Wir stromerten gerade durch die kleine Waldlichtung, bewaffnet mit Körben, Messern und der bislang mageren Ausbeute von 4 Pilzen, 8 wunderschönen Blättern und einer Handvoll Tannenzapfen, Eicheln und Kastanien , als unser Waldausflug durch ein leises Wimmern, kaum lauter als das Rascheln einer Bonbontüte, unterbrochen wurde.
„ Mama“ sagte mein Kurzer, „was war das eben für ein Geräusch?!“
„ Pssst, sei mal leise“ erwiderte ich und ging zögerlich auf das Gestrüpp an der Pferdekoppel zu.
Ganz vorsichtig kniete ich mich nieder , schob die Blätter und das Geäst beiseite und erstarrt !
Ein kleines, blutiges , zerrupftes Fellknäuel lag, umwickelt von Stacheldraht , auf nassem Blätterwerk.
Mein Sohn fing sofort an zu weinen und schrie : „Mach was, Mami!“
Vorsichtig schob ich meine Hand Richtung Kätzchen.
Was für ein mutiges Kerlchen!
Trotz offensichtlich schweren Verletzungen und mehr als misslicher Lage versuchte sie , die ihr wohl als „Feind“ in Erinnerung gebliebene Menschenhand , durch lautloses Fauchen abzuwehren.
Es zitterte dermaßen, dass ich Angst hatte, der Stacheldraht könne sich durch weitere Bewegungen noch tiefer in die Haut graben.
Fast schon verzweifelt schaute ich meinen Sohn an, der neben mir stand und lautlos weinend auf das Katzenbaby starrte.Dann sah er mich an und in stummer Verabredung hockte er sich zu mir und begann, ganz leise auf den kleinen Stubentiger einzureden ohne jedoch nur den Versuch einer Berührung zu wagen.
Das Kätzchen hielt inne, fuhr ihre kleinen Krallen ein und schaute mit großen Augen zu meinem Sohn, als würden es dessen kindlichen , melodischen Töne alles um sich vergessen lassen .
So schnell ich konnte, rannte ich zu der nahe gelegenen Wohnsiedlung und holte eine Decke und einen Seitenschneider.
Zusammen mit dem Besitzer eben dieser Utensilien befreiten wir den kleinen „Faucher“ aus seiner Misere.
Noch heute erinnere ich mich an das herzzerreißende Miauen aus Angst und Schmerz , vermischt mit den lauten, verrotzten Schluchzern meines damals 8 jährigen Sohnes.
Die Fassungslosigkeit stand dem Tierarzt ins Gesicht geschrieben, als er eine Erstversorgung dieses grau-weißen Knäuels vornahm.
Er machte uns keine Hoffnungen, dass dieses Kätzchen überleben würde, doch er sollte sich so was von irren.
Wir nannten sie Dolly, päppelten sie auf und gewannen nach und nach ihr Vertrauen.
Heute ist sie eine stolze, wunderschöne, grau-weiße Katze, welche uns sehr ans Herz gewachsen ist.
Menschen mag sie noch immer nicht, ebenso wenig Hunde.
Wie ein Pitbull verteidigt sie ihr Revier, verjagt Mensch und Hund, der auf unserem Grundstück nichts zu suchen hat, stellt ihre Nackenhaare auf, noch bevor einer an der Tür klingelt und überhaupt ist sie eine total durchgeknallte Katze.
Auf der Terrasse hat sie ein 2 Meter Spieleparadies, sie scheint die Queen der Katzenwelt zu sein, beobachtet alles von oben herab und den männlichen Verehrern tachtelt sie mit Wonne eine.
Sie ist zum schreien komisch, hüpft seitwärts auf allen vieren oder schiebt beim Schlafen ihre Hinterbeine und den Schwanz unter den Po, während die Vorderpfoten nach vorne ausgestreckt sind.
Und das arme Katzi-Tatzi ist verfressen wie verrückt.
Hat sie eben noch eine Schale leckerstes Ragout von mir bekommen, schnurrt sie, die Reste noch von der Schnute leckend, bereits dem nächsten um die Beine, so ganz 'ala : "Wovon sollt ich satt sein?! Ich sprang nur über Gräbelein..."
Jeden Morgen bringt sie meinen Kurzen zum Schulbus und nachmittags wartet sie dort, bis der Bus angekommen ist.
Wenn meine Depressionen mich mit aller Macht im Griff haben, ist sie diejenige die schon vor mir merkt, wenn es wieder besonders schlimm wird.Sie sitzt dann stundenlang auf meinem Schoß, fordert Streicheleinheiten von mir ab und wärmt mich mit ihrem beruhigendem Herzschlag und monotonen Schnurren.
Katzen sind sehr sensible und eigensinnige Tiere. Aber auch sehr intelligent und schön.
Ich bin froh, dass Dolly unsere Familie so bereichert hat. Jeden Herbst denken wir daran, wie reich wir an diesem Herbsttag doch beschenkt worden sind.
Nachtrag: Wir haben niemals herausgefunden, wer eine derartige Tat begangen hat.
Texte: alle Rechte bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 15.03.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinem geliebten Sohn, der das Herz am rechten Fleck hat und sich in der Welt behaupten wird.