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Prolog

 

 

Meräll war ein recht kleines Land und hätte nur eine kleine Regierung gebraucht. Umso merkwürdiger war es, dass Meräll nicht allein von König Kell dem Siebten regiert wurde, sondern auch eine der größten Gilden der Hauptstadt beinahe ebensoviel Einfluss auf die Geschicke des Landes hatte.

Doch wo es mächtige Magie gibt, gehen die Dinge selten den Lauf, den man vernünftigerweise vorhersehen könnte, und so fügte es sich vielleicht nicht von ungefähr so, dass vernünftige Menschen in der Magiergilde von Meräll eher rar waren.

 

Als Beispiel für die übliche Denkweise mächtiger Magier mag folgendes Gespräch dienen:

 

„Eisklinge? Dieser Schwächling? Das ist doch völlig aus der Luft gegriffen…wie kommt Ihr darauf?“ Kvandrian Feuerauge hob fragend eine Augenbraue, eine Geste die er in langen Stunden der Übung vor dem Spiegel vervollkommnet hatte. „Eisklinge hat streng genommen nicht einmal eine vernünftige Ausbildung!“

 

Reget Flammenhand rückte seinen Stirnreif zurecht, eine Geste, die er sich ohne jede Absicht angewöhnt hatte, seit er voll ausgebildeter Magier war und den Stirnreif trug. „Ich bin sicher.“ entgegnete er. „Die Kreaturen sind aus Schnee, und Eisklinge ist der einzige Eismagier den die Akademie der Gilde in den letzten hundert Jahren hervorgebracht hat. Dass er sich sein Wissen ausschließlich durch Bücher aneignen konnte, spielt angesichts der Tatsache, dass er die Abschlussprüfungen bestanden hat, wohl kaum eine Rolle.“

 

Kvandrian stützte die Ellenbogen auf den schweren Eichenschreibtisch, lehnte sich vor, und schüttelte den Kopf, als tue es ihm Leid, dass er Regets Theorie entkräften musste. In Wirklichkeit fand er größten Gefallen daran. „Eisklinge wäre niemals in der Lage, derartige Kreaturen zu schaffen. Selbst meine Magie speist nur zwei belebte Feuer, und diese Kreaturen aus Schnee treten im Dutzend auf.“

 

„Nun…“ Reget trat von einem Bein aufs andere, räusperte sich, und begann schließlich: „Firean vermutet, dass…“

 

Kvandrian brach in schallendes Gelächter aus. „Firean Feldsalat? Ich bitte Euch! Arbeitet er immer noch daran, Erde ohne den Umweg über die Pflanze in Brot zu verwandeln?“

 

„Nein!“ fuhr Reget ihn an. „Er widmet sich der Lektüre der alten Sagenaufzeichnungen! Euch ist sicher die Legende vom großen Eiskristall bekannt. Ich gehe davon aus, dass Eisklinge ihn gefunden hat und seine Macht nutzt um diese Kreaturen zu erschaffen. Wie Ihr sicher ebenfalls gelesen habt, steigert dieser Kristall die Macht eines Magiers ins Unermessliche – und genau damit haben wir es hier doch zu tun.“

 

Wieder schüttelte Kvandrian langsam den Kopf. „Dutzende Magier haben wochenlang nach diesem Ding gesucht; ohne Ergebnis. Warum sollte ein Einzelner ihn gefunden haben, gesetzt den Fall, es gäbe ihn tatsächlich?“

 

„Hat damals ein Eismagier mitgesucht?“

 

„Nun, nein, aber…nehmen wir einmal an, es wäre so. Nehmen wir einmal an, Eisklinge hätte beschlossen, nach dem Kristall zu suchen – warum hat er keine Unterstützung beantragt? So wie Ihr es darstellt hätte er zu Fuß in die Berge wandern müssen!“ Kvandrian lehnte sich gemütlich in seinem mit rotem Samt bezogenen Sessel zurück und wartete die Wirkung seiner Worte ab.

Während er dies tat, kam er allerdings ins Nachdenken, und schließlich fügte er hinzu „Aber es ist natürlich etwas, das wir in Betracht ziehen müssen. Ich fand ja schon immer, dass er etwas Verschlagenes an sich hat. Hat man nicht gemunkelt, er hätte Feenblut? Diese spitzen Ohren, er sah aus wie ein Mädchen…und dann das Theater wegen den Eisennägeln die ihm jemand in die Tasche geschmuggelt hatte…“

 

Reget bemühte sich redlich, sich nicht anmerken zu lassen, dass er genau wusste wer für die Sache mit den Nägeln verantwortlich war, und sich nun fragte, ob es wirklich so ein gelungener Scherz gewesen war wie er damals gedacht hatte. „Wir…waren nicht gerade freundlich zu ihm. Vielleicht hat er deswegen…“

 

„Unsinn. Den Neuen ein paar kleine Streiche zu spielen ist Tradition. Mir haben mal meine Freunde im Schlaf das Gesicht angemalt und…“

 

„Eisklinge hatte keine Freunde“, murmelte Reget „Und ich glaube, er hat sich unsere Scherze mehr zu Herzen genommen als beabsichtigt.“

 

„Na und wenn schon. Kein Grund, die Gilde nicht von seinem Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Aber er wird schon sehen was er davon hat…jetzt da wir wissen, wo er sich aufhält…“

Kvandrian verschränkte zufrieden die Arme hinter dem Kopf. „Ich habe da so eine Idee. Und ich weiß sogar schon, wen wir in die Berge schicken. Ihr lobt Mogdan ja immer in den höchsten Tönen…und er ist ja so ein wissbegieriger Junge…ja, ich bin sicher, er ist der Richtige.“

 

„Er ist noch ein Lehrling“, wandte Reget ein. „Wäre es nicht besser, wenn ich…“

 

„Nein, nein, das kommt gar nicht in Frage. Euere Abwesenheit würde die Gilde empfindlich schwächen, und König Kell würde so eine Gelegenheit mit Sicherheit beim Schopf ergreifen. Mogdan schafft das schon. Ich habe da nämlich einen Plan…“

Bestien aus Schnee

 

Das Feuer war beinahe heruntergebrannt, doch in der Ecke, in der Gwenda saß, war es noch angenehm warm.

Längst hatte sie aufgehört ihre Spindel zu drehen, lauschte nur noch dem Märchen das ihre älteste Schwester gerade erzählte. Bald würde es Zeit sein, heimzugehen, und eine weitere Woche voller langweiliger Arbeiten stand bevor.

„Kommt schnell!“ die Tür war aufgeflogen, der Luftzug wehte Regen in die Spinnstube. „Keran, er…“ das Mädchen konnte nicht weiter sprechen, doch Gwenda hatte den Namen verstanden.

Was war mit ihrem Bruder?

Sie hastete hinaus. Die Luft roch nach Regen, und mitten auf dem schlammigen Weg stand taumelnd ein dunkler Schemen, dessen Umrisse ihr vertraut waren.

„Keran!“

 Er kämpfte mit einer Art Hirsch, der sich in sein Bein verbissen hatte…nein – da steckte ein Horn in Kerans Bein!

Sie musste etwas unternehmen. Schnell. Aber was? Wie sollte sie sich so schnell etwas ausdenken? Wenn sie das Wesen angriff, würde es sie töten.

Es sei denn…der alte Apfelbaum…ja!

Der Ast war nicht allzu hoch, aber wenn sie hochsprang, nach ihm griff und sich an ihm hochzog, wäre sie in Sicherheit.

Sie griff einen morschen Ast und schleuderte ihn nach dem Wesen. Daneben. Ein Stein – Treffer!

„Komm doch her wenn du dich traust!“ rief Gwenda und lief zum Apfelbaum.

Das Wesen blieb bei ihrem Bruder. Gwenda wühlte in ihrer Schürzentasche. Die Murmel…da!

Auch diesmal traf sie.

