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Inmitten eines Sees, da lag vor langen, langen Zeiten
auf steilem Felsen hoch ein Schloss,
des Königs Sohn jedoch verdross.
Vom Turm–Balkon erblickte er die wunderbaren Weiten,
voll Sehnsucht schaute – ohne Macht –
Prinz Alidan bei Tag und Nacht
herab und ließ am Horizont entlang die Blicke gleiten.


Am Tag sah er die Boote kommen, sah sie auch entschwinden,
Soldaten waren oft darauf
und machten sich zur Reise auf
in ferne Länder, um des Königs Botschaft zu verkünden.
Des Nachts sah er dagegen gern
Die Sterne an in nah und fern,
versuchte dann gedanklich sie zu Bildern zu verbinden.


Dem König und der Königin war um die Zukunft bange,
sie sorgten sich um ihren Sohn,
obwohl er 16 Jahre schon,
so fürchteten sie doch des jungen Mannes Freiheitsdrange:
Das Schloss verließ er deshalb nie,
und ohne ihn regierten sie,
so wusst’ er kaum etwas über des Königreichs Belange.


Die Mutter bat er oft, doch seinen Vater eher selten,
er bat, er wolle endlich geh’n,
die Welt mit eig’nen Augen seh’n,
Das sei gefährlich, hörte er sie ganz besorgt dann schelten,
denn er sei Prinz, stets in Gefahr,
weil er des Königs Erbe war.
Zurück auf seinem Turm da träumte er von fernen Welten.


Die Blicke und Gedanken ließ er von dem Turm aus schweifen,
als er, ein Fernrohr in der Hand,
an dessen alten Zinnen stand.
Er sah weit über sich den Adler durch die Lüfte streifen,
er blickte auf und sah gebannt
ihn an und hatte schnell erkannt,
dass jener immer näher kam, alsbald so nah zum Greifen.


Der Adler ließ sich rauschend auf den alten Zinnen nieder,
der Prinz erstarrte, blieb ganz stumm
und drehte staunend sich herum,
er sah des Adlers Augen, sah sein mächtiges Gefieder,
und wunderte sich zunächst sehr,
erschrak jedoch gleich umso mehr,
als jener zu ihm sprach, da fuhr der Schreck ihm in die Glieder.


Der Adler sprach, er kenne ganz genau des Prinzen Sorgen,
beobachte ihn lang genug
und bot ihm dreimal einen Flug.
Zurück, so sprach er, sei’n sie jeweils dann am nächsten Morgen,
der Flug allein schon sei ein Glück
und sicher kehre er zurück.
Der Adler würde ihm die Flügel in die Freiheit borgen.


Prinz Alidan sprach leise, langsam und auch mit Bedenken,
fast ohne Stimme sprach er da
gehaucht ein sehr verwirrtes „ja“,
er wollte diesem Adler schließlich sein Vertrauen schenken
umschloss die Beine mit der Faust
und konnte ihn vom Wind umbraust
schon bald durch hohe Lüfte, jauchzend, in die Freiheit lenken.


Das Ziel der ersten Nacht, es lag in gar nicht weiter Ferne,
ein großer, tiefer, dunkler Wald,
der Adler, der verließ ihn bald.
Er sah die dunklen Stämme, kaum jedoch die vielen Sterne,
war einsam und es wurd’ ihm bang,
als Wolfsgeheul ganz nah erklang.
Am nächsten Morgen heimwärts flog er mit dem Adler gerne.


Den Tag darauf, zurück im Schloss war stets er in Gedanken,
was hatt’ der Ausflug ihm gebracht,
wozu das Wolfsgeheul der Nacht?
Es kam sein Bild von Abenteuer ziemlich bald ins Wanken.
Der Vogel kam ihm in den Sinn
wo kam er her, wo flog er hin?
Und sollte er statt all des Zweifelns ihm nicht lieber danken?


Der Adler kam zurück, die Sonne war am Untergehen,
sie starteten zum zweiten Flug.
Des Adlers Schwingen, Zug um Zug,
die brachten sie hinauf, wo kalte Winde wütend wehen,
und weit ging’s diesmal fort ins Land,
bis Alidan sich wiederfand
in einer fernen Stadt, dort ließ der Adler ihn dann stehen.


Die Nachtwächter durchstreiften Straßen, sangen ihre Lieder,
die Menschen gingen schnell ins Haus,
die Lichter gingen langsam aus.
Gesellen krochen aus den Löchern, waren ihm zuwider,
denn Räuber sind die Herrn der Nacht,
wenn Straßen finster, kaum bewacht,
bei Sonnenaufgang kam jedoch zum Glück der Vogel wieder.


Zurück im Schloss verglich der Prinz die Wälder und die Städte,
gefährlich schienen beide ihm
der Drang nach Freiheit sank dahin,
als wenn er nie nach Abenteuern schon gesehnt sich hätte.
Die Frage ließ ihn kaum mehr los:
Woher kam jener Adler bloß?
Verwirrt und in Gedanken ging er unsicher zu Bette.


