für Steuerbord sind nur der Anfang einer langen, maritimen Lichtleitung.

Das unvergleichliche Bild des erleuchteten Hafens besänftigt mich nicht wirklich. An der Runde beteilige ich mich nur mit unumgänglichen Halbsätzen. Wenn Kollege Bodo etwas mit Maria hat, muss sie einige Vorzüge aufweisen. Versteht sich eigentlich von selbst, Gunni, altes Haus, denn welche Frau hätte einem Mann nicht bestimmte Annehmlichkeiten zu bieten? Hochnäsig wie ein Kamel habe ich eine Chance vertan. Über Telefonaten mit Roswitha, die für mich so wenig greifbar ist wie ein reicher Onkel aus Amerika für Klein Fiete vom Fischmarkt.

Kollege Bodo führt mir unverschämt vor, auf welchen ungehobenen Schatz ich leichtfertig verzichtet habe. Das Gefühl, etwas Vielversprechendes in der Richtung versäumt zu haben, ist mies. Ich verhake mich aussichtslos in widerstreitenden Überlegungen. Wie soll ich den Gegensatz auflösen, dass Maria nicht mein Typ und trotzdem zu haben ist? Das weckt Instinkte in mir. Sorry, aber ich habe Instinkte. Maria wäre eine sichere Beute, wenn Bodo, dieser schiffbrüchige Casanova, sie schon haben kann ... 

„Sitzen wir hier nicht wie zwei betagte Liebespaare?“

Das war schon wieder Kollege Bodo. Der Wein und die milde Luft zeigen Wirkung. Die drei haben leicht gerötete Wangen, die Sprache ist flapsiger geworden. Chemische Analysen sind offenbar nicht mehr das bevorzugte Gespräch. Und Claudia schaut nicht mehr unbeteiligt auf den Fluss. Jetzt lachen alle drei. Dauernd Kollege Bodo mit einem Witz, dessen Pointe ich verpasst habe.

„Ja, wirklich, Gunni, du und Maria, ihr passt gut zusammen. Wenn man euch so sieht ...“, spinnt Bodo, von seinem Erfolg getragen, den Faden fort.

Ich bin nicht in Form. Steuere nur ein schiefes Lächeln bei. Ziehe meine ganz spezielle Folgerung aus Bodos Worten. Also haben die beiden doch nichts miteinander? Alles nur Rauch ohne Feuer? Andernfalls würde Bodo nicht so reden. Das wäre der Gipfel der Infamie! So abgebrüht ist Bodo nicht. Nicht Claudia, nicht Maria und mir gegenüber. Bei dem Spielchen würde sich selbst der Stärkste überheben.

Erleichterung durchflutet mein Innenleben. Kollege Bodo ist eben doch der harmlose Kerl. Und Kollegin Maria ist einfach die Arbeitsbutze, für die ich sie angesehen habe. Die beiden zeigen mir an diesem Tisch nicht auf tückische Weise, wo’s langgeht. Setzen mich nicht unter Druck. Bedeuten mir nicht durch eine Zweisamkeit, die Dritte ausschließt: Ätsch, Versager! Abgehängt! - Es war völlig richtig von mir, Maria nur mit schlichter, kollegialer Liebenswürdigkeit gegenüberzutreten. Ich strenge mich nicht zwecklos an!

Maria bleibt bei Bodos neuem Thema. „Pärchenwirtschaft? Ob ich das als Kompliment auffassen soll, weiß ich noch nicht genau.“

Mir ist zu der Angelegenheit gerade soviel Unaussprechliches durch den werten Kopf gegangen. Ein geistig-moralisches Landunter. Da mag ich über dem Tisch nichts beitragen.

Maria wendet sich an Bodo und Claudia. „Ist er nach Feierabend immer so gesprächig?“ Sie tippt mir auf den Arm. Mit einem Singsang in der Stimme: „Gunni, hallo! Es ist von dir die Rede. Hat dich das Essen geschafft? Oder sind wir dir zu albern?“

Ich würde gern auf der gleichen trockenen Ebene antworten. Aber ich bin von meiner Zwangsvorstellung noch nicht ausreichend genesen. Deshalb kann ich nur die breit gefächerte Garbe meiner gesammelten Spruchweisheiten dreschen. „Du weißt doch, Maria, nach dem Essen soll man ruh’n oder tausend Schritte tun.“

Maria ist in der letzten Viertelstunde kess geworden. „Ach herrje, wie originell!“

Weinseliger, intellektueller Scheuerlappen!

Den Schimpf behalte ich natürlich für mich. Die Gedanken sind frei ... wer kann sie erraten? Sie fliegen vorbei wie nächtliche Schatten ... Warum konnten wir nicht gemütlich zu dritt essen gehen? Ich zünde mir mit betonter Gestik eine Zigarette an und bin bockig. „Weißt du, Maria, es gibt in diesem Zusammenhang noch eine weitere Volksweisheit: Nach dem Essen sollst du rauchen oder eine Frau gebrauchen.“ 

Um zu zeigen, wofür ich mich entschieden habe, blase ich eine dicke Rauchwolke über den Tisch.

Jetzt habe ich es mir zusätzlich mit Claudia verdorben. Sie mischt sich ein. Liebe, nette Claudia, ich wollte doch gar nicht den ernsten Teil deines Wesens ansprechen! Beide Frauen reden auf mich ein. Ich kann die Sprecherinnen nicht mehr unterscheiden und höre nur noch die einzige Stimme der Frauenbewegung.

Das ist ein gefühlloser Männerspruch! Eine Frau gebrauchen ... So etwas Chauvinistisches vor weiblichen Ohren! Das solltest du auch im Spaß nicht in den Mund nehmen. Und in männlicher Gegenwart auch nicht! Von dir hätte ich diese Rede nicht erwartet, Guntram. Du bist doch sonst so überlegt. Kannst die Verhältnisse abwägen ... 

Aber nein, hier geht’s ja um uns Frauen. Dein ganz spezielles Verhältnis. Alle Männer haben wohl letztlich eine schmutzige Fantasie. Dreckig wie das Männerklo. Weißt du denn nicht, was für Ängste wir täglich ausstehen? Vergewaltigungsängste. Allfällige Penetrationsängste. Keine Fahrt in der U-Bahn, ohne dass so ein abscheulich riechender Mann mich antoucht. Im Gedränge sein Geschlecht an mich drückt. So sieht das Umfeld aus, in dem du deine Sprüche ablässt, Guntram. Das ist nicht witzig! Ich kann diese brutale Männersprache nicht mehr hören. Dabei wird mir übel. 

Pause. Pause? Hat der Angeklagte noch etwas zu sagen?

Ja, mir ist auch gerade flau im Magen. Hab’ ich was zu sagen? Nee, kommt nur dummes Zeug bei raus. Schmallippige Emanzen! Lila Latzhosenfrauen. Blaustrümpfe in Blue Jeans. Was heißt hier bitteschön „gefühlloser Männerspruch“? Das sollte doch bloß eine kleine Stichelei sein, weil mir auf Marias Reden keine gescheiten Antworten einfielen. Also höchstens ein hilfloser Männerspruch. Ja doch, ich bin ein Chauvi, so wie ich Maria vorhin abgecheckt habe. Aha, jetzt heiße ich plötzlich Guntram bei euch beiden und nicht mehr Gunni. Liebesentzug! So

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 18.04.2016
ISBN: 978-3-7396-4930-6

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /