Ein lauter Knall ertönte, als der Mann mit dem Rücken auf dem Boden aufschlug. Die metallene Rüstung klirrte und Staub stob in alle Richtungen von ihm ab. Ein lautes Ächzen ging durch die Menschmenge, welche sich um das Spektakel herum versammelt hatte. Schaulustig standen sie um den großen Platz herum, auf dem am heutigen Tag das alljährliche Lanzenturnier stattfand. Alle Blicke waren auf dem am Boden liegenden Mann gerichtet. Das sah verdammt schmerzhaft aus, trotz der Polster, welche sich aus Sicherheitsgründen unter dem Metall der Rüstung befanden. Ich würde wahrscheinlich alleine von dem Gewicht der Rüstung vom Pferd gezogen werden, wenn ich es denn überhaupt auf den Pferderücken hinauf schaffte. Wäre auf jeden Fall das erste Mal ...
Ich verzog mitleidig mein Gesicht, als ich sah, dass der Mann wie eine Schildkröte auf dem Rücken lag und nicht mehr hoch kam. Es erbarmte sich aber auch keiner ihm zu helfen, viel mehr schien er die Belustigung für die Meute zu sein.
Ein Mann mit einer Lederhaube auf dem Kopf fing sein weißes Pferd ein, welches den Verlust seines Reiters anscheinend nicht bemerkt hatte und seelenruhig weitergetrabt war. Die selben Farben, die der Reiter trug, hatte auch die Decke des Pferdes. Erst danach lief der Mann zu dem noch immer am Boden liegenden Ritter und half ihm aus seiner prekären Lage. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich seinen hochroten Kopf erkennen, als er seinen Helm abnahm und sich durch die verschwitzten, braunen Haare fuhr. Die beiden Teilnehmer wurden mit einem ohrenbetäubenden Beifall vom Gelände geführt, welcher zum größten Teil dem Sieger des Kampfes gebührte. Das Banner von Sir Sutkar wurde eine Reihe weiter nach oben verlegt, während das des Verlierers komplett aus der Anzeige verschwand.
Eine Weile lang passierte gar nichts, bis schließlich ein kräftig gebauter Mann, ebenfalls in mittelalterliche Klamotten gehüllt, vor uns trat. In der Hand hielt er eine edle Schriftrolle, welche er schwungvoll aufrollte und mit grollender Stimme berichtete:
„An meiner Rechten tritt Sir Niklas von den Wüstenfeldern an, welcher sich einen unerbittlichen Kampf mit Sir Markuß aus den Ledertarken liefern wird, welchen sie zu meiner Linken sehen.“ Mit einer großen Geste deutete er auf die jeweiligen Männer, welche an den Enden des Geländes standen. Die Pferde unter ihnen schnaubten nervös und tänzelten herum. Hoffentlich wussten die Männer, wie man mit diesen Tieren umzugehen hatte, nicht dass auf einmal eines von ihnen durchging. Große Lanzen wurden ihnen gereicht, sie wirkten schwer und echt, bestanden aber lediglich aus Kunststoff. Ebenso wie der kleine Schild, welcher sich in ihrer anderen Hand befand.
Heute war der Höhepunkt des ganzen Festes. Vor zwei Tagen hatte ich mit meinen Freunden unser Zelt aufgeschlagen und seitdem war das Mittelalter Fest im vollem Gange. Wo man nur hinblickte, liefen gewandete Menschen herum, präsentierten stolz ihre selbst genähte Kleidung, mit schweren Schwertern an den Hüften und ledernen Schuhen. Natürlich gab es auch viele Leute, welche nur einen Tag lang vorbei sahen, sich an den angebotenen Spielen betätigten, hier und da mal stehen blieben, um auch ja nichts zu verpassen und sich an den vielen Angeboten erfreuten.
Ich gehörte jedoch nicht zu den vielen Besuchern, sondern zu den Teilnehmern. Beinahe jedes Jahr fuhr ich mit meiner Gruppe hierher, baute unseren Stand auf und genoss es, mich in einem Rollenspiel fallen zu lassen. Die Kleidungen, die wir trugen, wurden jedes Jahr detailreicher und unser Stand stach langsam auch hervor. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis wir alles zusammen hatten. Natürlich konnte man sich das meiste auch im Internet kaufen, aber wo blieb da der Spaß? Denn es machte uns Spaß, die Klamotten selbst zu erstellen und Besucher damit zu begeistern.
Tagsüber war es anstrengender, man musste sich immer etwas Neues einfallen lassen, um die Besucher zu begeistern. Manche Unwillige wurden von ihren Freundinnen oder Freunden mitgezerrt und es galt auch diese zu überzeugen. Die meisten fuhren mit einem Lächeln auf dem Gesicht wieder nach Hause.
Abends wurde es dann angenehmer, wenn die Tore für die Zuschauer geschlossen wurden und man nur noch unter sich war, dann ging es erst richtig los. Wo man nur hinblickte, wurde gehandelt, gefälscht und sich geprügelt. Die Überfälle begannen oder die Pest brach aus. Eine Räuberbande zog durch die Zelte, nahm Gefangene und rückte diese nur gegen Gefälligkeiten wieder heraus. Manche Zelte schlossen sich auch zusammen und saßen gemeinsam vor einem Lagerfeuer und erzählten alte Geschichten.
