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Anziehungskraft

„Hier hält mich nichts mehr, außer der Erdanziehungskraft!“

Irritiert hatte ich mich umgedreht. Hatte noch einen kurzen Blick auf deinen breiten Rücken erhaschen können. Erkannte ihn sofort wieder. Dieser Rücken war vor wenigen Minuten mit unserem Straßenschläger Mike aneinandergeraten. Du konntest noch stehen? Das war ungewöhnlich. Mike schlug seine Kontrahenten sonst immer krankenhausreif. Ich hatte nicht nachgedacht, keinen bewussten Befehl an meine Füße weitergeleitet. Und doch musste ich feststellen, dass ich dir folgte. Warum tat ich das? Ich hielt mich immer aus allem raus. Fuhr bisher gut damit. Mike hatte mich noch nicht einmal bemerkt. Und das sollte auch so bleiben! Dennoch folgten dir meine Füße weiterhin.

 

Sie folgten dir durch mehrere Hinterhöfe, die ich sonst nie betreten hätte, folgten dir durch enge Gassen in denen es nach Urin und Erbrochenem roch. Sie folgten dir sogar über ein wackliges Brett, dass über den kleinen Fluss mit der dennoch heftigen Strömung gelegt worden war. In diesem Fluss waren bereits Menschen ertrunken, weil sie ihn unterschätzt hatten. Nicht erkannte, dass er an manchen Stellen tatsächlich etwas tiefer wurde. Gut, ich hatte noch nie von einem gesunden Erwachsenen gehört, der in diesem Fluss ertrunken wäre. Es waren immer alkoholisierte Menschen oder Kinder gewesen. Dennoch war mein Respekt vor diesem reißenden Gewässer ungebrochen.

 

Ein riesiges verlassenes Fabrikgelände erstreckte sich nun vor uns. Hier wurden früher einmal chemische Mittel hergestellt. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass mein Großvater vor seinem Ableben hier immer Chlor in 50 Liter Fässern gekauft hatte. Wofür er dieses ganze Chlor wohl verwendet hatte?

 

Meine Füße folgten dir immer noch willenlos. Sie führten mich quer über das Fabrikgebäude und dann dahinter durch ein Loch im Zaun in den kleinen angrenzenden Wald. Hier war es schmutzig wie überall in dieser Stadt. Picknicken bedeutete hier nicht eine Decke ausbreiten und gemütlich essen. Nein hier wurde im stehen gepicknickt, während nach der nächsten Nadel gegriffen wurde. Nach dem der Dealer bezahlt war ließ man alles stehen und liegen. Die Stadtreinigung kam schon lange nicht mehr mit der Säuberung nach.

 

Vorsichtig stieg ich über benutzte Spritzen, Getränke- und Lebensmittelverpackungen, über Stofffetzten die einmal Kleidung gewesen sein mochten, heute aber nur noch an verdreckte Putzlappen erinnerten und über undefinierbare Essensrest. Sowohl die ehemaligen Kleider, die jetzt mit viel Fantasie an Putzlumpen erinnerten als auch die Essensreste waren von Fliegen befallen und verteilten einen unangenehmen Geruch.

 

Eilig folgte ich dir weiterhin. Tiefer in den Wald. Der Dreck wurde weniger, ich konnte sogar Bienen summen hören. Hier kamen die Dealer wohl nicht hin. Aber auch die Familien würden hier nicht her kommen. Um diesen Ort zu erreichen müssten sie vorher über die benutzten Spritzen gehen und wer wollte das seinem Kind schon zumuten? So war dieser Teil des Waldes beinahe unberührt geblieben.

 

Du stopptest. Erst jetzt erkannte ich, dass du auf einer Lichtung angelangt warst. Wütend drehtest du dich um. Blicktest direkt in meine Richtung. „Was willst du?“

Wütend klang deine Stimme, deine Fäuste waren geballt und ich erinnere mich noch deutlich an die steigende Angst. Hier allein mit dir im Wald. Niemand würde mich vermissen, niemand würde mich hier finden.

