Das Blut fließt heiß meinen Nacken entlang. Teuflisch rot und wässrig. Vom Geruch wird mir schwindelig, aber ich habe keine Zeit darüber nachzudenken. Keine Zeit den Schmerz wahrzunehmen. Ich muss schneller werden. Die Straßen sind düster , in den Ecken leises Gemurmel von Obdachlosen und das Rascheln der Ratten hallt an den kalten Mauern der Stadt wieder. Ich bahne mir meinen Weg durch die Gassen, ziellos, suche einen Ort an dem sie mich nicht finden können. Vorerst. Denn solange sie ihren Plan nicht ändern werde ich weiterhin das Ziel sein. Es beginnt zu Regnen. Das nenne ich Glück. Die Tropfen versperren mir zwar zum größten Teil die Sicht, verwischen dafür aber meine Spur, den Geruch meines Blutes. Am Ende der Gasse steht ein Container. Nicht gerade der angenehmste Zufluchtsort, aber fürs Erste akzeptabel. Vorsichtig schiebe ich den schweren Deckel zur Seite und klettere behutsam hinein. Ein kalter Tropfen landet auf meiner Stirn bevor ich das schützende Dach zu schiebe.
*
Der Gestank ist widerwertig, überall juckt es mich und meine rechte Halshälfte pocht vor Schmerz. Die nächsten Tage kann ich wegen den ganzen Bakterien hier und meiner offenen Wunde wieder ohne Ende Antibiotika einnehmen. Ich hebe die Lider, der Gestank brennt mir sogar in den Augen. Die Dunkelheit umhüllt mich. Für einen kurzen Augenblick muss ich mich erst einmal besinnen. Okay. Ich war auf dem Weg von der Uni zum Wohnheim. Soweit alles klar. Als ich durch den Park ging hörte ich leises Rascheln. Schritte im Gras, da war ich mir sicher. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und lief gleichmütig weiter, spitzte jedoch weiterhin die Ohren um die Anzahl der Personen und ihre genaue Richtung ausmachen zu können. Nach einigen Metern war ich mir sicher es wäre nur eine Person. Plötzlich war es still. Von einem Moment auf den anderen wusste ich wer es war. Nicht jetzt, dachte ich mir, nicht hier, nicht heute. Ein lautes Rascheln in den Bäumen ließ mich erstarren. Ein schnelles Zischen der Luft neben meinem linken Ohr und sie standen vor mir. Bei de waren schwarz gekleidet. Sie standen zirka zwei Meter vor mir entfernt und ein paar Meter mehr auseinander. Typisch. Ihre Jäger-Beute-Aufstellung. Der Rechte, von mir aus gesehen , war ein kleines Stück größer als der andere. Er hatte dunkles kurzes Haar, was im Licht der Straßenlaterne glänzte. Der andere , der kleinere, hatte gold-blondes Haar und eine stämmigere Figur. Aber ihre Gesichter schimmerten gleich unheilvoll weiß und ihre schwarzen Augen waren starr auf mich gerichtet. Um uns herum war es mucksmäuschen still, nur mein schwerer Atem war zu hören und sie hörten sicherlich noch meinen Herzschlag. Ich überlegte, ob ich etwas sagen sollte, mir fiel aber leider nichts Passendes ein. Der größere brach das Schweigen:“ Na mein Goldstück, müsstest du nicht schon längst zu Hause sein?“. Ich hasse es, wenn sie mir auf die Tour kommen. „ Hör auf mit dem Gelabber, Cedric “, entgegnete ich ihm patzig. Seine Augen blitzten: „Häng dich nicht zu weit aus dem Fenster Elizabeth. Ich könnte sonst sehr leicht einen Fehler begehen.“- „Ach hör auf damit, sagt mir was ihr wollt, dann kann ich euch den Stinkefinger zeigen und gehen.“ Ich hatte heute sowieso schon einen schlechten Tag und dann muss der auch noch so enden. Shit. Cedric kam vorsichtig auf mich zu und blickte abwertend zu mir hinab. Sein Lächeln brachte die scharfen und tödlichen Zähne zum Vorschein. Ich machte einen Schritt zurück, das brachte allerdings nichts, denn mit einem schneidenden Geräusch der Luft stand er bereits hinter mir. Mein Atmen wurde schneller und noch lauter, wie ich das hasse, wenn sie mitbekommen, dass man Angst hat. Cedric tat so als bekäme er es nicht mit. Seine linke Hand, wohl eher Klaue, dachte ich mir, mit diesen widerlich langen Nägeln, wanderte von hinten an meine linke Brust und hielt sie mit einem Ruck fest. „Hör sofort auf mit dem Mist. Ich hab dir schon mal gesagt du sollst mich nicht anfassen! Wie kannst du nur mit ihm als Partner zusammen arbeiten, Elliott?