„Ihr seid Elben und wandelt gerade im Schatten der uralten Bäume des Fürstentums Menelenlaire, oder geht eurer täglichen Arbeit nach, als der helle Klang von kleinen Glöckchen die Stille des ehrwürdigen Buchenwaldes durchbricht. Ein schneeweißes Pferd prescht im Galopp heran, und die Reiterin, eine Elbenfrau, springt ab und verlangt mit gebieterischer Stimme, vor den Fürsten gebracht zu werden. „Schlimme Kunde bringe ich“, erklärt sie „aus Dorindinith an den Berghängen, und überbringe die Bitte meiner Fürstin um nachbarschaftliche Hilfe.“
Das Nächste, was ihr von der Sache mitbekommt ist die Rede eures Fürsten.
„Ein Schatten ist auf Dorindinith gefallen“, berichtet er den versammelten Elben. „Angreifer, schlimmer als Orks, doch genauso hässlich, treiben dort seit drei Monden ihr Unwesen, sobald die Sonne nicht mehr am höchsten Punkt des Himmels steht. Und weniger sterblich als Orks sind sie wohl, denn die Botin hat mir berichtet, dass es immer und immer wieder die gleichen zu sein scheinen, erholt von tödlichen Wunden, die den Elben dort zusetzen.“
Ihr seid betroffen von dieser Nachricht, vielleicht aber auch neugierig, was das für seltsame Angreifer sein mögen.
„Doch ihr wisst“, erklärt der Fürst „Dass wir kein Bündnis haben mit Dorindinith, ja, dass, wäre es umgekehrt, wir auch keine Hilfe zu erwarten hätten. Und ich brächte mein eigenes Reich in Gefahr, würde ich Krieger nach Dorindinith entsenden. Es ist mein Wille und Beschluss, dass diese Botin morgen allein heimkehrt.“
Da tritt Duilin, ein einfacher Hauptmann im Heer von Menelenlaire nach vorn. „Herzlos ist es“, wendet er ein „unseren Nachbarn keine Hilfe zu schicken. Und könnt Ihr denn wissen, mein Fürst, ob Menelenlaire nicht das nächste Ziel jener Unholde ist, wenn sie Dorindinith überrannt haben? Ich bitte Euch, mein Fürst, lasst mich gehen und Dorindinith im Kampfe beistehen – und mit mir alle, die sich freiwillig bereit erklären mir zu folgen.“
Der Fürst sieht ihn lange an. „Es sei dir erlaubt. Doch ich nehme dich beim Wort: Nur jene, die dir aus freiem Willen folgen wollen, sollen mit dir gehen. Und wer wäre schon lebensmüde genug, das zu tun?““
Sören grinste. Wer wohl? Alle Larper dieser Welt natürlich! Die Dorindinith-Conreihe war einfach super.
Seine Schwester sah ihm über die Schulter. „Na, verkleidest du dich wieder als Monster und lässt dich verhauen?“
„Neeein…“ Sören lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. „In Dorindinith bin ich Dírhaval o Dorindinith…Herr Dírhaval, um genau zu sein, Sohn der Fürstin.“
„Dich einen Ork spielen zu lassen wär auch Verschwendung.“ Sie zupfte einer seiner langen Haarsträhnen. „Dein güldenes Haar prädestiniert dich zur Legolas-Kopie.“
Er gab ihr einen Klaps auf die Hand. „Sieht so aus. Sie haben nicht mal gelten lassen, dass ich nur höchst eindrucksvoll sterben kann, nicht kämpfen. Eigentlich war Dírhaval nur Heerführer. Jetzt ist die arme Frau Fürstin eine Witwe mit einem militärisch unfähigen Sohn, der aber trotzdem ihre Truppen befehligen darf, weil die Position erblich ist. Ehemann wollte die Spielerin keinen, das war ihr dann doch zu heikel zu spielen.“
Seine Schwester schnappte sich die Maus und scrollte nach unten. „Mensch – das sieht ja aus wie Bruchtal! Hat da ein Larper im Lotto gewonnen?“
„Fast. Linda hat eine reiche Manager-Mami. Deswegen spielt sie auch die Fürstin. Die Location gehört ihr. Sozusagen ein Ferienhaus, nur mit mehr Duschen und Klos.“
„Und was kostet der Spaß?“
So langsam wurde es…vielleicht ließ sie sich ja demnächst doch mal überreden, mitzukommen. „Mich? Fünfzig Euro, weil ich als Nichtspieler hingehe…andere berappen Hundert und dürfen nur gewöhnliches Fußvolk spielen…tja, das Leben ist ungerecht.“
„Ja. Spielt eigentlich auch jemand diesen Duilin? Der gefällt mir. “
Sören gefiel er auch. Theoretisch. Live war der sicher nicht so wie auf dem Papier.
„Das ist ne Spielerrolle wies aussieht. Tja, auch die weise Fürstin Dirnaith macht mal Fehler. Wetten, das ist so ein typischer Spieler, der von Disziplin nix hält, und von Hierarchie nur dann, wenn er am oberen Ende steht?“
„Was hast du immer gegen Spieler? Der Unterschied ist doch künstlich – ihr spielt alle bloß!“
„Sie sind die Bourgeoisie des Larp. Verwenden uns arme Nichtspieler als Punchingball, statt dankbar dafür zu sein, dass wir sie bespaßen, und scheiße spielen tun sie auch. 24-Stunden Spiel gilt nur für Nichtspieler…die Spieler setzen sich ab Sonnenuntergang hin und feiern, ob’s dazu im Spiel einen Grund gibt oder nicht.“
Es war Nachmittag, und überall wo keine Bäume vor der sengenden Sonne schützten, brannte sie gnadenlos auf die Elben nieder, die sich versammelt hatte um den eintreffenden Verstärkungstruppen einen würdigen Empfang zu bereiten.
Dírhaval wischte sich verstohlen den Schweiß von der Stirn. Als Hauptmann der Kriegerinnen und Krieger von Dorindinith hatte er zu diesem Anlass seine Paraderüstung zu tragen, und wenn auch der hellgraue Wappenrock die schlimmste Hitze abhielt, war es dennoch kaum auszuhalten.
Den Anführer der eintreffenden Elben schien die Hitze kaum zu berühren. „Duilin in Laire“ stellte er sich mit unbewegtem Gesicht vor, und verbeugte sich steif vor der Fürstin, die ihm in ihren luftig leichten Gewändern – wie Dírhaval seine Mutter darum beneidete! – entgegengegangen war.
Die Elben hinter Hauptmann Duilin waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, standen aber beinahe noch ordentlicher in Reih und Glied als Dírhavals uniformierte Armee.
Dirnaith hielt eine Rede, die sie mit dem Dank an die Elben schloss, die ihnen so selbstlos zu Hilfe gekommen waren.
„Wir tun nur unsere Pflicht, Frau Dirnaith, nicht mehr und nicht weniger“, erwiderte Duilin förmlich. „Wenn Dorindinith fällt, dann fällt früher oder später auch Menelenlaire.“
„Dennoch danke ich Euch. Willkommen in Dorindinith – folgt mir bitte, Ihr werdet Eure Rüstungen ablegen und Euch erfrischen wollen.“ Dirnaith drehte sich um und schritt voran, über die Brücke die ihr Reich vom Wald trennte, und zu den Pavillons, unter denen Tische und Bänke für das Abendessen aufgebaut waren, und wo schon Diener mit Bechern voller Wein und frischem Quellwasser warteten.
„Nur einen Becher Wein pro Kopf für meine Leute“, entschied Hauptmann Duilin.
„Die Nachtwachen sind bereits bestimmt“, erwiderte Dirnaith sanft. „Lasst Eure Leute ausruhen.“
„Ausgeruht sollen sie sein, wenn heute Nacht ein Angriff kommt, doch nicht betrunken. Auch will ich das letzte Tageslicht noch für Waffenübungen nutzen, denn nicht alle sind ausgebildete Krieger.“
Dírhaval ging seine Rüstung ablegen, und als er das Haus verließ waren die Waffenübungen im vollen Gange, der Hitze zum Trotz. Alle paar Minuten gab es eine Pause während der etwas getrunken werden durfte, doch dann ging der Drill unbarmherzig weiter.
Dírhaval sah eine Weile zu. Tatsächlich stellten sich einige sehr ungeschickt an, aber die weitaus meisten wirkten doch wie ausgebildete Krieger. Und gerade diese baten um ein Ende der Übungen, brannte ihnen die Sonne doch unbarmherzig auf die Rüstungen. Ihr Hauptmann kannte jedoch ebenso wenig Gnade wie die Sonne. Mit unbewegtem Gesicht überhörte er ihr Flehen einfach.
Nach einer Weile langweilten Dírhaval die Übungen, und da er bis zum Abendessen keine Verpflichtungen mehr hatte, brach er zu einem Spaziergang auf.
Obwohl er mehr oder weniger sein ganzes Leben hier verbracht hatte, erfreute ihn die Schönheit der Wälder immer wieder.
Es war ein lauer Sommerabend, und die Buchenstämme färbten sich golden im Licht der untergehenden Sonne – ein Moment den es so noch nie gegeben hatte, und den es nie wieder geben würde, dachte Dírhaval. Und auch das Plätschern des nahen Baches war immer wieder anders, und klang doch zugleich immer vertraut.
Er wusste nicht, wie lange er schon durch das Wäldchen gestreift war, als er schließlich auf die Lichtung mit dem kleinen Bach trat.
Offenbar eine ganze Weile, denn der Mann der, Dírhaval den Rücken zugewendet, am Bach saß, trug nicht die Uniform von Dorindinith, sondern die von Menelenlaire. Die Kampfübungen waren also beendet.
Dírhaval trat näher, unschlüssig, ob er ein Gespräch beginnen, oder den Anderen nicht in der Betrachtung des Baches stören sollte. Dann wurde ihm bewusst, dass nur wenige der Krieger aus Menelenlaire Uniform trugen. Dies musste ihr Hauptmann sein, Duilin. Merkwürdig…er wirkte gar nicht wie jemand, der die Schönheit der Natur zu schätzen wusste.
Aber betrachtete er überhaupt den Bach, lauschte er dem Geplätscher? Seine Schultern bebten…
Dírhaval hörte ein Schluchzen, und zuckte zusammen. Wie groß musste der Kummer sein, der die Selbstbeherrschung dieses Mannes brechen konnte?
Sören machte überrascht einen Schritt rückwärts. Scheiße – der Andere war gar nicht im Spiel! Natürlich hatte auf der Conankündigung was von 24 Stunden Spiel schön und gutgestanden, aber jeder brauchte mal eine Auszeit. Und jemanden beim Heulen zu stören ging ja mal gar nicht.
Peinlich berührt trat Dírhaval einen Schritt zurück. Ein Zweig zerbrach unter seinen Füßen; es knackte hörbar.
Im nächsten Moment war Duilin auf den Beinen, und sein Schwert nur wenige Handbreit vor Dírhavals Gesicht.
Kurz darauf steckte er das Schwert weg. „Bitte vergebt mir, Herr Dírhaval – ich hätte Euch früher bemerken müssen“, sagte er mit einer Verbeugung.
„Es gibt nichts zu vergeben. Ich war es, der früher hätte bemerken müssen, dass Ihr allein sein wollt.“ Er sah Tränen im Gesicht des Anderen, und war unangenehmer berührt, als hätte er ihn beim Baden ohne Kleidung überrascht.
Wahnsinn! Wie schaffte der das, von einem Moment auf den anderen wieder im Spiel zu sein? Er musste genauso beherrscht sein wie der Charakter den er spielte – was seine Trauer genauso verstörend machte wie die des steingesichtigen Hauptmanns.
„Keineswegs. Ich…“ Duilin wischte sich mit einem Taschentuch übers Gesicht. „Es ist angenehm kühl hier am Bach. Ihr kommt sicher oft hierher.“ ‚Und ich hätte es wissen müssen’, war die stille Botschaft seiner Worte.
„Es war nicht meine Absicht, zu hören, was nicht für meine Ohren bestimmt war, doch…“ Dírhaval räusperte sich. „Es muss ein großer Kummer sein, der auf Euch liegt. Wenn Ihr ihn allein nicht mehr tragen könnt…ich weiß, es geht mich nichts an, doch…fühlt Euch frei, Euch mir anzuvertrauen.“
Er konnte einfach nicht als Erster aus der Rolle raus, nicht nach gefühlten tausend Forenposts in denen sich Leute darüber beschwerten, dass das 24-Stunden-Spiel maßlos übertrieben gewesen war und andauernd über Fußball geredet wurde. Das würde die Organisatoren, und damit irgendwo auch ihn als Festrollen-Darsteller, bloßstellen. Der Andere würde schon…
„Habt Dank, Herr Dírhaval. Doch ich möchte Euch nicht mit meinen nichtigen Sorgen belasten. Wir beide wissen, dass nicht weit von hier etwas Böses lauert, das mich weit mehr beschäftigen sollte als…nun, andere Dinge.“
„Vielleicht wäre es gerade deshalb gut, wenn Ihr Euch jemandem anvertrautet…doch es ist wohl Zeit, zum Abendessen zurückzukehren.“
Was war das denn für ein verkrüppelter Satz? Egal, der Andere ignorierte es.
Dirnaith sparte bei der Bewirtung ihrer Gäste an nichts. Es gab Wild mit Waldbeeren, fein gewürztes Mus aus Wurzeln, kleine Kuchen aus Bucheckern, und natürlich, wie zu jedem Essen, Brot und Wein.
Duilin aß nur wenig. Ohne die Begegnung am Bach hätte Dírhaval es für bewusste Askese gehalten, doch nun fragte er sich, ob es der Kummer war, der ihm den Appetit verdarb.
Dìrhaval schämte sich ein wenig seiner Neugier, denn Neugier musste es wohl sein, die ihn sich ständig fragen ließ, was es wohl sein konnte, das den sonst so beherrschten Krieger derart aus dem Gleichgewicht brachte. Sie kannten sich nicht, und so konnte er kaum hoffen, dass er es jemals erfahren würde, geschweige denn in irgendeiner Weise helfen.
Dìrhaval zog sich früh zurückging früh schlafen, doch er fand lange keinen SchlafRuhe. Und er mochte wohl drei Stunden ausgeruhtgeschlafen haben, als laute Rufe ihn weckten.
Ein Angriff!
Hastig legte er seine Rüstung an. Gut, dass die Elben aus Menelenlaire sich früh zur Ruhe begeben hatten; jetzt dachte er mit Beschämung daran, wie er seinen eigenen Leuten erlaubt hatte, viel zu trinken und bis in die Nacht hinein zu feiern.
Duilin musste ihn für diese Unvorsichtigkeit verachten, und sicher würde er ihm seinen Kummer nie anvertrauen, nicht jemandem der so unzuverlässig war.
Verdammt – warum hatte die Orga ihm nichts gesagt? Als Darsteller eines Nichtspielercharakters hatte er sonstbisher immer den ganzen Plot gekannt…wann Angriffe angesagt waren meistens nur kurz vorher, aber trotzdem… also war es doch kein Versehen gewesen, dass er nur eine Liste mit Terminen bekommen hatte, wann er zu Versammlungen anwesend sein musste.
Ob Duilin jemanden kannte, der einen Ork spielte? Oder hatte er aus der 24-Stunden-Spiel Ankündigung messerscharf gefolgert, dass es auch zu nächtlichen Angriffen kommen würde, und darum für diesen Fall vorgesorgt?Okay, er selbst hätte es auch ahnen können…die Flutlichtanlage hatte er früher schon bemerkt...klar, dass die nicht nur Dekoration war.
Wie befürchtet war es nur ein Häuflein kampffähiger Kriegerinnen und Krieger, die Dírhaval in die Schlacht führen konnte, während die andren ihren Rausch ausschliefen. Doch dank der Umsicht des Hauptmanns aus Menelenlaire waren die Yrchuntoten Orks nicht in allzu großer Überzahl. Ein harter Kampf war es trotzdem.
Die Angreifer waren geschlagen, als Dírhaval den verzweifelten Ruf nach einem fähigen Heiler über das Schlachtfeld hallen hörte. Unwillkürlich leistete er dem Ruf Folge, denn neben seiner ererbten Position als Kommandeur der Armee war er einer der fähigsten Heiler des Landes.
Es war Duilin, der vor ihm am Boden lag. Die Rüstung hatten ihm seine Getreuen bereits ausgezogen. Dírhaval kniete neben dem Verwundeten nieder und versuchte, sich im Schein der Fackeln ein Bild von der Wunde zu machen.
