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Adrica & Daria – Kadra und die erste Mission

 

Buch 3

 

Kadra und die erste Mission

 

Diese Geschichte ist frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Handlungsorte sind fiktiv.

 

Einleitung

 

Ich bin Jasmina, die jüngste von drei Schwestern und das vorletzte Kind unserer Eltern vor dem Nesthäkchen Rodin, unserem Bruder. Ab hier und an allen kursiv geschriebenen Stellen gebe ich zusätzliche Hinweise, da ich nicht den Eindruck erwecken möchte, alles nur aus meiner Sicht zu erzählen.

Die Ereignisse, die mir von allen Beteiligten berichtet wurden, bilden die ganze Geschichte.

Eine Mission, die Gründung der Gemeinde Kelowna, die wir ab 1874 im kalifornischen Santa Barbara County begannen, wurde 1881 abgebrochen.

Kadra, die ‚Anführerin‘ unseres Geheimbundes, meine Geschwister und ich gingen zu einer anderen Mission auf die Erde.

Seit den 1960er–Jahren begleiteten wir drei Mädchen durch ihr Leben. Wir waren für ihren beruflichen und privaten Erfolg verantwortlich. Die drei jungen Frauen verloren sich aus den Augen, bis die Zukunft aller Beteiligten von zwei Mädchen entschieden wurde, die 2011 ihren zwölften Geburtstag feierten.

Als Adrica und Daria sich kennenlernen, ahnen sie nicht, dass ihre Schicksale und die ihrer Familien schon lange vor ihrer Geburt, ja sogar vor Urzeiten, in einer anderen Dimension der Erde namens Terra miteinander verwoben waren.

Die mysteriösen Ereignisse begannen in der Adventszeit in der Gemeinde Taglewood, die zu Santa Maria im kalifornischen Santa Barbara County gehört. War es scheinbar nur der Zufall, der ihre Leben miteinander verwob, oder steckte tatsächlich eine unbekannte Macht hinter ihrer Begegnung, die ihre kühnsten Träume zu sprengen drohte? Ohne zu ahnen, dass sie Teil eines uralten Plans sind, versuchen Adrica & Daria der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Wird es ihnen gelingen, dem mächtigen Erbe gerecht zu werden, für das sie von einem Geheimbund auserwählt wurden?

 

Meine Geschwister und Kadra haben mich ausgewählt, um mit den Mädchen den Kalender eines unbekannten Astrologen und Erfinders aufzuschreiben, oder besser gesagt, darüber zu sprechen. Im Folgenden werde ich über diesen Zeitplan einer Legende schreiben.

 

Das Jahr 2020 hat begonnen. Adrica, Daria und ihre beste Freundin Linda haben eine lange Studienzeit hinter sich. Sie haben den Lernstress hinter sich gelassen und verbringen ihre Freizeit damit, die Ereignisse rund um die kumbalanischen Inseln und einen Zeitplan aufzuschreiben.

In dem großen Raum, der im umgebauten Glockenturm auf dem Anwesen des ehemaligen Gemeindegründers Giran Tayton eingerichtet wurde, waren wir voller Erwartung. Inwieweit waren unsere neuen Mitstreiter in der Lage, die Geschichte, für die wir lange Gespräche geführt und Notizen gemacht hatten, in eine akzeptable Chronik zu fassen? Keine der neuen Begleiterinnen war je auf Terra gewesen, umso erstaunter waren wir über die Genauigkeit ihrer Aufzeichnungen, die zum ersten Buch unserer Geschichte wurden.

Meine Geschwister, Kadra und ich wollten die Familiengeschichten von Adrica, Daria und Linda in unsere Chronik aufnehmen. Da ich das entscheiden durfte, habe ich dafür die ersten beiden Bücher vorgesehen.

 

Ich beginne mit den Ereignissen auf den Inselkontinenten Sitnalta - später auf der Erde Atlantis genannt - und Lumera. Nach der großen Katastrophe befanden sich diese Inselkontinente und die kumbalanische Inselgruppe mit dem Königreich auf dem Planeten Terra. Weiter erzähle ich von Shirah, Pedro, Siranie (Sira) und Miguel auf der Erde um das Jahr 1881. Im mexikanischen Ciudad Juárez - der amerikanischen Schwesterstadt El Paso, der Gemeinde Kelowna im Santa Barbara County und dem Fortgang unserer Mission auf den kumbalanischen Inseln unseres Heimatplaneten Terra.

Ab hier und an allen kursiv geschriebenen Stellen gebe ich, Jasmina, zusätzliche Hinweise, da ich nicht den Eindruck erwecken möchte, alles nur aus meiner Sicht zu erzählen. Die Ereignisse, die mir von allen Beteiligten erzählt wurden, bilden die ganze Geschichte.

Kapitel 01 - Der Plan

 

Vor langer Zeit

 

Auf dem Weg zum König, der sich seit Monaten auf dem zweiten Inselkontinent Lumera aufhielt, gingen dem Statthalter von Sitnalta viele Gedanken durch den Kopf. In den Katakomben unter der Stadt lagen noch alte Schriften, bedeutende Schriften. Wie lange würde es dauern, bis sie gefunden würden? Der Statthalter konnte nicht mehr an Rückkehr denken, was er dem König sagen musste, war nur ein Wort: Verrat. Für die Königin waren keine Worte nötig, als sie den Ausdruck auf dem Gesicht des engsten Gefährten ihrer Familie sah. Schlechte Nachrichten und Aufregung waren nicht gut für sie. Die Begrüßung ihrer Begleiterin, die ihren Mann auf der Reise begleitete, war von Zeichen der Angst begleitet. Während sich die Königin mit ihren Begleitern in ein Nebengebäude zurückzog, blieben die Männer in der Villa.

Jeder Raum des großen Gebäudes war für eine sichere Unterredung geeignet. Keine großen Räume, nichts im Vergleich zu denen im Palast der Hauptstadt, aber von einem der Zimmer aus hatte man einen Blick auf einen ins Landesinnere fließenden Fluss.

 

„Du kannst mir sagen, was du willst. Dieser abtrünnige Schakal. Ich muss mich beruhigen, bevor ich ausfallend werde“, der Statthalter hatte einen hohen Erregungsgrad erreicht.

Der König beruhigte ihn. „Das konnte niemand ahnen. Wie ist der da hingekommen?“, der König wurde vom Statthalter unterbrochen, der den passenden Namen für den Abtrünnigen aussprach. „Nenne ihn, wie du willst. Nur er kann hinter der Rebellion stecken. Er war mein vertrauter Erfinder und Sterndeuter.“

„Auch wenn es keine Geschichte für Märchenerzähler ist, unsere Spione haben erfahren, dass er Unsterblichkeit erlangt hat. Frag nicht wie. Frage mehr. Er will eine riesige Stadt bauen, mit einem Hafen. Ja, sicher für Galeeren. Wir werden hier auf Lumera nicht mehr sicher vor ihm sein.“

„Du weißt mehr, unsere Spione haben sicher mehr zu berichten“, sagte der König fordernd, aber auch mit Unbehagen.

Der Statthalter stellte sich ans Fenster, blickte in den Himmel und auf den Fluss vor dem Palast.

„Wir werden das alles aufgeben und ins Exil gehen müssen“, er wandte den Blick von den Sternen und vom Fenster ab. „Er ist nicht die einzige Gefahr. Eine viel Größere lauert in den Sternen. Und was von dort auf uns zukommt, weiß niemand. Niemand soll mir erzählen, dass er ein Astrologe war. Scharlatan, er hätte es auch deuten können. Die Frage ist, was hat er damals schon gewusst? In meinen Augen nichts“.

„Du hast das Exil erwähnt“, flüsterte der König nachdenklich.

„Die letzte, aber auch die einzige Lösung. Unsere Armee wird gegen die von Jaffard nichts ausrichten können.“

„Exil“, wiederholte der König, in Gedanken bei seinen Gefährten und dem Volk. Mit fester Stimme fuhr er fort. „Wo sollen wir uns verstecken? Jaffard wird uns überall finden.“

„Kumbala“, der einzige Ort, der dem Statthalter in dieser Situation einfiel.