“, zischte ich sauer und versuchte seine Hand angewidert loszureißen. Elliott blickte mir kurz verzweifelt in die Augen, schaut dann zu Cedric:“Muss das sein?“ – „Halt dich daraus Kleiner, du hast nichts zu melden.“, zischte er scharf. Jetzt wanderte er langsam mit seiner rechten Klaue entlang meines Körpers. „Weißt du“, flüsterte er mir in therapeutischer Stimme zu, „ihr Hexen hattet schon immer etwas Anziehendes. Deswegen hatten auch die Menschen immer solche Angst vor euch. Dass ihr ihre Männer verführt und sie zu ihren Sklaven macht. Ihr seit an eurem Schicksal selbst Schuld…. Sowie deine Mutter.“ , beendete er leise und eindringlich. Bei den letzten Worten fuhr er schnell und unsanft zwischen meine Beine. Jetzt war ich richtig sauer. Nicht nur, dass er es wagte mich so anrüchig zu befummeln, mit den Äußerungen über meine Mutter ging er eindeutig zu weit. Ich schlug meinen Kopf mit voller Wucht nach hinten gegen seinen, rammte meinen rechten Ellenbogen in seine Weichteile, zog seinen linken Arm an mich und versuchte diesen am Handgelenk nach Außen zu drehen. Als Mensch gegen einen Vampiren zu kämpfen ist sinnlos, er hatte mich sofort nach meiner mittelmäßigen Drehoperation wieder umfasst und urplötzlich verspürte ich einen brennenden Schmerz, der meinen ganzen Körper blitzartig durchschoss. „ArrRRRGGh!!!...Scheiße man was hast du gemacht?“, fluchte ich als Elliott ihn von mir losriss und an den nächsten besten Baum klammerte. „Verdammt….verdammt…verdammt“, fluchte ich immer noch, während ich mir meine Strickjacke gegen die Wunde drückte. Nachdem Cedrics Fänge von Elliott herausgerissen worden, wurde der Schmerz zwar erträglicher, aber nur geringfügig. Die beiden Vampire ringen neben mir im Gras miteinander. Elliott versuchte Cedric in seinem Blutwahn mit einem ziemlichen Kraftaufwand von mir fern zu halten. „Kann mir jetzt endlich einer erklären, was euer Problem ist?“, schnauzte ich Elliott an, der Cedric immer noch fest umklammerte und mittlerweile auch mit sich selbst rang.
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„Ein anderes Mal“, blaffte mir Elliott mit zusammengepressten Lippen entgegen, bevor er den außer Kontrolle geratenen Cedric davon bugsierte. Ich schaute den beiden erzürnt hinterher. Dann wurde mir der Schmerz wieder deutlich bewusst. Ich spürte mein Blut unter der Haut förmlich kochen. Langsam begann ich behutsam durchzuatmen, um mein Herz wieder auf eine normale Frequenz zu bekommen. Wut löste bei mir immer sofort einen schnellen Herzrhythmus aus. Mein Herz pumpte das Blut dann jedes Mal so schnell, dass man meinen Puls von der Haut mit dem bloßen Auge ablesen konnte. Um die Wunde brauchte ich mir vorerst keine sorgen machen, sie war zwar keine normale, würde aber im Laufe der nächsten 3 Tage recht schnell verheilen. Dank meiner Gene. Nur der Schmerz war der Gleiche und der Verlust meines Blutes. Ich wickelte mir meine Strickjacke wie einen Schal um den Hals und setzte meinen Weg Richtung Wohnheim fort. Den Bibliotheksbesuch hätte ich wohl doch auf Morgen verschieben sollen, dann wäre mir dieses ganze Brimborium erspart geblieben. Aber wenn man einmal mit dem linken Fuß aufsteht.
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2010
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