„Gwen, lass das!“ rief Keran, aber es war zu spät – das Wesen zog sein Horn mühelos aus seinem Bein und drehte sich um.

Dann ging alles ziemlich schnell. Das Wesen kam näher, Gwenda sprang, und griff in leere Luft.

„Gwen!“

Sie warf sich zur Seite, und lag eine ganze Weile im Matsch des erst kürzlich getauten Bodens, bevor sie es wagte, den Kopf zu heben.

Neben ihr stand das hirschähnliche Wesen und schnüffelte an ihr. Gwenda blinzelte.

Es war ein Einhorn, wie in den Geschichten. Ohne jeden Zweifel. Der Körper war geformt wie der einer Hirschkuh, etwas zierlicher nur, und auf dem Kopf prangte ein einziges Horn, in sich selbst gedreht und glitzernd wie Eis.

Gwenda berührte den schlanken Hals. Er fühlte sich an wie ein frisch geformter Schneeball, glatt und kalt.

Nur die Augen des Tieres schienen nicht aus Schnee oder Eis zu sein, in ihnen leuchtete ein seltsames, grünes Licht.

„Gwenda!“ rief jemand. „Geh von dem Ding weg!“

Kurz darauf überschlugen sich die Ereignisse. Gwenda rollte sich weg, ein Knirschen ertönte, das Einhorn  bäumte sich auf  -  und dann war der Spuk vorbei. Ein Haufen Schnee lag dort, wo das Einhorn gewesen war.

Hinter ihm stand Gwendas älteste Schwester Lanea, ein großes Küchenmesser in der Hand. An seiner Spitze hing ein großer, dunkler Klumpen.

Endlich konnte Gwenda sich aufrappeln, klopfte notdürftig den Dreck von ihrem Kleid und lief zu den anderen.

„Wo ist Keran?“

Ihre Schwester wies auf die Eingangstür der Spinnstube „Ilfhild kümmert sich um ihn.“

Sie ließ das Messer fallen und schloss Gwenda in die Arme. „Du verrücktes Huhn, du hättest sterben können!“

„Bin ich aber nicht“ Gwenda vergrub ihr Gesicht im Haar ihrer Schwester. „Hast du das Ding getötet?“

„Glaub schon“ meinte Lanea. „Hab einfach reingestochen, hoffentlich das Herz erwischt.“ Sie hob das Messer auf und hielt es in das Licht, das aus der geöffneten Tür sickerte.

Stirnrunzelnd besah sie sich, was darauf aufgespießt war:  Ein Eichhörnchen.

„Ein Herz sieht anders aus.“

Nach und nach kamen die anderen Mädchen und Burschen näher. Gemurmel wurde laut. Und Gwenda war plötzlich wahnsinnig müde.

„Wir sollten wohl heimgehen…“ sie gähnte. „Was ist mit Keran? Kann er…“

„Ich bleib noch bei ihm, geh du mit Sanda nach Hause.“

Sie gingen nicht, sie rannten. Wer wusste schon, ob das Einhorn allein gewesen war?

Der Weg zum Hof am Rande des Waldes erschien Gwenda diesmal länger denn je, und sowohl sie als auch ihre jüngere Schwester atmeten erleichtert auf, als die Haustür hinter ihnen zufiel.

„Sollen wir Mutter wecken?“ fragte Sanda unsicher.

„Besser nicht“ Gwenda ging in die Hocke und begann ihre Schuhe auszuziehen. „Du weißt, wie schlecht sie in letzter Zeit schläft – sie erfährt das mit Keran noch früh genug“

Lieber nicht dran denken. Die alte Ilfhild würde es schon richten. Ganz sicher.

 

 

 

*

 

Der Thronsaal von König Kell war aus grob behauenen Steinen erbaut, vom Ruß von Jahrhunderten geschwärzt, und alles in allem kein Ort an dem man sich länger aufhalten mochte.

Am Kopfende des Raumes saß der König auf dem alten, steinernen Thron, neben ihm standen seine Wachen, voll gerüstet und bewaffnet.

