Licht
Licht
fällt durch das Fenster
meines Gefängnisses
und wirft
tanzende Kreise
in den Staub
auf dem Fußboden.
Langsam
hebe ich meine Augen
und sehe
zwischen den Gitterstäben
ein Stückchen
Himmel.
Das verschlossene Tor
Jeden Tag
gehe ich den gleichen Weg
an der hohen Mauer vorbei
bis ich das schmale Tor erreiche.
Immer steht es offen
und dahinter liegt
ein wunderschöner Garten.
Doch niemals
gehe ich hinein.
Heute bin ich wieder
an der Mauer entlang gelaufen.
Doch das Tor war verschlossen.
Ich habe daran gerüttelt, gezerrt und geklopft,
doch es ließ sich nicht öffnen.
Warum
merken wir immer erst
wo das Paradies ist,
wenn der Weg dorthin versperrt ist?
Die Wanderung
Viele Stunden
bin ich schon gewandert
durch den Zitronenhain.
Lange Zeit
habe ich gebraucht,
bis er endlich vor mir lag,
der Berg, den ich erklimmen wollte.
Der Aufstieg war lang
und mühsam.
Und steinig und steil war der Weg.
Dort oben soll die Sonne scheinen,
so sagte man mir.
Doch als ich müde und erschöpft
den Gipfel erreichte,
versank das Licht.
Die weise Frau
In der Stunde der Dunkelheit
sitze ich
in meinem großen, warmen Sessel
und öffne
das schwere Eisentor,
das meine Seele verschließt.
Ich starre
in tiefes Schwarz
und dann ist sie da,
die weise Frau.
Sie spricht mit mir
über das kleine Mädchen,
das in mir wohnt
und ich gebe dem Mädchen
ein Zuhause.
Mutter, bleib bei mir.
Dein Kind will ich immer sein.
Durst
Ein Haus bin ich,
mit vielen Kammern
und einem Dach.
Darin ein großer Tisch
mit einem Krug darauf.
Im Keller halt´ ich mir
ein wildes Tier.
Brich dort nicht ein!
Und wenn du kommst
bring mir keine Geschenke.
Trink meinen Krug ruhig leer
und fülle ihn
mit frischem Wasser.
Was wäre ich
ohne meinen Keller?
Langsames Sterben
Schon wieder
hat der Tiger
eines meiner Schafe gerissen.
Immer kommt er nachts,
wenn alles schläft.
Lautlos und hinterhältig.
Meine Schafe sind zu gutgläubig
oder zu ängstlich.
Sie bemerken den Tiger erst,
wenn es zu spät ist.
Groß war meine Herde,
doch nun sind mir nur noch
wenige Schafe geblieben.
Wenn er das letzte Schaf geholt hat,
werde auch ich nicht mehr sein.
Hilf mir nicht, einen stabileren Stall zu bauen.
Hilf mir lieber, den Tiger zu bändigen!
Mein Vogel
Komm her,
setz dich zu mir
und wir gehen zusammen auf die Reise.
Zieh den Vorhang behutsam
zur Seite,
dann kannst du
in mich hineinsehen.
Aber öffne nicht das Fenster,
denn sonst schwebt mein Vogel hinaus
und du kannst ihn nicht fangen.
Gibst du mir deine Hand,
gebe ich dir meine.
Halt´ ihn fest!
Halte meinen Vogel fest,
denn einen Käfig habe ich nicht.
Nur Narren sperren ihren Vogel ein.
Narrenkleid
Mein altes, blaues Gewand
lege ich ab
und hänge es sorgfältig
in den Schrank.
Aus bunten Bändern,
die ich mir geliehen habe,
flechte ich mir
ein Narrenkleid.
Meinen Worten
habe ich nie
eine Stimme gegeben.
Und dann war sie da,
die Sehnsucht
zu sterben.
Wie Licht zwischen den Zaunlatten.
Regentropfen
Regentropfen
prasseln gegen mein Fenster
und perlen ab
wie tausend Tränen.
Tränen, die ich nicht weinen kann.
Im Lichtkegel der Straßenlaterne
lässt der Wind
welke Blätter im Kreis tanzen.
Mein Herz liegt am Boden,
zersprungen in tausend Scherben.
Du trittst immer noch darauf herum.
Spar´ dir deine Mühe
und hör´ endlich auf!
Siehst du nicht?
Es ist schon tot.
Regentropfen prasseln gegen mein Fenster.....
Wünsche
Ich möchte einen Apfel.
Ich möchte ein Buch.
Ich möchte ein Handy.
Ich möchte ein Fahrrad.
Ich möchte einen Fernseher.
Ich möchte ein Auto.
Ich möchte ein Haus.
Ich möchte Macht.
Ich möchte so sein wie Gott.
Ich möchte lieber doch nur einen Apfel.
Tag der Veröffentlichung: 17.11.2010
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