„Kumbala?“, es dauerte eine Weile, bis der König mit diesem Hinweis etwas anfangen konnte. „Kumbala. Die Inselgruppe, die in der Nähe unseres Inselkontinents liegen soll? Vergiss es“, gab er zu verstehen und wollte einen aufkommenden Plan sofort wieder verwerfen.

„Ich weiß, was du denkst. Eine Legende. Keiner von uns war je auf einer dieser Inseln. Wenn wir glauben sollen, dass Jaffard unsterblich ist. Sollen wir an die Legende glauben, auch wenn es schwerfällt? In ein paar Tagen ist Vollmond. Auch wenn es nur eine Legende ist, mehr haben wir nicht. Also. Bei Vollmond soll man sich um Mitternacht an den Strand vor das Meer stellen. Nicht irgendwo, der Blick muss direkt auf den Mond gerichtet sein.“

„Dann wollen wir das tun“, forderte der König seinen Statthalter auf, nachdem er mit ihm gesprochen hatte.

Der König und der Statthalter folgten der Legende.

„Es ist weit nach Mitternacht. Lass uns gehen, hier ist nichts mehr los. Lass uns die Köpfe frei machen, wir werden nach anderen Möglichkeiten suchen, die wir nutzen können.“

„So schnell gibst du auf, Statthalter?“

Ein Schauer fuhr beiden durch die Glieder, keiner hatte gesprochen.

„Du hast die unausweichliche Gefahr in den Sternen erkannt. Auch die Unsterblichkeit Jaffards hat sich euch offenbart. Ein Exil für das Königspaar und den Gefährten ist die einzige Lösung“, während sie sprach, kam eine junge Frau die Dünen hinab. „Was habt ihr erwartet? Ein Wesen aus den Tiefen des Meeres? Jetzt, wo ich hier bin, werdet ihr von den Kumbala-Inseln gehört haben. Von nun an steht ihr unter meinem Schutz und werdet auf einer dieser Inseln leben.“

„Ja, wir haben den Ozean gesehen. Du wirst verstehen, dass wir Angst haben. Die Schrecken der letzten Tage haben dem König und mir zugesetzt. Du bist ...?“

„Antea, die älteste von Atans Töchtern.“

„Deine Familie und du, seid ihr in der Lage, uns zu beschützen?“, fragte der Statthalter zaghaft.

„Wenn der Schwarze Magier Jaffard beschützt, dann können wir euch das auch bieten. Das heißt nicht, dass ihr euch dazu verpflichten müsst. Es ist eure freie Entscheidung.“

„Wir haben das vor ein paar Tagen besprochen, deshalb sind wir hier. Wir sind bereit, ins Exil zu gehen, auch wenn es für den König und mich eine schwere Entscheidung ist.“

„Kommt zu mir“, bat Antea. „Stellt euch auf die Dünen.“

„Das ist nicht Lumera und auch nicht Sitnalta“, sagte der König mit ängstlicher Stimme.

„Ihr habt Euch entschieden, Statthalter. Ich spüre deine Angst und dass du erschrocken bist. Nein. Ihr seid seit Mitternacht im Exil. Lasst uns nicht lange herumstehen, eure Unterkünfte und Gefährten warten auf euch.“

Bis zum Morgen wurde viel diskutiert. Wie lange es wohl dauern würde, bis man sich an die neue Heimat gewöhnt hatte? Es waren die Sonnenstrahlen des späten Vormittags, die das Leben im Palast und in den Unterkünften der Gefährten allmählich erwachen ließen.

Antea hatte den König und seine engsten Begleiter zu einer Unterredung gebeten.

„Ich weiß, dass euch das Schicksal der beiden Inselkontinente sehr nahegeht. Die Zeit bis zur endgültigen Befreiung werden die Menschen von heute nicht mehr erleben. Jaffard wird immer wieder Menschen aus seiner Umgebung benutzen, um seine Macht zu erhalten. Er wird nicht zögern, sie zu opfern, er wird auch die Gestalt anderer annehmen, ohne Rücksicht darauf, ob sie aus dem Lager seiner Feinde stammen.“

„So kann er bis in alle Ewigkeit weitermachen, ohne befürchten zu müssen, aufgehalten zu werden“, der ehemalige Statthalter hielt seinen Zorn unter Kontrolle, dass er mit der Faust auf den Tisch schlagen wollte, wurde vom König verhindert. „Danke, aber dieser Schakal, mir fehlen die Worte. Kann man ihm nicht Einhalt gebieten?“ Der ehemalige Statthalter blickte besorgt in die Runde.

„Nein, ich weiß, dass du dir als Regent Sorgen um den Inselkönig machst“, bedauerte Antea. „Solange er seine Kräfte von der Familie des Schwarzmagiers erhält, ist das aussichtslos. Mein Plan ist es, ihm Niederlagen beizubringen. Ihm seine Werkzeuge abzunehmen. So dass er gezwungen ist, die Lücken in seiner Macht, die durch den Verlust entstanden sind, zu erneuern. Und das ist nicht leicht für ihn.

„Nicht nur für ihn. Wer von uns ist bereit, eine solche Aufgabe zu übernehmen? Keiner kann das allein. Und wir müssten aus unserem Schutz heraus.“

„Es wird deine Tochter sein. Natürlich mit der Unterstützung meiner Schwestern und mir.“

Es war das zweite Mal an diesem Tag, dass dem ehemaligen Statthalter ein Schauer über den Rücken lief.

„Meine Tochter?“, fragend blickte er den König an, der ebenso ratlos war.

„Um die Mission zu erfüllen, braucht man Langlebigkeit, und die habt ihr alle bekommen. Deine Tochter wird ausgebildet. Sie wird einen Geheimbund gründen und sich mit ihren Gefährten den Plänen Jaffards entgegenstellen. Die Katastrophe, die unweigerlich kommen wird, kehrt zurück. Der Schaden, der angerichtet wird, betrifft die Inselkontinente und das kumbalanische Archipel. Aus dieser Dimension der Erde werden wir in eine zweite Dimension geführt. Die Erde verändert sich.

„Wenn die Katastrophe zurückkehrt, wird der Schaden größer sein als das, was uns bevorsteht. Kann das verhindert werden?“, argumentierte der ehemalige Statthalter, erhob sich von seinem Platz und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch.

„Nur wenn deine Tochter und ihre Gefährten Erfolg haben. Du bist kein Statthalter mehr, du kannst dich als Erfinder und Astrologe beweisen. Alles, was du brauchst, steht dir zur Verfügung. Lass uns gemeinsam nach der Lösung suchen.

„Dafür bin ich sehr dankbar und spreche auch im Namen meiner Gefährten. Eine Tochter“, er hob den Kopf und schwieg einen Moment. „Ich habe keine Tochter.“

„Ich habe mir etwas überlegt, das deiner Tochter helfen wird. Frag deine Frau nach ihr.“

„Aber – Antea“, die Hoffnung auf weitere Informationen war vergebens.

„Unsere Frauen wissen mehr. Was meine Familie betrifft, so wird es bald Nachwuchs geben. Genießen wir unser Glück, denn hier bin ich kein König.“

„Auch die magischen Kräfte deiner Tochter haben ihren Preis. Sobald die Gefährten des Geheimbundes versammelt sind, beginnt ihre Mission.“

 

Die Katastrophe war vollbracht. Antea verbreitete in der ersten Dimension der Erde den Untergang des Kontinents Sitnalta, den sie rückwärts gelesen Atlantis nannte und damit eine Reihe von Mythen und Legenden auslöste.

Für die Überlebenden der Katastrophe war es nicht leicht, Fuß zu fassen.

Die über Jahrhunderte tradierten Wissenschaften und Kulturen bestimmten den Aufbau des Landes.