Die beiden Magier, die in der Mitte des Raumes standen, sahen in ihren roten Roben recht ähnlich aus, doch ihre Gedanken unterschieden sich sehr. Kvandrian nahm zur Kenntnis, dass sie in den alten Thronsaal gerufen worden waren, der ohnehin schon ein unbequemer Ort war, dass nicht nur an Kerzen, sondern auch an Feuerholz gespart worden war, und schlussfolgerte daraus, dass König Kell seine Überlegenheit zur Schau stellen wollte, indem er sie frieren ließ.

Kvandrian war schon drauf und dran, das magere Feuerchen im Kamin hell auflodern zu lassen, um dem König einen Denkzettel zu verpassen, besann sich dann aber gerade noch rechtzeitig auf seinen Plan.

Der Plan, der dafür sorgen würde, dass König Kell sich so etwas nie wieder würde erlauben können. Um genau zu sein würde König Kell überhaupt nichts mehr tun können wenn alles so geschah wie von Kvandrian vorgesehen.

 

Reget dagegen weilte in Gedanken bei seiner Verlobten, und der Frage, ob sie Kvandrians Plan billigen würde. Wahrscheinlich eher nicht, sie hatte feste Grundsätze und den König zu stürzen war nun doch etwas…unmanierlich. Auf der anderen Seite – wenn je ein König es verdient hatte, gestürzt zu werden, dann doch wohl dieser.

„Habt ihr endlich herausgefunden, woher diese Monster kommen?“, fragte eben dieser König jetzt ohne ein Wort der Begrüßung.

Als dem Oberhaupt der Gilde kam es Kvandrian zu, diese Frage zu beantworten. Er räusperte sich umständlich. „Nun, nach der gründlichen Durchsicht der Bücher, und noch einigen Nachforschun…“

„Komm zur Sache“ Mehrere Lagen Brokat raschelten, als der König sich von seinem Thron erhob. Seine Hand näherte sich dem Schwert an seiner Seite. Seine Wachen ahmten die Bewegung beinahe gleichzeitig nach.

Kvandrian hielt es für ratsam, sich kürzer zu fassen.

„Sie werden geschaffen. Von, nun ja…einem Magienutzer. Ein Abtrünniger. Es ist uns unerklärlich, warum er sich von der Gilde abgewandt hat.“

„Nun“, warf Reget  ein, „Ich hatte da ja eine Vermutung geäußert weshalb Eisklinge nicht…“

„Ruhe!“ donnerte der König. „Seine Gründe interessieren mich nicht, ich will, dass er beseitigt wird. Im Gegensatz zu euch habe ich etwas unternommen. Einer meiner Boten hat von einem Mädchen erzählt…“

Die beiden Magier hörten aufmerksam zu, und waren dann doch recht überrascht. Eigentlich hätten sie selbst darauf kommen müssen. Eigentlich.

Also musste die Sache komplizierter sein, als sie sich anhörte.

„Wenn es nur die Sache mit der Unschuld und Reinheit und so wäre, hätten sich schon andere Einhörner so verhalten“, meinte Reget schließlich. „Das Mädchen muss etwas Besonderes sein. Vielleicht könnten wir es holen lassen und ein paar Versuche durchführen um…“

„Nein. Das Mädchen geht dahin, wo die Monster herkommen. Und zwar so bald wie möglich.“ Der König setzte sich wieder. „Ich kann es mir nicht leisten, noch länger nichts zu unternehmen. Wo sagtet ihr noch, lebt dieser „Magienutzer“?“

„Er muss den großen Eiskristall gefunden haben, Euer Majestät, und der wiederum bildet den Sagen zufolge das Zentrum des…“

„Wo?!“ 

„In den Drachenzehenbergen am Feenwald.“

 

 

 

                                                                                   *

 

 

 

 

Die Festung der Magiergilde lag in der Sonne wie ein schlafender Drache. Innerhalb ihrer Mauern erstreckten sich weite Rasenflächen, und auf diesen Rasenflächen, genau neben den Rosenbeeten, war ein Käfig aus dem besten Stahl erbaut worden, der für Geld zu kaufen war.