Meine Angst wuchs, als du auf mich zukamst. Langsam, bedächtig. Anmutig, beinahe gleitend. Du erinnertest mich an eine Raubkatze, die ihre Beute stellt. Ich war die verschreckte Antilope. Unfähig dir zu entkommen. Schwer schluckte ich den Kloss in meinem Hals herunter und versuchte zu sprechen. Vergeblich. Meine Stimme gehorchte mir nicht mehr.

Nur ein krächzender Laut verließ meine Lippen. Deine Augen fixierten mich. Schienen mich zu scannen. Schienen mich zu durchleuchten. Was suchtest du? Was wollten deine Augen finden? Was glaubten oder fürchteten sie zu finden?

Erneut bemühte ich mich verständliche Worte zu formen. Worte die dir zeigen würden, dass ich harmlos war. Es gelang besser. Auch wenn meine Stimme immer noch krächzend klang, so konnte ich einen ganzen Satz aussprechen. „Auch wenn das Leben scheiße ist sollte man es nicht einfach wegwerfen!“

Entsetzt fragte ich mich woher dieser sinnlose Satz gekommen war. Du schienst genau so überrascht zu sein wie ich selbst. Bliebst stehen und starrtest mich eine unendliche Sekunde irritiert an. Meine Stimme nutzte diese Zeit um sich wieder zu sammeln und erneut zittrig und krächzend zu erklingen. „Bitte tu dir nichts an, auch wenn momentan alles verloren scheint, das Leben kann auch schön sein.“

Dein Blick fixierte mich immer noch. Doch er hatte sich verändert, schien nichts mehr an meinem Körper zu suchen. Du sahst mir in die Augen. Tief in die Augen. Als wolltest du prüfen ob du einem Verrückten gegenüber standest. Und ich war mir momentan nicht mehr sicher, ob ich nicht wirklich verrückt geworden war. Folgte einem Fremden bis tief in den Wald. Bat ihn dann sich nichts anzutun, während er mir bedrohlich gegenüber stand. Würde ein normal denkender Mensch so etwas tun? Dein Blick wurde weicher. Ich konnte mich entspannen.

„Ich habe nicht vor mir etwas anzutun. Wie kommst du darauf?“

Deine Stimme klang wundervoll. Sie schien tief in meinem Bauch etwas in Bewegung zu bringen. Du warst näher gekommen und deine grünen Augen schienen neugierig zu funkeln. Solch wundervolle Augen hatte ich noch nie gesehen. Habe ich danach auch nie bei einem anderen gesehen. Werde ich nie bei einem anderen sehen!

„Du sagtest außer der Erdanziehungskraft würde dich hier nichts mehr halten. Du klangst dabei frustriert und da habe ich mir Sorgen gemacht und bin dir gefolgt. Ich wollte dich nicht erschrecken, nur aufpassen, dass du dir nichts tust.“

Wer hatte da gesprochen? Wessen zittrige Stimme hatte es gewagt diese wundervolle Stille, diesen perfekten Augenblick mit dir auf dieser Lichtung zu stören?

Meine! Es war meine Stimme gewesen. Benötigte mein Körper heute allgemein keinerlei bewusste Befehle mehr von mir? Meine Füße folgten dir einfach, meine Stimme sprach einfach mit dir. Was käme als nächstes? Würden meine Arme sich einfach um dich legen?

 

Plötzlich zierte ein Lächeln dein Gesicht. „Ich war nur wütend. Ich werde mir nichts tun. Aber du solltest Fremden nicht einfach in den Wald folgen. Das ist gefährlich für einen hübschen Jungen wie dich.“

 

Ich spürte es sofort. Spürte die Röte in meinem Gesicht. Heiß brannten meine Wangen. Ich war hübsch? Du fandest mich hübsch? Du? Der Inbegriff von gutem Aussehen, du fandest mich hübsch? Unüberlegt erteilte ich meinen Füßen nun doch einen Befehl. Sie sollten rennen. Mich so schnell wie möglich von dir wegtragen, bevor meine Arme dich wirklich noch umschließen würden.

