Prolog
Dies hier sollte also nun mein Zuhause werden.
Ich leistete keinen Widerstand, dafür hatten sie mit der erforderlichen Medikation gesorgt.
Wie damals war ich einfach nur still. Äußerlich. Aber das reichte Ihnen vorerst.
Meine stummen Schreie wurden auch diesmal nicht gehört.
3 Wochen vorher
Das Telefon klingelte, doch ich schaffte es nicht, meine Arme zu bewegen.
Ein dünner Speichelfaden lief mir aus dem Mundwinkel und tropfte auf das schmuddelige Laken.
Mühsam verfolgte mein Auge dieses Schauspiel, sah zu, wie die Flüssigkeit langsam in den Stoff sickerte.
Seit Tagen lag ich im Bett, konnte nicht mal mehr sagen, ob ich die Notwendigkeit der Grundbedürfnisse gleich vor Ort erledigt hatte oder dazu aufgestanden war. Durch die Ritzen der Jalousien drangen kleine Lichtfetzen, aber ich hatte jedes Zeitgefühl verloren und hätte weder die Tageszeit noch den Wochentag bestimmen können.
Meine Augen glitten durch das Chaos des Zimmers, welches sich irgendwann angehäuft haben musste .Langsam schob ich mein Gesicht auf das Kissen zurück und zog mir die Decke über den Kopf. Der Geruch durchschlafener Tage und verzweifelter Einsamkeit vermischte sich mit der leicht salzigen Feuchtigkeit geweinter Tränen. Ich stöhnte leise auf und schloss die Augen.
Ein weiteres Geräusch ließ mich erneut aufwachen. Dieses Mal kam das Klingeln nicht vom Telefon.
Wie spät war es? War dies noch der gleiche Tag wie der, als das Telefon klingelte?
Mein Körper schmerzte, brannte förmlich. Die Haut ein einziger, juckender Schrei, die Bewegung , gleich welchen Gliedmaßes ,verursachte das Sprühen von Funken vor meinen Augen und das Aufschwellen des Gallensaftes in meinem Innersten.
Meine Lippen waren so trocken, dass die Haut ,in Blut verkrusteten , rissigen Furchen bei der geringsten Bewegung erneut platzte und mir einen süßlichen Geschmack bescherte, als ich mit der Zunge drüberleckte.
Das Klingeln wurde nun fordernder und zudem mit einem lautstarken Poltern gegen die Tür unterstützt.
Meine Füße, seit Tagen kein Gewicht mehr tragen müssend, zitterten ob der Anstrengung, sich ihren Weg in die vor dem Bett stehenden Schuhe zu bahnen.
Jetzt klingelte und klopfte und schrie es draußen.
Ich hielt mir die Ohren zu und stand auf.
Um mich herum begann sich alles zu drehen.
Schritt für Schritt schlurfte ich der Geräuschkulisse entgegen, einzig dem Ziel , dieser Laute Einhalt zu gebieten.
Ich öffnete und schaute in erschrockene, vor Angst geweitete Augen, die sich sogleich meines Anblicks wahrnehmend, mit Tränen füllten.
Kommentarlos drehte ich mich um und ging in die Küche.
Ich drückte 3 Tabletten aus der Packung und schluckte sie ohne einen Tropfen Flüssigkeit hinunter.
Mir der Anwesenheit einer zweiten Person bewusst, ließ ich mich auf die Couch fallen und schloss die Augen.
Wie durch einen Nebelschleier bemerkte ich Bewegung um mich herum. Worte drangen wattiert zu mir durch ohne jedoch für mich einen fassenden Sinn zu ergeben.
Die Stimmen wurden mehr und lauter, jemand fasste mir unter die Arme und trug mich fort.
Minuten später stockte mir der Atem, Wasser prasselte auf meine Haut und ließ mich vor Schmerz laut aufschreien.
Ich schnappte nach Luft und dann wurde mir schwarz vor Augen.
Wie im Zeitraffer oder in Momentaufnahmen bekam ich Bruchstücke der nächsten Geschehnisse um mich herum mit. Hände seiften mich ein, Hände trockneten mich ab, trugen mich ins Bett und streichelten mein Haar.
Ich weinte. Erbärmliches Weinen, Schluchzen in verzweifelter Gefangenheit.
Helft mir. Dann schlief ich ein.
Ich konnte nicht sagen, wie lange ich in diesem Zustand des Dämmerns dahinvegetierte, ich weiß nur, dass keiner mich verstand.
Ich konnte es nicht mehr ertragen, dieses Leben.Das Grauen in tief vergrabenen Schubladen verschlossen , war jeder Moment des Atmens eine Herausforderung, ein Kraftakt, der meine Grenzen überschritt. Der Körper rebellierte in einem Heer aus Verzweiflung und Angst ,ließ mich einer zum Wahnsinn getriebene Fratze im Spiegel entgegenblicken.
Jeder Fluchtversuch vor mir selbst scheiterte an der Kraft des Verstandes.
Langsam kam mir die Erkenntnis, dass ich mich aus diesem Strudel nicht befreien konnte, egal wie gut ich mich im Schwimmen glaubte.
So saß ich denn an einem Mittwoch resignierend nickend auf der Couch, während meine Freundin den Notarztwagen rief.Während meine Freundin beruhigend auf mich einsprach, stach der Arzt seine erste Kanüle, von vielen die folgen sollten, in meinen Handrücken. Ich zuckte nicht mal, sah auf meine Hand und wartete auf nichts.
Man brachte mich eine halbe Stunde später in die Psychiatrie.
Meine Zeit war abgelaufen.
Dies hier sollte also nun mein Zuhause werden.
Ich leistete keinen Widerstand, dafür hatten sie mit der erforderlichen Medikation gesorgt.
Wie damals war ich einfach nur still. Äußerlich. Aber das reichte Ihnen vorerst.
Meine stummen Schreie wurden auch diesmal nicht gehört.
Bildmaterialien: google/pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 30.03.2012
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