„Wo bist du verletzt?“
„Keule auf die Brust. Ich bin fast tot.“
Ah…da konnte er sich austoben…und wieder mal eine dieser Empfehlungen geben, die niemand je beachtete…aber wenn man fast tot gewesen sein wollte, musste man dafür Opfer bringen, fand er. „Volles Programm mit Hemd ausziehen und Kunstblut?Darf ich dir das Hemd ausziehen?“
„Klar.“
Duilins Hemd war blutgetränkt. Dírhaval öffnete es behutsam, doch trotz all seiner Vorsicht sog Duilin scharf Luft ein. „Ist es schlimm?“ fragte er mit gepresster Stimme. Das Atmen bereitete ihm offenkundig Schmerzen.
„Es sieht nicht gut aus, aber um Genaueres sagen zu können muss ich Eure Rippen abtasten. Das wird wehtun.“
„Darauf braucht Ihr keine Rücksicht nehmen. Ich will so schnell wie möglich wieder kampffähig sein.“
Was für ein Sixpack! Nein Sören, ganz falscher Gedanke – nicht starren! Konzentrier dich verdammt, du hast einen Verletzten vor dir, einen Verletzten! Jetzt wäre eine Latexwunde echt nützlich...
Routiniert tastete Dírhaval den Brustkorb des Verwundeten ab. „Drei Rippen sind gebrochen und gefährlich nahe an der Lunge – kann jemand von Euch ihn festhalten?
Die Vorsichtsmaßnahme war überflüssig; Duilin versuchte nicht, auszuweichen, als Dírhaval seine Rippen zurechtrückte. Seine Krieger dagegen zuckten zusammen, wann immer sie das unheilvolle Knirschen hörten, das Dírhavals Tun begleitete.
Einer der FeldscherHeiler aus Menelenlaire brachte etwas von dem mit Kräutern versetzen Wein, der sich als wirkungsvollstes Mittel zum Auswaschen der von schmutzigen Orkwaffen geschlagenen Wunden erwiesen hatte.
Nun konnte Dírhaval die Fleischwunden besser sehen. „Das war eine schmutzige Waffe…da stecken Splitter drin…Stichverletzungen von herausragenden Stacheln…immerhin nicht tief…hier ist alles aufgeplatzt…das muss genäht werden.“
Dírhaval entfernte behutsam die Splitter, dDas Nähen erledigte der FeldscherHeiler aus Menelenlaire, unter seinenDírhavals wachsamen Augen.
„Vor morgen früh werdet Ihr sicher nicht kampftauglich sein“, befand Dírhaval, als alle Wunden versorgt waren.
Duilin stöhnte frustriert auf. „Wozu herumliegen, wenn ich sowieso keine Ruhe finde? Ich kann doch meine Leute nicht im Stich lassen…könnt Ihr nicht irgendetwas tun? Es darf ruhig auch gefährlich sein, wenn es mir nur diese Qual erspartIch bitte Euch, tut Euer Möglichstes.“
Dírhaval nickte. Er presste beide Hände auf die große Platzwunde.
„Drego naeg, tû dadwendo!“ Erst murmelte er die Worte, zuletzt schrie er sie fast.
„Du spürst keinen Schmerz mehr“, flüsterte Sören
„Morgen früh. Ruht bis dahin. Das ist keine Empfehlung, sondern ein Befehl.“
„Ich bin keiner Eurer Krieger! Ihr habt mir nichts zu befehlen!“
„Nicht als Euer Fürst, sondern als Euer Heiler befehle ich Euch, mein Werk nicht zunichte zu machen. Ihr tut besser daran, mir zu gehorchen.“ Dírhaval erhob sich. „Vor der Morgendämmerung will ich Euch nicht mehr sehen.“
Es war unbesonnen gewesen, die wenige Magie die ihm zur Verfügung stand auf die Betäubung von Duilins Schmerzen Beschleunigung dieser Heilung zu verwenden. Doch irgendetwas hatte Dírhaval dazu getrieben.
Vielleicht der Gedanke, dass er Duilin so wenigstens einen ungestörten NachtruheSchlaf verschafft hatte, bei derin dem er ein paar Stunden träumen und seinen Kummer vergessen konnte…
Nichtsdestotrotz, es war leichtsinnig gewesen. Was, wenn vor dem Morgen noch ein Angriff kam? Was, wenn jemand lebensbedrohlich verletzt wurde? Und Duilin hatte nicht gewirkt wie jemand, der gedachte, die Anweisung eines Heilers zu befolgen.
Ein wolkenloser Morgen dämmerte herauf, und Dírhaval hatte sich gerade auf die andere Seite gedreht, als er den Ruf der Wachen vernahm.
Ein Angriff.
Er hatte es geahnt!
„Ich bin so ein Trottel!“ knurrte er, mehr zu sich selbst als zu dem Jungen der ihm half die Rüstung anzulegen. „Wetten, der Anführer unserer lieben Gäste und Unterstützer steht schon draußen und lässt sich wieder von den Yrch zu Brei hauen? Ich hätte seinen Wunden nicht den Schmerz nehmen sollen, dann würde er jetzt schön im Bett liegen und sie heilen lassen…“
„Ja Herr. Bestimmt, Herr“, murmelte der Junge und reichte ihm sein Schwert. „Ich wünsche Euch Glück, Herr.“
„Danke. Das werde ich brauchen.“
Doch im Grunde sah es diesmal besser für ihn aus als beim ersten Gefecht. Seine Armee war zu größeren Teilen kampftauglich, und die Yrch waren weniger.
Aus den Bäumen regnete es Pfeile – Fürstin Dirnaith hatte die Bogenschützen in den Kampf geführt, nun da es Tag war, und das Zielen nicht mehr so schwer.
Und es war keine Spur von Hauptmann Duilin zu erkennen.
„Schläft noch“, gab man Dírhaval zur Auskunft als er sich im Anschluss an die Schlacht – bei der es glücklicherweise keine Verluste gegeben hatte – danach erkundigte. „Hat strikte Anweisung gegeben, ihn nicht vor dem Frühstück zu wecken, wenn Ihr nicht ausdrücklich nach ihm verlangt.“
„Ich?“
„Ihr. Er sagte, das sei er Euch schuldig, Herr.“
„Das erste Mal, dass sich jemand an meine Anweisungen hält, und dann ist es nicht mal jemand von meinen eigenen Leuten“, murmelte Dírhaval. Die Geste nötigte ihm Respekt ab.
Was für ein Mann! Es war natürlich alles nur gespielt, aber trotzdem…was für ein Mann! Einer dieser Augenblicke in denen er sich wünschte, wirklich ein Elb zu sein. Oder auch nicht. Die standen vermutlich nicht so auf gleichgeschlechtliche Liebe, wenn man bedachte wann der „Herr der Ringe“ geschrieben war. Nicht, dass der Spieler von Duilin…ach, verdammt! Es war doch nur ein Spiel! In echt war der doch eh ganz anders!
Das Frühstück hatte etwas von einer Siegesfeier, doch allen war klar, dass es nicht ausgestanden war. Hauptmann Duilin erbot sich, einige Leute in den Wald zu schicken, um auszukundschaften woher die Yrch kamen.
„Schon viele sind ausgezogen, das zu ergründen“, erwiderte Fürstin Dirnaith bedauernd. „Es ist, als würden sie wie Geister aus dem Nichts erstehen – keine Lagerfeuer brennen im Wald, keine Zelte sind aufgebaut – nichts.
„Und dennoch muss es eine Stelle geben, an der die Geister aus dem Nichts erstehen“, beharrte Duilin. „Irgendetwas muss es bewirken. Jemand sollte sich des Abends auf die Lauer legen um sie erscheinen zu sehen.“
„Der Tod wäre jenen tapferen Leuten gewiss, würden sie entdeckt“, wandte die Fürstin ein.
„Dann werde ich allein gehen“, erwiderte Duilin.
„Nein!“ Eine Kriegerin die weiter unten an der langen Tafel saß erhob sich. „Ich werde gehen. Mit Verlaub, Hauptmann, Ihr bewegt Euch im Wald wie ein ungeschickter Zwerg.“
Die Fürstin unterdrückte ihr Grinsen mit Mühe, aber wenig Erfolg. „Ist das wahr, Hauptmann?“
„Wahrer als mir lieb wäre“, murmelte er. „Aber…Ihr seid jung, Glamthêl. Werft Euer Leben nicht leichtfertig weg.“
„Jung? Ich bin gerade einmal fünf Jahre jünger als Ihr. Und im Gegensatz zu Euch setze ich mein Leben höchstens aufs Spiel – ich werfe es nicht weg. Dass ich entdeckt werde ist alles andere als sicher.“
„Sie spricht wahr“, meldete sich ein weiterer Krieger aus Menelenlaire zu Wort. „Wenn jemand ungesehen die Yrch beobachten kann, dann sie.“
Die Fürstin nickte langsam. „Ich werde für heute Mittag eine Versammlung einberufen, bei der entschieden werden wird, was wir in dieser Sache unternehmen. Wir waren nicht untätig, und haben auf Karten verzeichnet, wo im Wald diese Wesen bisher gesehen wurden. Doch nun widmet Euch eurem Frühstück; es ist nichts, was man gut beim Essen besprechen kann.“
Dírhaval tat wie geheißen, doch ihm entging nicht, dass Duilin abermals nur wenig mehr als etwas Brot zu sich nahm.
Er war nicht der Einzige, dem es auffiel. Auch die Fürstin bemerkte es. „Ihr habt ja noch gar nichts gegessen – hier, versucht die Pfannkuchen.“
Sie häufte ihm drei auf den Teller, von denen er nur den ersten überhaupt anrührte, und auch das wohl mehr aus Höflichkeit.
Schließlich ertrug Dírhaval den Anblick nicht länger. „Mutter, Ihr werdet entschuldigen – ich muss unter vier Augen mit Hauptmann Duilin sprechen, es duldet keinen Aufschub.“
„Lass ihn wenigstens sein Frühstück beenden.“
„Danke, Frau Dirnaith, aber das ist nicht nötig. Wenn Herr Dírhaval sagt, dass es keinen Aufschub duldet, wird das seine Gründe haben.“ Duilin war sichtlich erleichtert, aufstehen zu dürfen.
„So ist es.“ Dírhaval erhob sich. „Nun entschuldigt uns bitte.“
Mit schnellen Schritten entfernte er sich von dem Platz vor dem Haupthaus, wo die Tische aufgestellt waren. Als der Abstand ausreichend war, ging er langsamer.
Wie erwartet war Duilin ihm gefolgt. „Ihr wolltet mich sprechen?“
„Ein Vorwand. Mir schien, Ihr hattet keinen rechten Appetit, und ich wollte Euch der Notwendigkeit entrheben, aus Höflichkeit mehr zu essen als Ihr wollt.“
„Habt Dank. Es war mir fürchterlich unangenehm, zumal das Frühstück köstlich war – köstlich gewesen wäre, wenn nicht...“ Er beendete den Satz nicht.
„Ich verstehe.“ Sie befanden sich jetzt in dem Wäldchen, auf dessen anderer Seite der Bach plätscherte. Noch brannte die Sonne nicht, und im Schatten der Buchen war es beinahe kühl.
„Ich muss mich bedanken“, begann Dírhaval nach einer Weile. „Ihr seid der erste, der meine Anweisungen bezüglich einer Verwundung befolgt hat.“
„Der erste, der nicht Eurem Befehl untersteht?“
„Der erste überhaupt. Bedauerlicherweise findet meine Mutter, die Fürstin, es sei nicht rechtens, dass ich meine Leute in meiner Funktion als Hauptmann dafür bestrafe, dass sie das, was ich ihnen in meiner Funktion als Heiler gesagt habe, missachten.“ Er seufzte. „Dabei mindert es erheblich die Kampfkraft meiner Truppen.“
Tatsächlich waren ihm die, die die Folgen ihres Ungehorsams auch ausspielten noch am Liebsten. Die meisten waren einfach nach einer halben Stunde wieder auf dem Schlachtfeld, wenn das Regelwerk eine ganze Stunde verlangte, und beharrten dann steif und fest darauf, dass sie wieder völlig gesund waren. Das ging ihm auf die Nerven. Wozu hatte man denn Regeln, wenn sich ohnehin niemand daran hielt?
Unter anderem deswegen hatte er in letzter Zeit niemanden mehr magisch geheilt – da gab man sich alle Mühe, eine Verletzung als besonders ernst darzustellen, und dann hüpfte der Patient nach einer halben Stunde wieder herum als sei nichts gewesen.
„Das erstaunt mich. Mir hättet Ihr nicht befehlen müssen – die Bitte Eure Mühe nicht zunichte zu machen hätte ausgereicht.“
„Dann verzeiht bitte meinen barschen Tonfall gestern – ich bin es gewohnt, dass man meine Bitten missachtet.“
„Das ist bedauerlich.“
„Ja. Umso mehr hat es mich…“
War „beeindruckt“ wirklich das passende Wort? Duilin kam ihm – oder Dírhaval? - vor wie der einzige andere Erwachsene in einem Kindergarten, aber…
„…gefreut, Euch bei der Schlacht heute morgen nicht zu sehen.“, beendete er seinen Satz. „Insbesondere, da Ihr Eurem Leben sonst keinen großen Wert beizumessen scheint. Wenn Eure Späherin recht hat mit ihrer unschmeichelhaften Behauptung.“
„Das hat sie, fürchte ich. Wenn ich mich wie hier auf Wegen bewege, fällt es nicht auf, aber quer durch den Wald laufen kann ich kaum, ohne gehört zu werden. Es wäre für mich gefährlicher gewesen als für sie…“
„Ich würde gern Euren Mut und Eure Opferbereitschaft bewundern, doch ich fürchte, es gibt einen unschönen Grund dafür…“
„Und Ihr habt recht“, erwiderte Duilin leise. „Das Leben macht mir keine rechte Freude mehr.“
„Wie kann das sein? Ist es Euch denn unmöglich, zu sehen, wie golden die Rinde der Buchen im Morgenlicht glänzt, zu hören, wie die Vögel singen, die Sonne auf Eurer Haut zu spüren?“ Dírhaval neigte den Kopf. „Verzeiht, wenn ich Unsinn rede – mich hat nie ein großer Kummer gequält, ich kann nicht wissen, wie es ist.“
„Ich mache Euch keinen Vorwurf, denn Ihr habt Recht. Ich sollte mich besser im Griff haben.“
„Das meinte ich nicht.“
„Und doch ist es wahr.“ Duilin seufzte. „Ihr glaubt vielleicht, es sei jemand gestorben der mir wichtig war…doch das ist es nicht. Nein. Es ist nur…nur wegen einer Maid.“
Dírhaval schwieg, er spürte, dass Duilin nach der Kraft suchte, weiterzusprechen.
Wegen einer Frau. Siehst du, Sören! Der steht nicht auf Männer! Die Besten sind immer hetero, wenn sie nicht gerade vergeben sind.
Aber das war jetzt egal. Offensichtlich brauchte Duilin jemanden zum Reden – und der Spieler hinter dem Charakter wahrscheinlich auch. Also: Mund halten und zuhören!
„Sie war schön wie die Sonne auf den Buchenzweigen in diesem Hain, und ihre Stimme so lieblich wie die einer Amsel. Wir…waren Freunde, oder ich glaubte das. Stets durchstreiften wir gemeinsam die Wälder, immer sah sie mir bei meinen Kampfübungen zu, und bewunderte mich für meine Geschicklichkeit. Doch…“ Duilin räusperte sich. „Es war bei einem Besuch in einem anderen Elbenreich, dass ich sie kennenlernte. Kurz vor meiner geplanten Abreise fand ich endlich den Mut, ihr die Ehe anzutragen. Doch es sollte anderes kommen. Ihr…ihr Verlobter kehrte zurück, und ich erkannte, dass ich mich der Lächerlichkeit preisgegeben hatte.“
„Sie ist es, die sich schämen sollte – Euch so falsche Hoffnungen zu machen!“
„Dafür nicht – sie hat mir nie etwas versprochen. Doch…“ Duilin schluckte. „Ich habe ein Geheimnis – hatte eines – von dem ich hoffte, es werde nie entdeckt. Als ich nach Menelenlaire zurückkehrte, war es allen bekannt. Dabei hatte ich es nie jemandem anvertraut…nur ihr. Und ich hatte sie gebeten, es nie…es nie…entschuldigt mich“ Er fasste sich an den Mund, und verschwand hinter einem Weißdornstrauch.