 

Eilig rannte ich den Weg zurück. Übersprang Spritzen und Abfälle. Rannte sogar über das wacklige Brett ohne einen Gedanken an das reißende Flüsschen unter mir zu verschwenden. Hatte die Überquerung des Firmengeländes nicht einmal bewusst miterlebt. Rannte durch Hinterhöfe und stinkende Gassen. Musste mich eilig wieder in eine dieser Gassen ducken, als Mike meinen Weg fast gekreuzt hätte.

Er durfte mich nicht sehen. Er würde mir weh tun. Würde mir sehr weh tun. Er mochte kleine und schmächtige Jungs mit goldblonden Locken, wie mich. Er mochte sie, um ihnen die Jungfräulichkeit zu rauben und ihnen weh zu tun, bevor er sie entsorgte oder an den meistbietenden verkaufte.

 

Ich musste mir die Haare wieder glätten und schwarz färben. Hatte es vergessen, aufgeschoben, nicht als wichtig erachtet. Doch nun, da Mike mir so nah war, dass ich ihn fast hätte berühren können wurde auch die Gefahr wieder allgegenwärtig. Die Färbung stand daheim. Auch schneiden würde ich mir die Haare selbst. Kein Geld für den Friseur, kein Geld für einen Umzug, kein Geld für Essen, hatte ja die Färbung gekauft. Mein Magen wollte knurren, knurrte. Hinter mir glaubte ich Schritte zu hören, vor mir war Mike gerade um die nächste Ecke gebogen. Eilig rannte ich weiter. Sprang über die Straße, um die Ecke in die nächste Gasse, um die nächste Ecke. Versuchte Hacken zu schlagen, den vielleicht nur imaginären Verfolger abzuschütteln und erreichte atemlos meine Wohnung. Schlug die Türe hinter mir zu und ließ mich daran hinab gleiten.

 

Erst nach gefühlten Stunden merkte ich, dass mein gesamter Körper bebte, dass meine Augen mit Tränen gefüllt waren, dass keine Luft mehr durch meine verstopfte Nase drang, dass mein Mund von der unnatürlichen Atemweise ausgetrocknet war und meine Kehle schmerzte. Mühsam erhob ich mich. Versuchte die Angst und die Tränen mit einer Dusche wegzuspülen.

Vergeblich! Zitternd und weinend ließ ich mich in mein Bett fallen und versuchte zu schlafen.

 

Die Nacht war unruhig. Immer wieder erwachte ich, weil deine wundervollen Augen mich bis in meine Träume verfolgten. Weil ich in ihnen versinken wollte und doch nicht konnte, weil ich sie ansehen wollte doch sie sich im dichten Nebel vor mir versteckten.

 

Müde erwachte ich am nächsten Morgen. Wollte so vieles tun und landete doch nur im Cafe um die Ecke. Müde und unausgeruht versuchte ich mich mit dem braunen fünfzig Cent Wasser, dass hier als Kaffee verkauft wurde, aufzuwecken, wach zu halten oder wenigstens so auszusehen, als wäre ich fit.

Plötzlich spürte ich es. Eigentlich hätte ich es nicht spüren dürfen, doch dieses Gefühl von blitzenden grünen Augen in meinem Rücken war so prägnant, so stark, dass ich es mir nicht nur einbilden konnte. Eilig drehte ich den Kopf zum großen Fenster neben mir und erkannte dich. Erkannte das Blitzen in deinen Augen, als du bemerktest, dass ich dich ansah, dass ich dich bemerkt hatte. Dein Lächeln schien mich zu locken, schien mich zu verführen. Beinahe bereitete der Wunsch dieses Lächeln, diese Lippen, die so lächeln konnten zu küssen, mit der Zunge zu spalten und deine Zunge einzuladen meinen Mund zu plündern, zu erobern und nie wieder freizugeben, mir körperliche Schmerzen. Beinahe zerriss dieser imaginäre Schmerz meine Brust.

 

Ein realer heftiger Schmerz riss mich aus meiner wundervollen Fantasie, in der deine Lippen und deine Zunge die Hauptrolle spielten.