Unzufriedenheit machte sich breit, man warf den Priestern vor, an alten Traditionen festzuhalten.

Immer lauter wurde der Ruf nach weltlichen Herrschern, die neben den Priestern die Geschicke des Volkes lenken und es aus der Verdammnis führen sollten. Statthalter und Senatoren wurden gewählt, um die Provinzen zu regieren und Recht zu sprechen.

Das Volk war gespalten in Reich und Arm. Dieser Zwiespalt sollte die dunklen Mächte wecken, die lange Zeit fernab der Insel geschlummert hatten.

 

Jahre später

 

Es gab Tage, an denen Kadra ihre Ausbildung am liebsten abgebrochen hätte. Es war nicht leicht, sich gegen Antea und ihre Schwestern Alisha und Apendi durchzusetzen.

Der Tag der Prüfung kam. Überglücklich erfuhr Kadra das Ergebnis.

„Das ist mein Schicksal? Seid ihr sicher, dass Jaffard auf diese Weise vernichtet werden kann? Ein Geheimbund?“

Apendi führte Kadra aus ihrer Unsicherheit.

„Viele Fragen. Das ist dein Schicksal. Ein Geheimbund wird wichtig, du übernimmst die Führung. Deine Gefährten sind ausreichend ausgebildet, ihre magischen Fähigkeiten reichen aus, um sich zu verteidigen. Der Kristall ist euer Erkennungszeichen, jeder von euch trägt ihn um den Hals.“

„Ich habe während meiner Ausbildung viel über die Funktionen des Kristalls gelernt. Ich freue mich auf meine Eltern. Ich kann es kaum erwarten, sie in die Arme zu schließen.“

Kadra öffnete die schwere Tür zu den Gesellenunterkünften, im großen Saal warteten ihre Eltern auf sie. Ein kühler Wind umspielt ihren Körper, sie geht zum großen Tisch und setzt sich auf den letzten freien Stuhl. Ihre Mission hatte begonnen, mit den Gefährten des Geheimbundes schmiedete sie den ersten Plan. Sie konnte nicht mehr an ihre Eltern denken.

 

„Ist das wirklich nötig?“ Jasmina, die jüngste der drei Schwestern, die dem Geheimbund angehörten, blies die Haare, die ihr ins Gesicht gefallen waren, zur Seite.

„Es ist wichtig. Wir legen Spuren, denen unsere Feinde folgen werden. Wie lange es dauert, bis sie merken, dass sie auf dem falschen Weg sind, hängt von ihrer Intelligenz ab. Das verschafft uns Zeit.“

„Die Spione der Senatoren sind nicht dumm und haben uns mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht. Nur durch unsere magischen Fähigkeiten konnten wir uns in Sicherheit bringen. Nun zu deinem Plan.“ Foxina, die älteste der drei Schwestern, nahm ein Stück Brot aus einem Korb, der auf dem Tisch stand. „Wir arbeiten schon lange für Antea und sind ihrer Bitte nachgekommen, diesem Geheimbund beizutreten. Ich schlage vor, dass wir drei weiterhin in Piraya arbeiten. Wir haben von Antea von der Mission in der ersten Dimension der Erde und von der Notwendigkeit erfahren“.

„Wir folgen den Hinweisen, der Zeitlinie.“ Kadra schob die Hände über den Tisch und streckte die Arme aus. „Wir kennen den Weg und das Ziel. Was wir nicht wissen, ist der Zeitpunkt unseres Handelns“, sie nimmt ihre Hände vom Tisch.

„Viele Jahre, in denen uns die Gefährten hier fehlen würden. Kadra, es muss eine andere Lösung geben“, diesen Einwand fand Jasmina richtig. Sie hatte mit ihren Schwestern jahrelange Erfahrung, die nützlich sein konnte.

„Ich wünschte, es gäbe eine“, sagte Kadra mit trauriger Stimme.

„Warum nicht?“, bemerkte Jasmina, und es klang nicht wie eine Frage. „Wir arbeiten viel mit Tricks, kein Wunder, dass die Spione, die Senatoren des gelben Flügels, uns in ihre Fänge bekommen wollen. Wir haben Kontakte zum orangen Flügel des Senats, der den Statthalter stellt. Ärger liegt in der Luft. Apendi beobachtet derzeit einen Küsten- und Landräuber, eine Verbindung zu Jaffard ist nicht auszuschließen. Was ist, wenn wir in der neuen Mission, nur Fährten legen, unseren Gegnern absichtlich auf die Schliche kommen? Wer kennt Jaffard so gut, dass er sagen kann, dass er keine Möglichkeit hat, in die andere Dimension zu gelangen? Oder es einem anderen zu ermöglichen.“

„Das verkürzt die Zeit erheblich. Jasmina, dein Vorschlag ist gut, die Sorge um den Statthalter ist berechtigt. Der gelbe Flügel des Senats darf nicht die Macht über die Inselkontinente bekommen. Was sagen die anderen dazu?“

„Wir brauchen eine Stadt in der anderen Dimension, ein Anwesen in der Nähe der Stadt und glaubwürdige Legenden über die Bewohner dieses Anwesens, die schon immer dort gelebt haben sollen. Kriegen wir das hin?“

„Das geht immer“, lenkte Jasmina ein. „Jemand, der für die Stadt wichtig zu sein scheint, baut ein Haus, zieht aber gleichzeitig alles, wie soll ich sagen, Gesetzlose an. Der neueste und unbekannteste Bösewicht der Stadt könnte einer unserer Gegner sein. Setzen wir den Plan in die Tat um. Die schöne Hauptstadt Piraya wartet auf meine Schwestern und mich.

 

Antea handelte auf Geheiß ihrer Eltern. Sie schickten ihre jüngste Schwester mit Kadra und ihren Gefährten auf eine Mission in eine andere Zeit, auf den jüngsten bewohnten Kontinent der Erde.

Für die Mission in der anderen Dimension wurden viele Gefährten benötigt.

Apendi konnte den Sohn eines Statthalters für die Mission gewinnen. Giran, seine Frau Janea und seine Tochter Shirah. Giran, der sich für die Arbeit als Baumeister entschieden hatte, schlug weitere Familien vor.

Nagero mit Frau Mixendra und Sohn Pedro, Hariko mit Frau Tabea und Sohn Miguel. Schließlich der Wissenschaftler Brakan mit Frau Barit und Tochter Siranie, die liebevoll Sira genannt wurde.

Bis auf die Kinder waren alle Familien in die Pläne eingeweiht.

Nicht alle waren glücklich über diese Aufgabe, vor allem Janea durfte sich während und nach der Mission nicht als Shirahs Mutter zu erkennen geben.

Girans Familie, in der er als Friedensrichter Giran Tayton leben sollte, erlitt mit dem Auftrag, eine Gemeinde zu gründen, die erste Niederlage. Seine Pläne wurden von einer Gesellschaft durchkreuzt, die dubiose Machenschaften betrieb. Kadra gelang es, ein neues Grundstück zu erwerben. Die Gemeinde wurde gebaut, die Bewohner und Siedler waren nur der alleinerziehende Vater mit seiner Tochter und den Bediensteten. Kanadische Holzfäller gaben der Gemeinde den Namen Kelowna, was Grizzly bedeutet.

Harikos Familie wurde in Kalifornien zur Legende.

Besondere Schwierigkeiten hatten Nagero und seine Familie im mexikanischen Ciudad Juárez, der Schwesterstadt des amerikanischen El Paso.

 

Flüchtlingsunterkunft in der Nähe von Kelowna

 

Es gibt Neuigkeiten, die sofortiges Handeln erfordern“, erklärte Apendi, die jüngste der terranischen Schwestern, die von der Ältesten auf diese Mission geschickt wurde und sich mit ihren Gefährten im Potterland versammelt hat. „Wir hatten fünf Jahre Ruhe, aber jetzt ... Kadra, wir müssen Pedro unbemerkt nach Kelowna bringen. Jaffards Pläne sind schwer zu durchschauen. Foxina und ihre Schwestern, unsere besten Spione, haben erstaunliche Neuigkeiten. Wir müssen uns auf einen neuen Gegner einstellen, und es ist ein harter Brocken", überzeugte Apendi seine Gefährten mit einer Zeichnung, die sie auf dem Tisch ausbreitete.