In diesem Käfig flatterte etwas unermüdlich auf der Stelle.

Es sah aus wie eine mittelgroße Schlange, mit einer Art Hornzacken auf dem Rücken. Sowohl der gewundene Leib, als auch die durchscheinenden, fledermausartigen Flügel glitzerten in der Frühlingssonne.

„Sieht nicht gerade gefährlich aus“, bemerkte der König herablassend.

„Das täuscht, Euer Majestät. Ihre Zähne enthalten Gift, das jegliches Lebewesen in Eis verwa…“

König Kell sah offenkundig keinen Grund, das Oberhaupt der Magiergilde ausreden zu lassen. „Habt ihr immer noch keine Möglichkeit gefunden, mit ihnen fertig zu werden?“

„Magie kann nichts gegen sie ausrichten. Das einzige, was irgendeine Wirkung zeigt ist Feuermagie…Mogdan, eine Demonstration bitte!“

Der Angesprochene, ein junger Magier in roter Robe, hob gelangweilt die linke Hand, intonierte die Zauberformel mit exakt der richtigen Betonung, und eine Kugel aus Feuer schoss auf das Schlangenähnliche Etwas zu.

Als die Helligkeit nachließ, konnte man sehen, dass der Schnee angetaut war. Das Wesen hob den Kopf und fauchte, bösartig wie eh und je. Nur, dass auf seinem Leib jetzt eine dünne Eisschicht schimmerte, und die Zacken auf dem Rücken durchsichtig waren, und verbogen wie geschmolzenes Metall.

„Wenn man Glück hat, verformen sich die Giftzähne“, erklärte Kvandrian. „Ich denke Mogdan wäre eine gute Wahl um…“

„Er ist noch ein Lehrling. Es gibt bestimmt bessere Magier.“

„Nun, das mag so sein, ja, aber wir brauchen…“

„Die Sicherheit des Landes sollte auch für die Magiergilde das Wichtigste sein. Ich schicke immerhin einen meiner besten Männer.“

Ein gehässiges Grinsen breitete sich auf Kvandrians Gesicht aus. „Ja, wir haben davon gehört. Askan von Eschengrund, nicht wahr?  Fähiger Schwertkämpfer, beliebt bei den Frauen, Gerüchten zufolge hat sogar Eure Gemahlin…“

„Schweig!“

Wenn Blicke töten könnten, dachte Mogdan, gäbe es jetzt zwei Tote. Und er gehörte nicht dazu.

Würdevoll strich er seine Robe glatt. „Euere Majestät haben da einen wichtigen Punkt angesprochen. Ich bin mit meinen Studien noch nicht…“

„Er ist so bescheiden!“ Das Grinsen des Gildenältesten – Kvandrians Titel, alt zu sein war keine notwendige Voraussetzung - sah jetzt eher so aus, als leide er an Verstopfung. „Dabei ist er der Beste seines Jahrgangs. Eigentlich hat er seinen Abschluss schon so gut wie in der Tasche.“

Ja, das hatte er. Vorausgesetzt, er nahm an dieser Selbstmordmission teil. Wenn -, nein, falls er zurückkehrte, würde er seinen Abschluss ohne Prüfung bekommen.

Aber wahrscheinlich nur, wenn er jetzt brav die Klappe hielt – der Blick des älteren Magiers verhieß nichts Gutes.

„Nun denn…“ der König räusperte sich. „Von mir aus. Er soll seine Sachen packen, ich schicke Askan her um ihn abzuholen.“

Als der hohe Besuch gegangen war, durfte Mogdan sich erst einmal eine ganze Tirade von Vorwürfen anhören.

„Fast hättest du alles ruiniert! Was willst du denn noch? Ich habe dir doch schon den Goldreif mit Rubin zugesichert – eine Ehre, die dir normalerweise erst mit vierzig zuteil geworden wäre, wenn überhaupt. Und…“

Mogdan schaltete auf Durchzug. Dieser ganze Krimskrams war ja ganz nett, ja, aber dafür sein Leben aufs Spiel setzen?