 

Mein Blick glitt aus deinen Augen in die stechend blauen Tiefen von Mike. Ein Zittern erfasste meinen Körper. Meine Haare waren noch blond und lockig, meine dunkelbraunen Augen im starken Kontrast dazu umrahmt von dunklen und geschwungenen Dichten Wimpern schienen Mike zu gefallen. Ein dreckiges Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Tiefe Angst in meines.

Er risse mich am Arm mit sich hinaus aus dem Cafe. Niemand würde etwas sagen, keiner wehrte sich gegen Mike. Ich war verloren, würde sterben oder zum Sexspielzeug werden. Was besser wäre konnte ich nicht sagen, konnte nicht denken. Steigende Panik ergriff Besitz von mir. Meine Knie zitterten, meine Beine wollte das Gewicht nicht  mehr tragen und ich fiel.

Wütende Laute klangen an meine Ohren,  Mikes wutverzerrtes Gesicht in mein Blickfeld und seine auf mich zurasende Faust schien sich in Zeitlupe auf mich zuzubewegen. Ich war nicht einmal in der Lage die Augen zu schließen, konnte nicht blinzelnd, nicht wegrutschen. Starrte dem nahenden Schmerz in Form des Schlages nur hilflos entgegen.

 

Doch dann stoppte die Faust. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich eine Hand, die Mikes Arm direkt über dem Handgelenk gepackt hatte.

 

„Lass deine dreckigen Pfoten von meinem Besitz.“ Schmetterte deine traumhafte Stimme in rasender Wut und dann knackte es. Ich hörte genau wie es knackte. Mikes schmerzverzerrte Stimme traf auf mein Trommelfell wie ein Schlag. Ich starrte ihn an, sah wie sein Arm komisch herab hing. Der Arm, den du eben gepackt hattest.

Du erhobst das Bein und ein Tritt in Mikes Magen folgte. Immer noch verängstigt saß ich am Boden. Spürte einige Steine, die sich in meine Handflächen bohrten, während diese mein Gleichgewicht hielten. Sah, wie Mike von deinem Tritt getroffen ein ganzes Stück von mir weggeschleudert wurde. Sah wie er verängstigt zu dir hoch schaute. Hörte das Raunen der Menschen um uns herum.

 

Dann erblickte ich wieder deinen Rücken. Diesen wundervoll breiten Rücken, der von gut definierten Muskeln gesäumt war. Du standest vor mir. Schützend vor mir. Würdest mich beschützen, weil ich dein Eigentum war. Wieso ärgerte mich der Gedanke nicht? Wieso verletzte er mich nicht? Wieso hatte ich keine Angst mehr?

 

Plötzlich drehtest du dich um. Ich blickte auf in deine wundervollen grünen Augen. Und es wurde schwarz.

 

Als ich die Augen wieder aufschlug lag ich in einem wundervollen Bett. Das Bett, so musste ich feststellen, war nichts Besonderes. Es war ein normales Bett, mit ca. 140 cm Breite, das keinerlei Kopfteil hatte. Was dieses Bett zu etwas Besonderem machte war dein schlafendes Gesicht neben mir. Deine wundervollen dichten Wimpern, deine glitzernden und leicht geöffneten Lippen, deine Wangen, auf denen sich halb der Bartschatten abzeichnete. Deine wundervolle gerade Nase und dieser umwerfende Blick auf deinen unbekleideten Oberkörper.

 

Wie konnte es sein, dass so etwas Perfektes wie du auf dieser Welt existieren konnte? Wie war es möglich, dass so etwas Himmlisches wie du in mein Leben getreten war?

Leicht zuckte deine Wange und wenig später öffneten sich deine wundervollen grünen Augen. Musterten mich fragend. Langsam beugtest du dich vor. Millimeter schienen es zu sein, die du zurücklegtest. Deine wundervollen Lippen wurden von deiner verspielten Zunge leicht befeuchtet und etwas in mir explodierte. Nichts hielt mich mehr zurück. Ich überfiel dich. Stürzte mich auf dich, enterten deinen Mund und packte dich um den Hals. Drückte mich an dich, auf dich, wollte dich in mir.