Nach einem Moment des Schweigens und der gegenseitigen ernsten Blicke fiel der Name Zembra, den Apendi mit einem Nicken bestätigte.

„Dieser Schuft. Ich meine Jaffard. Er benutzt Zembra als Werkzeug. Es gibt einen Plan. Ganz sicher. Das Ganze ergibt Sinn. Unsere Gefährten in Mexiko haben mir von ungewöhnlichen Ereignissen berichtet, die von einem Fremden ausgingen“, Kadra nahm ein Stück Brot aus einem Korb. „Wie soll ich den Fremden beschreiben? Nicht sehr groß, schlank. Ach ja, die Form seiner Nase.“

„Das habe ich mir schon gedacht. Einer der beiden jungen Männer, die in Zembras Diensten stehen. Der andere ist kräftiger, stabiler, er wirkt auch ängstlicher.“

„Das bringt uns nicht weiter. Sie sind hier und die Erfüllung der Legende ist in Gefahr. Apendi, ich beende die Mission in Mexiko und bringe Pedro hierher.“

„Welche Möglichkeit haben wir?“, Giran stützte die Hände auf den Tisch und presste die Lippen fest aufeinander. „Sie haben eine Möglichkeit und nutzen sie. Unsere Kristalle sind in Sicherheit. Was ist mit den Ringen?“

Kadra sah Apendi fragend an: „Die große magische Energie?“

Apendi schwieg und warf Giran einen kurzen Blick zu: „Was meinst du?“

Giran löste seine Hände vom Tisch und richtete sich auf: „Wir müssen diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Aber sag uns, was schwebt dir vor? Sicher ist, dass Shirah und Pedro zusammenkommen müssen.“

Kadra ging langsam durch den Raum und blieb immer wieder stehen. „Das werden sie. Giran, du schreibst Pedro einen Brief, eine Einladung. Ganz offiziell, du weißt, er muss über die Grenze kommen. Um alles andere kümmere ich mich. Mixendra und Nagero sind routinemäßig außer Haus. Ricarda hat das Sagen. Ihr fragt euch, warum ich Pedro nicht mit dem Transponder führe. Ich könnte. Es ist wichtig, dass ich unsere Gegner täusche. Apendi, finde mit unseren Gefährten und deinen Schwestern etwas über die beiden Jungen heraus“, sie setzte sich nervös an den Tisch. „Ich habe Zweifel. Zum ersten Mal.“

Apendi bemerkte Kadras Sorge.

„Es kann nicht immer alles gut gehen. Kadra, je näher wir unserem Ziel kommen, desto intensiver werden auch unsere Gegner nach Lösungen für ihre Probleme suchen. Ich schlage dir Siranie und Miguel vor.“

Kadra atmete tief durch und blickte nur auf. „Dann soll es so sein.“

„Siranie? Miguel?“, Giran suchte in den Gesichtern seiner Gefährten nach einer Antwort.

„Ja“, gestand Kadra und bat alle Gefährten, am Tisch Platz zu nehmen. Apendi überzeugte sich von der Sicherheit des Anwesens.

„Ist das wirklich wahr?“, Giran lehnte sich nach Kadras Ausführungen zurück und stützte die Hände auf die Oberschenkel.

„Das ist die Zukunft. Die Legende beschreibt das Ziel. Wer will schon wissen, ob der Weg immer der richtige ist. Apendi ...“

„Ja, natürlich“, unterbrach sie ihn lächelnd. „Mach dich bereit für Pedro. Meine älteren Schwestern Antea und Alisha werden mir helfen, einen Plan auszuarbeiten. Nur um Gefahren zu vermeiden.“

„Dann lass uns keine Zeit verlieren. Die Mission Pedro und Shirah beginnt“, verkündete Kadra mit neuem Mut.

Giran saß an einem Schreibtisch, er hatte die letzte Zeile einer Einladung geschrieben.

„Das sollte reichen“, er legte den Zettel auf den Tisch.

Kadra vertraute ihren Gefährten, nahm den Brief und steckte ihn in einen Umschlag.

Apendi stellte eine Schachtel auf den Tisch.

„Für Ricarda. Sie soll es Pedro geben. Sobald er seine Reise antritt, kommen alle aus Mexiko hierher und verlassen die Dimension. Da ist noch etwas.“

„Das habe ich schon geplant, Pedro wird es nicht erkennen“, sie zeigte auf Apendi, der wieder Mut gefasst hatte.

„Endlich wieder vereint. Nach so langer Zeit“, flüsterte Janea, die neben Giran mit den Gefährten an der Erfüllung der Legende arbeitete.

 

Pedro war im mexikanischen Ciudad Juárez, der Schwesterstadt des amerikanischen El Paso, Miguel mit seinen Eltern in der Nähe einer Eisenbahnstation in Arizona und der Rest unserer Gefährten im kalifornischen Santa Barbara County.

Wir waren seit 1874 in dieser Dimension der Erde und unsere Mission war es, die Jugendlichen Shirah und Pedro sowie Siranie (liebevoll Sira genannt) und Miguel zusammenzubringen.

Wir planten den Bau einer Siedlung in der Nähe von Central City, dem späteren Santa Maria. Mehr Steine konnte uns die Company, die sich das Land mit Hilfe von Korruption unter den Nagel gerissen hatte, nicht in den Weg legen.

Bei Santa Barbara begann der Siedlungsbau von Neuem, und niemand konnte uns das Land streitig machen.

Zuerst entstanden Unterkünfte für die Bauarbeiter und das Herrenhaus des Gründers.

Es dauerte keine zwei Jahre und Kelowna wurde von Siedlern und Einwanderern bevölkert. Der Name der Stadt wurde von kanadischen Holzfällern vorgeschlagen: Kelowna, was in der Sprache der Ureinwohner Grizzly bedeutet.

Es gab Anzeichen dafür, dass unsere Gegner einen Weg in diese Dimension gefunden hatten. Unsere Spione teilten uns mit, dass sie zwei Jugendliche verfolgen würden, deren Namen Shirah und Pedro waren: Shirah und Pedro.

Giran, also der Friedensrichter Tayton, befand sich auf dem Rückweg von Los Angeles und lief Gefahr, unseren Gegnern in die Arme zu laufen, die sich auch hier zwielichtigen Gestalten angeschlossen hatten.

Wir trafen Vorkehrungen und beorderten Pedro und Miguels Familie in unser Geheimversteck in der Nähe von Kelowna. Keine große Sache, dachten wir. Mit dem Zug nach Los Angeles und weiter nach San Francisco.

Der Zug wurde überfallen, Pedro und auch Miguel entführt. Kadra stand unter Zeitdruck, denn sie musste die Jungen befreien, ohne sich zu erkennen zu geben.

Thanksgiving, nach dem Feiertag ging alles sehr schnell, wir brachten alle Gefährten in Sicherheit und hinterließen die Spur, dass Shirah und Pedro Opfer eines Verbrechens geworden waren.

Das alles haben Adria, Daria und Linda in den ersten Notizen festgehalten: Die erste Mission niedergeschrieben.

 

Auf dem Anwesen in Kelowna – 2017

 

„Einen Moment“, einer der wenigen Momente, in denen Kadra etwas wissen wollte, von dem sie noch nie gehört hatte. Zögernd stellte sie ihre Frage: „Woher wusstet ihr von der Gefahr, die damals die Erde bedrohte? Mehr noch, der König und der Statthalter, die einer Legende folgten und sich mit ihren Gefährten in Sicherheit brachten.