Dírhaval wartete. „Braucht Ihr ein Taschentuch?“ fragte er , als der andere bleich hinter dem Strauch hervortrat.
„Danke.“
Duilin reinigte sein Gesicht und steckte das Taschentuch behutsam ein.
Okay, das war zum Glück nur gespielt gewesen, sonst wäre ihm das jetzt sehr, sehr peinlich. Er konnte schon nicht damit umgehen, wenn jemand traurig war, aber wenn sich jemand auch noch übergeben musste weil es ihm so mies ging… Armer Dírhaval…einem Elben musste so etwas noch peinlicher sein…und wie zeigte er das jetzt am Besten? Einfach ignorieren?
„Ich kann nicht vorgeben, Euch zu verstehen, denn solch einen Verrat musste ich nie erleben. Und ich werde auch nicht versuchen, Euch zu trösten, indem ich Euch sage, dass es andere schöne Maiden gibt, denn ich weiß, dass es nur wenigen vergönnt ist, zweimal zu lieben.“
Jedenfalls rannten Elben in seiner Vorstellung nicht gerade herum und verliebten sich in drei Jahren in drei verschiedene Personen. Vielleicht idealisierte er da auch, egal.
„Aber lasst mich Euch versichern, dass ich Stillschweigen über das bewahren werde, was Ihr mir anvertraut habt.“
„Ich danke Euch.“
Oh…was hatte er da gerade eigentlich gesagt? „Ich bin besser als diese Tussi, nimm mich und vergiss sie!“? Ja…das hatte er wohl sagen wollen. Und hoffentlich hatte Duilin es nicht verstanden. Oder…hoffentlich doch, denn er HATTE sich bedankt. Also hatte er es eben wohl nicht bemerkt.
Beinahe unbewusst hatte Dírhaval den Weg zu der Stelle eingeschlagen, wo sie sich das erste Mal begegnet waren – allein begegnet waren.
Sie blieben neben dem Bach stehen und sahen dem Wasser zu, wie es über rundgeschliffene Steine plätscherte.
„Könnt Ihr Euer Essen häufiger nicht bei Euch behalten?“, ergriff Dírhaval schließlich das Wort. Der Krieger in ihm rebellierte gegen eine so distanzlose Frage, doch der Heiler war stärker.
„Manchmal. Etwas trockenes Brot vertrage ich meist, doch alles andere…“ Duilin schüttelte den Kopf. „Ich habe mich angepasst.“
Er hatte wirklich nur Brot gegessen. Und das bei einem Con mit Vollverpflegung…das hieß, er bekam wirklich nichts Anderes zu essen, wenn er keine Geheimvorräte in seinem Zelt hortetewenn es ihm nicht gelang, heimlich etwas in sein Zelt zu schmuggeln. Was für eine Konsequenz! Aber es musste beinahe unerträglich sein, bei dem was es hier zu essen gab.
„Das wird Euch auf Dauer schwächen“, merkte Dírhaval an. „Ich könnte Euch etwas geben, das sicherstellt, dass Ihr alles bei Euch behaltet, aber…es würde Euch für eine Weile kampfunfähig machen.“
„Das ist zu gefährlich.“
„Es ist nicht weniger gefährlich, wenn Ihr allmählich an Kraft verliert. Wie lange geht das schon so?“ Die Frage war im ruhigen, sachlichen Tonfall des Heilers gestellt.
„Es war Vollmond als…als ich erfuhr dass…es ist etwas über zwei Monde her.“
„Dann erstaunt es mich, dass Ihr noch so stark seid. Lasst mich Euch heute Abend das Mittel geben, und versucht mehr zu essen.“
Duilin schüttelte den Kopf. „Nein, nicht heute Abend. Wenn Glamthêl auf der Lauer liegt will ich kampfbereit sein. Ich will sie nicht im Stich lassen müssen.“
„Heute Mittag nach der Versammlung? Die Yrch haben bisher immer am Morgen oder am Abend angegriffen, nie in der vollen Mittagssonne.“
Duilin zögerte. „Dann besser jetzt sofort“, meinte er schließlich. „Ich hatte für heute Kampfübungen geplant…werde ich dazu in der Lage sein sie zu beaufsichtigen? Und am späten Nachmittag wieder kämpfen können?“
„Beaufsichtigen ja, selbst teilnehmen solltet Ihr nicht. Ich werde meine erfahrensten Kriegerinnen und Krieger bitten, Euren Leuten ein paar Ratschläge zu geben – wenn Ihr einverstanden seid.“
„Das bin ich – wenn das Verhalten Eurer Leute ebenso wenig herablassend ist wie das Eure. Auch die weniger Erfahrenen, die sich aus der Einsicht heraus freiwillig gemeldet haben, dass auch ihre Heimat bald in Gefahr sein könnte, sollen nicht das Gefühl bekommen, man verachte sie für ihren Mangel an Kampferfahrung.“
Dírhaval neigte zustimmend den Kopf. „Ich werde diesbezüglich Anweisungen erteilen. Nun…wir sollten aufbrechen. Es gibt einen Weg zu meinen Räumen auf dem wir wahrscheinlich nicht gesehen werden.“
Mist, das klang als würden sie sich irgendwie heimlich treffen…wogegen er ja auch nichts hätte, aber…
„Das ist gut…es muss nicht jeder wissen, dass ich…dass es mir nicht gut geht.“
„Natürlich nicht. Ich schlage vor, wir erklären dieses Gespräch für die Fürstin zu meinem Versuch, Euch dazu zu überreden, dass meine Truppen Euren Leuten ein paar Ratschläge geben dürfen?“
Duilin nickte. „Das wäre mir angenehmer als die Wahrheit.“
Sie betraten das Haus durch die Hintertür, und wurden tatsächlich nur von einigen Dienern gesehen, die in der Küche ein- und ausgingen.
Anscheinend frühstückten ein paar Spätaufsteher immer noch. Gut. Dann konnte Duilin nachher noch was essen.
Dírhaval öffnete die Tür eines Zimmers und ließ Duilin eintreten. „Setzt Euch“, meinte er und wies auf einen Stuhl.
Sören konnte es immer noch nicht ganz glauben, dass er auf diesem dekadenten Con sein eigenes Zimmer hatte. Gut, es war auch nicht eigentlich sein Zimmer, sondern diente hauptsächlich repräsentativen Zwecken - und der Heilerdarstellung, falls irgendwann mal was nett Kompliziertes zu operieren wäre. Falls. Wenn unter den Spielern ein paar „Heiler“ waren die als Betäubung Schläge auf den Kopf verwendeten, bekam er vielleicht mal einen Schädelbruch in die Finger.
Wie auch immer, Duilin schien angemessen beeindruckt von den Stühlen, die tatsächlich direkt aus dem HdR-Film geklaut hätten sein können. Die übrige Einrichtung passte auch…kein Vergleich zu der üblichen Biertisch-mit-schöner-Tischdecke-Lösung.
Dírhaval öffnete einen Schrank und suchte zielsicher ein ganz bestimmtes Tongefäß heraus, aus dem er ein paar trockene Blätter nahm.
„Stechapfelblätter“, erklärte er, während er sie in einen Mörser warf. „Es ist schwer, die richtige Menge abzuschätzen, und zu viel ist gefährlich. Deshalb werde ich einen Brei zubereiten, den ich auf eine Hautstelle streiche und dort mit einem Verband festhalte. Das ist sicherer. Wenn die Nebenwirkungen spürbar werden, solltet Ihr den Brei entfernen.“
Er nahm eine Phiole mit einer blau schimmernden Flüssigkeit aus einem kleinen Kästchen und gab sie zu den trockenen Blättern, bevor er beides mit dem Mörser zu einem Brei verarbeitete.
Duilin sah etwas bleich aus. „Wie gefährlich ist das genau?“
„Bei Aufnahme über die Haut dürften die schlimmsten Nebenwirkungen starkes Durstgefühl und verschwommenes Sehen sein. Wenn Ihr nach dem Auftreten dieser Wirkungen zu lange wartet, vielleicht auch Störungen des Gleichgewichts…wie gesagt, Ihr solltet nicht kämpfen.“
Dírhaval nahm eine Verbandsrolle aus einer Schublade. „Das ist ein Mittel, dass ich sonst nur bei bettlägerigen Patienten verwende, die ich über die gesamte Behandlungsdauer im Auge behalten kann. Aber bei Euch vertraue ich darauf, dass Ihr verantwortungsvoll damit umgehen werdet.“
„Das werde ich.“ Duilin begann, sein Hemd aufzuknöpfen.
Sören hatte das Gefühl, jemand zöge ihm den Teppich in Blattform unter den Füßen weg. Die Aussicht, ein wohldefiniertes Sixpack zu Gesicht zu bekommen war nicht mal das größte Problem. Gerade hatte er das Gefühl, dass alles, was hier zum Vorschein kommen könnte ungeheuer aufregend war. Einfach nur weil es zu diesem Mann gehörte…der zugeknöpft und diszipliniert war und ohne medizinische Notwendigkeit niemals sein Hemd ausziehen würde, nicht einmal bei der größten Hitze…
„Das ist nicht nötig“, sagte Dírhaval schnell. „Ich kann den Verband am Unterarm anbringen.“
„Meine Ärmel sind recht eng“, erwiderte Duilin, während er den letzten Knopf öffnete. „ Sie lassen sich schlecht zurückschieben. Und zu weit vorne könnte es jemand sehen und fragen, weshalb ich einen Verband trage. Diese Gefahr will ich nicht eingehen. Tragt den Brei am Oberarm auf – wenn das eine gute Stelle dafür ist.“
Sören schluckte. „…natürlich.“
Duilin ließ das Hemd von seinen Schultern gleiten. „Nehmt meinen Schildarm – dort kann ich den Verband leichter entfernen“, sagte er leise.
Seine Haltung war aufrecht, nur der Ton seiner Stimme und seine ernste Miene kündeten von dem Unglück das ihn befallen hatte. Seltsam sah er aus, ohne sein Hemd, wie die alabasterne Statue eines Kriegers aus alter Zeit.
Das war nicht sexy. Es war…schön. Das Schönste, was Sören jemals gesehen hatte – von den dunklen Haaren die offen auf den weißen Rücken fielen bis hin zu den schmalen Zöpfen die das Gesicht einrahmten …dieses würdevolle, blasse Gesicht…
Dírhaval löste sich aus seiner Starre. „Ja. Natürlich.“ Er verstrich den Brei auf einer Stelle am Oberarm und legte den Verband an.
„Vielleicht ist noch etwas vom Frühstück übrig.“
Duilin zog sein Hemd rasch wieder an und erhob sich. „Ja.“
An der Tür drehte er sich um. „Ich…ich danke Euch.“
Dírhaval neigte den Kopf. „Ich habe nicht mehr und nicht weniger getan als meine Pflicht.“
Das Zitat entlockte Duilin die Andeutung eines Lächelns. „Ich danke Euch dennoch.“
Sören ging in die Küche um den Mörser abzuwaschen, und konnte sich an dem seltenen Anblick eines Elben erfreuen, der an einem modernen Elektroherd stand und Pfannkuchen briet. Er selbst bot wahrscheinlich einen nicht weniger komischen Anblick.
„Das Frühstück ist noch in vollem Gange?“
„Jep. Ich mach grad die dritte Ladung Pfannkuchen fertig. Wer hätte gedacht, dass Elben so verfressen sein können? Diese Spieler futtern wie die Scheunendrescher.“
Als Dírhaval am großen Tisch eintraf, sah er, dass Duilin sein unterbrochenes Frühstück fortsetzte – eher mit grimmiger Ausdauer als mit großem Appetit, doch es war auf jeden Fall ein Fortschritt.
„Du hättest mir ruhig sagen können, was du mit Hauptmann Duilin besprechen willst“, meinte seine Mutter vorwurfsvoll. „Dass seine Krieger etwas Hilfe brauchen könnten, ist nun wahrlich kein Geheimnis.“
„Ich war mir des Erfolges meiner Überredungskünste nicht sicher“, erwiderte Dírhaval, „Und ich vermute wohl richtig, dass Ihr eine Ablehnung nicht so ruhig hingenommen hättet wie ich, daher wollte ich es unter vier Augen besprechen – um ihn nicht unnötig unter Druck zu setzen.“
Sie sah ihn böse an. „Und musstest du ihn wegen so einer Lappalie wirklich beim Frühstück stören?“
„Bis das Frühstück beendet ist, wird es später Vormittag sein – und dann gibt es schon bald wieder Mittagessen. Überdies habt Ihr zu diesem Zeitpunkt eine Versammlung einberufen, Mutter!“
„Nun gut“, murmelte sie und widmete sich wieder ihrem Brötchen mit Fichtenwipfelgelee.
Dírhaval sammelte seine Kriegerinnen und Krieger ein, soweit sie schon wach waren, und bat die Fähigsten unter ihnen zu einer privaten Unterredung im Schatten des Wäldchens auf der anderen Seite der Brücke.
„Hauptmann Duilin hat erlaubt, dass Ihr seinen Leuten im Rahmen der heutigen Kampfübungen einige Ratschläge erteilt“, eröffnete er ihnen.
„Seit wann muss man dafür um Erlaubnis bitten?“ murrte ein Krieger.
„Weder er noch seine Leute unterstehen meinem Befehl“, stellte Dírhaval klar. Er legte die Hände auf den Rücken und ging auf und ab. „Ich habe mein Wort gegeben, dass Ihr seine Leute nicht herablassend behandeln werdet – kann ich darauf vertrauen?“
„Selbstverständlich, Herr Dírhaval“, erwiderte Faronmiel, die nicht dabei gewesen wäre, wenn nicht alle die besser kämpften als sie noch im Bett gewesen wärengeschlafen hätten, und salutierte zackig.
„Sehr schön. Fühlt sich hier jemand nicht in der Lage, genug Geduld aufzubringen?“
Niemand meldete sich.
„Gut. Haltet Euch bereit – Hauptmann Duilin wird sofort mit den Kampfübungen beginnen wollen wenn er sein Frühstück beendet hat. Meldet Euch bei ihm, und lasst Euch jemanden zuteilen dem ihr ein paar Kniffe beibringt. Erfragt den Kenntnisstand von dem ihr ausgehen müsst und verfahrt danach. Verachtet Unwissen nicht, macht Euch aber auch nicht über ungerechtfertigte Selbstsicherheit lustig. Ich kann es mir nicht leisten, mir den Respekt von Hauptmann Duilin zu verspielen – und Ihr könnt es Euch nicht leisten, Euch die Unterstützung seiner Armee zu verspielen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“
„Ja, Herr.“ Diesmal salutierten sie alle – Faronmiels gutes Beispiel hatte Wirkung gezeigt.
Die Kampfübungen verliefen zur vollsten Zufriedenheit. Diesmal blieb Dírhaval die ganze Zeit dabei, einerseits um seine Leute zu beaufsichtigen, andererseits, um Duilin im Auge zu behalten. Der zeigte kein Zeichen von Ermüdung, hatte es aber nach dem von ihm erklärten Ende der Übung recht eilig, sein Zelt aufzusuchen.
Daran allerdings wurde er von der Fürstin gehindert. „Ah, hier seid Ihr. Begleitet mich doch gleich zur Versammlung.“
An der Versammlung nahmen die Fürstin, Hauptmann Duilin, Dírhaval, Tathren, der rangälteste seiner Krieger sowie einige ausgewählte Vertreter der Elben aus Menelenlaire teil; darunter auch Glamthêl, die tapfere Späherin.
Während der Rede seiner Mutter wäre Dírhaval beinahe eingeschlafen, wenn er nicht bemerkt hätte, dass Duilin ständig nervös blinzelte. Die Nebenwirkungen mussten eingesetzt haben…und jetzt war ein denkbar ungeeigneter Zeitpunkt, sich zu entfernen. Wenn Duilin sich nicht etwas einfallen ließ, würde Dírhaval zu extremen Maßnahmen greifen müssen. Etwa einen Hitzschlag vortäuschen, der sich erst jetzt bemerkbar machte…
„Entschuldigt mich bitte kurz, Frau Dirnaith.“ Duilin war aus der Tür, bevor die Fürstin Einwände erheben konnte.
„Da wir nun ohnehin nicht mehr vollständig sind, entschuldigt bitte auch mich für einen Moment.“ Dírhaval verließ hastig das Zimmer.
Wie erhofft war Duilin noch da.