 

Plötzlich wurde ich herumgerissen. Starke Arme lösten meine Arme von deinem Hals. Fixierten sie über meinem Kopf und ein schwerer Körper fixierte mich auf der Matratze. Hungrig nach deinen Lippen versuchte ich mich ihnen entgegenzustrecken. Doch sie waren wenige Millimeter außerhalb meiner Reichweite. Frustriert heulte, oder eher seufzte ich auf. In deinen Augen lag der Schalk. Sie blitzten belustigt, aber auch erregt auf.

 

Ich rieb meinen Unterleib an dir. Spürte meine Erregung eben so deutlich wie deine. Sah in deinen Augen den immer dunkler werdenden Grünton. Erkannte dein Verlangen, deinen Hunger auf mich. Und dann legtest du endlich deine Lippen auf meine, entertest meinen Mund mit deiner Zunge. Küsstest mich verzweifelt wie ein Ertrinkender, hungrig wie ein Verhungernder, gierig wie ein Dieb und dennoch zärtlich wie der weltbeste Liebhaber. Ich zerfloss, konnte alleine von diesem Kuss getrieben die Klippe überqueren und flog zu den Sternen. Nahm dein Stöhnen war, während du dich an mir riebst und spürte die Feuchte, als auch du die Klippe überquertest um mir auf meinen Höhenflug zu folgen.

 

Nur langsam wollte mein Bewusstsein zurückkehren. Nur langsam spürte ich die Kälte des Bettes. Nur langsam drang das Wissen in mein Bewusstsein, dass es noch nie jemandem gelungen war mich nur durch einen Kuss zum Höhepunkt zu führen. Nachdem mein Bewusstsein endlich zurückgekehrt war setzte ich mich erschrocken auf. Meine Hosen hatte ich nicht mehr an, auch meine Unterhose fehlte.

 

Auch von dir fehlte jede Spur. Doch mein Unterleib fühlte sich seltsam sauber an. Ein Blick zeigte mir, dass keine Spuren meines Höhepunktes zurück geblieben waren. Du hattest mich gereinigt. Hattest mich dazu entkleidet. Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht.

Du hattest mich unbekleidet gesehen. Meine Scham womöglich genau betrachtete ehe du sie reinigtest. Verwirrt ob meiner verschämten Reaktion trotz eines unglaublichen gemeinesame Höhepunktes zog ich die Decke enger um mich. Mein Blick fiel auf eine Boxershort welche auf deinem Kopfkissen lag. Eilig griff ich sie und zog sie unter der Decke an.

 

Die menschlichen Bedürfnisse riefen und so blickte ich mich auf der Suche nach einem Bad um. Wo ich war könnte ich nicht sagen. Der Raum glich einer Baracke. Fenster gab es keine. Es war ein kleiner Raum komplett aus Metall und nur spärlich eingerichtet.

Einen Schrank aus Metall konnte ich ausmachen, so wie das Bett komplett aus Metall zu sein schien. Auch die beiden Türen, die ich erblicken konnte schienen aus Metall. Doch konnte ich keine Türgriffe erkennen.

 

Eilig sprang ich aus dem Bett. Leicht keimte eine Anspannung ob der Angst, du könntest mich hier eingesperrt haben in mir. Als ich auf eine der Türen zugerannt war öffnete diese sich jedoch wie durch Geisterhand.

 

Hinter der Türe befand sich eine Nasszelle. Es wirkte, als hätte man ein WC und ein Miniaturspülbecken mit Spiegel in eine etwas größere Dusche gebaut. Die Brause wies eine seltsame Form auf. Sie schien keine Löcher zu haben, durch die das Wasser nach unten fallen konnte. Irritiert blieb ich stehen, blickte die Brause genauer an. Konnte aber trotz genauer Inspektion keine Löcher entdecken. Da die menschlichen Treibe nun doch wehemend auf sich aufmerksam machten beendete ich die Inspektion der Dusche und sprang zum WC um mich zu erleichtern.