Die Prüfung hätte er mit links und verbundenen Augen geschafft, und was den Goldreif anging…irgendwelche Deppen vom Land machten sich vielleicht vor Aufregung die Hose voll, wenn sie nach ihrem Abschluss den silbernen Stirnreif bekamen, aber Mogdan sah daheim genug Edelmetall.

Darauf, es auf dem Kopf tragen zu dürfen, hätte er auch noch eine Weile warten können.

Überhaupt noch einen Kopf zu haben, war ihm wesentlich wichtiger.

„…deinen Abschluss und den Goldreif mit Rubin noch vor deinem Aufbruch. Wenn du dich weigerst…“

Der Satz blieb unbeendet, aber Mogdan ahnte, dass es klüger wäre, das Angebot anzunehmen.

 

 

*

 

 

Ein Brief an Fürst Varian vom Feenwald

 

 

Wie Ihr sicher wisst sind die Dienste von Magiern nicht billig, und die von feensichtigen Magiern nahezu unbezahlbar. Wenn Ihr mir aber einen kleinen Dienst erweist, werde ich einen solchen Magier aussenden, damit er Euer Feenproblem untersucht und alle Kosten dafür tragen.

In kurzer Zeit wird Askan von Eschengrund bei Euch vorsprechen; ich habe ihn angewiesen sich an Euch zu wenden wenn er etwas brauchen sollte. Gebt ihm Unterkunft und behandelt ihn gut.

Sollte er aber aus dem Feenwald zurückkehren, dann sorgt dafür, dass er einen Unfall erleidet. Ihr versteht mich.

 

 

XXX

 

 

 

                                                                        *

 

 

An Gwendas Alltag änderte sich durch die Verletzung ihres Bruders einiges – sie übernahm einen Anteil der Aufgaben, die sonst er erledigt hätte, und oft war sie es, die ihm das Essen brachte.

Da die Küche tagsüber zu betriebsam war, schlief der Verletzte im Elternschlafzimmer, das als einziges Schlafzimmer zu ebener Erde lag. Die Eltern hatten sich auf die Ofenbank umquartiert.

Gwenda half gerade ihrer Mutter beim Kochen, als es an der Tür klopfte. An der Vordertür, nicht an der Hintertür, die tagsüber unverschlossen war und von allen Bekannten benutzt wurde.

Besucher an der Vordertür waren wichtig, deswegen ging die Mutter sie begrüßen, während Gwenda darauf achtete, dass der Kessel nicht zu tief überm Feuer hing und den Haferbrei umrührte.

 

„Entschuldige bitte die Störung.“ Eine fremde Männerstimme. Gwenda vergaß das Rühren sofort.

„Wir suchen ein Mädchen namens Gwenda.“

 

Nun vergaß sie auch das Feuer.

 

„Oh, also, das tut mir furchtbar Leid, hoher Herr, aber da kann ich nicht helfen. Hier gibt es kein Mädchen namens Gwenda.“

 

Gwenda hielt die Luft an. Dass ihre Mutter log, das hatte es noch nicht gegeben!

 

„Seht Ihr, wir sind falsch. Hab ja gleich gesagt, das ist bestimmt nicht der letzte Hof in diesem Dorf“, mischte sich eine weiter fremde Stimme missmutig ein.

 

„Nun, da habt Ihr wohl Recht. Wenn Gwenda nicht aufzufinden ist, dann brechen wir eben ohne sie auf. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu vergeuden.“ 

 

So war es wohl auch besser, dachte sich Gwenda, und ihr fiel der Haferbrei wieder ein.

 

„Nein, wartet“ meldete sich die zweite Stimme wieder zu Wort. „Vielleicht habt Ihr Euch den Namen falsch gemerkt. Wir suchen das Mädchen, das ein Schneeinhorn gezähmt hat.“

 

Just in diesem Moment verbrannte sich Gwenda, die etwas zu hastig nach dem Kochlöffel gegriffen hatte am heißen Kessel, und schrie auf.