„Könnte ich bitte…ich möchte nicht auf dem Flur…“
„Natürlich.“ Dírhaval öffnete die gegenüberliegende Tür. „Ihr habt bereits am Ende der Kampfübungen verschwommen gesehen?“
„Inzwischen sehe ich Euch doppelt.“ Duilin legte hastig sein Hemd ab, und wickelte den Verband ab. Dírhaval befeuchtete ein Tuch in der Waschsschüssel die hinter dem Wandschirm stand, hinter dem sich auch sein Bett verbarg, und wusch die Reste des Pflanzenbreis ab.
„Fühlt sich Euer Mund schon trocken an?“ Wenn es so weit gekommen war, war es zumindest gefährlich.
„Ja. Aber keine Sorge – es wird an der Hitze liegen.“
„Hoffentlich.“
„Vielleicht ist es besser, Ihr setzt Euch und wartet noch kurz bis Ihr zurückkehrt.“ Dírhaval verließ den Raum, durchquerte mit schnellen Schritten den Flur und schloss sich wieder der Versammlung an, als habe er nur kurz den Abtritt aufgesucht.
„Also, wenn das so lange dauert, kann ich auch mal raus“, meinte Tathren und öffnete die Tür.
„Hey – was hast du da zu suchen? Das sind Privaträume!“
„Tathren – mäßigt Euch. Hauptmann Duilin war von der Sonne etwas schwindlig, ich habe ihm angeboten sich in meinen Räumen kurz hinzusetzen. Es ist alles in Ordnung.“
„Warum hat er das hier nicht gesagt?“
„Es dürfte Euch besser bekannt sein als manch anderem, Tathren, dass ein Krieger nicht gern vor allen anderen eine Schwäche eingesteht. Überdies ist es auch gar nicht weiter von Belang.“
„Ihr könnt so etwas ruhig sagen“, meinte die Fürstin sanft zu dem eben zurückgekehrten Duilin. „Niemand hier wird deswegen schlecht von Euch denken.“
„Ich weiß, Frau Dirnaith. Habt Dank.“ Er neigte den Kopf leicht.
„Nun, zurück zu der Karte die Ihr gerade erwähntet, Mutter – habt Ihr sie hier? Glamthêl würde sie sicher gern sehen.“
„Natürlich.“ Die Fürstin nahm eine Pergamentrolle von einem Tischchen an der Wand und rollte sie auf dem Stehpult aus, um das sich alle versammelt hatten. „Hier haben wir eingezeichnet, wo die Yrch schon überall gesehen wurden.“
Glamthêl betrachtete die Karte aufmerksam. „Dann müssen sie alle hier vorbeigekommen sein“, sie wies auf einen bestimmten Punkt der Karte. „Dort werde ich mich auf die Lauer legen.“
„Es kommt gar nicht in Frage, dass eine Frau allein geht – ich werde Euch begleiten“, beschloss Tathren.
„Was bitte“, fragte Glamthêl kühl „Hat das mit meinem Geschlecht zu tun?“
„Eure Körperkraft…“
„Dürfte der eines Mannes gleichen.“, unterbrach Duilin ihn. „Glamthêl hat noch keine Kinder geboren, die von ihrer Kraft gezehrt hätten. Sie ist unter allen die mich begleitet haben die beste Späherin, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ihr Euch nicht eher verraten würdet als sie.“
„Danke, Hauptmann. Das denke ich auch. Ich würde es vorziehen, allein zu gehen.“
„So werdet Ihr sicher am wenigsten leicht entdeckt“, stimmte die Fürstin zu. „Doch ich habe noch etwas für Euch.“ Sie ging zu einer Truhe und nahm einen dünnen Schleier heraus, der in allen Farben des Waldes eingefärbt war. „Dies wird Euch im dunklen Wald nahezu unsichtbar machen.“
„Habt Dank, Herrin.“
Tathren war ausgesprochen schlechter Laune nach dieser Versammlung.
Sören hatte beinahe Mitleid mit ihm. Es war schon blöd, sich zweimal geirrt und beide Male den Mund nicht gehalten zu haben. Andererseits…wenn man auf einem Fantasycon auf dem alle Elben waren in die Sexismuskiste greifen musste war man doch irgendwie selber schuld.
Beim Mittagessen bot sich keine Möglichkeit, zu verhindern, dass Duilin von der Fürstin gedrängt wurde, recht viel zu essen, und Dírhaval tröstete sich damit, dass er die Nahrung vielleicht noch bei sich behalten würde. Noch könnten die Stechapfelblätter wirken.
Das Mittagessen war schon eine Weile vorbei, und Dírhaval stand gerade an dem Wassergraben, der Dorindinith von den umliegenden Wäldern trennte, darüber nachsinnend ob er Duilin ein Mittel gegen die Appetitlosigkeit anbieten sollte, oder ob das zu aufdringlich wäre – und ob es überhaupt wirken könnte - als er laute Rufe hörte.
„Zu den Waffen! Das sind so viele! Beeilt Euch!“
Es blieb keine Zeit mehr zum Denken. Er hastete in sein Zimmer, legte die Rüstung an so schnell er es allein vermochte, und lief hinaus.
Bei Tageslicht schienen die Yrch schwächer, sie waren leichter zu besiegen, und es kamen keine nach. Der Kampf war schnell vorbei, es gab keine Verletzten die Dírhavals Aufmerksamkeit bedurft hätten; nur Fälle für einfache Feldscher.
Bis einer dieser Feldscher fand, er müsse seinen Patienten mit einem Schlag auf den Kopf betäuben.
„Wir brauchen einen Heiler! Kann irgendjemand hier eine Trepanation durchführen?“
Ha! Das musste Alex sein, der hatte so einen fiesen Sinn für Humor – wenn ein Heiler irgendwas tat was ihm nicht passte bekam er Wundbrand, eitrigen Ausschlag, oder eben einen Schädelbasisbruch. Jetzt hatte er wahrscheinlich verkündet, dass sein zarter Elbenschädel unter dem Schlag gesplittert war.
Dírhaval kniete neben dem Verletzten. „Er hatte bereits einen Schlag auf den Helm bekommen, und Ihr zieht ihm den Helm ab und schlagt noch einmal zu? Bin ich denn von Verrückten umgeben? Bringt ihn ins Haus!“
Eine Kameradin des Verwundeten packte ihn unter den Schultern und schleifte ihn zum Haus. Dírhaval seufzte. Lieber wäre ihm gewesen, man hätte eine Trage geholt, aber jetzt war der Schaden schon angerichtet.
Es war tatsächlich Alex. Der war aber auch immer für Unterhaltung gut.
Während die Kriegerin, die den Verwundeten ins Haus gebracht hatte ihn auf die Liege in Dírhavals Räumen bettete, legte Dírhaval hinter dem Wandschirm seine Rüstung ab und zog sich die reinweiße Heilerrobe mit den eng anliegenden Ärmeln über.
Dann ging er zum Schrank und nahm einige Messer und Pinzetten heraus.
„Wollt Ihr ihn nicht betäuben?“ Die Kameradin des Verletzten hatte die weniger schlimme Schnittwunde am Bein behelfsmäßig verbunden, sodass er daran nicht verbluten würde.
„Nicht mit einem Schlag auf den Schädel.“ Dírhaval legte behutsam eine Hand auf die Schulter des Verletzten. „Drego naeg, tû dadwendo! – Drego…naeg…tû…“
„Ist das nicht ein Heilzauber? Wozu braucht Ihr die Messer?“
„Überlasst das bitte mir!“, zischte Dírhaval zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Ich weiß was ich tue!“
Er hatte den Zauber gerade vollendet, da klopfte es an der Tür.
„Was ist? Ich bin beschäftigt!“
„Entschuldigt, Herr Dírhaval…ich wollte nur…“ Es war Duilin.
„Kommt herein, Hauptmann.“
Sören wurde fast ein bisschen nervös. Über die richtige Darstellung von Heilern gab es so viele Diskussionen…und eine Schädeloperation war besonders knifflig…wenn Duilin was von Medizin verstand blamierte er sich hier womöglich bis auf die Knochen, immerhin machte er meistens nur das, was am besten aussah…andererseits hatte Alex unter seinen Händen noch nie Komplikationen entwickelt, und der ließ Heiler ohne die nötigen Kenntnisse meist eiskalt ins Messer laufen.
Duilin trat ein. Er hatte den Helm abgenommen, sonst trug er noch seine gesamte Rüstung. „Wird er überleben?“
Endlich mal ein Hauptmann, der sich für seine Leute verantwortlich fühlte – da hatte Dírhaval schon ganz Anderes erlebt. „Ich arbeite darauf hin.“
Bei Alex konnte man da nie so sicher sein. Der hatte schon mal einen Charakter eigens sterben lassen um die Feldscherin zu blamieren, die behauptet hatte, es bestehe gar keine Lebensgefahr, obwohl innere Organe verletzt gewesen waren.
Dírhaval nahm eines der kleinen Messer und öffnete die Kopfhaut um die Verletzung herum.
„Das Gehirn ist verletzt…eine Blutung…glücklicherweise hat sie bereits aufgehört“, diagnostizierte er. „Möglicherweise wird er sich nach dem Erwachsen seltsam verhalten. Ich kann das behandeln, aber es wird einige Tage dauern bis es verheilt ist. Zunächst muss ich die Knochensplitter entfernen…“
Danach kam die Säge zum Einsatz, um bereits angebrochene Knochenteile zu entfernen, und ein sauberes, kreisförmiges Loch im Schädel zu bekommen.
„Kann das zuheilen?“, fragte Duilin. „Oder wird er an dieser Stelle immer besonders verwundbar bleiben?“
„Ich behandle die Stelle mit einer Beinwelltinktur“, erklärte Dírhaval. „Sofort angewendet fördert das ein Nachwachsen des Knochens, doch man kann nie genau sagen, wie ein Körper reagiert…bei manchen bleibt immer ein Loch. Das lässt sich jedoch gut überleben, er braucht nur einen guten Helm.“
Alex war zuzutrauen, dass er ein Trepanationsloch im Schädel behalten wollte. Bloß keine Vorhersagen machen die sich dann als unzutreffend erweisen konnten.
Kurz nachdem Dírhaval die Kopfwunde genäht hatte, schlug der Patient die Augen auf. „Wo bin ich?“
Man erklärte es ihm, worauf er fragte „Und…wer bin ich?“
Seine Kameradin versprach, ihn regelmäßig ans Einnehmen der Beinwelltinktur zu erinnern, dann führte sie ihn zu seinem Zelt. Als sie hinausgingen hörte man sie dem verwirrten Elben erklären, wer er war.
Dírhaval reinigte seine Messer. Duilin war nicht gegangen, hatte aber auch nichts weiter gefragt.
„Ich muss Euch abermals danken“, sagte er schließlich leise. „Offenbar habe ich die Feldscher die sich freiwillig gemeldet haben mich zu begleiten nicht ausreichend auf ihre Kenntnisse hin überprüft.“
„Die Unart, durch Schläge auf den Kopf zu betäuben, ist weit verbreitet – das ist kein Einzelfall, und Ihr seid nicht der Einzige, der dadurch beinahe einen Mann verloren hätte. Macht Euch keine Vorwürfe.“
Duilin nickte langsam. „Würdet Ihr…wenn Ihr die Zeit findet…ein Wort mit diesem Feldscher reden? Ich habe ihn zur Rede gestellt, aber er behauptet, es schon immer so gehalten zu haben und bisher nie einen Patienten verloren zu haben…“
Ha! Diesen hätte er verloren. Alex kannte da keine Skrupel. Trotzdem gut, dass er gerade da gewesen war – Duilin hätte das sicher schlecht verkraftet, wo er doch ohnehin schon…aber wahrscheinlich litt Duilin nur deshalb unter so einem großen Kummer, weil Dírhaval ihn weinen gesehen hatte, und die Angelegenheit so ins Spiel gezerrt hatte. Vielleicht hätte er doch einfach aus der Rolle fallen sollen? Aber Duilin schien es nichts auszumachen, die Sache ins Spiel zu integrieren. Vielleicht…freute er sich sogar, dass ihm jemand zuhörte, auch wenn er nicht deutlich sagen konnte, was ihn wirklich quälte?
„Eine falsche Behandlung kann sehr häufig gut gehen“, meinte Dírhaval. „Elben sind zäh. Unsere Körper heilen gegen viele Widerstände…aber man sollte diese Fähigkeit nicht auf die Probe stellen. Ich werde mit ihm sprechen.“
„Habt Dank.“ Duilin stand auf.
Dírhaval bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. „Wartet noch. Ich weiß, das Mittel das ich Euch gegeben habe, hat einige Schwierigkeiten verursacht…wärt Ihr dennoch bereit, es wieder anzuwenden?“
Duilin nickte. „Es hat mir weitaus bedeutendere Unannehmlichkeiten erspart als es mir bereitet hat. Wenn Ihr damit einverstanden seid, komme ich morgen vor dem Frühstück hierher.“
„Dabei könntet Ihr gesehen werden. Ich…hatte mir überlegt, es Euch mitzugeben.“
„Das ist möglich?“
„Es könnte an Wirksamkeit verlieren, aber eine Nacht Aufbewahrung sollte nicht allzu viel ausmachen.“
Natürlich machte das die Sache wesentlich langweiliger – zu vermeiden, dass jemand Duilins häufige Besuche bemerkte wäre eine Herausforderung – aber wenn er den Mann noch mal sein Hemd ausziehen sah, würde er durchdrehen. Jedenfalls wenn es so passierte wie beim letzten – nein, vorletzten – Mal. Dieser schwermütige Gesichtsausdruck, der Anflug von Gleichgültigkeit und leiser Trauer in der Stimme und Gestik…eigentlich sollte er so was nicht attraktiv finden, es war schließlich nicht gut, aber irgendwie…dagegen kam kein dauergrinsender Beachboy an.
Das letzte Mal waren sie so in Hektik gewesen, dass es kein Problem gewesen war, aber wenn sie sich hier verabredeten…und das war ein weiteres Problem: Heimliche Treffen mit diesem Mann würden ihn ebenfalls zum Durchdrehen bringen. Egal wie harmlos der Anlass, heimliche Treffen waren aufregend, und…
Verdammt, er kannte ihn doch erst seit gestern! Wie konnte…aber es war sinnlos, darüber nachzugrübeln.
Duilin nickte. „Das wäre am Einfachsten…sollte ich beim Auftragen auf irgendetwas achten?“
„Nur darauf, Eure Hände danach gründlich zu waschen. Nein – ich gebe Euch besser gleich ein Stück Stoff mit – schüttet die Masse darauf und legt es auf den Arm. Das ist am Sichersten. Ihr könnt Euch selbst den Arm verbinden?“
„Das war schon häufiger nötig. Ja.“
Dìrhaval bereitete schweigend den Brei zu und trieb ihn durch einen Messingtrichter in eine Glasphiole, die er sorgfältig verkorkte.
„Ich werde morgen Gelegenheit finden, Euch eine weitere Portion zukommen zu lassen.“
„Habt Dank.“ Duilins Hand berührte seine, als er die Phiole entgegennahm. „Ich stehe in Eurer Schuld.“
Dírhaval lächelte „Mitnichten. Ihr tut nur Eure Pflicht, ich tue nur die meine.“
„Dennoch…“ Duilin erwiderte das Lächeln zaghaft.
Der Abend wurde eine schwere Probe für Dírhavals Geduld. Glamthêl war wie vereinbart am späten Nachmittag allein in die Wälder aufgebrochen. Hauptmann Duilin und die meisten seiner Leute hatten sich gerüstet, um Glamthêl zurückholen zu gehen, sobald die ersten Yrch auftauchten.
Dírhaval dagegen sollte nur die Yrch zurückschlagen und ansonsten warten.
Zunächst geschah gar nichts. Sie saßen da, aßen etwas von dem Brot, Obst oder süßen Kuchen die die Fürstin verteilen ließ, und starrten angespannt zu den Bäumen auf denen die Wachen Aussicht hielten.
Die Stimmung wurde immer gereizter, unter anderem deshalb, weil sich Dírhaval ein Beispiel an Hauptmann Duilin genommen und seinen Leuten den übermäßigen Weingenuss untersagt hatte.
Duilin aß gar nichts, die Sorge um seine Späherin hatte ihm offenbar vollends den Appetit verdorben. Er stand nur da, und sah hinauf zu den Wachen.
Endlich entschloss sich Dírhaval neben ihn zu treten. Es gab nichts zu sagen; und so sagte auch keiner von ihnen etwas, bis von den Wachbäumen ein Warnruf erscholl.