 

Als ich nach Beendigung meines Dranges nach einer Spülung suchte spürte ich wieder das Blitzen deiner Augen. Ich drehte mich um und sah in dein wundervolles Gesicht.

Doch dieses Mal lag kein Lächeln auf deinen Lippen. Du mustertest mich. Schienst mit dir zu kämpfen.

 

Wieso? Du solltest nicht kämpfen, nicht unglücklich sein. Die Spülung vergessend rannte ich auf dich zu und warf mich in deine Arme. Du legtest sofort die deinen um mich. Sicher und geborgen fühlte ich mich in deiner Umarmung und spürte, wie deine Nase sich in meinem Haar vergrub. Tief atmetest du ein, sogst meinen Geruch in dich auf.

Das wiederrum erinnerte mich an die Toilettenspülung, weshalb ich unsere traute Stille durchbrach. „Ich finde die Spülung nicht.“

Deine Arme lösten sich und ich trat einen Schritt zurück um dir fragend in die Augen zu sehen. Du blicktest zum WC und drücktest auf einen Knopf direkt neben der Türe. Die Spülung röhrte und ich erkannte erst jetzt, dass mehrere Knöpfe neben der Türe angebracht waren. Eilig trat ich, mich meiner guten Erziehung erinnernd, an das Spülbecken und suchte Seife.

 

„Einfach nur die Hände unter den Wasserhahn halten.“

 

Ohne Überlegung folgte ich deiner Anweisung. Und erschrak. Die perfekte Wassertemperatur, gepaart mit der perfekten Menge Seife, tropften auf meine Hände. Eilig seifte ich sie ein und wusch die Seife mit dem jetzt klar fließenden Wasser ab.

Du betrachtetest mich währenddessen schweigend. Nun stand ich mit den tropfenden Händen da. Doch nicht lange, denn der Wasserhahn blies plötzlich erwärmte Luft aus und meine Hände trockneten langsam.

Diese Nasszelle war irritierend modern. Überrascht sah ich zu dir auf. Wieder blicktest du mich überlegend an.

 

Mir fiel Mike wieder ein, als ich die Blaue Stelle an meinem Handgelenk erkannte. Eilig legte ich meine linke Hand darüber und blickte verschämt zu Boden.

„Vielen Dank für deine Hilfe. Ich wäre sicher nicht mehr am Leben, wenn du mir nicht geholfen hättest.“

Eilig richtete ich meinen Blick wieder auf dein wundervolles Gesicht, blickte in deine wundervollen Augen und spürte das unbändige Verlangen deine Lippen mit meinen zu versiegeln.

Mein Körper schien wieder keinerlei Befehle von mir anzunehmen oder zu erwarten. Ich sah deine Lippen immer näher kommen, während ich auf dich zulief. Stand auf die Zehenspitzen, um die Zentimeter, die uns trennten zu überbrücken und küsste dich. Küsste dich ganz zärtlich.

Deine Arme schlossen sich erneut um mich. Doch diesmal ganz leicht. Nach einiger Zeit begannst du meinen Rücken zu streicheln. Sacht nur, wie eine Feder oder ein Windhauch. Ich erbebte in deinen Armen und keuchte an deine Lippen. Ich spürte dein Lächeln. Endlich war es wieder da.

 

Doch statt mich jetzt leidenschaftlich zu dem deinen zu machen zogst du dich zurück. Die Enttäuschung konnte ich nicht überspielen, wollte ich nicht überspielen. Erkannte die Freude, die sie in deinen Augen auslöste.

 

Wusste ich doch noch nicht, dass du dich von mir getrennt hattest um mir die Wahrheit zu erzählen. Mir zu zeigen, dass ich mich auf einem Raumschiff befand, auf deinem Raumschiff! Um mir zu erzählen, dass du während einer Erkundungsmission abgestürzt warst. Dass diverse deiner Geräte nicht mehr funktionierten, oder besser gesagt von der Erdanziehungskraft derart beeinflusst wurden, dass du keinen korrekten Kurs mehr eingeben oder fliegen konntest. Erklärtest mir, dass du seit gut einem halben Jahr versuchtest alles zu reparieren aber nur langsam voran kamst.