Geweckt wurde der Prinz von ziemlich ungewohnten Klängen,
wo er die Tage immerzu
verbrachte stets in großer Ruh,
da war ein großes Treiben in des alten Schlosses Gängen.
Ein Fest, so hieß es sei der Grund.
Die Königin, die tat ihm kund,
dass eine Königstochter käm’, und wollt zum Tanz ihn drängen.


Der Prinz erkannte gleich, warum sie diese Feier planten,
weshalb sie alle so in Hast,
und warum langsam Gast um Gast,
ins Schloss kam auf den Booten, seine Onkel, seine Tanten,
und auch die junge schöne Frau,
weshalb all das, wusst’ er genau.
Doch er war voller Freud’, dass all die ander’n gar nichts ahnten.


Denn kaum versank die Sonne nun in tiefer Abendröte,
da kam auch schon der Adler an
und auf die Reise ging es dann,
die Reise über’s Land, die ihm erneut die Freiheit böte,
inmitten in ein kleines Nest,
ein Dorf, in dem ein Erntefest,
gefeiert werden sollte trotz der Armut und der Nöte.


Der Prinz des Landes, König bald, ließ sich hier nicht erkennen,
er tanzte mit den Menschen dort
und wollte bald gar nicht mehr fort.
Er lag im Arm so mancher Magd und spürte tief ein Brennen
und wusste doch, er musst’ zurück
heraus aus diesem neuen Glück.
Was hier mit ihm geschah, das konnte er noch nicht benennen.


Er hörte all den Bauern zu, er lauschte ihren Worten:
Sie sprachen von so mancher Not,
vom täglich’ Kampf um’s täglich’ Brot,
er dachte an sein Schloss, an die Pasteten und die Torten,
an Bratenfleisch vom Rind und Schwein,
an Bier und Met und teuren Wein.
Wie unterschiedlich lebte es sich an den beiden Orten.


Sein Herz hing an zu Hause und doch konnte er auch fühlen,
dass dieses Dorf hier echter war,
so ehrlich und auch wunderbar,
so frei von Zwängen war er in den Feldern, bei den Mühlen,
an Bächen und im Dorf beim Tanz,
bei Brot und Wasser war er ganz
geborgen und so saß er nunmehr zwischen allen Stühlen.


Der Adler würde kommen und damit die letzte Reise,
am Morgen wäre er zurück,
wo wollt’ er hin, wo war sein Glück?
Und dort das Mädchen, das in wahrhaft wunderbarer Weise
so einfach, einem Engel glich,
und ihm kaum von der Seite wich,
es machte ihm den Abschied schwer, er weinte still und leise.


Der Adler kam am Morgen, es begleiteten ihn Schwäne,
er griff die Beine mit der Faust,
und flog zurück vom Wind zerzaust,
der Prinz war voller Hoffnung und er hatte große Pläne,
die Eltern würde er beknien,
„so lasst mich endlich von euch zieh’n,
die Freiheit will ich“, und er weinte noch so manche Träne.


Der Traum vom frei sein ließ den Prinzen überschwänglich singen.
Er zwang den Adler hoch hinauf,
nahm Kälte und den Wind in Kauf,
im Flug ließ er sich freudig an des Adlers Beinen schwingen,
war über seines Vaters Wald,
sah dann den See, das Schloss und bald
schon würde er mit seinen Eltern um die Freiheit ringen.


Schon bald wär’ er daheim, er wollt das Schloss nun schnell erreichen,
er dachte an die letzte Nacht,
die er beim Erntefest verbracht,
an diese schöne Magd dort und begann sie zu vergleichen
mit jener jungen, schönen Frau,
die er vom Turm aus so genau
gesehen hatte, beide wollten nicht mehr von ihm weichen.


Ob Magd, ob Königstochter, so verliebt, so in Gedanken!
Doch niemand weiß, was dann geschah,
weil niemand ihn jemals mehr sah.
Im Schloss begannen sich Gerüchte bald um ihn zu ranken,
und lang ging’s keinem aus dem Sinn,
wo war Prinz Alidan nur hin?
Zwei Schwäne trieben auf dem See, zwei Schuhe, die versanken.


Die Ballade von Alidan und dem Adler wurde von mir auch vertont, weil ich eigentlich Liedermacher bin und das lange Stück mit einem Chor zur Aufführung bringen wollte.
Daraus wurde leider nichts.
Der Chor war ein Schulchor und ich war der Lehrer. Deshalb habe ich das Lied unter einem Pseudomym veröffentlicht.
Die Noten mit Text könnt ihr gerne bei mir unter www.stephan-treffler.de bestellen, sie werden dann als pdf-files zugemailt.
Ich werde auch versuchen, die Ballade in der nächsten Zeit akkustisch aufzunehmen. Auch die hörbare Version wird es dann auf meinen Web-Seiten geben.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.10.2009

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