Dann die Katastrophe. Und die Tochter des Statthalters? Sie heißt genauso wie ich“, Kadra setzt sich an den Tisch und schenkt sich ein Glas Zitronenlimonade ein. „Das kann nicht sein“, sagte sie traurig.

„Ich kann mir vorstellen, wie du dich jetzt fühlst. Aber alle Informationen standen auf den Blättern, die ihr uns für die Chronik gegeben habt“, Daria blickte sich im Raum um und sah nur Fragen in den Gesichtern der Gefährten und Kadra.

Linda nahm ein Blatt in die Hand. „Es stimmt, was Daria gesagt hat. Aber diese Blätter habe ich bei mir zu Hause gefunden und ich weiß beim besten Willen nicht, wie sie dorthin gekommen sind. Adrica und Daria haben auch keine Erklärung dafür gefunden.“

„Könnte es sein, dass außer euch noch andere Gefährten von allem gewusst haben? Das wäre jemand, der ebenfalls die große Katastrophe überlebt hat oder sich intensiv mit Kadras Ausbildung beschäftigt hat. Kennt ihr jemanden?“, fragte Daria, als sie merkte, dass sich an der Ratlosigkeit nicht viel geändert hatte.

„Wir haben es so geschrieben und uns nichts dabei gedacht. Wir wussten nicht, dass du...“, Adrica kannte das Gefühl nicht, das sie erfasst hatte. „Es muss ein Begleiter sein. Vielleicht ...“, wie sollte sie fortfahren? „Könnte es jemand aus der terranischen Familie sein?“

 

Die Blicke wechselten zwischen den beiden. Jasmina nahm einen Keks von ihrem Teller. „Wir haben viele Gefährten. Und wenn es bisher so war, dass man Kadra von allem fernhalten wollte, dann muss es jetzt eine Erklärung dafür geben, dass man dachte, sie müsse etwas wissen.“

„Was ist mit Torak? Er trat sehr früh in das Geschehen und in dein Leben, Rodin.“

„Das könnte sein, Linda. Er trat auch in Miguels Leben und besuchte uns, so oft er konnte. Er war und ist eine große Hilfe für meine Geschwister und Kadra. Wir konnten viel von ihm lernen. Torak ist ruhig und besonnen. Mit viel Geduld hat er die Ausbildung begleitet“.

„So kennen wir ihn“, bestätigte Kadra leise und etwas Nachdenkliches lag in seiner Stimme.

„Statthalter“, flüsterte Adrica, bevor sie das Wort wiederholte und ihren Satz ergänzte. „In unserer Zeit wäre das ein Statthalter. So sehe ich das“, ihr Blick traf Linda, die sie in diesem Moment ansah.

„Statthalter, der Vergleich ist richtig. Governor kommt vom französischen Statthalter, ich dachte erst, es käme auch aus dem Englischen. Sicher aus der Zeit, als sich Engländer und Franzosen um den Besitz der neuen Kolonien stritten“, lächelte Linda und blickte in die Runde.

„Nach der Lektüre werden wir uns näher damit beschäftigen. Bist du damit einverstanden, Kadra?“

„Ja, natürlich. Warum nicht. Wir wissen einiges aus der Zeit vor der Katastrophe und danach auf Terra. Das bringt neue Erkenntnisse für unseren Geheimbund.“

Kapitel 02 - Pedro

 

Ciudad Juárez, Mexiko, an der Grenze

 

Der Tag neigte sich dem Ende zu.

Pedro saß auf der Terrasse des Herrenhauses, den Sombrero tief ins Gesicht gezogen.

Hinter der von Hecken gesäumten Terrasse war er nicht zu sehen.

Pedro hob den Kopf, als sich die schwere Tür des Hauses öffnete.

„Pedro! Das Essen ist fertig! Ich rufe dich schon zum zweiten Mal! Deine Eltern verlassen sich darauf, dass du in ihrer Abwesenheit meinen Anweisungen folgst. Zumindest das, was im Tagesablauf allen gemeinsam ist.“

Die Señora an der Tür lebte, solange Pedro denken konnte, mit ihrer Familie auf der Finca. Es gab kein Personal, vier Familien waren befreundet und halfen sich gegenseitig, wo sie konnten, aber Pedros Eltern waren die Pächter des Gutes.

Pedro beobachtete die korpulente Frau gern, wenn sie mit rauchender Zigarre an der Begrenzungsmauer des Grundstücks stand und vom Hügel hinunter auf die Stadt blickte; rauchte sie wirklich?

 

Die Stadt. Von ihrem höchsten Punkt aus konnte man das Ende dieses Häusermeeres nicht erahnen. Der Horizont war nicht die Grenze. Sie hatte schon bessere Tage gesehen. Wo nicht der Putz von den Mauern bröckelte, war es eine andere Wunde, die die Armut ihrer Bewohner auf die Fassaden schrieb.

Widerwillig erhob sich Pedro von seinem Platz, der Sombrero fiel ihm ins Gesicht.

Eine Kutsche raste durch das Haupttor auf die Finca zu. Er trank Wasser aus dem Becher, der noch vom Mittagessen auf dem kleinen Tisch stand, und blickte der herannahenden Kutsche nach. Er wusste, wem sie gehörte. Lucia, die Tochter des Don, dem das Gut gehörte, stieg aus und ging langsam auf ihn zu.

 

„Der Alcalde ist am Wochenende bei uns. Er möchte nachher mit deinen Eltern sprechen. Sind sie zu Hause? Sie werden sich über meinen Besuch freuen.“

„Nein, ich muss dich enttäuschen“, bemerkte Pedro und war froh, dass Lucia seine wahren Gedanken nicht lesen konnte. Bei ihren Besuchen machte sie nie einen Hehl daraus, dass sie sich ihrer Herkunft bewusst war. Pedro wäre froh gewesen, wenn diese vornehme, aber auch überhebliche junge Frau den Hof verlassen hätte.

„Bitte, lass uns ins Haus gehen“, diente Pedro mit übertriebener Höflichkeit.

„Warte, Pedro“, Lucia nahm etwas vom Kutscher entgegen. „Vater hat mir diesen Umschlag gegeben. Ich soll ihn hier lassen, falls deine Eltern nicht da sind.“

Pedro antwortete nicht.

„Was ist los? Sprichst du mich nicht an? Du bist nicht schüchtern.“

„Tut mir leid, ich habe an meine Eltern gedacht. Ich gebe den Brief meinen Eltern“, fuhr er fort.

Lucia senkte den Kopf: „Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich nur hier übernachte, wenn deine Eltern einverstanden sind.“

„Wir können sie nicht fragen, sie sind nicht hier.“ Dem Don zuliebe dachte Pedro, dass er nicht unhöflich sein wollte. „Es tut mir leid. Wo willst du hin? Es ist weit bis zu eurer Hazienda.“

„Ich war den ganzen Tag beim Alcalde, ich reite zurück und bleibe bis zum Morgen dort. Nichts gegen dich ...“

„Du hast eine Tochter, ich weiß, was du sagen willst.“ Ricarda legte einen Arm um Pedro, gemeinsam lächelten sie über die Tochter des Don.

Er war kaum jünger als Lucia. Beide waren im letzten Jahr ihrer Schulausbildung.

Lucia stieg in die Kutsche und verabschiedete sich. Sie nickte Pedro zu, was dieser mit einer Verbeugung erwiderte. Langsam ging er zurück und sah der Kutsche nach. Er drehte sich um und blies hörbar die Luft aus.

 

„Stimmt“, bemerkte Ricarda mit herber Stimme. Im gleichen Ton rief sie durchs Haus, um für Ordnung zu sorgen.

„Ich weiß, was deine Familie von ihr hält. Beim Alcalde ist sie besser aufgehoben.“

Sie sah Pedro freundlich an.

„Also, was ist jetzt? Willst du vor der Tür stehen bleiben oder können wir endlich zu Abend essen?“

„Ich komme“, antwortete Pedro und sah erleichtert zu, wie die Kutsche verschwand.

