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Kapitel 1

„Ich liebe dich!“ Alex lächelte und schickte die SMS ab. Lisa war ein Schatz! Gut, nachdem er ihr erzählt hatte, warum er Rahjadans Handynummer nicht bekommen hatte, war sie erstmal ziemlich geschockt gewesen…aber immerhin hatte sie ihm, anders als Rahjadan, genau erklärt was sie gegen seine Pornosammlung hatte.

„Stell dir vor, du lernst einen schwulen Mann kennen…“ hatte sie gesagt, „…ein gutes Stück älter als du…der sich jeden Abend Filme reinzieht in der Jungen wie du von Kerlen wie ihm vergewaltigt werden. Würdest du mit dem noch zu tun haben wollen?“

 

Bei dem Gedanken war ihm übel geworden. Und nachdem er eingehend darüber nachgedacht hatte, hatte er nicht verstanden, warum Lisa überhaupt noch mit ihm redete.

„Wir Frauen sind Kummer gewohnt“, hatte sie gemeint. „Hauptsache, du änderst dich.“

 

Das hatte er getan. Lisa war jetzt so was wie seine beste Freundin. Jonas dachte natürlich, sie wäre seine feste Freundin. Deswegen hatte er auch verstanden, warum Alex das Con dieses Jahr mit ihr verbringen wollte.

 

In Wahrheit hatte Lisa ihm geholfen, den Plan zu entwickeln. Den Plan, der Rahjadan dazu bringen würde, wieder mit ihm zu reden. Der Plan, mit dem er herausfinden würde, ob Rahjadan auf Männer stand. Der Plan mit dem er Rahjadan vielleicht ins Bett…aber dazu müsste es schon sehr gut laufen.

 

Besonders, weil Rahjadan vielleicht eine Freundin hatte. Lisa hatte zwar herausgefunden, dass das Mädchen, mit dem Rahjadan die ganze Zeit aufeinandergehangen hatte, in Frankfurt wohnte.

Musste nichts heißen. Konnte immer noch eine Fernbeziehung sein.

Aber vielleicht…vielleicht waren die beiden ja nur befreundet, so wie er und Lisa.

 

Hatte Lisa auch gemeint. Und der Plan war einfach genial. Lisa kannte ein paar Leute die Untote spielten. Die würden Rahjadan auflauern, während er – auf Lisas Einladung hin – zum Lazarett unterwegs war. Und dann würde Alex ihn retten. Wenigstens im Spiel musste Rahjadan dann einfach mit ihm reden.

Es konnte eigentlich gar nicht schief gehen.

 

 

 

 

Alex schlug das Herz bis zum Hals. Hier musste Rahjadan vorbeikommen. Im Gebüsch gegenüber lauerten schon die Untoten. Jetzt durfte er keinen Fehler machen.

Da – etwas Rotes! Das war Rahjadan. Und da kamen auch schon die Untoten.

Mit einem Satz sprang Alex zwischen sie, und ging auf einen von ihnen los. Wie abgemacht, kämpften sie alle gegen ihn. War ja auch logisch so. Rahjadan war nicht gefährlich für sie.

 

Nach einer Weile lief Alex der Schweiß über die Stirn. Die Untoten schenkten ihm nichts. Er hatte sich das anders vorgestellt, aber sagen konnte er das nicht, Rahjadan sollte ja nicht wissen, dass es abgesprochen gewesen war.

Scheiße – die erste Beinverletzung. Alex kämpfte verbissen weiter. Ein Untoter stand noch, und wollte sich einfach nicht geschlagen geben. Alex schlug noch einmal zu, wich dann aber dem Gegenschlag nicht rechtzeitig aus. Armwunde. Nur der linke Arm, okay…jetzt musste der aber…dass die ihn umbrachten war nicht abgemacht gewesen…scheiße! Das andere Bein...

 

Alrik sank in die Knie. Das war nun also sein Ende. Aber Rahjadan würde leben, musste leben. Mit grimmiger Miene holte Alrik zum letzten Schlag aus. Der Untote zerfiel zu Staub, und Alrik, der sich nur mit der Kraft der Verzweiflung so lange auf den Beinen gehalten hatte, kippte vornüber ins Gras.

 

Wie von fern hörte er die Stimme des Geweihten. „Haltet durch! Ich werde…Alrik? Seid Ihr das? Es…es tut mir Leid.“

Sein Körper wurde leichter. Starb er? Doch seine Wunden schmerzten immer noch.