 

„Gwenda! Ist was passiert?“

 

Es hatte wohl seine Gründe, dass ihre Mutter sonst nie log.

 

„Soso, es gibt hier also keine Gwenda, ja?“ 

 

Sie drehte sich um. Der Mann, der jetzt hinter ihrer Mutter durch die Tür trat trug ein rotes Kleid und einen goldenen Stirnreif – ein Magier! 

Jetzt verschränkte er die Arme vor der Brust.   „Für wie blöd hältst du uns eigentlich, Weib?“

 

Die Mutter stemmte die Arme in die Hüften. „Für wie blöd haltet Ihr mich? Wenn so hohe Herrschaften nach einem Bauernkind fragen, dann hat das nie was Gutes zu bedeuten, so viel weiß ich auch schon!“

„Das ist wohl wahr“ sagte der andere Fremde, der in der Tür stehen geblieben war. „Doch das Übel mag von anderer Art sein als du befürchtest. Dürfen wir eintreten?“

 

„Ja…natürlich…“ sagte die Mutter verwirrt.

 

Er trat ein und schloss die Tür hinter sich. Seine Kleidung war aus gutem Wollstoff, häufig ausgebessert, doch man konnte sehen, dass sie früher einmal grün gewesen war; der Umhang war mit einer Silberfibel zusammengehalten; die Gürtelschnalle war ebenfalls aus schimmerndem Silber, und am Gürtel  hing ein Schwert.

Ein Ritter!

War sie denn die Einzige im ganzen Land, die so einem Einhorn begegnet war?

Oder zumindest, die es überlebt hatte?

Und warum war das so wichtig, dass man einen Magier und einen Ritter schickte, sie zu finden?

 

„Die schlechte Nachricht zuerst; wir sind im Auftrag des Königs gekommen um Gwenda mitzunehmen.“

 

Nun kam wieder Leben in Gwendas Mutter. „Unser ältester Sohn liegt dank diesem Untier aus Schnee verletzt im Bett, und jetzt holt man auch noch meine Tochter, weil sie das Schlimmste verhindern konnte. Wenn der König schon nicht an uns denkt, könnte er wenigstens an die Ernte denken. Und die bringen wir so ganz bestimmt nicht rechtzeitig ein.“

 

„Es gibt Wichtigeres als deine Rübenernte!“ mischte sich der Magier ein.

 

„Ja, der Haferbrei brennt gleich an, Mama. Kümmerst du dich darum?“ Gwenda sah die Fremden neugierig an. Im Auftrag des Königs! So wichtig war sie?

Für einen Moment fühlte sie sich wie die Heldin eines Märchens. Aber der Traum verpuffte schnell – beide sahen die Fremden nicht wie Männer aus, die eine frohe Botschaft zu überbringen hatten.

 

Der Ritter räusperte sich. „Wir haben versäumt uns vorzustellen. Ich bin Askan von Eschengrund.“

 

„Mogdan Feenauge“ Der Magier sah schon etwas freundlicher drein. „Die Sache ist die, wir brauchen deine Hilfe.“

 

„Meine Hilfe?“ Das hörte sich gut an – jedenfalls wollte man sie wohl nicht dafür bestrafen, das Einhorn beschädigt zu haben oder so.

 

„Das Einhorn wurde von einem bösen Magier geschickt, den wir unschädlich machen sollen. Wir können jede Hilfe brauchen die wir kriegen können“, erklärte der Magier.

 

„Einem Magier?“

 

„Äh, ja.“ Der Magier rückte seinen Stirnreif zurecht. „Keiner von uns. Also nicht wirklich. Grober Verstoß gegen die Gildenregeln. Sollte sich herausstellen, dass es der ist den wir vermuten, dann wird ihm sofort die Mitgliedschaft

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 06.08.2016
ISBN: 978-3-7396-6785-0

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