Es war einfach fantastisch, weil jeder mitmachte, jeder seine Rolle spielte und jeder seinen Spaß zu haben schien. Es war immer ein Lichtblick in einem anstrengenden Jahr. Hier war ich nicht ich selbst, sondern ich schlüpfte in eine komplett andere Rolle, so wie viele Andere hier. Natürlich ging nicht jeder so in seiner Rolle auf wie ich, manche ließen sich gerade so zu einem: „Seid gegrüßt“ hinreißen, aber niemand trank aus Plastikflaschen oder sonnte sich im Bikini in der Sonne. Jeder bemühte sich, das Mittelalterliche Gefühl aufleben zu lassen. Und ich musste sagen, es gelang ihnen allen hervorragend.
Ein halbes Jahr, bevor das Lanzenturnier begann, musste man sich anmelden, und zu den Bedingungen gehörte, dass man reiten konnte und auch wusste, wie man mit diesen Tieren umzugehen hatte. Die Rüstungen sowie Lanze und Schild wurden bei den Proberunden ausgegeben. Die Rüstungen wurden extra für diesen Zweck entworfen und waren von innen gut gepolstert, sodass man sich nicht allzu schlimm verletzen konnte. Trotzdem wurde vor jedem Turnier angekündigt, dass jeder der Teilnehmer auf eigene Gefahr antrat. Heute war es endlich so weit gewesen! Das sagenumwobene Turnier hatte begonnen und wie jedes Jahr schien es jetzt schon ein voller Erfolg zu sein. Der strahlend blaue Himmel versüßte allen die Laune und nach jedem Ritt brach tosender Applaus aus. Die Stimmung hätte gar nicht besser sein können. Es fehlte nur noch, dass alle unisono die Melodie von „We will rock you“ auf die hölzernen Bänke klopften, genauso wie in „Ritter aus Leidenschaft“, einem meiner Lieblingsfilme.
Neugierig reckte ich meine Nase über den Balken, als ich sah, wer als Nächstes den Platz betrat. Sir Derrien. Mein Herz begann zu flattern und ich krallte meine schwitzigen Hände in das helle Holz. Jedes Jahr trat er bei dem Turnier an und schon bei dem allerersten Mal hatte er mich in seinen Bann gezogen. Die Rüstung schien sich an seinen Körper zu schmiegen und ich meinte beinahe seine Muskeln darunter zu sehen. Der Schild wirkte im Verhältnis zu seinem Körper mickrig. Die zwei Meter Grenze hatte dieser Mann bestimmt überschritten. Im Gegensatz zu ihm wirkte ich beinahe winzig, obwohl ich mit meinen 1,87 Meter auch nicht gerade klein gewachsen war. Eine leichte Brise wehte durch das Gelände und blies ihm seine dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht, betonte das markante, mit einem Dreitagebart überzogene Kinn. Seit Jahren bewunderte ich ihn nur aus der Ferne. Ich hatte bisher einfach nicht den Mut aufgebracht, ihn anzusprechen, auf ihn zuzugehen. Aber ich wusste, dass ich mir sowieso nur einen Korb eingehandelt hätte. So ein atemberaubender Mann wollte nie im Leben etwas von mir, da blieb ich doch lieber bei meinen Tagträumen, in denen er mich einfach schnappte, über seine Schulter warf und mich so lange vögelte, bis ich nicht mehr wusste, wo vorne und hinten war. Mal ganz davon abgesehen, dass ich noch nicht einmal wusste, ob er überhaupt dazu neigte, mit Männern das Bett zu teilen. Die Zeit, die er nicht auf dem Turnier verbrachte, wurde er meistens von schönen Frauen umringt, die alle um seine Aufmerksamkeit buhlten und sie auch mit Freude geschenkt bekamen. Eigentlich wäre ich auch gerne eine von ihnen, dann hätte ich wenigstens ein einziges Wort mit ihm gewechselt.
Ein Seufzen entkam mir, welches leider nicht ganz so leise meine Lippen verließ, wie vorgehabt. Timo, mein bester Freund, stieß mich leicht von der Seite an. „Na, noch immer dem geheimnisvollen Ritter verfallen?“, fragte er lachend und wich meinem nicht allzu zärtlichen Knuff in die Seite aus. Als ich ihm von meiner heimlichen Leidenschaft erzählt hatte, gab er mir den unnützen Ratschlag, welchen mir wohl jeder gegeben hätte: „Sprich ihn einfach an, was willst du groß verlieren?“ An meine Würde dachte wohl keiner von ihnen. Ich konnte darauf verzichten, stotternd, wie ein kleiner Junge vor ihm zu stehen und verlegen meine Schuhspitzen zu betrachten. Die Erniedrigung würde ich mir ersparen, da himmelte ich ihn lieber noch ein paar weitere Jahre aus der Ferne an und stellte mir vor, wie unsagbar gut er riechen würde und wie gut sich seine nackte Haut unter meinen Fingern anfühlen würde. Ich zog meine Nase kraus. Hoffentlich würde er gut riechen, denn manche hier nahmen es mit dem Mittelalter etwas zu genau. Es gab im hinteren Teil des Zeltplatzes Sanitäranlagen, also musste man nicht im Dreck liegen, sondern konnte jeden Tag gemütlich duschen und auch seine Hinterlassenschaften wurden nicht im Boden vegraben. So hoffte ich jedenfalls ...