Als er das Haus betrat, dachte Pedro immer noch an die Tochter des Don. Ihm war aufgefallen, dass Lucia immer wieder auf seine Sachen starrte. Was hatte sie erwartet? Dass er in den feinen Kleidern eines Herrschaftssohnes herumlief?

„Das hat mir bei der Hitze noch gefehlt, mit geschlossenem Hemdkragen. Nein, ich bin mit den Kindern auf diesem Gut aufgewachsen. Das sind meine Freunde“, sprach Pedro wie so oft mit sich selbst.

 

Nach dem gemeinsamen Essen aller Bewohner der Finca nahmen die Jugendlichen und ihre jüngeren Geschwister ein erfrischendes Bad. Auf dem Grundstück gab es zwei Teiche, nicht besonders groß, beide von Schilf umgeben, das am oberen Ende kleine braune Kolben trug. Auf dem Wasser schwammen Seerosen, die von Fröschen besetzt waren, die sich nun das Wasser mit den Menschen teilen mussten. Nach dem Bad hingen reife Äpfel an den Bäumen.

Pedro liebte diese Abende. Seine Freunde und er hatten die Schule beendet und es dauerte bis Mitternacht, bis das letzte Licht hinter den Fenstern der jungen Leute erlosch.

 

„Raus aus dem Bett“, unterbrach eine laute Stimme Pedros Halbschlaf.

„Es ist Nacht, wer weckt mich?“

„Es ist Nacht, weil du die Augen geschlossen hast. Öffne sie und du wirst sehen, wie dein Tag beginnt.“

„Ricarda, noch ein paar Minuten“, kam es unter der Decke hervor.

„In ein paar Minuten wirst du am Küchentisch sitzen. En nombre de el buen Pastor.“

Unter der Decke kam es hervor: La Señora de la casa - die Dame des Hauses.

Ricarda schaute zum Bett und lächelte.

„Warum weckt sie mich nachts?“, flüsterte Pedro und schaute aus dem Fenster, unter dem das Bett stand. „Ich sagte, in der Nacht! Es ist noch nicht einmal zehn Uhr. Oh Mann, dann muss der Tag ja anfangen“.

 

Im Erdgeschoss herrschte reges Treiben. Seine Freunde saßen in der Küche und erfüllten den Raum mit Gesprächen.

„Ich bin erstaunt, dass du Zeit gefunden hast, den Tag zu beginnen, Hombre de la casa – Herr des Hauses. Du kannst gleich die Früchte und das Salz in die Küche bringen“, ohne zu zögern, drückte Ricarda ihm die große Schüssel in die Hand.

„Santa Madre, heilige Mutter, wer reißt die Glocke von der Tür“, fluchte Ricarda und rollte zur Tür. Pedro steckte den Kopf durch die Küchentür.

„Ein Brief für Señor Alejandro.“

„Und deshalb reißt du das Haus ab“, der Junge von der Poststation kannte Ricardas Art, die jetzt leiser sprach.

„Der alte Mann? Oder der junge Herr des Hauses?“

„Muchacho Pedro.“

„Hier hast du zwei Pesos. Welche meiner Töchter möchte zur Post?“, rief sie laut an die Tür. Das Mädchen kam.

„Deine Mutter hat einen guten Blick, auch auf die Straße. Heute Abend möchte ich dich pünktlich zum Essen sehen. Von unserem Garten aus kann man die Sterne gut sehen.“

Ricarda schloss die Tür und las den Absender auf dem Brief: Giran Tayton, Anwalt, Kelowna, Kalifornien, USA.

„Ein Brief für dich, Pedro, aus Amerika“, Ricarda reichte ihn über den Tisch.

Pedro holte tief Luft, jetzt waren seine Englischkenntnisse gefragt. Lucia war die Beste in Englisch und das nutzte sie bei den Mädchen für Spanisch aus. Er schob ein Messer unter die Lasche, riss das Papier ab.

 

„Es ist eine Einladung. Ricarda, kennen meine Eltern die Familie Tayton? Mister Tayton ist Rechtsanwalt. Hier ist ein Zugticket vom Bahnhof El Paso.“

Ricarda setzte sich an den Tisch und las mit Pedro weiter.

„El Paso, der Bahnhof liegt hinter der Grenze.“

„Ich weiß. Ricarda. Ich habe immer noch die Reiseerlaubnis. Weißt du, ich wollte zu den Ausgrabungen. In letzter Minute haben meine Eltern eine Aufenthaltsverlängerung bekommen. Diese Bescheinigung, wo habe ich sie?“

„Im Sekretär deines Vaters, im Arbeitszimmer. Pedro, ich glaube, sie ist abgelaufen. Einen Tag kann man erklären. Aber es ist über eine Woche her.“

 

Pedro zog die Schublade auf und nahm den Zettel heraus. Was sollte er jetzt damit anfangen? Das Dokument war abgelaufen. Pedro nahm ein Blatt Papier, legte Tinte und Feder bereit und machte sich daran, ein Antwortschreiben zu verfassen.

„Sehr geehrter ... Nein, lieber ... auch nicht“, bemerkte Pedro im Selbstgespräch. „Mister Tayton ...“, nichts wollte ihm gelingen.

Mit einer Hand rieb er sich die Stirn, mit der anderen fuhr er über den Sekretär und stieß auf ein Hindernis. Ein neuer Kasten? So etwas hatte er noch nie gesehen. Ricarda ist unten, dachte er, was solls. Pedro öffnete die Schachtel. Was war das, ein Tigerzahn an einem Lederband? Die Schachtel war leer, kein Hinweis mehr. Pedro betrachtete den Gegenstand, hielt ihn ins Sonnenlicht, ein Kristall. Ricardas Stimme hallte durchs Haus.

„Pedro, das Kästchen auf dem Sekretär“, ohne den fertigen Satz von ihr zu hören, legte er den Kristall zurück und stellte alles wieder an seinen Platz. Deutlich hörbar kam Ricarda die Treppe herauf. Pedro nahm die Feder, es sollte so aussehen, als würde er den Brief an Mister Tayton schreiben.

 

„Es ist schwer, einen Anfang zu finden. Schreibe, wie er angefangen hat“, ermutigte Ricarda den hilflosen Pedro schon von der Tür aus. Einige Blätter beschriebenes Briefpapier landeten unfertig und sicher im Papierkorb.

Ricarda warf einen Blick auf den Sekretär.

„Jetzt weiß ich wieder, was ich dir sagen wollte und warum ich extra hergekommen bin. Eine Schachtel ist für dich abgegeben worden. Ein Junge hat es mir an der Tür gegeben, von wem, konnte er mir nicht sagen, nur dass er fünf Pesos bekommen hat.“

Pedro war erleichtert, jetzt würde er Ricarda etwas vorspielen, seine Freude und Überraschung. Wieder griff er nach dem Kästchen und öffnete es.

„Du kannst es zu lassen, du weißt, was drin ist“, sie klopfte ihm auf die Schulter.

„Woher weißt du, dass ich ...?“

„Du hast nach dem Richtigen der vier Schächtelchen gegriffen und nicht darauf geachtet, ob es geschlossen ist. Und was ist darin?“

„Ein Kristall. Den kann man als Schmuck tragen.“

Pedro nahm den Kristall aus dem Kästchen und legte sich das Lederband um den Hals.

„Ein schönes Geschenk, ich werde es tragen.“

„Warum schreibst du einen Brief? Ein Telegramm geht viel schneller“, Ricarda nahm die Reiseerlaubnis, sie reichte Pedro das Dokument, der es betrachtete. Ihre Blicke trafen sich. Als Datum war der nächste Tag eingetragen.

„Unglaublich. Meine Gedanken spielen mir einen Streich. Das muss an all den Jahren liegen, die ich mit Lernen verbracht habe. Hier steht wirklich das Datum von morgen.“

„Dann lass uns deine Sachen packen, die Taytons werden sich über Besuch freuen. Ich weiß wirklich nicht, wer das ist. Meine Tochter kommt mit ihrem Freund zum Mittagessen, er kann ein Telegramm nach Kelowna und zu deinen Eltern schicken. Ich hatte ihr gesagt, sie solle am Abend kommen, aber ich kenne sie, sie vergisst nie das Mittagessen“.

