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Ganz langsam umkrallen meine nackten , fast tauben Füße die metallenen , nassen Stufen.
Unwillkürlich spanne ich meine Muskeln an und versuche, ruhig zu atmen.
Stufe für Stufe steige ich hinab, die Kühle des Wassers umspielt mittlerweile meine Waden und es fühlt sich gut an.
Meine Hände zittern vor Anstrengung, das Gewicht zu halten.
Doch mit jeder Stufe wird mein Lächeln schöner, ich kann es in den seichten Wellen des Hallenbades betrachten und ich genieße diesen Moment. Den Moment, in welchem meine Körpermassen von der Leichtigkeit des Wassers getragen werden, wo der Schmerz an mir mit jedem einzelnen Wassertropfen abperlt und wo ich einfach nur bin.
Längst habe ich mich an die Blicke gewöhnt, die sich in meinen Rücken brennen und sich von dort ihren Weg zu meinem Herzen bahnen, um dieses mit ihren Stichen zu vernarben.Auch die Worte verletzen mich nur noch oberflächlich, durchdringen meine Mauer nur selten , meist an undichten Stellen, an denen ich dem Putz das Bröckeln gestattet habe.
Aber hier, wenn das kühle Nass meine Massen aufnimmt, mich mit einer zärtlichen Umarmung empfängt, sich die Knochen ihrer Last entheben und eintauchen in die Schwerelosigkeit... ja dann ist alles fast wie früher.
Mit meinen Händen teile ich das Wasser und ziehe meine Bahnen.Gleite Bahn um Bahn die Zeit vergessend durch das Becken.
Die Schatten meines Daseins vermischen sich mit blauem, chlorgetränktem Element.
Schmerzen fallen von mir ab und sinken wie Blei auf den Beckenboden.
Ich lächel und es macht mir keine Mühe.Ich vergesse alles um mich herum, in meinem Kopf keine Fragen, Ängste, Zweifel, der Körper nicht getrieben von Schmerz und Erinnerungen.
Ich weiß auch nicht, wie lange ich schon im Wasser bin. Jetzt erst bemerke ich neben mir einen Jungen, der mich anstarrt. Aber nicht wie diesen gewohnten, schmerzenden Blicke, sondern eher fragend, fast Hilfe suchend.
„Wie heißt Du ?“ frage ich den Zwerg, den ich auf etwa 8 Jahre schätze.Zunächst schaut er mich einfach nur an und sagt nichts.Keine Regung in seinem Gesicht lässt eine Vermutung zu.
„Warum gehst Du nicht unter?!“ fragt er mich plötzlich ohne seinen Blick von meinem voluminösen Körper abzuwenden.
Einen Moment bin ich etwas verwirrt, dann aber lächel ich und sage : „ Wir Wale sind die einzigen Säugetiere , die schwimmen können.“
Er schaut mich an und beginnt zu lächeln. „ Ich bin Patrick“ sagt er
„Glaubst Du, dass Wale auch mit einer Flosse schwimmen können?“
Ich schaue ihn etwas irritiert an, außerdem hat mich dieses Gespräch gestört. Gestört beim allein sein und beim zu mir finden.
Da erst bemerke ich, dass er nur einen Arm hat. Der linke Arm endet kurz unter dem Ellenbogen.
Er folgt meinem Blick und wartet, bis sich unsere Blicke treffen.
Wir lächeln.
„Ich bin Hanna“, sage ich leichthin,“ wollen wir zusammen schwimmen?“
Das Funkeln in seinen Augen ist nicht minder schön als das Glitzern des Wassers.
Langsam schwimmen wir los.
Er weiß gar nicht , dass er mein Held ist.
Und ich glaube genau aus diesem Grund kann er es überhaupt sein.


Impressum

Texte: Bildrechte: Tom Tumpelt/pixelio.de Quelle: www.pixelio.de Textrechte: Frau Batoli
Tag der Veröffentlichung: 31.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für jene, welche nicht untergehen

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