Ein Mann trat wieder auf den Platz, kündigte die beiden Kämpfer an. Vorerst die letzten beiden Teilnehmer, da es danach eine zweistündige Pause gab, in der die Punkte der Teilnehmer ausgewertet wurden.
„Bin ich nicht“, gab ich widerstrebend zurück. Die Ritter ritten zu den Enden des Feldes und stellten sich in die Startposition. Die Klappen der Helme wurden hinuntergeklappt, die Lanzen in die Hände genommen und das Startsignal wurde nervös abgewartet. Als die Flagge geschwenkt wurde, stürmten sie mit erhobener Lanze und einem lauten Brüllen nach vorne. Die Menge brach in Begeisterung aus und beide Teilnehmer wurden angefeuert, bis es nicht mehr ging. Derrien saß anmutig auf seinem Pferd, es schien ihm weder etwas auszumachen, aufrecht auf einem galoppierenden Pferd zu sitzen, noch dass er in genau diesem Moment von der Lanze an der Schulter getroffen wurde. Das Publikum zog bestürzt den Atem ein und ich konnte nicht verhindern, dass ein erschrockenes Keuchen meinem Mund entwischte. Doch anstatt dass er aus dem Sattel fiel und zu Boden ging, wie schon viele vor ihm, rettete er sich geschickt in den Sattel zurück und schickte stattdessen seinen Gegner vom Pferd.
Ich stimmte begeistert in den Applaus mit ein und drehte mich strahlend zu meinem Freund um. Dieser sah mich schon die ganze Zeit grinsend an und hob nun eine Augenbraue hoch. „Nein, wie konnte ich nur denken, dass du ihm verfallen bist? Wie dumm von mir.“ Theatralisch schüttelte er den Kopf und ich spürte deutlich, wie mir die Wärme in die Wangen stieg.
„Ein bisschen vielleicht“, nuschelte ich und wurde von einem lauten Räuspern unterbrochen, welches direkt hinter mir erklang.
Hinter mir, wo eigentlich niemand stehen konnte.
Mein Blick zuckte zu Timo, ehe ich mich in Zeitlupe umdrehte, nur um den Mann meiner feuchten Träume direkt in die Augen zu blicken. Sie waren nicht braun, wie ich immer angenommen hatte, sondern in einem dunklen Grün, welches noch viel verführerischer auf mich wirkte. Den Helm hatte er locker vor sich auf dem Hals des Pferdes abgelegt. Ich schluckte den Speichel, der sich in meinem Mund gesammelt hatte, hinunter und blickte zu ihm hinauf. Von Nahem sah er noch weitaus besser aus als aus der Ferne. Eine Hand hielt er vor die Brust, die andere verschwand hinter seinem Rücken. „Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mich heute Abend auf den Ball begleiten würdet“, sagte er fest und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Vor versammelter Mannschaft zog er die Hand hinter dem Rücken hervor und hielt mir eine rote Rose unter die Nase. „Würdet Ihr mir die Ehre erweisen?“, fragte er nun etwas unsicherer, da ich noch nicht auf ihn reagiert hatte. Mein Mund klappte auf, als ich von der Rose zu dem Mann blickte. Das konnte nur ein schöner Traum sein. Vielleicht meinte er ja gar nicht mich? Ich blinzelte kurz. Doch, er sah definitiv mich an!
Erst als ich einen Ellenbogen unsanft in die Seite bekam, konnte ich reagieren. Mit zittrigen Fingern griff ich nach der Blume, meine Wangen wurden zum zweiten Mal rot und ich deutete ein leichtes Nicken an.
„Sehr gerne, Mylord. Wann wünscht Ihr mich zu treffen?“ Meine Stimme zitterte und ich räusperte mich verlegen.
„Um 22 Uhr, wenn Euch das recht ist?“ Auf mein Nicken hin wandte er zufrieden sein Pferd ab und trabte aus meinem Sichtfeld hinaus.
Ich blickte ungläubig zu Timo, doch dieser grinste mich nur wissend an, ergriff meinen Arm und zog mich aus der Menschenmenge hinaus. Stumm stolperte ich eine Weile hinter ihm her, die Hand fest um den Rosenstiel geklammert. Einzelne Dornen stachen mir in die Haut, aber ich bemerkte es nicht einmal richtig. Ich konnte immer noch nicht glauben, was da gerade passiert war. Mehrere Jahre klebten meine Blicke nun schon an diesem Mann und er hatte nicht einen einzigen erwidert und jetzt lud er mich wie aus dem Nichts auf den Ball ein? Beschweren würde ich mich aber garantiert nicht, wenn man von so einem Mann gefragt wurde, sagte man nicht nein! Man nahm sich, was man bekommen konnte. Aber trotzdem fragte ich mich, warum er mich ausgerechnet jetzt bemerkte und warum er mich überhaupt bemerkt hatte!