Die folgende Schlacht ließ keinen abschweifenden Gedanken zu. Dírhaval brauchte sein ganzes Geschick als Feldherr, um die Yrchhorde abzuwehren. Trotz seiner Bemühungen war etwa die Hälfte seiner Leute schwer verletzt, als die Yrch endlich fort waren, und so folgte in gewissem Sinne die nächste Schlacht.
Auch die Heilkundigen mussten an die richtigen Stellen beordert werden – zu viele von ihnen wären sonst einfach zu den Verwundeten gelaufen, die am lautesten schrieen. Doch gerade diese brauchten meist nicht so dringend Hilfe wie jene, die der Blutverlust schon ohnmächtig hatte werden lassen.
Diese Arbeit bekam Dírhaval aber bald von seiner Mutter abgenommen, und so schweiften seine Gedanken schnell ab.
Müsste Duilin nicht längst mit Glamthêl zurück sein? Was, wenn dies hier nur die Vorhut der Yrch gewesen war?
Wie um seine Befürchtungen zu bestätigen, erscholl ein weiterer Warnruf. Die leicht Verwundeten griffen zu den Waffen, die sie schon erleichtert abgelegt hatten, und machten sich bereit, in ihren letzten Kampf zu ziehen – denn siegen konnten sie nicht.
„Nicht angreifen!“ rief eine Wache. „Die gehören zu uns!“
Und tatsächlich, es waren keine Yrch sondern die Leute von Hauptmann Duilin, die ohne ihre übliche Ordnung aus dem Wald geströmt kamen.
„Es ist alles nach Plan verlaufen“, meldete Hauptmann Duilin mit unbewegter Miene. Seine Leute zeigten da weniger Zurückhaltung, einige von ihnen trugen Glamthêl auf den Schultern – wie Kinder, die ein Spiel gewonnen hatten, fand Dírhaval.
„Die Yrch haben uns kaum angegriffen, sie schienen eher darauf aus, Dorindinith zu erreichen. Wie ist es Euch ergangen? Habt Ihr Leute verloren?“, wollte Duilin wissen.
„Es war hart, aber wir konnten die Yrch zurückschlagen. So weit es sich absehen lässt, wird es auf unserer Seite keine Toten geben. Ich nehme an, Glamthêl konnte den Ursprung der Yrch ergründen?“
„Ja. Suchen wir doch einen ruhigen Ort auf – meine Leute wollen feiern, und ich will es ihnen nicht verwehren.“ Duilin wandte sich zu den Anderen um. „Ihr könnt gehen. Feiert so viel Ihr wollt, aber haltet Maß beim Wein. Es könnte einen weiteren Angriff geben.“
Während die lärmende Horde zum Haupthaus zog, schlug Dírhaval den Weg zu einem ruhiger gelegenen kleinen Pavillon ein. Hier waren die Wege nicht von dem magischen Licht erhellt, das es den Yrch unmöglich machte, sich ungesehen der Grenze zu nähern, sondern nur von flackernden Kerzen in Steinlaternen.
„Glamthêl hat einen Menschen gesehen“, eröffnete Duilin. „Er sprach mit sich selbst, und sie entnahm seiner Rede, dass er mit der Hilfe eines verfluchten Kristalls die Seelen toter Yrch in Hüllen zwingen kann, die er aus Waldboden und dem verrottenden Fleisch von Tieren erschafft.“
„Das ist…das ist…“ Sie hatten den Pavillon erreicht und Dírhaval setzte sich auf die niedrige Holzbank darin. „Selbst Yrch haben das nicht verdient.“
„Ja. Doch haltet meine Leute nicht für gefühllos weil sie feiern.“ Duilin ließ sich neben ihm nieder. „Sie freuen sich darüber, dass wir es nun wissen, und etwas dagegen tun können.“
„Nicht anders hatte ich es verstanden.“ Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah durch das nicht vorhandene Dach des Pavillons, das nur spärlich von Waldreben bedeckt war, zum Sternenhimmel hinauf. „Zum ersten Mal seit die Angriffe begonnen haben gibt es wieder wirkliche Hoffnung. Dank Euch.“
„Dank Glamthêl.“
„Auch Ihr wärt bereit gewesen zu gehen – und Ihr wart es, der Glamthêl hierhergebracht hat.“
„Sie wäre mit jedem anderen mitgegangen, der unsere Abordnung nach Dorindinith führt.“ Duilin verschränkte die Arme hinter dem Kopf, und kurz berührte sein Arm Dírhavals.
Schnell rückte er zur Seite.
Nicht einmal so eine harmlose Berührung…ahnte er etwas? Aber er hatte ohne zu zögern sein Hemd ausgezogen…vielleicht hatte er inzwischen darüber nachgedacht, warum Sören versucht hatte, das zu verhindern, und die richtigen Schlüsse gezogen?
„Es gibt noch mehr zu berichten“, sagte Duilin. „Glamthêl hat den Menschen sagen hören, dass er nur noch bis übermorgen besiegt werden kann. Noch vor der zwölften Stunde will er sich und seine Kreaturen durch ein Ritual unsterblich machen.“
„Das sind schlechte Neuigkeiten“, murmelte Dírhaval. „Oder gute, je nachdem. Ich gehe davon aus, dass wird den Kristall zerstören müssen?“
„Das nehme ich auch an. Er scheint der Schlüssel zu all dem zu sein.“
Sie saßen noch eine Weile schweigend da. Dírhaval fühlte sich, als sei ihm ein schweres Gewicht von den Schultern genommen worden; oder doch wenigstens so als helfe ihm jemand es zu tragen. Duilin war jemand, auf den man sich verlassen konnte.
Sören verfluchte seine Rolle. Er selbst könnte jetzt einfach hier sitzen bleiben und sich wohl fühlen. Aber nein, es war natürlich Dírhavals Verpflichtung, seiner Mutter Bericht zu erstatten. Die feiernde Horde von vorhin würde das mit Sicherheit nicht tun – schließlich hatten sie ihrem Hauptmann schon alles erzählt.
Dírhaval erhob sich. „Jemand sollte meiner Mutter Bericht erstatten, und ich nehme an, Glamthêl selbst wird es nicht tun.“
„Gehen wir.“ Duilin hielt sich eine Hand vor den Mund um sein Gähnen zu verbergen. „Ich hoffe, sie beteiligt sich nicht selbst an den Feierlichkeiten.“
Tatsächlich saß die Fürstin etwas abseits von den lautesten Feiernden und lauschte einem Harfenspieler. Dírhaval wartete das Ende des Liedes ab, bevor er an sie herantrat. „Wisst Ihr schon, was Glamthêl im Wald entdeckt hat?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nur, dass es gute Nachrichten sind.“
Als sie erfuhr, was die Neuigkeiten wirklich waren, wurde sie nachdenklicher. „Das ist nicht gut. Überhaupt nicht gut. Ist bei Euren Leuten jemand mit magischen Fähigkeiten, Hauptmann Duilin?“
„Ich werde mich erkundigen.“
„Tut das. Morgen Mittag berufe ich eine Versammlung ein – in der großen Halle, denke ich. Wir sollten das weitere Vorgehen besprechen.“
„Ja, das sollten wir. Gute Nacht, Mutter.“
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Der nächste Angriff kam am frühen Morgen. Nach der Feier am Vortag waren nur wenige rechtzeitig wachzubekommen, und so kämpfte Dírhaval in der ersten Schlachtreihe, statt, wie es sonst seine Gewohnheit war, den Überblick zu behalten und Befehle zu geben, wenn seine Leute sich unklug verhielten.
Dírhaval war selbst nicht eigentlich ein Krieger, und so war es wenig verwunderlich, dass er zu den ersten schwer Verwundeten der Schlacht gehörte. Ein schartiges Orkschwert trennte ihm den Schwertarm beinahe ab.
Er sah schon seinen Tod nahen, als jemand in die Bresche sprang und den Ork angriff. „Feldscher! Hierher!“
Es war Duilins Stimme…er war also wach…natürlich…
Jemand zerrte ihn von der Schlacht weg, und öffnete die Rüstung am Arm, die wegen der kleinen Lücke die ihm Beweglichkeit ermöglichte, kaum geschützt hatte.
Ein Anderer beugte sich über ihn.
„Das sieht schlimm aus…“ meinte der Feldscher. „Betäub ihn mal.“
„Nein!“
„Mögt Ihr Schmerzen?“
„Nein…“ aber er meinte, den Feldscher wiederzuerkennen. Er hatte es versäumt, ein ernstes Wort mit ihm zu reden. „Aber ich habe Euch, glaube ich, schon gesagt, was ich von Euren Betäubungsmethoden halte.“ Jemand schälte ihn aus seiner Rüstung…kannte er sie nicht irgendwoher?
„Bisher hat es noch jeder vertragen. Das gestern war ein unglücklicher Zufall.“
„Nein! Keine Betäu…Glamthêl?“
„Ja?“
Ah, er hatte sich nicht geirrt, sie war es, die ihn hierher gebracht hatte. „Öffnet die Tasche an meinem Gürtel. Das dritte Fläschen von rechts enthält pulverisierte Schafgarbenwurzel. Vermischt das mit Wasser und tragt es an den Wundrändern auf…das sollte den Schmerz etwas verringern.“
Sie suchte das Fläschchen heraus, der Feldscher aber war darüber gar nicht erfreut. „Wie soll ich denn da arbeiten! Ich brauche eine saubere Wunde!“
„Schafgarbe wirkt auch blutstillend. Es kann ruhig etwas in die Wunde kommen.“
„Auf Eure Verantwortung“, knurrte der Feldscher.
„Gern. Hilft mir mal jemand, mein Hemd auszuziehen? Sonst könnt Ihr gar nicht arbeiten.“
Als er sein Hemd los, und die Wunde mit Schafgarbe versorgt war, trat jemand zu ihnen.
„Wie geht es Euch?“ Duilin nahm den Helm ab – die Schlacht musste vorbei sein. „Seid Ihr schwer verwundet?“
„Es geht“, murmelte Dírhaval.
„Ihr kommt gerade Recht. Haltet ihn mal fest, damit er nicht zappelt während ich nähe.“
Duilin kniete sich neben ihn und legte eine Hand auf Dírhavals nackte Schulter, die andere auf seinen Unterarm.
„Gut…das wird jetzt sehr, sehr wehtun…seid Ihr sicher, dass Ihr keine Betäubung wollt?“
„Ich bin bereit, einiges an Schmerz in Kauf zu nehmen, wenn mir dafür ein Schädelbruch erspart bleibt.“ Die Schafgarbe dämpfte den Schmerz gut, und er konnte in Duilins grüne Augen sehen, was den Schmerz weiter weg erscheinen ließ, aber Dírhaval sog dennoch scharf Luft ein, als der Feldscher die Nadel ansetzte, und stemmte sich gegen Duilins Griff.
Würde der tapfere Hauptmann ihn dafür verachten? Es sah nicht so aus…und wenn er ehrlich zu sich selbst war, bemühte Dírhaval sich auch gar nicht, sich zu beherrschen – denn wenn er den Schmerz ruhig ertrug, würde Duilin womöglich seine Hände fortnehmen. Hatte Dírhaval bisher jede Berührung eines anderen Elben als notwendiges Übel ertragen, so war ihm diese Berührung willkommen wie ein alter Freund, vielleicht sogar mehr, vielleicht…
Verdammte Scheiße! Jetzt wirkte sich diese bekloppte Verknallheit schon auf seine Gedanken im Spiel aus!
Okay, andere Leute waren mit ihren Gedanken nie ganz im Spiel, aber er schon! Immer! Warum fühlte sich das auch so verdammt angenehm an? Wenn ihn jemand anders anfasste war das doch auch nicht anders. Im Prinzip. Hände fühlten sich warm an, das war nur normal. Aber...
„So, das hätten wir.“ Der Feldscher begann einen Verband anzulegen. „Macht mir keine Vorwürfe, wenn sich das entzündet.“
„Keine Sorge. Aber wir zwei haben noch miteinander zu sprechen. Kommt nach dem Frühstück in meine Räume.“
„Da hab ich keine Zeit.“
„Ihr werdet hingehen. Das ist ein Befehl.“ Duilin erhob sich. „Werdet Ihr beim Frühstück anwesend sein, Herr Dírhaval?“
„Ich werde es versuchen. Ein paar Stunden Ruhe stellen mich vielleicht weit genug wieder her.“
Dírhaval war beim Frühstück anwesend, obwohl er, da er nur eine Hand benutzen konnte, lieber in seinen Gemächern gegessen hätte.
Duilin aß mehr als sonst – erholte er sich vielleicht sogar allmählich von seinem Kummer?
„Wie geht es deinem Arm?“
„Es geht, Mutter, es geht…wenn ich ihn selbst versorgt hätte, könnte ich ihn wohl schon wieder gebrauchen, aber…“
„Ich bin sicher, der Feldscher hat sein Bestes getan.“
„Sicher.“ Nur, dass sein Bestes eben nicht besonders gut war.
Natürlich kam er auch nicht, um sich zur Schnecke machen zu lassen. Eh klar.
Bei der Versammlung am Mittag stellte sich schnell heraus, dass nur magisch Begabte das Rätsel lösen konnten. Dírhaval, der nur schwache Heilzauber beherrschte, fühlte sich rasch fehl am Platz, und entschuldigte sich schließlich.
Er hatte das Haus noch nicht lange verlassen, als sich Duilin zu ihm gesellte. „Die Versammlung ist bereits vorbei?“
„Nein – aber ich konnte dort nicht von Nutzen sein.“ Er schlenderte in Richtung des Wäldchens.
Duilin folgte ihm. „Verstehe. Nun…mir könnt Ihr vielleicht helfen. Ich würde heute gern rechtzeitig den Verband entfernen – bevor die Nebenwirkungen zu stark werden. Noch sehe ich nicht verschwommen, aber ich glaube, die Sonne blendet mich mehr als üblich.“
Dírhaval blieb stehen. „Lasst Euch ansehen…“ Er trat etwas näher an Duilin heran. „Das Schwarze in Euren Augen ist größer geworden…ja, es dürfte an der Zeit sein.“
„Würdet Ihr...es war sehr umständlich, den Verband selbst anzulegen…“
„Natürlich. Ich kann ihn abnehmen. Es gibt sonst niemanden den Ihr darum bitten könntet? Glamthêl vielleicht? Sie hat mir heute Morgen sehr geholfen.“ Und musste Duilin doch etwas näher stehen, wenn sie sich solche Bemerkungen erlauben durfte wie damals beim Frühstück…
„Sie untersteht meinem Befehl…ich würde es vorziehen, vor ihr keine Schwäche zu zeigen.“
Dírhaval nickte. „Verständlich.“ Sie hatten den kleinen Bach erreicht, an dem ihre Bekanntschaft ihren Anfang genommen hatte. „Setzen wir uns?“
Er starrte auf das Wasser, das über Kieselsteine plätscherte, während Duilin sein Hemd ablegte. „Ich habe mir überlegt, ob Euch ein Mittel zur Appetitanregung helfen könnte…“
„Ich nehme doch an…weshalb denkt Ihr, es könnte nicht helfen?“
„Nun…das Mittel das ich Euch gegeben habe, ist sehr stark…es tut Eurem Körper gewissermaßen Gewalt an. Zwingt ihn, das Essen bei sich zu behalten. Bei Sterblichen, deren Beschwerden meist vom Körper herrühren, helfen bittere Pflanzen häufig gegen verminderten Appetit, aber…“
„Ihr glaubt, mein Geist könnte stark genug sein, das Mittel unwirksam zu machen?“
„Ja…deshalb habe ich es nicht eher vorgeschlagen…“ In Wahrheit war es eher so, dass er sich gescheut hatte, die Sache anzusprechen und damit zu zeigen, dass er Duilin die ganze Zeit über genauestens beobachtet hatte.
Und jetzt musste er noch den Verband entfernen, ohne allzu sehr zu starren. Er schluckte.
Verdammt! Konzentrier dich, Sören!
„Wenn Ihr es zubereitet wird es helfen. Ihr habt heilende Hände.“
Was meinte er damit? Konnte er…nein, das war Wunschdenken…scheißeverdammt, das war so krank! Warum konnte er sich in Anwesenheit dieses Mannes nie konzentrieren? War doch auch nur ein Mensch…kein…kein…überaus anziehender Elbenkrieger!
„Nun, ich…meine Fähigkeiten sind bescheiden.“ Er rollte den Verband zum letzten Mal herum und nahm ihn ab, vorsichtig darauf bedacht, keine nackte Haut zu berühren.