Pedro saß noch eine Weile auf seinem Platz, den Kopf in die Hände gestützt, die er auf den Tisch gelegt hatte. Die Treppenstufen knarrten unter Ricardas Schritten. Er überlegte, ein Telegramm, ging das, von Mexiko nach Kalifornien? Kurz schaute er in seinen Kleiderschrank, was sollte er mitnehmen? Dieses Problem sollte Ricarda für ihn lösen. Er stand auf, schaute aus dem Fenster. Wie lange würde er das alles nicht mehr sehen?

 

Ein Tag begann, an dem Pedro mit dem Hahnenschrei sein gemütliches Bett verließ. An jenem Morgen.

Zum letzten Mal für lange Zeit stand er an der Grundstücksmauer und blickte sehnsüchtig die Straße hinunter. Es zog ihn nach Kelowna. Ein langer Weg bis zum Pazifik. Noch wusste er nicht, welche Anstrengung, welche Kraft und welche unendlich scheinende Zeit ihn erwarten würde.

Gleich nach dem Frühstück versammelten sich alle auf der Farm. Ricardas Mann hatte den Pferdewagen vorbereitet, er würde bis zur Grenze fahren können. Mit einem wehmütigen Gefühl stieg Pedro zu Ricarda und ihrem Mann auf den Wagen.

„Ich muss los“, rief er seinen Freunden und den Leuten von der Finca zu.

„Wir wünschen dir eine gute Reise. Schreib uns, wenn du bei den Taytons bist. Sonst vergisst du es“, ermahnte ihn Ricardas älteste Tochter.

Pedro kannte Ricardas rauen, freundlichen Gesichtsausdruck, jeder Fremde zuckte erst einmal zusammen, bis er Ricardas Charakter erkannte.

„Keine Sorge. Von El Paso fahren wir mit dem Zug nach Los Angeles. Von dort nach Santa Barbara. Dann muss ich weiter. In dem Brief stand Kutsche nach Kelowna.“

Ricarda sah ihren Mann an. Sie wussten, wer Giran Tayton war, und sie wussten, dass Pedros Reise sein zukünftiges Leben in Bahnen lenken würde, von denen er nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Denn der Brief und der Kristall waren das Zeichen des Aufbruchs. Pedro würde nie mehr zurückkehren, sie wussten, dass man sich unterwegs um ihn kümmern würde. Und doch machten sie sich Sorgen.

 

Grenzübergang Ciudad Juárez - El Paso

 

Ohne Verzögerung erreichten sie die Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten.

„Pedro, du weißt, was du zu tun hast“, sagte Ricarda zu ihm.

Pedro nahm zwei große Taschen vom Wagen, aus einer zog er einen großen Umschlag.

„Ich grüße euch alle. Wir sehen uns in ein paar Wochen. Dann habe ich meinen Eltern viel zu erzählen. Ich bin gespannt, woher Herr Tayton unsere Familie kennt. Ich bin gespannt und ihr sicher auch. Also, auf Wiedersehen. Ricarda, du brauchst nicht zu weinen. Ich komme wieder. Ich bin gespannt, wer zuerst zu Hause ist, meine Eltern oder ich. Ihr habt ja die Telegramme geschickt. Hoffentlich reichen die Sachen, die ich dabei habe. Also ...“

Ricarda wischte sich die Tränen ab und nahm ihn in den Arm.

„Wenn du weiterredest, verpasst du noch deinen Zug.“

„Das will ich auch nicht“, er nahm seine Taschen, atmete tief durch und machte seinen ersten Schritt in eine ungewisse Zukunft.

 

„Ich komme mir vor wie eine Verräterin“, gestand Ricarda ihrem Mann, während sie warteten.

„Das musst du nicht“, wurde sie getröstet.

„Nein, das muss ich nicht. Ich musste seine Gedanken beeinflussen. Der Zöllner wird ihn nicht durchlassen“, drehte sie den Kopf zur Seite. „Meinst du, sie schafft es?“

„Ja. Die Zöllner haben Schichtwechsel, dieser Zeitpunkt war verabredet. Ich bin gespannt, wie sie das macht“, waren die weiteren tröstenden Worte ihres Mannes. „Pedro wird auf jeden Fall sein Ziel erreichen. Weißt du, wen er treffen wird?“

„Wen meinst du denn? Giran?“

„Das wird er auf jeden Fall. Ich meine seinen ...“

„Ich weiß nur, dass er ihn kennenlernen wird. Sie werden nicht lange zusammen sein, es wird ewig dauern, bis sie endlich das sind, was sie sein sollen. Aber er wird nicht nur ihn treffen, ich denke auch an ....“

„Ja Ricarda, ich weiß, wen du meinst. Trotzdem fühle ich mich nicht wohl.“

 

Je näher Pedro dem Grenzübergang kam, desto schneller schlug sein Herz. Er gab dem Zollbeamten das Dokument.

„Du willst nach Kelowna“, der Zöllner betrachtete den Jungen und sein Gepäck.

„Die Einladung ist in Ordnung. Wo ist das Reisedokument?“

Vergessen! Das Reisedokument hatte er vergessen.

„Ohne dieses Dokument kann ich dich nicht durchlassen“, erhielt Pedro seine Einladung zurück.

„Ich habe es vergessen“, gab Pedro kleinlaut zu. „Ich habe nicht darauf geachtet.“

„Hol das Dokument, dann kannst du wiederkommen.“

„Danke, das werde ich.“

 

Mit seinen Taschen lief er dem Pferdewagen entgegen. Ricardas Mann war abgestiegen, mit dem Sombrero vor dem Körper wartete er mit fragender Miene auf Pedro.

Nur noch wenige Meter. Eine Kutsche raste vorbei, eine leichte Staubwolke hüllte Pedro ein, unwillkürlich hob er eine Hand. Missmutig blickte er der Kutsche nach, als sie anhielt.

„Entschuldigung, das war nicht meine Absicht!“

Eine dunkelblonde Frau sah von der Kutsche zu ihm herüber. Was Pedro noch erkennen konnte, war ihre dunkelgrüne Jacke mit weißen Rüschen an den Ärmeln. Ihr Hut hatte die gleiche Farbe mit einem orangegelben Band.

„Wolltest du über die Grenze nach El Paso?“, fragte die Dunkelblonde. „Hattest du Probleme mit dem Zoll?“

Pedro zögerte mit der Antwort und lief zur Kutsche: „Ich habe ein gültiges Dokument. Leider liegt es zu Hause.“

„Ich kann dir helfen.“

 

Ricarda kam auf Pedro zu und fragte ihn besorgt, was mit dem Zoll nicht in Ordnung gewesen sei.

„Gab es Schwierigkeiten mit dem Zöllner? Ich erinnere mich, dass eines der Papiere noch auf dem Küchentisch lag.“

Ricarda sah die junge Frau an und winkte ihr zu: „Ich habe gehört, Sie können uns helfen? Tut mir leid, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Ich bin Ricarda, seine Eltern leiten die Finca, wir leben seit seiner Geburt zusammen.“

Ricarda legte ihre Hände auf Pedros Schultern.

 

„Wir können nach Hause gehen und das Dokument holen. Aber ich finde, die junge Frau macht einen netten Eindruck, du solltest ihre Hilfe in Anspruch nehmen.“

Ricarda stellte sich neben die Kutsche und flüsterte: „Wenn ihr außer Sicht seid, ziehen wir uns wie verabredet zurück, ich hoffe, es geht alles gut“, dann sprach sie lauter, damit Pedro es hören konnte. „Seine Papiere sind nicht vollständig.“

„Das macht nichts. Mein Bruder steht auf meinen Papieren, er wollte nicht mitkommen.“

Pedro hatte sich die Kutsche genauer angesehen und stellte sich neben Ricarda. Die Dunkelblonde sprach ihn an.