Als wir an unserem Lager ankamen, trank ich erst einmal einen großen Schluck Wasser. Meine Gedanken schwirrten immer noch um meinen Ritter herum. Was er wohl im echten Leben machte? Wie alt er wohl war? Etliche Fragen schwirrten in meinen Kopf umher, die alle beantwortet werden wollten. Hoffentlich wurden sie dies heute Abend auch. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus, als ich an das Lächeln dachte, welches er mir geschenkt hatte. Mir! Und niemand anderen. Ich stellte den Tonbecher auf dem Tisch ab und grinste Timo breit an.
„Ich glaub' es einfach nicht“, rief ich euphorisch und sprang mit einer hektischen Bewegung auf. Die Euphorie verschwand aber schnell, als mir etwas Wichtiges in den Sinn kam. Ich hatte nichts zum Anziehen! Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, auf den Ball zu gehen. Es machte keinen Spaß, alleine zwischen all den Pärchen zu stehen und mich betrinken brauchte ich nicht, ich hatte hier auch so genug Spaß. Timo schien meine Notlage zu erkennen, denn er verschwand kurz in dem weißen, auf Stöcken gespannten Zelt und kam mit einer grünen Tunika auf dem Arm wieder zurück. Ich sah ihn ungläubig an und strich über den weichen Stoff, welcher genau dieselbe Farbe wie Lord Derriens Banner hatte. Mit meiner hellen Hose und dem dunklen Gürtel würde es perfekt zusammenpassen.
„Du bist meine Rettung!“, flüsterte ich und umarmte ihn dankbar. Ich fragte ihn gar nicht, wieso er eine Tunika in diesen Farben mit sich trug, Hauptsache ich hatte etwas zum Anziehen!
Die zwei Stunden vergingen schnell, obwohl ich so viel in meinen Gedanken hing. Oder vielleicht auch gerade deshalb. Das Wetter hatte sich zum Glück gehalten und als ich und Timo uns wieder in die erste Reihe drängten, konnte ich es gar nicht mehr erwarten, Derrien wiederzusehen. Erneut in diese strahlenden Augen zu blicken und mich in ihnen zu verlieren. Noch lieber würde ich mich ihm ganz hingeben, mich mit ihm zusammen auf einem Fell vor dem Kamin herumwälzen und über diese beachtlichen Muskeln streifen. Ich würde jeden einzelnen von ihnen erkunden und mich ebenso seinen forschen Fingern hingeben.
Ich wurde aus meinen Traum gerissen, als der Punktestand bekannt gegeben wurde. Unter den zahlreichen Teilnehmern hatte sich Derrien auf den dritten Platz hoch gearbeitet. Viele Reiter hatten es nicht mehr in die nächste Runde geschafft, sodass nur noch die besten vier gegeneinander antreten würden. Mein Ritter sollte den ersten Kampf bestreiten, doch bevor er sich in Stellung begab, ritt er direkt in meine Richtung. Knapp vor dem Balken hielt er sein Pferd an und blickte auf mich hinunter. Das Publikum verstummte und blickte gebannt zu uns hinüber.
„Mann, nennt mir Euren Namen!“, forderte er mich laut und deutlich auf. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen.
„Und was wollt Ihr mit meinem Namen anfangen, werter Jägersmann?“ Seine Augen blitzten belustigt auf, als er das Zitat aus „Ritter aus Leidenschaft“ erkannte. Weiße Zähne blitzten auf, als er mich anstrahlte und mein Blut direkt zwischen meine Beine drückte.
„Ich hoffe doch sehr, dass Ihr jetzt nicht von mir verlangt zu verlieren, um an Eurer Seite stehen zu können?“ Ich schüttelte schnell den Kopf und betete stumm, dass man mir nicht anmerkte, wie nervös ich innerlich war. Dass man nicht hörte, wie schnell mein Herz schlug und mir nicht ansah, wie sehr ich diesen Mann begehrte.
„Gewinnt das Turnier!“, stellte ich meine Forderung.
„Jeder Tropfen Schweiß von mir hat seinen Preis!“, grinste er. Das Versprechen sprang gerade zu aus seinen Worten heraus. Mein Schwanz drückte unangenehm gegen den Reißverschluss der Hose, wollte endlich befreit werden. „Ich werde ihn mir abholen, wenn ich gewinne!“, sagte er mit einer Selbstsicherheit, als könne er gar nicht verlieren und wenn ich ihn mir so ansah, zweifelte ich auch daran. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass er seinen Preis aber auch abholen würde, wenn er verlor.
„Sam“, nannte ich ihm schließlich doch noch meinen Namen. Er nahm ihn mit einen Nicken zur Kenntnis und setzte seinen Helm auf, die Klappe schob er allerdings nach oben. Ein tiefer Blick traf mich und Derrien trieb sein Pferd noch ein kleines Stück näher an mich heran. „Nun dann, werter Sam, ich hoffe das Eure Erwartungen im vollsten Maße erfüllt werden.“ Ruckartig wandte er sein Pferd herum und ritt zum Ende der Bahn. Meine Erwartungen wurden jetzt schon bei Weitem übertroffen! Nie hätte ich gedacht, dass er ein Wort mit mir wechselte oder mir auch nur einen Blick schenkte.