„Bescheiden seid nur Ihr.“ Duilins Mundwinkel zuckten, und dann, endlich, lächelte er. Ein warmes, freundliches Lächeln.
Wie eine Einladung…
Ja, vielleicht mag er dich auch. Freundschaft, Sören! Das ist was Anderes als das woran du denkst! Er will NICHT von dir geküsst werden. Bestimmt nicht!
Dírhaval befeuchtete den Verband im Bach. „Hier – wascht damit den Rest ab.“ Er senkte den Blick zum Boden.
Bloß nicht hinsehen…er war schon viel zu verrückt nach diesem Mann. Andererseits, viel kaputtmachen konnte es auch nicht mehr, oder?
„Ich suche Euch morgen früh kurz nach Sonnenaufgang in Euren Gemächern auf – wenn Euch das Recht ist?“
„Ja…ist es.“
Am Spätnachmittag gab es eine weitere Schlacht mit vielen Verletzten, nach der Dírhaval allmählich den Mut verlor. Dann jedoch, am Abend, ließ die Fürstin verlauten, man habe herausgefunden, welcher Macht sich der Herr der Yrch bediene, und könne sie ihm mittels eines Rituals nehmen.
„Haltet euch morgen Abend zur Dämmerung kampfbereit.“
Duilin hielt Wort. Nur kurz nachdem Dírhaval sich von seinem Lager erhoben hatte, klopfte er an die Tür.
„Wie gesagt, ich bin nicht sicher ob es helfen wird“, murmelte Dírhaval während er einen kleinen Kessel voll Wasser auf einem Dreifuß über einer kleinen Flamme zum Kochen brachte. „Bitterwurzel ist das stärkste mir bekannte Mittel…aber ich nehme es sonst nur bei Menschen.“
„Man wird sehen.“ Duilin knöpfte sein Hemd auf. „Das andere Mittel wirkt auf jeden Fall sehr gut – dank Euch bin ich nicht in eine…unangenehme Lage gekommen, wie es sonst zweifelsohne der Fall gewesen wäre.“
„Möglich.“ Dírhaval nahm die Stechapfelblätter aus dem Schrank. „Mutter ist sehr darauf bedacht, dass niemand hungrig ihren Tisch verlässt…manchmal etwas zu sehr.“
„Vielleicht. Aber Ihr hattet Recht – ich muss essen um kämpfen zu können.“
„Nicht nur deshalb“, erwiderte Dírhaval leise. Er zerrieb die Blätter, vermischte sie mit Flüssigkeit, und holte ein weiteres Gefäß aus dem Schrank. „Es wird Euch hoffentlich bald weniger Mühe bereiten.“
Während der Bitterwurzel-Absud kochte, trug er den Blätterbrei auf Duilins Arm auf.
Heute sah der Hauptmann nicht so ernst aus wie sonst…es schien ihm besser zu gehen. Aber es mochte auch nur die Aussicht sein, bald wieder in seine Heimat reisen zu können. Das Problem der geheimnisvollen Angreifer war auf dem Papier mehr oder minder gelöst, es mussten nur noch Taten folgen. Dírhaval dachte mit einer gewissen Wehmut an den nächsten Morgen.
Okay, jetzt war es offiziell zu spät. Er war verknallt wie nichts Gutes. Aber so was von. Er könnte diesen Mann ewig anschauen – ob mit oder ohne Hemd, ob er lächelte oder ernst dreinblickte, ganz egal. Am liebsten würde er ihn ewig hier behalten.
„Dessen bin ich mir sicher. Ich kann Euch nicht genug für Eure Hilfe danken.“
Dírhaval machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich sollte Euch für Eure Hilfe danken.“
„Dennoch –“ Duilins Blick hielt den seinen gefangen, einige Momente lang, dann wandte sich Dírhaval wieder dem Kessel zu. „Der Absud ist fertig.“
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Die Dämmerung war hereingebrochen, das Ritual hatte begonnen. Doch Dírhaval schenkte den murmelnden Stimmen der Magier keine Aufmerksamkeit. Was im Ritualkreis geschah interessierte ihn nicht, er hielt seinen Blick stur auf den Wald gerichtet, aus dem die Angreifer kommen mussten – und warf ab und zu einen Blick zu den Wachen um den Kreis.
Schließlich, als die Anspannung kaum mehr auszuhalten war, brach der Angriff über sie herein, und alles versank im Chaos.
Die Angreifer kamen von allen Seiten, es war unmöglich, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Er konnte nur ums nackte Überleben kämpfen.
Schreie hallten durch die Nacht, von irgendwoher regneten Pfeile auf die Yrch nieder. Dírhaval hatte keinen ruhigen Moment. Das Einzige, das er sicher wusste, war, dass die Schlachtreihen nicht durchbrochen waren, dass der Ritualkreis geschützt wurde.
Endlich, endlich, lichteten sich die Reihen der Gegner, wurde der Schlachtenlärm leiser. Dírhaval wagte einen Blick zum Ritualkreis. Das Ritual war beendet.
Und tatsächlich, die übrigen Yrch ließen sich leicht töten, und ihre Überreste zerfielen zu Erde.
Doch wo war Duilin?
Dírhaval schritt durch die Reihen der Verwundeten. Alle waren versorgt, niemand unmittelbar in Lebensgefahr, aber Duilin war nicht bei ihnen, und auch nicht bei denen, die unverletzt geblieben waren.
Ob er zu seinem Zelt gegangen war, gleich nach der Schlacht? Aber das sah ihm nicht ähnlich. Es sah ihm auch nicht ähnlich, nicht verwundet worden zu sein. Anders als Dírhaval war er ein gefährlicher Gegner, einer, von dem man nicht abließ weil jemand anderes angriff.
Wo also war er?
Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, als Dírhaval einen Ausläufer des Waldes erreichte. Hier erhellte kein Vollmond die Dunkelheit der Nacht, und es war sehr unwahrscheinlich, dass jemand beim Kampf hierher abgedrängt worden war.
Aber nicht unmöglich.
Da lag jemand!
Dírhaval kniete nieder. Es war Duilin.
„Atmest du noch?“
„Kaum merklich. Rechtes Bein schwer verletzt, am Verbluten. Fast tot.“
Seine Augen blickten starr ins Leere, und als Dírhaval die Hand über sein Gesicht hielt, spürte er keinen Atem.
„Mögt Ihr…“ Die Stimme versagte ihm. „Mögt Ihr Euren Frieden gefunden haben.“ Er beugte sich herunter. „Mein Freund.“ Seine Lippen berührten sacht die Stirn des Toten.
Als er sich wieder aufrichtete, stockte ihm der Atem. Duilins Augenlider flatterten!
„Heiler! Hierher!“
Der nächste Tag war schon angebrochen, als feststand, dass Duilin überleben würde.
Sören setzte sich auf und gähnte ausgiebig. Es musste schon Mittag sein – ja, elf Uhr. Und er würde endlich, endlich mit dem Spieler von Duilin reden können. Er lächelte versonnen. Ja, endlich würden sie ganz offen sprechen können, ohne die Notwendigkeit, nicht aus der Rolle zu fallen…
Nur was?
„Du bist einfach umwerfend!“
„Ich liebe dich!“
Nein, eher nicht. Verdammt! Alles was er gern sagen würde war so plump…und die Wahrscheinlichkeit, dass seine Gefühle erwidert wurden waren so verschwindend gering…es sei denn…nein, der Kuss auf die Stirn war kaum der Rede wert gewesen. Er hatte sich sehr zurückgehalten. Das hatte Duilin natürlich nicht wissen können…andererseits aber natürlich doch, vielleicht hatte er sogar damit gerechnet, dass Sören nur so tat, ihn gar nicht wirklich berührte...
Und ein Kuss auf die Stirn war kein Kuss auf den Mund. Nicht mal annähernd. Manche Leute gaben sich andauernd Wangenküsschen…da war gar nichts dabei…
Aber Duilin war nicht in der Halle. Er war auch nicht draußen.
„Suchst du jemanden?“ wollte Linda wissen.
„Ja…meinen Patienten von gestern Nacht…“
„Der ist schon abgereist.“
Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Abgereist. Einfach so. Ohne sich zu verabschieden. Natürlich, vielleicht hatte er Sören nicht wecken wollen…aber…wenn er genauso fühlen würde, hätte er eine Nachricht zurückgelassen. Irgendetwas.
Hatte er aber nicht.
Sören schluckte.
Ach, was solls. Das Leben geht weiter. Oder? Oder?
Ja, natürlich.
Irgendwie ging es immer weiter.
„Dìrhaval von Dorindinith nähert sich seinem tausendsten Lebensjahr, und ist noch immer nicht verheiratet. Um diesem Missstand abzuhelfen hat seine Mutter beschlossen, eine große Feier zu veranstalten, zu der alle adligen Familien der benachbarten Reiche eingeladen sind. Wird unter den schönen Elbenmaiden eine sein, die Dírhavals Herz gewinnen kann?“
Sören las sich den Text noch einmal durch. Das konnte nicht Lindas Ernst sein!
War es aber.
Er hätte sich denken können, dass die unerwartete Ehre, den Sohn der Fürstin spielen zu dürfen, auch ihre Schattenseiten hatte.
Konnten sie sich denn keinen anderen Grund für eine Feiercon ausdenken? Wenigstens einfach eine Feier zu seinem tausendsten Geburts…äh, Zeugungstag.
Blöderweise hatte er Linda schon mal – nach ein paar Gläsern Wein zu viel – gesagt, dass er überhaupt nichts dagegen hätte, im Spiel zu heiraten. War ja nur ein Spiel, und es war nicht so, als ob er seine Spielehefrau auch nur küssen müsste. Mit welcher Begründung also sollte er absagen? Zeitmangel? Er hatte schon zugesagt, dass ihm der Termin passte, bevor er erfahren hatte, was geplant war.
Aber seit dem letzten Con…vielleicht, ganz vielleicht, erwiderte Duilin seine Gefühle ja doch…und eine Ehefrau würde falsche Assoziationen wecken was seine sexuelle Orientierung anging…
Auf der anderen Seite…wenn, was wahrscheinlicher war, Duilin, oder besser gesagt dessen Spieler, seine Gefühle bemerkt hatte und sich davon bedrängt und belästigt fühlte…was gab es dann Besseres als eine Alibi-Ehefrau um…nein, ganz sicher nicht, um ihn eifersüchtig zu machen!
Das war es doch gerade, Duilin wäre nicht eifersüchtig. Er wäre beruhigt, dass der Kuss wohl doch rein platonisch gemeint gewesen war.
War er ja auch.
Nur…
Ach, verdammt!
Okay, er würde auf dieses Con gehen, und wenn es sich ergab, dann würde er im Spiel auch heiraten. Und sich dieses dumme Wunschdenken aus dem Kopf schlagen.
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„Nicht so schnell. Da krieg ich Angst.“
Sören nahm den Fuß vom Gaspedal. „Wir kommen zu spät.“
„Besser spät als nie.“
Sie hatte ja Recht. Trotzdem. Gerade bereute er, seine Schwester mitgenommen zu haben. Er war der Dreh- und Angelpunkt dieses Cons, er konnte nicht zu spät kommen!
Besser als zermatscht am nächsten Baum zu kleben war es natürlich schon. Und Bäume gab es reichlich. Scharfe Kurven ebenfalls.
Der Schwarzwald war eine schöne Gegend, aber die Hölle für Autofahrer.
Sein Handy klingelte. Seine Schwester schaute aufs Display.
„Ist es Linda?“ wollte er wissen, den Blick wieder auf die Straße gerichtet.
„Ja.“
„Geh ran und sag ihr, wir kommen in einer halben Stunde.“ Sie hätten schon vor einer halben Stunde da sein müssen. Verdammter Stau.
„Sie sagt, sie fangen schon ohne uns an.“
„Was?!“
„Du warst auf der Jagd und hast dich verirrt. Du musst dich bei den Gästen für dein Zuspätkommen entschuldigen. Ich darf einfach in die Küche schlüpfen.“ Die Schadenfreude in ihrer Stimme war unüberhörbar.
„Auf der Jagd verirrt? Ich bin tausend Jahre alt und lebe genauso lange am selben Ort, aber ich habe mich auf der Jagd verirrt, ja klar!“
Seine Schwester hatte schon aufgelegt. „Tja, vielleicht warst du mit den Gedanken woanders. Guck auf die Straße!“
Er brummte unwillig. „Ich weiß was Besseres. Ich habe einem prächtigen Hirsch – Zwanzigender oder so - nachgestellt, und man hat ein Küchenmädchen geschickt um mich daran zu erinnern, dass ich rechtzeitig auf der Feier zu sein habe. Da mir deswegen der Hirsch entwischt ist, habe ich miserable Laune.“ Die hatte er nämlich wirklich. Nur gut, dass er sich schon vor dem Losfahren umgezogen hatte.
Am Ziel angekommen trat er auf die Bremse, dass der Kies nur so über den Waldweg spritzte.
„Da wären wir.“
„Äh…wo sind die Häuser und alles?“ Sandra sah sich auf der Lichtung um. „Hier gibt’s nur Bäume.“
„Ist noch ein Stück zu laufen. Autos würden das Ambiente ruinieren.“
„Was ist mit meinem Schlafsack? Nachthemd? Zahnbürste?“
„Kannst du holen wenn die Feier angefangen hat und alle im Haus sind. Jetzt werden sie draußen sein und nach mir Ausschau halten.“
Zielstrebig ging er den schmalen Waldweg entlang.
„Äh…Sören?“
„Ja?“
„Wo finde ich die Küche?“
„Auf der Rückseite gibt’s einen Extraeingang für Dienstboten…mach dir keine Gedanken, es wird dir schon jemand den Weg zeigen.“
„Na toll.“
„Du wolltest mitkommen.“
„Du hast angeboten mich mitzunehmen. Ich dachte, du zeigst mir alles und so. Ich kann doch nicht einfach da hinlatschen und so tun als ob ich da schon seit Ewigkeiten arbeite…“
„Doch, kannst du. Ich hab da vollstes Vertrauen in dich.“
Sie traten aus dem Wald. Am Haus brannte schon Licht – unzählige violette Papierlaternen, deren magisch anmutender Schimmer sich mit dem rötlichen Schein der hereinbrechenden Dämmerung mischte.
Dírhaval schluckte und richtete sich auf. „Sei so gut und bring mein Pferd in den Stall, Elenwen – ich werde mich meinen Gästen stellen müssen.“
Kalter Schweiß brach ihm aus. Sicher wusste jeder einzelne Anwesende, welchem Zweck diese Feier in Wahrheit diente. Was, wenn ihm keine der Maiden gefiel? Oder – noch schlimmer – wenn sich eine von ihnen zu ihm hingezogen fühlte und er es nicht erwidern konnte?
Alle von Rang und Namen waren gekommen, unter ihnen auch der Fürst von Menelenlaire mit seiner Familie und…
Dírhaval erstarrte.
Duilin! Aber er gehörte nicht zur Fürstenfamilie, er…warum war er hier? Warum? Er musste doch auf der Conankündigung gelesen haben, dass…und es war ein Einladungscon! Linda! Warum hatte sie ihm nichts gesagt?
Duilin sah schlecht aus. Seine Wangen waren eingefallen, die Augen dunkel unterlaufen…scheiße…dieser Liebeskummer machte ihm also immer noch zu schaffen…aber was ging Sören das an? Nichts.
Dírhaval begrüßte die Besucher und entschuldigte sich in aller Form für sein Zuspätkommen. Sein Blick jedoch schweifte immer wieder ab, suchte immer wieder die tief in ihren Höhlen liegenden Augen von Duilin in Laire.
Beim Abendessen musste ihn seine Mutter des Öfteren in die Seite stoßen, damit er seine Aufmerksamkeit der ihm gegenübersitzenden Frau zuwandte. Melwen von Melenenlaire war eine durchaus hübsche Maid, aber die Sorge um seinen Freund beschäftigte Dírhavals Gedanken zu stark, als dass er das mehr als flüchtig hätte bemerken können.
„Es ist so heiß hier drin…wollen wir nicht ein wenig spazieren gehen?“
Und schon hatte sie ihn untergehakt und ins Freie gezogen.
„Ist es hier nicht viel schöner? Seht nur, die Sterne…“
Dírhaval sah nach oben. „Ja…eine klare Nacht…“ Hatte niemand bemerkt, wie es Duilin ging? Der Fürst hätte ihn entschuldigen müssen. In diesem Zustand sollte er nicht reisen. In Menelenlaire wäre er besser aufgehoben. Weitaus besser. Er hatte sein Essen kaum angerührt…
Und Sören wollte ihn nicht mehr sehen. Es tat einfach nur weh.