Plötzlich fühlte er, wie er emporgehoben wurde, spürte Wärme…

 

Alex kam sich vor wie ein Mehlsack. Wie einen solchen hatte ihn Rahjadan gerade über beide Schultern geworfen und trug ihn Richtung Lazarett. Einen Mehlsack hätte der unverhoffte Körperkontakt aber wohl weniger verwirrt.

Dass der Plan so gut laufen würde, hatte er nicht gedacht. Eigentlich hatte er auch nicht vorgehabt, dass die Sache für ihn so würdelos endete, aber das war nebensächlich. Rahjadan sprach wieder mit ihm – er hatte gefragt, ob er ihn tragen durfte – und schien überhaupt nicht mehr an die Sache vor zwei Jahren zu denken.

 

Seinen Namen hatte er aber auch nicht vergessen.

 

Kurz vor dem Lazarett sank Rahjadan in die Knie und brach zusammen. Das tat er aber so langsam, dass Alex relativ angenehm auf dem Boden ankam.

 

Serafaliel kam angelaufen und nahm sich des Verwundeten an, während Rahjadan erklärte, was geschehen war. „…leider hat die schöne Göttin in diesem Land kaum Macht, sonst hätte ich…“

„Macht Euch keine Vorwürfe“, sagte Serafaliel freundlich. „Ihr habt ihn ja hergebracht, wir kriegen ihn schon wieder hin…oh…das sieht übel aus…er verblutet gleich! Hol mir jemand einen Heiltrank!“

 

Immerhin, auf Lisa war Verlass. Stundenlang den Verletzten spielen zu müssen, hätte seinen Plan endgültig aus dem Ruder laufen lassen, aber mit dem Heiltrank war er nach einer Minute wieder auf den Beinen.

 

„Wenn ich gewusst hätte, dass es außerhalb der Stadt so gefährlich ist, hätte ich Alrik geschickt um Euch abzuholen, Euer Gnaden“, erklärte Serafaliel zerknirscht. „Ich dachte…weil mich nie jemand angegriffen hat…“

 

„Alrik ist…Ihr und Alrik seid…“

 

„Das ist Alrik“, stellte Serafaliel ihn überflüssigerweise vor. „Er arbeitet für uns. Keine Ahnung, wie wir früher ohne Söldner ausgekommen sind. Morin und Tarli können zur Not zwar auch kämpfen, aber sie sind hier um heilen zu lernen.“

 

„Ah…“

 

„Es ist uns eine Ehre, dass Ihr gekommen seid, Euer Gnaden!“ Serafaliels Meisterin, Frau Aline, war eingetroffen, und Alex staunte wieder einmal aufs Neue darüber, dass sie tatsächlich schon graue Haare hatte.

Wenn er sich seine Mutter auf einer Con vorstellte…aber eigentlich konnte er sich das gar nicht vorstellen.

 

„Noch einmal vielen Dank für Eure Hilfe bei dieser unschönen Angelegenheit…“

 

„Nichts zu danken, dazu bin ich doch da.“

 

Alex musste sich das Grinsen verkneifen. Serafaliel hatte sich mit vollster Absicht eines der verbotenen Bücher besorgt, deren Lektüre zu Dämonenbesessenheit führen konnte. Und hatte Selbige dann so gut gespielt, dass er es fast bedauert hatte, bei der Austreibung des Dämons nicht anwesend sein zu können, damit Rahjadan nicht wusste, wohin er sich einladen ließ.

 

Rahjadan ließ sich, wenn ihm dämmerte, dass er in eine „Falle“ gegangen war, jedenfalls nichts davon anmerken.

Alex setzte sich ihm gegenüber ans Lagerfeuer, und achtete nicht weiter auf das Gespräch. Stattdessen beobachtete er, wie Rahjadan seinen Wein trank. Zu seiner Enttäuschung fehlte diesmal der faszinierende Gesichtsausdruck von damals, von dem er sich so sehnlich wünschte, ihn mit einer Berührung hervorrufen zu können.

Vielleicht war der Wein zu schlecht?

 

Auch der Eintopf, den es zum Abendessen gab, war offenbar nicht gut genug, um Rahjadan zu einer solchen Reaktion zu bewegen, obwohl er ihn lobte.

 

Der Schokoladenpudding…Alex sah wie gebannt zu, wie Rahjadan den ersten Löffel in den Mund schob. Da – war da nicht ein Aufflackern von – aber es war schon vorbei.