Beide Männer standen in Position, die Lanzen in der einen Hand, die Schilder in der anderen. Und beide warteten sie darauf, dass die Flagge gezogen wurde. Als dies endlich geschah, stürmten sie gleichzeitig los. Einen Augenblick lang war nur das Trampeln der Pferdehufe zu hören. Jeder schien den Atem anzuhalten und auf das Ergebnis zu warten. Dann trafen sie mit einem lauten Krachen aufeinander. Eine Lanze traf und ein schwerer Körper fiel auf den Boden und blieb heftig atmend dort liegen. Die Zuschauer sprangen begeistert auf und ich stimmte in die jubelnde Rufe mit ein. Timo verfolgte dem Kampf ebenso gierig wie ich, seine blonden Haare hingen ihm ins Gesicht und der fröhliche Gesichtsausdruck ließ ihn glatt fünf Jahre jünger wirken. Nicht nur mir tat dieser kleine Urlaub gut.
Ich heftete meinen Blick wieder an Derrien und konnte selbst hier das zufriedene Lächeln sehen, welches auf seinen Lippen lag. Mit hoch erhobenem Haupt ritt der zu der Anzeige und legte sein Banner eigenhändig eine Stufe weiter nach oben. Mit einer knappen Verbeugung Richtung Publikum lenkte er sein Pferd an den Rand der Bahn und klopfte ihm liebevoll auf den Hals. Der Rappe blähte die Nüstern und ein leises Wiehern erklang.
Nachdem die Strecke wieder freigeräumt wurde, betraten die nächsten beiden Ritter nach einer Ankündigung das Gelände. Ich bekam dies alles nur aus den Augenwinkeln mit, denn mein Blick haftete auf Derrien, welcher mit einem schelmischen Lächeln am Rande der Bahn auf mich zugeritten kam. Ob das überhaupt erlaubt war? Es erhob aber auch keiner Einspruch, weswegen ich einfach mal davon ausging. Er blieb erneut vor mir stehen, diesmal stieg er aber von dem großen Pferd ab und bückte sich unter den Balken hindurch. Direkt vor mir blieb er stehen, zog mich mit einem kräftigen Ruck an sich heran und legte seine Hände auf meine Hüften. Ich keuchte erschrocken auf und stolperte gegen ihn. Die Wärme seiner Hände brannte sich durch meine Klamotten hindurch direkt auf meine Haut, ließ mein Blut kochen und meine Haut kribbeln. Unbewusst drängte ich mich noch näher an ihn heran. Was war nur los mit mir? Ich hatte erst wenige Worte mit diesem Mann gewechselt und wenn man mal von meiner jahrelangen Schwärmerei abließ, kannte ich ihn doch gar nicht!
Trotzdem stand ich hier, an ihn heran geschmiegt, willig und mehr als bereit, mal eben hinter einen Busch zu verschwinden.
„Ich erinnere mich, dass dem Ritter aus dem Film ein Glücksbringer gegeben wurde, damit er gewinnt“, raunte er in mein Ohr und mein benebeltes Gehirn brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er damit meinte. Meine Mund wurde trocken und meine Lippen formten sich zu einem überraschten 'Oh'. Vorsichtig reckte ich meinen Hals nach oben und hoffte, dass ich ihn nicht falsch verstanden hatte. Eine Sekunde später machte ich mir darüber keine Gedanken mehr. Warme Lippen drückten sich auf die meinen und mein letztes Stückchen Verstand schaltete sich aus. Ich wurde enger an diesen starken Körper gezogen und stöhnte leise auf, als sich seine Zunge zwischen meine Lippen schob. Meine Beine begannen zu zittern und ich lehnte mich mit meinem Gewicht gegen ihn, erwiderte den Kuss mit voller Inbrunst. Erst als es einen lauten Rumms gab und einer der Teilnehmer auf dem Boden landete, lösten wir uns heftig atmend voneinander.
„Ich denke, das wird vorerst reichen“, sagte er schelmisch und verschwand wieder unter dem Balken.
Mit Vorerst war ich mehr als einverstanden. Gierig ließ ich meinem Blick an seinem Rücken hinuntergleiten. Viel konnte man Dank der Rüstung nicht erkennen, aber um seinen Körperbau zu erahnen, reichte es. Ohne Mühe stieg er wieder auf das Pferd auf und ritt zum letzten Mal am heutigen Tag zum Ende der Bahn. Er zeigte eine beachtliche Figur auf dem Tier, es war mir schon die letzten Jahre aufgefallen, aber wirklich darüber nachgedacht hatte ich noch nicht. Entweder war er früher mal geritten oder er hatte es sich während der Turniere so gut angeeignet, was ich aber weniger glaubte.
„Na, das nenne ich doch mal einen guten Glücksbringer“, riss mich Timo aus meinen Gedanken und erinnerte mich daran, dass gerade jeder zugeguckt hatte, wie ich mich von diesem Ritter um den Verstand küssen ließ. Natürlich wurde ich erneut rot. In meinem Kopf ging es immer versaut zu, ohne Scham und Zurückhaltung, aber in der Realität war mir alles in diesem Bereich peinlich. Erstaunlicherweise aber nur, wenn es um das Thema Sex ging. In meinem Beruf konnte ich mich nicht unsicher oder schüchtern geben. Ich musste auf die Leute zugehen, sie von unseren Produkten überzeugen und unterschriebene Verträge wieder mit in die Firma bringen. Ich war das, was die Welt Anzugfuzzi nannte. Mir machte mein Beruf aber Spaß und solange ich ab und zu mal wegkam, war ich zufrieden. Deswegen mochte ich die Mittelalter Feste auch so gerne. Hier gab es kein seriöses, geschäftliches Auftreten. Meine Rolle wurde getauscht und ich fühlte mich in ihr genauso pudelwohl wie in meiner anderen.
