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oder der alltägliche Kampf mit einer Handtasche

„Es kann doch nicht so verdammt schwer sein, darin Ordnung zu halten!“ Michael war mal wieder genervt von ihr. „Nimm dir verdammt noch mal eine kleinere. Dann kommst du auch mit deinem wertlosen Plunder zurecht!“

 

Mit wertlosem Plunder meinte Michael die wenigen Habseeligkeiten die wirklich ihr gehörten.

Ihr Schminkzeug zum Beispiel. Endlich etwas womit er nichts anfangen konnte, nichts was er ihr wegnehmen konnte um es selber zu benutzen. Die Bezeichnung Makeup war übertrieben. Es handelt sich um die Probepackungen, die sie manchmal bekam, wenn sie sich die Zeit ohne Michael in irgendwelchen Läden vertrieb um sich Dinge anzusehen, die sie sowieso nie besitzen dürfte.

Ihre vielen Fotos von ihren sehr wenigen Freunden. Wer wollte schon mit einer grauen Maus und einem eingebildeten, aggressiven Macho befreundet sein? Ihre Geldbörse, die sie auch nur für ihren Ausweis und ein paar Andenken hatte. Nach Michaels Meinung brauchte sie kein Geld, sie hatte ja ihn.

 

„Christina, nun mach endlich. Such die verdammten Fahrscheine! Sonst suche ich sie. Dann kannst du den Inhalt deiner Handtasche von der Straße aufheben!“

Michael hatte nie verstanden was Frauen mit ihren Handtaschen machen. Riesengroße hässliche Dinger in denen sowieso nur Müll war. Und wenn Weiber mal etwas Nützliches suchten, fanden sie es in diesem Chaos nicht.

„Wenn ich wegen dir neue Fahrkarten kaufen muss, schmeiße ich deine Handtasche in den Müll sobald wir endlich zu Hause sind. Da ist sowieso nichts Sinnvolles drin. Alles was du brauchst ist hier: ich – dein Mann, mein Schlüssel und mein Geld mit dem ich die kaufe was dir zusteht. Was brauchst du verdammt noch mal noch?“

 

„Bitte Michael, hör auf zu fluchen. Hier stehen so viele Kinder an der Haltestelle.“ Christina war es peinlich wenn ihr Mann in der Öffentlichkeit fluchte. Na, wenigstens benutze er noch keine Schimpfworte.

„Wenn du nicht zu blöd wärst, ein paar Fahrkarten in deiner Handtasche zu finden, müsste ich gar nicht fluchen!“

 

´Sie müssen hier doch irgendwo sein`, dachte sich Christina. Michael hatte gestern Abend 4 Stück gekauft. 2 damit sie in die Stadt fahren konnten um für ihn neue Schuhe zu kaufen und 2 um zurück zufahren. Tja, hin sind sie gekommen, nur das Zurück….

Sie suchte jetzt schon seit 10 Minuten nach den Fahrkarten und die Wahrscheinlichkeit sie noch zu finden tendierte gegen Null. Aber das konnte sie Michael nicht sagen, auf gar keinen Fall. Sie wollte nicht, dass er hier mitten auf der Straße ausflippte, wollte nicht angebrüllt werden.

Er würde ihr wieder erklären, dass sie nichts konnte. Nicht einmal ein paar Fahrkarten mit sich herumtragen.

Er würde ihr wieder sagen wie nutzlos und dumm sie ist. Und alle Leute die sie jetzt schon verstohlen aus den Augenwinkeln musterten, würden sie anstarren und Michael Recht geben. Das konnte sie nicht ertragen.

 

„Der Bus kommt gleich! Wenn du die Karten nicht sofort findest, kannst du nach Hause laufen. Weil ich nur mir eine neue kaufen werde. Und wenn du dann nach Hause kommst, zeige ich dir mal wie es ist wenn Sachen verloren oder kaputt gehen die Geld gekostet haben. Deine geliebten Fotos habe ich auch von meinem Geld entwickelt, warte nur bis sie zerschnitten im Müll ver-lo-ren gehen.“ Er betonte das verloren so, dass sie schon wusste, er würde sie sogar dabei zu sehen lassen wie er die Bilder zerschnitt und dann wegwarf.

 

Der Bus kam nicht sehr schnell, aber doch mit genug Schwung um nicht mehr bremsen zu können.

Als der Busfahrer sah, wie ein Passant auf die Straße torkelte, trat er mit seinem ganzen Gewicht auf die Bremse, aber er schaffte es nicht.

Der Körper wurde von einem seiner riesigen Vorderräder überrollt. Ehe er richtig stand, rollte noch ein weiteres Rad über den hilflosen Menschen. Der Busfahrer ahnte bereits, dass jede Hilfe zu spät kam. Ein Kollege hatte auch schon so einen ähnlichen Unfall gehabt und ihm davon erzählt. Der Körper würde nur noch Brei sein.

Keine Rettung, egal wie schnell der Notarzt fahren würde. So ein Elend.

 

Christina schaute überrascht auf ihre immer noch ausgestreckten Arme. Dass sie soviel Kraft hatte um einen schweren Mann wie Michael zu schubsen, hätte sie nie gedacht.

 

Nun hatte sie genug Zeit die Fahrkarten zu suchen, Michael würde wohl kein Kommentar mehr abgeben.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.04.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Schnabeltier - einfach nur immer wieder du.

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