 

Viele Informationen, die mich kurzzeitig überforderten. Doch nichts konnte mich von dir und deinen Lippen mehr fernhalten. Ob Außerirdischer oder Mensch. Es war mir einerlei. Ich wollte nur noch dich. Wollte dich nie wieder missen. Wollte dich für immer an meiner Seite wissen.

 

Ein wundervolles halbes Jahr voller Leidenschaft und Liebe entflammte.

Doch nie werde ich die heißen Tränen vergessen, die meine Wangen hinab rannen, als du mich nach einem der zahlreichen Höhenflüge in den Arm nahmst und mir ins Ohr hauchtest „Hier hält mich nichts mehr.“

Ich hätte es nicht verhindern können, selbst wenn ich gewollt hätte. Meine Tränen rannen heiß über meine Wangen, verbrannten sie beinahe.

„Nichts außer deiner Anziehungskraft.“

Die heißen Tränen blieben, doch das leere und kalte Gefühl war einer inneren Wärme gewichen, wie ich sie nie zuvor gekannt hatte. Wie ich sie nie erwartete hatte oder wie ich sie mir nie hätte erträumen können.

 

Fest schlossen sich deine Arme um mich, drückten mich an dich. Und die meinen umschlossen dich, um dich fest an mich zu ziehen. Nie wieder würde ich ohne dich leben können. Ich wusste es. Und ich war mir sicher, du würdest es auch wissen.

Leider sollte ich erfahren, dass ich falsch lag, dass du gar nichts wusstest oder gar nichts verstanden hattest.

 

Denn drei Monate nach dieser wundervollen Nacht warst du fort. Warst du wegen eines dummen Streites fort. Ein Streit wegen eines zerbrochenen Tellers. Ein Teller! Wie konnte das nur passieren?

 

Du bist gegangen, als ich schrie „Wieso musste ich dich auch kennenlernen?“ Wieso hatte ich das überhaupt geschrien? Was hatte mich dazu gebracht dir etwas Derartiges an den Kopf zu werfen? Deine kalte Antwort traf mich wie ein Blitz. „Dann hält mich hier ja endlich nichts mehr.“

 

Du drehtest dich um und gingst. Eiltest aus meinem Leben. Du ranntest sogar.

 

Bis mein Verstand sich wieder geklärt hatte, bis meine Füße endlich den Befehl umsetzten dir nachzurennen, war es bereits zu spät. Ich erreichte gerade den Waldrand, als ich dich noch starten sehen konnte. Sah wie du mit deinem Raumschiff der Erdanziehungskraft entkamst. Sah wie du aus meinem Leben verschwandest. Sah wie hilflos ich dagegen war.

 

Vier Monate sind seit dem vergangen. Vier endlose Monate in denen ich nicht aufhören konnte zu weinen, zu trauern und mich zu beschimpfen. Wie hatte ich es nur so weit kommen lassen können? Wie hatte ich nur so etwas Dummes sagen können? Wie überhaupt auch nur eine Sekunde so etwas Dummes denken können?

 

Einzig das Wissen um deine Treue hält mich noch am Leben. Einzig das Wissen darum, dass du stur bist und es auch ein Jahr, vielleicht sogar zwei Jahre andauern kann bis du dich ihr nicht mehr länger wiedesetzten kannst. Bis meine Anziehungskraft dich wieder zu mir führen wird. Bis ich dich wieder in meine Arme schließen darf. Bis ich mich endlich bei dir entschuldigen kann und dich anflehen mich nie wieder alleine zu lassen.

 

Dann, wenn nur noch deine Anziehungskraft auf mich und meine Anziehungskraft auf dich für uns existent sein werde, genau dann wird uns hier nicht einmal mehr die Erdanziehungskraft halten.

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Tag der Veröffentlichung: 09.07.2014

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