Die Ritter machten sich für ihren letzten Kampf bereit. Beide nickten sich zu und stießen rhythmisch mit den Händen gegen ihre Schilder, bis das ganze Publikum einstieg und ein lautes Donnern durch die Reihen hallte. Eine gespannte Stimmung herrschte und jeder wartete auf den finalen Ritt, in dem sich entschied, wer als Gewinner den Platz verlassen würde. Hinter meinem Rücken drückte ich Derrien ganz fest die Daumen und hoffte, dass mein Glücksbringer funktionieren würde, sonst würde ich ihm wohl erneut einen geben müssen.
Lautstark wurden sie angepriesen, ihre gewonnen Kämpfe noch einmal erwähnt und die Stärken in den Vordergrund gerückt. Dann ging es endlich los. Die Fahne wurde gezogen und mein Herzschlag schlug im Takt der Pferdehufe - rasend schnell. Die Lanzen wurden gehoben, nach vorne gestoßen und beide trafen sie. Zwei Körper wurden vom Pferd gehoben und einen Augenblick lang war es totenstill. Unruhig biss ich mir auf die Lippe. Hoffentlich hatte er sich nicht verletzt! Derriens Lanze hatte zuerst getroffen und er war einen kurzen, aber deutlichen Moment länger auf dem Pferd sitzen geblieben. Das Kampfgericht, welches auf der Tribüne in Stühlen mit hohen Lehnen saß, steckte tuschelnd seine Köpfe zusammen. Währenddessen richteten sich die Ritter langsam auf und streckten ihre Knochen. Das würde bestimmt große blaue Flecken geben.
Die Pferde wurden eingefangen und aus dem Gebiet gebracht, sodass die beiden Männer zu Fuß vor den Bannern zu stehen kamen. Alle starrten gebannt zu den Richtern hinauf und warteten das endgültige Urteil ab. Einige Minuten später lehnten sich die Männer zufrieden zurück und ein kleiner Junge kam auf den Platz getapst und stellte sich vor die beiden Fahnen. Er stellte sich entschlossen auf seine Zehenspitzen und griff nach Derriens Fahne. Er nahm sie ab und tapste zu ihm hin. Ich ließ enttäuscht meine Schultern sacken, eigentlich hatte ich mit seinem Sieg gerechnet. Doch anstatt dass er sie ihm in die Hand drückte, sagte er etwas zu ihm, was meine Ohren leider nicht erreichte. Derriens Gesicht fing an zu strahlen und er hob den kleinen Jungen an den Seiten hoch und setzte ihn auf seine Hüfte. Dieser reckte sich jetzt begeistert und hakte seinen Banner in das Siegerpodest ein. Der Kleine war einfach zu kurz gewesen! Lautstark fingen die Leute an zu klatschen, jubeln und zu grölen.
Der Sieger stand fest. In mir stieg ein Kribbeln auf, welches meinen ganzen Körper erfasste. Hieß das, dass er sich seinen Preis heute holen würde?
Die besten drei Kämpfer versammelten sich um das an der Seite aufgestellte Podest. Obwohl es sich auf einem Mittelalter Fest nicht gehörte, wurde ein Siegerfoto geschossen, welches später auf der Internetseite zu sehen sein würde. Vorher aber wurden die Urkunden an jeden Teilnehmer vergeben und den ersten drei wurde eine Medaille über den Kopf gezogen. Das Gold glitzerte auf Derriens Brust, als er diese mit Stolz hob. Ankündigungen über die nächsten Feste sowie den Ball heute Abend wurden bekannt gegeben und dann wurde der Platz langsam leerer. Derriens Blick streifte durch die Menge und als er meinen gefunden hatte, warf er mir ein verdorbenes Lächeln zu, stieß seine Zunge in die Wange und dann verschwand er mit der Menge und ließ mich mit einem Ständer in der Hose stehen.
