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Ich versuchte, die Augen zu öffnen. Sie waren bleischwer und es fühlte sich an, als hätte jemand mit Heftklammern die Lider an den Wangen fixiert. Nur durch einen Nebelschleier erkannte ich rechts von mir unbekannte Vorhänge. Wo immer ich war, es roch nach Desinfektionsmitteln und nach Sicherheit. Ich schlief ein.

Als ich später erwachte, war es dunkel im Zimmer und sehr still. Die Nacht hatte sich über das geschäftige Treiben des Krankenhausganges gelegt und nur vereinzelt schien jemand forschen Schrittes in eines der anderen Zimmer zu gehen.
Mein Versuch, mich zu bewegen endete damit, schmerzgepeinigt in die Kissen zu sinken und erneut in Schlaf zu fallen.


In meinem Traum zuckten Momentaufnahmen des Passierten durch meine Gehirnwindungen, Puzzlestücke , die es zusammenzusetzen galt, um ein Bild des Verständnisses des Geschehenen zu erlangen.
Der erste Faustschlag traf mich so unerwartet und stark ,dass ich gegen die Wand prallte.
Ich erinnerte mich noch an das Blut, dass ich von der Platzwunde über dem linken Auge wischte, um mich dann ,langsam, an der Wand wieder hochzustämmen.


Das hatte er noch nie gewagt. Eine Grenze überschreiten in ein Territorium, welches unwiederbringlich den Verlust dessen nach sich ziehen würde, worum er so sehr mit Fäusten kämpfte.
Irgendetwas in seinem Kopf musste explodiert sein. Anders konnte ich mir diesen Gewaltausbruch nicht erklären. Ich wollte es auch gar nicht erklären, keine Gründe suchen oder gar Entschuldigungen, weil so etwas einfach nicht entschuldbar ist.
Dennoch versuchte ich zu begreifen, wollte erkennen den vertrauten Fremden, der mit hasserfüllten Blicken immer weiter auf mich einschlug, mir weder Luft zum Atmen noch zum Schreien ließ.


Vor meinem geistigen Auge zogen sich die Minuten wie Stunden hin, schweißgebadet erlebte ich jeden Moment in allen Einzelheiten und warf mich in meinem Krankenhausbett hin und her.
Eine sanfte Stimme sprach zu mir und ich schreckte auf und schrie. Die Krankenschwester schien das Licht angemacht zu haben, der dunkle Schleier wich einem grellen Teppich aus Stimmen, Gerüchen, Berührungen.


Ich versuchte mich zu beruhigen und zog mir die Bettdecke über meinen lädierten Körper, ungeachtet des Schmerzes, der bei jeder Bewegung durch mein Innerstes schoss.


Der Morgen hatte den Tag abgelöst, ich hatte mich wohl in meinem Alptraum verfangen und tief und fest mehrere Stunden geschlafen.
Der Visitearzt ratterte mit emotionsloser, anteilnahmsloser Stimme meine Gebrechen runter, verwies höflicher Weise auf den Fakt, dass vor ihm liegende Patientin keine Verletzungen im Intimbereich davongetragen hätte und verschwand.


Ich versuchte verzweifelt, mich an alle Details des vergangenen Abend zu erinnern, aber ich vermochte es nicht.
Es war nicht mal ein Streit. Ich erklärte ihm lediglich, dass meine Träume nicht zu den seinen passen würde, dass wir uns im Laufe der Jahre in verschiedene Richtungen entwickelt hätten und somit auch unsere Träume andere Bedürfnisse stillen sollten..


Nüchtern betrachtet erkenne ich , dass man niemandem trauen darf. Das der Glaube, man würde einen anderen Menschen in und auswendig kennen, ein Irrglaube ist. Jeder scheint ein zweites Gesicht zu besitzen .Ich werde den Verdacht nicht los, dass meines gerade die Augen geöffnet hat.


Heute wurde ich entlassen.

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Texte: Bild: Google Text: Autorin
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2011

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