„Deine Zofe hat nichts dagegen, dass ich dich nach El Paso bringe. Oh, wie du aussiehst! Das macht nichts. Das ändern wir. Steig ein! Die Zöllner haben Schichtwechsel.“

Die Worte der jungen Frau wirkten beruhigend auf Pedro, der die Tasche auf den Rücksitz der Kutsche legte und einstieg.

Pedro verabschiedete sich von Ricarda und winkte ihrem Mann zu.

Pedro maß seinem flüchtigen Gedanken keine Bedeutung bei, er bemerkte nur, dass Ricarda einen vertraulichen Umgang mit der dunkelblonden Frau pflegte. Seine Vorstellung, dass die beiden sich kannten, tat er selbst als lächerlich ab - woher auch?

 

Die junge Frau setzte die Kutsche in Bewegung.

„Woher kommst du?“

„Meine Eltern haben hier am Stadtrand ein kleines Stück Land gepachtet.“

„Ich will nach Kalifornien, mit der Eisenbahn“, erwiderte sie.

Pedro riss die Augen auf: Hier war mehr als ein Zufall im Spiel. Eine Reisende, die ihn begleiten konnte, er wäre nicht allein, dann lehnte er sich an die Seitenwand, drückte sich in den Sitz der Kutsche und starrte in den Himmel.

Er erhob sich aus dem Sitz, tippte die junge Frau an, die zum Grenzposten schaute: „Entschuldigen Sie bitte“, er atmete tief durch. „Darf ich Sie stören?“

Die junge Frau schaute immer noch nach vorne.

„Bitte, bitte. Wenn du Sorgen hast, bitte. Ich höre dir zu. Hast du einen Namen, damit ich dich richtig anreden kann?“

„Pedro Alejandro. Pedro, das soll Stein oder Fels bedeuten. So fühle ich mich nicht. Ich bin eher ängstlich, zurückhaltend. Wenn ich muss, bin ich mutiger. Du bist meine Rettung.“

Die junge Frau wandte sich Pedro zu: „Wohin gehst du? Ich bin unhöflich, verzeih mir, wo bleibt meine Höflichkeit?“ Sie streckte ihm ihre rechte Hand entgegen. „Kadra Kathner.“

Pedro streckte zögernd die Hand aus und lehnte sich zurück. Ein seltsames Gefühl durchfuhr ihn bei der Berührung, er zog das Ticket aus der Reisetasche und zeigte es der Dunkelblonden.

„Werden uns die Zöllner glauben?“

„Du hast Zweifel? Warum?“

„Es ist nur, du hast dunkelblonde Haare und ich ...“

„Wenn du keine anderen Sorgen hast. Bei denen ist Ablösung, die passen weniger auf, auf dieser Seite, da drüben komme ich klar.“

„Geht das, Kadra?“

„Macht nichts, ich mach das.“

 

Von Weitem sahen Ricarda und ihr Mann, wie sich die Schranke öffnete und die Kutsche ihren Weg fortsetzte.

„Hast du damit gerechnet?“, wollte Ricardas Mann von seiner Frau wissen.

„Bei ihr muss man mit allem rechnen“, schluchzte sie. „Auf nach Potterland und dann nach Hause. Unsere Aufgabe ist erfüllt.“

 

In der kleinen Siedlung - 2017

 

Für heute Abend war genug aus der Legende vorgelesen, und nachdem Jasmina das letzte Blatt auf den Stapel gelegt hatte, blickte sie sich um.

„Wow, Pedro Alejandro. Ist aber nicht mit dir verwandt“, scherzte Daria.

„Ricarda ist auch nicht schlecht“, meinte Linda.

Kadra lächelte: „Mit den Namen gibt es keine Probleme, das können meine Begleiter bestätigen“.

„Das heißt, für eure Mission waren das tatsächlich diese Namen?“ Adrica spürte die aufkommende Hitze.

„Ich hatte die Tickets bis nach Los Angeles. Die Reise sollte problemlos verlaufen, dachte ich. Später erfuhr ich, dass ein anderer Zug mit Siedlern und einem Dragonerregiment eigentlich vor unserem Zug fahren sollte.“

„Kadra, du sagst das, als gäbe es ein Problem“, fragte Daria.

„Ein Problem? Eine ganze Reihe von Problemen. Pedro musste seinen zukünftigen Freund Miguel unter anderen Umständen kennenlernen als geplant. Ich habe hier alles, was ihr braucht, bis die Jungs sich treffen.

„Wir haben Kekse, Schokolade und viel Fantasie. Nächstes Wochenende treffen wir uns wieder hier“, Adrica rieb sich die Unterarme. „Ich habe eine Gänsehaut. Du wirst doch nicht verraten, was auf eurer Fahrt passiert ist? Der zweite Zug?“

Kapitel 03 - Der Überfall


El Paso


Schon von Weitem sahen sie den hohen roten Backsteinglockenturm, der den Bahnhof überragte.

Pedro stand neben Kadra. Sie blickte ihn aus leicht unterschiedlicher Höhe an.

„Na, was sagst du? Die Grenze war ein Kinderspiel. Los Angeles wartet auf uns.“

„Die Stadt der Engel. Stimmt, hatte ich ganz vergessen, ein schöner Name. Glaubst du an Gott?“


Pedro stand neben der Lokomotive und bestaunte die mächtigen Räder.

„Nun, junger Freund“, rief ihm jemand zu. „Das ist doch was für einen Jungen wie dich, oder?“

Pedro stand halb gebeugt da, die Hände in den Schoss gelegt.

„Das ist beeindruckend. Und damit fahren wir nach Los Angeles?“

Der Mann auf der Lokomotive sah zu ihm herab.

Pedro beobachtete aufmerksam, wie die mannshohe Wasserfontäne den Bauch der Lokomotive füllte.

„Wozu brauchen wir das ganze Wasser?“, wollte er wissen.

Lokführer Jonathan gab einem Arbeiter ein Zeichen, der stellte das Wasser ab und schwenkte den Zuführschlauch zur Seite.

„Damit fährt die Lok. Aus dem Wasser wird Dampf und die ...“, er schaute auf seine Taschenuhr. „Ihr müsst jetzt einsteigen. Noch zehn Minuten, dann gehts los. Wir fahren einen Sonderzug, mit zwei Besatzungen.“


Es dauerte nicht lange und der Zug fuhr in der Nähe der mexikanisch–amerikanischen Grenze. Mit gemischten Gefühlen blickte er nach Mexiko. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen und schaute immer wieder nach Kadra.

Der Zug ratterte schon seit Stunden. Pedro blickte aus dem Abteilfenster auf die wunderschöne Landschaft. Die Abenddämmerung, ein Sonnenuntergang, wie ihn die Prärie kannte. Müde sank Pedro in seinen Sitz zurück und schlief ein. Unaufhaltsam schob sich die Lokomotive ihrem Ziel entgegen.


Am nächsten Tag schaute er aus dem Fenster. Geier kreisten über einem toten Tier.

„Ein schreckliches Ende“, bemerkte Pedro.

Kadra schob ihren Kopf neben seinen: „Ein trauriges Ende, das ist wahr. Leben kommt, Leben geht. Erzähl mir von dir und deinen Eltern. Deine Lebensgeschichte ist spannend genug.“

„Das will ich gar nicht erzählen. Meine Eltern sind oft auf ihren Ausgrabungen, dann kümmern sich Ricarda und ihr Mann um das Haus. Meine Eltern verdienen genug mit ihrer Arbeit, sie zahlen ihre Miete. Ich weiß nicht, warum sie das Haus nicht kaufen. Ricardas

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Peter Fleischer
Bildmaterialien: Pixabay
Cover: Gestaltung: Peter Fleischer
Tag der Veröffentlichung: 28.11.2021
ISBN: 978-3-7554-0151-3

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