Die Zeit bis zum Ball schien nicht vergehen zu wollen. Zu fünft saßen wir vor unseren Zelten unter dem Vordach, welches so weit ausgebaut war, dass man gemütlich darunter herumlaufen konnte. Ein Feuer war entzündet worden und über diesem hing, von zusammengestellten Ästen gehalten, eine Art Grillrost, auf welchem wir unser Abendessen brieten. Es roch schon herrlich und als das erste Stück Fleisch auf meinem Teller landete, schlug ich gierig zu. Eine Stunde später waren unsere Mägen gesättigt und es war immer noch ewig hin, bis der Ball begann. Die Uhr zeigte gerade mal acht Uhr! Zwei Stunden musste ich noch überbrücken. Ich entschloss mich, noch ein wenig herumzulaufen, mir die Stände anzusehen, die ich bisher noch nicht eines richtigen Blickes gewürdigt hatte. Was wirklich schade war, denn die Leute hier gaben sich immer sehr viel Mühe. Ich schlenderte eine Weile durch die Gegend, bis ich an einem Bogenschießstand stehen blieb. Früher hatte ich auf diesen Festen selber einen betrieben, doch mit der Zeit war es zu viel Aufwand geworden und die Bögen gingen leicht kaputt, da sie durchgängig weitergereicht wurden und niemand hier ein Profi war. Zur Zeit schoss nur ein kleiner Junge und mich erfasste wieder die Lust, einen Bogen in der Hand zu halten. Freundlich grüßte ich den Mann, dem der Stand gehörte, drückte ihn ein paar Euro in die Hand und schon konnte der Spaß losgehen. Die ersten Pfeile gingen deutlich daneben, doch mit jedem weiteren kam meine alte Sicherheit wieder zurück. Gedankenverloren schoss ich ein paar Mal hintereinander, bekam gar nicht mit, wie jemand hinter mich getreten war. Erst als eine feuchte Zunge in meine Ohrmuschel fuhr, schreckte ich hoch – und bekam sofort weiche Knie.
„ Lord Derrien“, keuchte ich leise auf und hörte, wie er schmunzelte.
„Habt Ihr Lust, mir ein wenig Gesellschaft zu leisten?“, fragte er rau und fing an an meinem Hals zu knabbern.
„Nichts würde ich lieber tun “, sagte ich und warf einen Blick nach rechts, „aber nicht hier.“ Derrien folgte meinem Blick und fing an zu lachen, als er den Jungen erblickte, welcher uns mit aufgerissenen Augen anstarrte. Ich legte den Bogen auf dem kleinen Holztisch ab und wenig später wurde meine Hand ergriffen und ich wurde von dem Stand weggezogen. Gemütlich gingen wir den Schotterweg entlang und liefen durch das kleine Dorf aus Zelten. Während des ganzes Weges ließ er meine Hand nicht los.
Glücklich schlenderte ich neben ihm her und unterhielt mich mit ihm über unser Leben. Für einen Moment war er nicht mehr der Ritter, sondern ein Filialleiter, der genauso wie ich die meiste Zeit im Anzug verbrachte. Das machte ihn in meinen Augen nicht unattraktiver, sondern erreichte genau das Gegenteil. Wenn ich mir nur vorstellte, wie diese breiten Schultern von einem Anzug umhüllt wurden ...
Ich erfuhr, dass er nächsten Monat 30 wurde und die Mittelalter Feste eine heimliche Leidenschaft von ihm waren. Reiten konnte er schon seit er 13 Jahre alt war, deswegen kamen ihm die Lanzenturniere mehr als gelegen. Das Einzige, über das er sich beklagte, waren die blauen Flecken, die man definitiv jedes einzelne Mal erhielt, wenn man von Pferd gestoßen wurde. Auch dieses Mal würde er davon sicher nicht verschont bleiben. Je länger wir uns unterhielten, desto mehr gefiel mir, was ich hörte. Ich hatte mich schon längst in den Ritter verliebt, aber der Mann, der hinter dieser Fassade steckte, kroch erst jetzt langsam aus seinem Schneckenhaus. Doch je mehr er von sich aufdeckte, desto mehr verlor ich mein Herz an ihn.
Als wir an meinem Zeltplatz wieder angekommen waren, dämmerte es bereits und die untergehende Sonne ließ den Himmel rot erstrahlen. Unsicher stand ich vor ihm und blickte auf unsere verschränkten Hände. Huldvoll hob er sie zu seinem Mund und hauchte mir einen seichten Kuss auf den Handrücken.
„Wir sehen uns auf dem Ball“, raunte er und ging zurück zu seinem eigenen Zeltplatz. Ich blieb seufzend zurück und setzte mich mit wackeligen Beinen auf die Bank. Ich konnte überhaupt nicht einschätzen, ob er nur auf eine Nacht aus war oder auf mehr. Aber mehr als ein One-Night-Stand würde wahrscheinlich eh nicht rausspringen, schließlich wartete das richtige Leben noch auf uns. Ich war mehr der Typ für lange Beziehungen als nur ein bisschen Spaß für eine Nacht, aber bei diesem Mann würde ich das bisschen Spaß gerne annehmen.
Ich saß noch eine Weile vor mich her grübelnd auf der Bank, ehe ich mich umzog und auf den Weg zu dem Ball machte. Schon von Weitem konnte man die Musik, die Leute lachen und die fröhliche Stimmung hören. Ich ließ all die Eindrücke auf mich einfließen und genoss das berauschende Gefühl. Als ich vor dem Platz ankam, stand Derrien schon bereit. Seine Klamotten betonten die richtigen Stellen seines Körpers und mir floss das Wasser im Mund zusammen. Nervös blickte er andauernd auf die Uhr und sein Blick schweifte unaufhörlich herum. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich warten musste, war ich doch immerhin eine viertel Stunde zu früh, aber Derrien wollte anscheinend auf Nummer sicher gehen. Mit einem gerührten Lächeln trat ich auf ihn zu und sein Gesicht erhellte sich sofort, als er mich erblickte. Galant hielt er mir seinen Arm entgegen. „Wollen wir?“ Ich hakte mich mit einem Nicken entzückt bei ihm unter und zusammen liefen wir auf den offenen Platz. Fackeln wurden rundherum aufgestellt und auf den Tischen standen mehrere Bierkrüge und allerlei zu Essen. Die Mitte des Platzes wurde für Tänze frei gehalten, außen herum standen die Leute und aßen, tranken und lachten zusammen.