„Ist etwas? Ihr wirkt so abwesend?“
„Verzeiht bitte. Ich bin wohl etwas müde.“
„Dann will ich Euch nicht weiter wach halten. Wir können unseren Spaziergang auch morgen fortsetzen.“ Sie löste ihren Arm von seinem, nickte ihm lächelnd zu und setzte ihren Weg alleine fort.
Verdammte Scheiße! Hätte ihm nicht jemand sagen können, dass Duilin kommen würde? Dann…dann hätte er irgendwas vorgeschoben um absagen zu können.
„Dírhaval?“
Er zuckte zusammen, drehte sich langsam zu Duilin herum. „Ja?“
„Ihr wirktet heute Abend recht abweisend…Freund. Habe ich Euch verärgert?“
Oh. Dann…hatte es gar nichts zu bedeuten, dass er ohne Abschied verschwunden war?
„Nein, nein. Natürlich nicht. Ich…die Jagd…und…es hat mich sehr in Verlegenheit gebracht, zu spät zu kommen. Vielleicht wirkte ich deshalb etwas…kühler.“
„Verstehe. Seid unbesorgt, ich bin sicher, niemand nimmt es Euch übel.“
Dírhaval nickte nervös. „Ja…danke…gehen wir ein Stück?“
Duilin hakte ihn nicht unter, hielt Abstand. „Gern. Wie geht es Euch?“
„Gut, wie immer. Euch dagegen - wenn die Bemerkung gestattet ist – scheint es nicht gut zu gehen.“
„Ihr habt mir sehr geholfen. Doch die Rückkehr in meine Heimat hat…unschöne Erinnerungen geweckt.“
Sie hatten eine Terrasse erreicht, von der aus man den dunklen Tannenwald im Tal überblicken konnte. Ein kalter Wind wehte, und Dírhaval fröstelte. Der Winter war nahe.
„Welches Gästezimmer hat man Euch zugewiesen?“
Duilin trat neben ihn, so nahe, dass Dírhaval seine Körperwärme spüren konnte. „Die Fürstin war so freundlich, mir das Zimmer neben Eurem zuweisen zu lassen.“
„Ah. Nun…wenn Ihr…“
„Wenn es Euch keine Umstände macht.“
„Natürlich nicht.“
Verdammt, warum ließ er sich darauf ein? In der Rolle bleiben zu müssen war kein Grund, es hätte sich bestimmt eine Ausrede gefunden…oder er hätte einfach sagen können, dass es zu viele Umstände machte.
Dírhaval war im Grunde eine Statistenrolle. Niemand schrieb ihm vor, wie genau er ihn zu spielen hätte, solange er seinen Zweck erfüllte.
In Wahrheit war es doch so, dass er mit Duilin allein sein wollte. Trotz allem was dagegen sprach, und das war eine Menge.
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Am nächsten Morgen war der Himmel klar, und helles Sonnenlicht strömte in Dírhavals Gemächer.
Dírhaval musterte Duilins Oberkörper. Die Rippen standen vor, das Schlüsselbein stach regelrecht durch die Haut. „Ihr seht fürchterlich aus.“
„Ich weiß.“
„Ihr hättet mir schreiben können.“
Er hätte Sören im Internet finden können. Er hätte ihm erzählen können was wirklich los war. Selbst wenn er bei der Abreise in Eile gewesen war – unter dem Nickname „Dírhaval“ war Sören nun wirklich nicht gut versteckt. Nein…ihre Bekanntschaft sollte wohl aufs Rollenspiel beschränkt bleiben.
Damit würde er leben müssen.
„Es schien mir unangemessen, deswegen einen Boten loszuschicken. Zumal – ich hätte nicht sicher sein können, dass der Brief nicht in die falschen Hände gelangt.“
„Hm. Nun gut. Ich würde Euch raten, Eurer Heimat eine Zeitlang fern zu bleiben…falls das möglich ist.“
Duilin schüttelte langsam den Kopf. „Der Fürst verlässt sich auf mich.“
„Weiß er nicht...davon?“ Er trug den Blätterbrei auf Duilins Arm auf.
„Ihm sind hoffentlich nur Gerüchte zu Ohren gekommen.“
Dírhaval seufzte und griff nach einem Verband. „Und Ihr wollt nicht darüber sprechen?“
„Nicht, solange ich irgendwie in der Lage bin, weiterhin meine Pflicht zu tun.“
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Beim Frühstück sah Duilin ein wenig besser aus. Die Schatten unter seinen Augen schienen weniger ausgeprägt. Aber vielleicht war es auch nur das Morgenlicht, das ihn gesünder wirken ließ.
Doch Dírhaval hatte wenig Zeit, darüber nachzudenken. Melwen schien fest entschlossen, ihn für sich zu gewinnen, und er hatte Mühe, dem Gespräch das sie anfing zu folgen. Schließlich brachte sie das Gespräch auf die Ereignisse im Sommer.
„Ihr wart so tapfer!“
Hatte das Mädel denn nie im Leben mit jemandem geflirtet? In echt? „Ihr wart so tapfer“ und dazu Geklimper mit den dezent geschminkten Wimpern…Autsch.
„Eigentlich nicht“, erwiderte er steif. „Es ist nur dem strategischen Geschick meiner Mutter und dem tapferen Einsatz von Duilin in Laire zu verdanken, dass wir im Kampf nicht unterlagen.“
Sie schwieg eine Weile. „Oh. Ja. Darum hat Frau Dirnaith ihn wohl auch eingeladen. Aber Ihr seid zu bescheiden!“.
„Nicht doch.“
So ging es noch eine geraume Zeit weiter.
Am späten Vormittag, die Gäste hatten sich in der Halle am offenen Kamin versammelt und trugen Lieder vor, entschuldigte sich Dírhaval und stieg die Treppe hinauf.
Im Flur standen die drei Söhne des Fürsten von Menelenlaire und stritten sich über irgendetwas.
„Es war deine Idee!“
„Eben. Ich hatte schon die Idee. Jetzt bist du dran.“
„Warum nicht …..?“
„Ich habe schon die Spinne gefangen! Du tust sie in sein Zimmer, dann hat jeder was gemacht.“
Ah, ein Streich. Dírhaval schmunzelte. Die drei waren so um die zweihundert Jahre alt – eine schöne Zeit. Keine Verantwortung, dafür eine Menge Flausen im Kopf. Ganz schön frech, ihrem Gastgeber einen Streich zu spielen, den Mut hätte er in dem Alter nicht aufgebracht. Vielleicht ging er besser und ließ die drei unter sich ausmachen…
„Oh, Herr Dìrhaval.“ Sie drehten sich zu ihm um. „Äh…würdet Ihr uns einen Gefallen tun?“
Eine neue Streichidee? Nun denn… „Gerne. Worum geht es?“
„Also…Ihr kennt Hauptmann Duilin, ja? Wusstet Ihr, dass er Angst vor Spinnen hat?“
Die Jungs lachten und stießen sich gegenseitig an. „Er flippt total aus, wenn er eine sieht! Das müsst Ihr einfach gesehen haben!“
Dírhaval hatte Mühe, seine Miene im Griff zu halten. Das war nicht mehr witzig. Aber er wusste nicht, wie der Fürst reagieren würde, wenn Dírhaval seine Söhne zurechtwies. Hier war Diplomatie gefragt.
„Und jetzt wollt Ihr mich bitten, die Spinne die ihr gefangen habt in sein Zimmer zu bringen?“
„Genau. Wenn er einen von uns dabei erwischt…aber für Euch ist es keine Gefahr.“
Er streckte eine Hand aus, und versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. „Gebt sie mir.“
Der Junge, der seine Hände zu einer hohlen Kugel geformt hatte trat vor. „Danke. Vorsicht, lasst sie nicht entkommen.“
Das Tier blieb gehorsam auf seiner Hand sitzen. Er betrat Duilins Zimmer, öffnete das Fenster und setzte die Spinne aufs äußere Fensterbrett bevor er das Fenster wieder schloss und das Zimmer verließ.
Die Jungen hatten sich in eine entfernte Ecke zurückgezogen und warteten offenkundig darauf, dass ihr Streichopfer kam. Er nickte ihnen zu, und ging in seine Gemächer.
Er musste nicht lange warten, bis er Schritte hörte. Duilin öffnete die Tür nebenan, und verbrachte einige Zeit in seinem Zimmer bevor er bei Dírhaval anklopfte.
Dírhaval öffnete die Tür. „Kommt herein.“ Er schloss die Tür hinter Duilin und wies auf einen Stuhl. „Setzt Euch. Ich sollte vielleicht sagen, dass die drei Burschen draußen Euch einen Streich spielen wollten und sehr erstaunt über Eure nicht erfolgte Reaktion sein dürften.“
„Ihr habt sie dabei ertappt?“
„Nicht ganz. Sie haben mich um Hilfe gebeten, aber ich ging davon aus, dass Ihr nicht in der Stimmung seid, einen Streich witzig zu finden, also habe ich die Spinne ausgesetzt.“
„Wohin?“
„Auf das äußere Fensterbrett Eures Zimmers – ich hoffe, das ist in Ordnung. Sie dürfte inzwischen weggekrabbelt sein.“
Oder auch nicht, denn Gummispinnen konnte normalerweise nicht krabbeln. Was sie für einen Streich in gewisser Weise effektiver machte.
„Danke. Das ist…gut. Das ist einer der Gründe, weswegen es mir schlechter geht –“ Duilin beendete den Satz nicht.
Dírhaval dämmerte etwas. „Ist das Euer Geheimnis? Das…jemand öffentlich gemacht hat?“
„Ja. Ich weiß, es ist albern…“
„Nicht im Geringsten.“
„Ihr habt nicht gesehen wie ich reagiere, wenn…“ Duilin schluckte. „Wenn…ich…Ihr versteht.“
„Ja. Wir alle haben unsere kleinen Eigenheiten, Dinge die wir mehr fürchten als es vernünftig wäre. Vielleicht ist es die Erinnerung der Seele an etwas, das unsere Vorfahren vor Jahrtausenden wirklich fürchten mussten.“ Er zog seinen Stuhl an den von Duilin heran. „Ich nehme an, Ihr seid hier, um Euch den Verband abnehmen zu lassen?“
„Ja.“ Duilin knöpfte sein Hemd auf. „Ich danke Euch für Euer Verständnis.“
„Nicht der Rede wert. Aber…ich denke, es wäre wirklich besser für Euch, eine Zeitlang aus Menelenlaire fernzubleiben. Ich könnte Euch einladen hierzubleiben. Vielleicht unter dem Vorwand, dass ich Unterricht im Schwertkampf brauche – was heißt Vorwand, ich brauche wirklich Unterricht, Ihr habt mich kämpfen sehen.“
„Ihr habt Euch tapfer geschlagen.“ Duilin ließ das Hemd über seine Schultern gleiten.
„Tapfer, aber nicht sonderlich fähig. Nun, was sagt Ihr?“
Duilin atmete tief ein und aus. „Ich danke Euch. Das wäre gut. Nur – Ihr müsstet den Fürsten davon überzeugen. Und ich denke nicht, dass er sich leicht überreden lassen wird.“
„Verstehe.“ Dírhaval rollte die letzte Windung des Verbands auf und wischte den Kräuterbrei von Duilins Arm. „Darf ich, falls er sich allen anderen Argumenten verschließt, Euren Gesundheitszustand ins Feld führen?“
Duilin schwieg lange. „Ja. Falls es wirklich nötig wird, dürft Ihr die…die Sache erwähnen. Aber nur dann. Und vielleicht…vielleicht könnt Ihr die Ursache meines Zustandes unerwähnt lassen.“
„Ich werde mir alle Mühe geben.“
Beim Mittagessen bat Melwen Dírhaval um seine Begleitung bei einem Spaziergang. Er nahm an, obwohl er sich bereits fast sicher war, dass er sie nicht mögen würde. Sie kam aus einer Familie die ihren Kindern offenbar nicht ein Mindestmaß an Rücksichtnahme beibrachte – konnte sie besser sein als ihre Brüder?
Mit ihm sprach sie freundlich, aber er fragte sich immer wieder: War sie zu jedem so freundlich? Kam auch Duilin in den Genuss ihres Mitgefühls?
Schließlich, als wäre es ein Mückenstich den er kratzen musste obwohl er wusste, dass es nicht gut war, brachte er das Gespräch auf Duilin.
„Mir ist aufgefallen, dass er etwas mitgenommen aussieht. Hattet Ihr eine anstrengende Reise?“ Dass er fürchterlich aussah musste doch jemandem aufgefallen sein!
„Oh nein, das Wetter war gut.“ Sie blickte zum Himmel, wo graue Wolken vorbeizogen. „Es riecht nach Schnee…Schnee ist sehr romantisch, findet Ihr nicht?“
„Äh…ja…nun…“ Er räusperte sich. „Eure Brüder scheinen große Freude daran zu haben, Hauptmann Duilin Streiche zu spielen.“
„Sind sie nicht herzallerliebst? So verspielt!“
Okay, jetzt war es sicher. Sie spielte die hirnlose Tussi nur. Ein bisschen weniger dick aufgetragen hätte es auch getan, aber gut. Niemand war perfekt.
„Es wäre sicher recht amüsant, wenn sie sich ein anderes Opfer für ihre Streiche suchten.“
„Er ist der Einzige, der sich so herrlich aufregt wenn er eine Spinne sieht.“
„Ich verstehe. Nun, es sieht tatsächlich nach Schnee aus. Wir sollten ins Haus gehen, uns etwas aufwärmen. Ihr seht schon ganz verfroren aus.“
„Mir ist nicht kalt“, protestierte sie.
„Eure Lippen sind schon ganz blau verfärbt. Ich bestehe darauf, dass wir umkehren.“
Das seltsame Verhalten heterosexueller Männer in der Paarungszeit. Er bekam was er wollte und wirkte dabei auch noch wie ein Gentleman.
Wahrscheinlich mochten es manche Frauen deswegen nicht, wenn ein Mann den Gentleman spielte. Sören konnte nicht der Einzige sein, der Rücksichtnahme vorschob um eine Frau elegant loszuwerden.
Drinnen angekommen wurde er wie erhofft sofort von einer anderen Maid mit Beschlag belegt. Meriliel wenn er sich richtig erinnerte. Sie verwickelte ihn in ein anregendes Gespräch über Heilkräuter, das sich noch über das gesamte Abendessen hingezogen hätte, hätte seine Mutter ihn nicht mit einem sanften Tritt gegen das Schienbein daran erinnert, dass er allen Maiden gleichermaßen seine Aufmerksamkeit zukommen lassen solle.
Am nächsten Morgen sprach ihn Duilin darauf an.
„Ihr schient völlig versunken in das Gespräch mit Meriliel…“
„Oh ja…ich habe selten Gelegenheit, mit jemandem zu sprechen, der sich genauso für abgelegenere Zweige der Heilkunde interessiert wie ich.“
„Verstehe. Ich würde Euch jederzeit gern zuhören, aber meine Kenntnisse auf diesem Gebiet…“ Duilin schüttelte den Kopf. „Habt Ihr den Fürsten schon auf darauf angesprochen, ob ich hier bleiben könnte?“
„Ihn noch nicht. Ich habe mit meiner Mutter gesprochen, sie würde sich sehr freuen…daran hatte ich keinen Zweifel, aber sie muss natürlich Bescheid wissen bevor ich mit dem Fürsten rede.
„Natürlich.“
Sofort nach dem Frühstück bat Dìrhaval den Fürsten um ein Gespräch unter vier Augen. Der lächelte, und Dírhaval gewann den Eindruck, er vermute, es solle in dem Gespräch um Melwen gehen.
Nichtsdestotrotz trug er sein Anliegen vor, sobald sie in seinen Räumen allein waren.
„Unmöglich“, wehrte der Fürst ab, seine Miene nun wesentlich unfreundlicher. „Duilin ist einer meiner besten Männer. Ich kann nicht auf ihn verzichten.“
„Vor wenigen Monaten konntet Ihr es noch.“
„Damals lagen die Dinge anders. Er war nur ein paar Tage hier, und die Sicherheit meines Landes war ebenso bedroht wie die des Euren. Es war eine taktisch kluge Entscheidung, ihn in den Kampf zu schicken.“
Klar doch. Schon vergessen, dass der Typ den du spielst eigentlich gar niemanden schicken wollte?