 

„Frau Serafaliel, Ihr seid eine herausragende Köchin.“

 

Sie lächelte. „Oh nein, nein…den Pudding hat Alrik gekocht.“

 

„Oh…nun, denn…ich bin beeindruckt.“ Rahjadan nickte ihm gnädig zu. Das war alles?

 

Dafür hatte er sich die Mühe gemacht, zu lernen, Pudding ohne Päckchen zu kochen? Mit echter Vanille und allen Schikanen?

 

Nach dem Essen wollte Rahjadan gehen, aber Serafaliel meinte geistesgegenwärtig „Bleibt doch noch eine Weile. Jetzt ist es ohnehin schon dunkel, und Ihr könnt auch hier schlafen. Wir haben genug Feldbetten, und bei Alrik ist noch Platz im Zelt.“

 

Frau Aline nickte. „Ihr seid herzlich eingeladen. Das heißt, wenn es Alrik nichts ausmacht…“

 

„Es wäre mir eine Ehre“, sagte er leise.

 

„Nun…nun gut.“ Rahjadan, der schon aufgestanden war, setzte sich wieder. „Vielleicht ist es so sicherer.“

 

Frau Aline ging zeitig schlafen und überließ es den Jüngeren, den Gast zu unterhalten. Die allerdings begaben sich so früh zur Ruhe wie unauffällig möglich.

Zuletzt ging Serafaliel, die nach einem ausgiebigen Gähnen darauf hinwies, dass sie ihren Schönheitsschlaf brauche.

„Ihr seid immer wunderschön“, erwiderte Rahjadan darauf galant. „Es fällt mir schwer zu glauben, dass eine durchfeierte Nacht das ändern könnte. Aber wenn Ihr müde seid, dann geht nur, und schlaft gut.“

 

„Danke!“ Serafaliel tänzelte so fröhlich in ihr Zelt, dass es jedem schwergefallen wäre, ihr ihre Müdigkeit abzunehmen.

 

Alex starrte düster in die verlöschende Lagerfeuerglut. Lisa war schon hübsch, aber musste gerade Rahjadan das sagen? Damit war wohl klar, dass er auf Frauen stand…

 

„Wie Ihr seht habe ich Euren Rat befolgt“, sagte er in das unangenehme Schweigen hinein. „Hier bin ich wirklich in besserer Gesellschaft.“ Rahjadan antwortete nicht sofort, und Alex schob noch nach: „Und schönerer, wie Ihr so treffend bemerkt habt.“

 

„War das der Grund für Eure Entscheidung? Die Schönheit?“

 

„Nein. Euer Rat war es…“ Wie brachte er am besten an, dass sich nicht nur Alrik, sondern auch Alex geändert hatte?

 

„Das freut mich.“ Ein gezwungen wirkendes Lächeln.

 

Rahjadan war immer noch sauer auf ihn.

 

Alex nahm ein Scheit vom Brennholzstapel und stocherte in der Glut herum. Was war noch mal sein Plan gewesen? Ach ja, richtig…Rahjadan erst mit seiner Rettung beeindrucken und dann seinen letzten Widerstand mit einem leckeren Pudding dahinschmelzen lassen.

So im Nachhinein klang es total behämmert. Kein Wunder, dass es nicht geklappt hatte.

 

Ein letzter Versuch. „Es ist noch Pudding da. Wollt Ihr…?“

 

„Nein, danke.“

 

Gut, dann nicht. Alex nahm sich die fast leere Schüssel und begann zu essen. Nach einigen hastig heruntergeschlungenen Löffeln erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit Rahjadan, an dessen entrückten Gesichtsausdruck, und begann, langsamer zu essen. Er wusste gutes Essen jetzt zu schätzen, das würde er Rahjadan zeigen…wenn auch sonst nichts.

Der Pudding war wirklich gut, das hatte er vorhin gar nicht so recht gewürdigt…und jetzt war fast nichts mehr da.

Er bemerkte erst, dass er den Löffel sauber leckte, als er Rahjadans Blick auf sich ruhen sah. Peinlich berührt legte er den Löffel in die leere Schüssel und stellte beides zum Stapel für den morgigen Abwasch.

 

„Ich glaube, ich gehe jetzt besser“, meinte Rahjadan unvermittelt. „Gute Nacht.“

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.07.2015

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