Derrien zog mich zielstrebig auf die Tanzfläche, auf welcher bis jetzt Totenstille herrschte. Augenblicklich lagen die Blicke auf uns und ich wünschte im Erdboden zu versinken. Eine große Hand hob mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen blickte. „Keine falsche Scheu.“ Ein kurzer Kuss wurde mir auf die Lippen gedrückt und dann fing Derrien an sich zu bewegen. Und wie er sich bewegte. Ich war kein guter Tänzer, aber mit ihm schien alles locker von der Hand zu gehen. Als geschlossenes Team schwebten wir über die Tanzfläche. Ich nahm nichts anderes mehr war. Nur noch die Musik, die durch meinen Körper dröhnte, das Gefühl von Derriens Armen, die mich fest hielten und meine Füße, die federleicht über den Boden glitten. Nach einer Weile wagten sich immer mehr Leute auf die Tanzfläche und bald tanzten sechs Paare im Walzer über die Fläche.
Der Abend wurde noch lang. Wir wollten beide nicht, dass er endete und zogen es so weit wie möglich hinaus.
Gerade lief ein langsames Lied und ich stand an seine Brust gelehnt und wiegte mich im Takt der Musik mit ihm. Ich wollte das alles nicht wieder aufgeben. Als ich zu ihm aufblicke, sah ich, dass auch er nicht ganz bei der Sache schien.
„Ich möchte nicht, dass es endet“, nuschelte ich gegen seine breite Brust und zog den betörenden Duft ein. Wie ich vermutet hatte, roch er gut und er benutzte auch regelmäßig eine Dusche. Er strich mir eine Strähne hinter das Ohr und ich schmiegte meine Wange gegen seine Hand. Meine Haare waren mittlerweile zu lang geworden und ich musste dringend mal wieder zum Friseur. Ich konnte gar nicht erklären, woher diese Vertrautheit auf einmal kam, aber ich war froh darüber.
„Dann lassen wir es halt nicht enden“, schmunzelte Derrien und beugte sich zu einem innigen Kuss zu mir hinunter. Gierig empfing ich den Kuss und erwiderte ihn leidenschaftlich. Hitze durchströmte meinen Körper und schien jeden einzelnen Zentimeter einzunehmen.
„Wie meinst du das?“, fragte ich unsicher, als wir uns voneinander lösten. Ich wollte mir nicht unnötige Hoffnungen machen, nur damit sie von ihm niedergeschmettert werden konnten.
„Ich möchte hier keine einmalige Sache daraus machen. Ich sehe dich schon eine ganze Weile“, gab er mit leicht geröteten Wangen zu. „Ich hatte aber nie den Mut, dich anzusprechen.“ Ungläubig stoppte ich meine Bewegungen und blieb mitten auf der Tanzfläche stehen.
„Und wieso hast du mich dann heute angesprochen?“, stotterte ich verwirrt und blickte aus großen Augen zu ihm hinauf. Das konnte ich ihm einfach nicht glauben. So ein Mann konnte doch keine Angst davor haben, jemanden wie mich anzusprechen! Er antwortete nicht und sein Blick strich umher, landete aber auffällig oft auf meiner Tunika. Ich sah an mir hinunter und dann war mir alles klar.
„Timo!“, zischte ich. Was hatte der Kerl meinem Ritter nur ins Ohr geflüstert? Derrien nickte.
„Ich hab' mich letztes Jahr kurz mit ihm unterhalten und durch Zufall haben wir uns dann in München wieder getroffen. Irgendwann sind wir dann auf dich zu sprechen gekommen und es könnte sein, dass er ein bisschen nachgeholfen hat.“ Er kratzte sich verlegen am Hals. Ich achtete aber gar nicht darauf, sondern hörte nur meine Heimatstadt heraus.
„München? Was hast du in München gemacht?“ Neugierig blinzelte ich ihn an und dann sagte er das Schönste, was ich mir in diesem Moment vorstellen konnte.
„Ich wohne dort. Und dein kleiner Freund hat mir verraten, dass ihr auch in München wohnt. Es wundert mich, dass wir uns nicht vorher begegnet sind, aber ich bin auf jeden Fall dafür, dass wir uns ab jetzt treffen und das am besten jeden Tag.“
Er schien sich ziemlich sicher zu sein, trotz seines nervösen Auftretens. Die Fackeln erloschen langsam und Derrien wurde nur noch von hinten beleuchtet.
„Heißt das, du willst mit mir zusammen sein?“, fragte ich hoffnungsvoll nach. Timo war längst in den Hintergrund gerückt. Meine Gedanken drehten sich nur noch um den tollen Mann vor mir, von dem ich mich wahrscheinlich doch nicht trennen musste. „Ja“, erwiderte er schlicht und zog mich erneut zu einem Kuss heran. Und diesmal blieb es nicht bei diesem einen Kuss.
Ende
Texte: © MimsKar
Bildmaterialien: © Ancher - Fotolia.com
Lektorat: pengiberlin
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2015
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