Hm, eigentlich gutes Rollenspiel. Wäre unrealistisch, so etwas zuzugeben. Es bequemerweise zu „vergessen“ dagegen – total lebensecht.
„Es herrscht Frieden. Mir sind keine Neuigkeiten über irgendeine Bedrohung bekannt.“
„Das könnte sich jeden Tag ändern.“
Das war allerdings sehr wahr…die schiere Menge der Turbulenzen die ein Larp-Land normalerweise so zu erdulden hatte ging auf keine Kuhhaut..
„Euch ist sicher bekannt, wie erbärmlich meine Fähigkeiten als Krieger sind. Und Dorindinith ist auch ein Bollwerk für Euer Land. Je besser ich kämpfen lerne, desto sicherer seid Ihr.“
„Ich habe vollstes Vertrauen in Eure Mutter, Frau Dirnaith, und ihre Fähigkeit ihre Truppen zu führen.“
Dírhaval war nahe daran, mit den Zähnen zu knirschen. Der Fürst gab sogar zu, dass er, Dírhaval, Kampfunterricht brauchen könnte – und weigerte sich trotzdem geradeheraus.
„Wenn Hauptmann Duilin so unentbehrlich für Euch ist wie Ihr sagt“, erwiderte er, seinen Ärger mühsam beherrschend „dann schuldet Ihr mir etwas. Ich habe ihm das Leben gerettet. Wäre mir nach dem letzten Kampf nicht aufgefallen, dass er noch gerade so am Leben ist, müsstet Ihr für immer auf ihn verzichten.“
„Darf ich Euch daran erinnern, dass Ihr es nur meiner Güte zu verdanken habt, dass er an Eurer Seite gekämpft hat? Ich wäre nicht verpflichtet gewesen, ihn nach Dorindinith zu senden.“
„Dennoch – Ihr würdet mir doch wohl zustimmen, dass es besser für Euch wäre, er wäre einige Monate fort, als wenn er nie wieder käme?“
„Sicher…“, erwiderte der Fürst mit einer arroganten Gelassenheit, die geeignet war, Dírhaval die glatte Wand hinaufzutreiben.
Um nichts Unüberlegtes zu tun öffnete er ein Fenster. Schneeflocken wirbelten herein, und er kämpfte eine Weile mit dem Fenster, bis es nur noch einen Spalt geöffnet war, durch den keine Schneeflocken hereinkommen konnten.
Dírhaval wandte sich wieder dem Fürsten zu. „Nun, Euch ist bekannt, dass ich in der Heilkunde durchaus bewandert bin?“ Es hatte alles keinen Zweck, er würde die Karten auf den Tisch legen müssen.
„Ja….und?“
„Ist Euch nicht aufgefallen, dass…“
Die Tür öffnete sich, und Frau Dirnaith trat ein. „Oh, störe ich?“
Dírhaval überlegte nur kurz. „Nein, Mutter. Ich wollte den Fürsten nur gerade fragen, ob ihm auch aufgefallen ist, wie blass Hauptmann Duilin ist, schon seit ihrer Ankunft hier.“
„Jetzt wo du es sagst…ja, er scheint mir etwas abgemagert. Es war wohl eine beschwerliche Reise.“
„Ich habe Anlass, etwas Ernsteres zu vermuten.“
„Nur Sterbliche werden krank“, bemerkte der Fürst.
„Ja“, sagte Dírhaval leise. „Es ist keine Krankheit des Körpers, die Hauptmann Duilin befallen hat. Wenn Ihr nicht auf ihn verzichten könnt, dann solltet Ihr…“
„Unsinn“ fuhr ihn der Fürst an. „Es geht ihm blendend. Ich weiß nichts davon, dass die Yrch ihn gefoltert hätten, und etwas Anderes würde wohl kaum…“
Mit raschen Schritten durchquerte Dìrhaval den Raum, bis er genau vor dem Fürsten stand. „Habt Ihr keine Augen im Kopf?“ rief er. „Er schwindet! Er ist nur noch Haut und Knochen! Seine Wangen sind eingefallen, er isst kaum etwas – er wird bald…“
„Und Ihr glaubt, Ihr könnt ihm helfen?“
„Ich weiß es nicht. Aber ich werde es versuchen.“
„Was sollte das überhaupt ausgelöst haben? Es geht ihm gut. Er ist ruhmreich heimgekehrt, nachdem er sein Leben für Euer Land aufs Spiel gesetzt hatte.“
„Und weil er als ruhmreicher Krieger so geachtet wird, spielen Eure Söhne ihm Streiche. Deshalb macht man sich in Menelenlaire über seine Ängste lustig. Natürlich. Es ist nicht meine Sache, Euch zu erzählen, was auf seiner Seele lastet, aber seid versichert, es wird seinen Zustand nicht verbessern, wenn man sich Scherze mit ihm erlaubt!“
„Ein harmloser Scherz hat noch niemandem geschadet. Überlasst das ganz mir…wir haben auch gute Heiler in Menelenlaire, wisst Ihr?“
„Gut. Gut.“ Dìrhaval ging im Zimmer auf und ab. „Ihr wollt also nicht einwilligen.“
„In der Tat nicht.“
Dìrhaval blieb vor dem Fürsten stehen, trat noch einen Schritt auf ihn zu, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. „Dann sage ich Euch etwas!“ erwiderte er mit gefährlich leiser Stimme. „Duilin wird dieses Haus nicht verlassen. Nur über meine Leiche wird er von hier fortgehen!“
Der Fürst schmunzelte. „Über Eure Leiche also? Nun, wie Ihr bereits angedeutet habt ließe sich das selbst von einem nur mittelmäßigen Kämpfer sehr einfach bewerkstelligen…meint Ihr nicht, eine friedliche Lösung wäre eher in Eurem Interesse?“
Dírhaval trat einen Schritt zurück. „Damit habe ich es bereits versucht“, erwiderte er kühl.
„Oh, Ihr habt mitnichten alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Nehmen wir einmal an, Ihr würdet uns auf dem Rückweg nach Menelenlaire begleiten…“
Wie meinte er das? Wollte er damit andeuten, dass Melwen beabsichtigte…
„Was mein Sohn sagen wollte“, unterbrach die Fürstin sanft. „War, dass Hauptmann Duilin eine Luftveränderung braucht. Ruhe und Frieden, fernab von spielenden Kindern und der Gerüchteküche seiner Heimat.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. „Ich sehe natürlich ein, dass Ihr auf einen so fähigen Mann nicht ohne Weiteres verzichten könnt. Wie es der Zufall will habe ich hier auch einen fähigen Krieger und Anführer, der eine Luftveränderung braucht. Ich schlage einen Tausch vor.“
„Nun…“
Dírhaval warf seiner Mutter einen dankbaren Blick zu. Der Fürst konnte sich nicht weigern; nicht ohne anzudeuten, der Tausch sei für ihn unvorteilhaft. Und das wäre diplomatisch nicht sehr geschickt..
„Nun gut. Wenn Euch so viel daran liegt“, erwiderte der Fürst mit gekünstelter Beiläufigkeit.
Dírhaval hätte ihn erwürgen mögen. „Ich danke Euch“, zwang er sich zu sagen.
„Tathren wird Euch nicht enttäuschen“, sagte Frau Dirnaith mit lieblichem Lächeln.
Dírhaval flüchtete aus dem Zimmer und klopfte an Duilins Tür.
Keine Antwort. Aber…er war doch hineingegangen…
In einem plötzlichen Anflug von Panik riss er die Tür auf. Die Balkontür stand offen, Duilin war draußen. Schneeflocken glitzerten in seinem Haar.
„Wie ist es ausgegangen?“ fragte er leise ohne sich umzudrehen.
Dírhaval trat neben ihn. „Gut.“ Er legte zaghaft eine Hand auf die von Duilin, die ausgekühlt das hölzerne Geländer umklammerte. „Es war schwer, aber…Ihr dürft bleiben.“
„Ich kann Euch gar nicht sagen…danke.“ Er wandte sich zu Dírhaval um. „Sören…“
„Ja?“ Sein Name! Duilin kannte seinen echten Namen!
„Ich glaube, ich…“ Duilin schluckte sichtbar. „Ich habe mich in deinen Chara verliebt.“
„Oh.“ Was sagte man dazu? War das so gemeint wie er hoffte? Oder war es nur ein Kompliment an seine Rollenspielfähigkeiten?
„Weißt du…ich bin eigentlich ein ziemlich mieser Rollenspieler.“
„Ja?“ Ein Lächeln schlich sich auf Duilins Gesicht.
„Ja…ich spiele die meiste Zeit mich selbst. Nur mit spitzen Ohren.“ Und er hätte nie gedacht, dass er darum mal froh sein würde.
Duilin kam näher. „Ist das eine Einladung?“
„Äh….ja! Ist es.“
Duilins Lippen waren kühl vom Wind, doch sein Wollmantel fühlte sich warm an unter Sörens Händen.
Er erschauderte, als Duilin mit eiskalten Händen an seinen Nacken griff. „Gehen wir rein?“ fragte er schließlich, als sie atemlos voneinander abließen.
„Ja, das wird das beste…“
„Dírhaval? Wo bist du denn hin…oh!“
Sören trat einen Schritt zurück. Linda! Verdammt! Warum gerade jetzt!
„Frau Dirnaith.“ Duilin kehrte ins Zimmer zurück. „Erlaubt mir, auch Euch zu danken –“ Er ergriff ihre Hand und hob sie an die Lippen. „Es ist mir eine große Ehre, Euren Sohn im Schwertkampf unterrichten zu dürfen.“
„Oh, nicht doch, die Ehre ist ganz auf seiner Seite. Nicht wahr?“
„Selbstverständlich.“
„Eigentlich wollte ich Euch nur sagen, dass der Fürst sich letztendlich damit abgefunden hat, Euch gegen Tathren einzutauschen, Hauptmann Duilin.“
„Tathren?“
„Ja, er braucht dringend eine Luftveränderung.“ Sie zwinkerte Dírhaval zu. „Ich nehme an, Ihr wollt die Übungsstunden für die nächsten Wochen planen? Dann werde ich dafür sorgen, dass man Euch nicht stört.“
„Das ist sehr freundlich, Frau Dirnaith.“
Sie lächelte und ging zur Tür. „Keine Ursache“, meinte sie noch, bevor sie die Tür hinter sich zuzog.
„Hat sie uns gesehen?“ fragte Sören.
„Ich glaube nicht, aber sie könnte schon länger etwas geahnt haben.“
„Warum?“
„Nun…“ Duilin zuckte mit den Schultern. „Das hier ist ein Einladungscon, zu dem ich eigentlich nicht eingeladen war. Ich musste ihr schreiben und den Grund für meinen Wunsch offen legen um kommen zu dürfen.“
„Und der war…?“
„Mich am Wettstreit um die Hand des holden Jünglings Dírhaval zu beteiligen…nein, Quatsch, ich habe ihr geschrieben, dass mein Chara dem Tode nahe ist, und nur Dírhaval ihn noch retten kann…und du das vielleicht unterhaltsam finden könnest. Sie mochte die Idee und hat für ein bisschen Konflikt gesorgt, um es dir nicht zu einfach zu machen. Der Streich war ihre Idee.“
„Oh.“ Also war das Geheimnis das sie teilten doch nicht so geheim… „Und sie hat dir dann meinen Realnamen gesagt?“
„Den kannte ich schon vorher. Das Internet ist in der Hinsicht sehr praktisch.“
„Du hast mein Profil gefunden? Warum hast du mir nicht geschrieben?“.
„Warum hast du mir nicht geschrieben? Hast du den Zettel nicht bekommen?“
Sören runzelte die Stirn. „Welchen Zettel?“
„Den, auf dem ich meine E-Mail Adresse notiert hatte. Ich habe ihn Glamthêl gegeben…dann hat sie ihn wohl vergessen…das hab ich gehofft, ehrlich gesagt.“
„Was hätte sonst passiert sein sollen?“
„Keine Ahnung. Du hättest mich einfach nicht interessant genug finden können um mir zu schreiben.“
„Ich bin bereit, einiges zu tun, damit das Spiel für alle realistischer erscheint“, erklärte Sören. „Jemanden auf die Stirn zu küssen den ich nicht wenigstens ein bisschen sympathisch finde, gehört aber nicht dazu.“
„Darauf habe ich gehofft, als ich mich hier eingeschmuggelt habe.“
„Dann…magst du mich schon länger?“
„Ich fand dich schon bei unserer ersten Begegnung ziemlich…attraktiv. Du bist ein vollendeter Gentleman – das gefällt mir. “
Sören dachte nach. „Du siehst ziemlich ungesund aus“, meinte er. „Ich dachte…du warst doch in echt unglücklich…?“
„Ach das, ja. Das ist…nicht mehr so schlimm. Ich habe mich von Linda auf abgemagert und krank schminken lassen, sie ist da richtig gut drin…macht wohl die tägliche Übung, auch wenn Frauen es normal eher aufs Gegenteil abgesehen haben.“
Alles nur geschminkt? Wahnsinn! Aber auch gut so. „War es wirklich eine Frau, damals? Bist du bi?“
Duilin – wie hieß er eigentlich? – schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste. Es war wirklich eine Frau. Sie hat sich aber im Internet für einen schwulen Mann ausgegeben und…“ Er zuckte mit den Schultern.
„Dir das Herz gebrochen“, schlussfolgerte Sören. „Äh...ich weiß immer noch nicht wie du heißt…“
„Oh, natürlich.“ Sein Gegenüber streckte eine Hand aus. „Darius. Den Anfangsbuchstaben habe ich beibehalten.“
Sören ergriff die Hand und schüttelte sie. „Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.“
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, versicherte Darius. „Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass ich dich ein bisschen gestalkt habe…hätte mich nie getraut, es dir zu sagen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass du…na ja…“
„Überhaupt nicht. Ich überlege mir sehr gut, was das Internet über mich wissen darf. Dass ich schwul bin ist kein Geheimnis.“
„Bei mir auch nicht mehr, leider.“
„Du meinst, wegen gerade eben?“ Wenn bloß Linda nicht so reingeplatzt wäre…Moment, die wusste es wahrscheinlich sowieso –
„Nein…die Dame die es lustig fand mein Herz zu brechen, fand es ebenfalls höchst amüsant, meine sexuelle Orientierung in Facebook breitzutreten.“
„Autsch.“ Wie fies konnte ein Mensch eigentlich sein?
„Ich hoffe, das ruiniert mir nicht meine Karriere.“
„Was machst du denn?“
„Studieren. Auf Lehramt. Wenn die mich googeln und dann irgendwelche Ideen haben von wegen ich könnte meine Schüler belästigen…“
„In solchen Zeiten leben wir nicht mehr“, versuchte Sören ihn zu beruhigen. „Hoffe ich jedenfalls.“
„Es gibt noch genug…Subjekte die so denken.“
„Aber auch genug andere. Sieh es positiv: Du musst dir jetzt keine Gedanken mehr darüber machen, wie du unsere Beziehung versteckst.“
„Dann…willst du eine?“
„Beziehung? Sicher. Ich knutsche nicht mit jedem rum.“
Darius fuhr sich durchs Haar. „Ich auch nicht…ich war nur…nicht sicher. Das ist das erste Mal, dass ich…ich habe gehört, die meisten sind eher für…äh…unverbindlichere Sachen…“
„Du kennst keine Schwulen?!“
„Ähm…“ Darius starrte auf den Boden. „Nein. Also, außer dir. Ich geh nicht viel weg…hab auch nicht so viele Freunde…sonst hätte ich bei diesem Mädchen auch früher Lunte gerochen glaub ich.“
Sören starrte ihn verdattert an. „Du…ich…ich bin der erste, der…den du...“
„Ja. Und ich gehe davon aus, dass du dich angemessen geehrt fühlst. Jedenfalls weigere ich mich, mich dafür zu schämen“, erwiderte Darius fest.
„Ich fühle mich sehr geehrt.“ Ob er wohl sagen sollte, dass es bei ihm mit Erfahrung auch nicht weit her war? Vielleicht ein andermal, sonst dachte Darius noch, er erfand das um ihn zu beruhigen. „Aber – wie hast du es geschafft, mich zu küssen? Ich meine…“
Darius lächelte. „So schüchtern bin ich nun auch wieder nicht. Du hast deutlich genug gemacht, dass es dich freuen würde…und ich schätze es hat dich auch nicht gestört, dass ich nicht küssen kann?“
„Wüsste nicht, wie ich das beurteilen sollte. Mir hat es gefallen“
Tag der Veröffentlichung: 30.10.2014
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