Kapitel 1
„Ey, Miguel. Komm, die warten schon alle auf uns.“ Manuel ging einen schritt schneller und zog seinen Bruder hinter sich her. „Jaja.“ murmelte dieser schlaftrunken und schlecht gelaunt.
In einer kleinen Einfahrt, wo Müll und kaputte Autoteile ihren Platz fanden, standen zwei Jugendliche und einer saß auf einem Autoreifen. Die Farbe blätterte bereits von den Fassaden der Häuser ab, die meisten Häuser in dieser Gegend waren entweder abgebrannt oder verlassen. Die wenigen, die Bewohnt wurden, sahen allerdings auch nicht gerade wie ein Schloss aus.
„Man, der braucht mal wieder ewig.“ murmelte Elisa, ein 15 jähriges Mädchen, das an der Wand lehnte und lässig eine Zigarette rauchte. Ihr schwarzes Pony, hing ihr über dem einem Auge und eine dünne pinke Strähne trat hervor. Sie trug einen schwarzen Rock, eine schwarz-weiß gestreifte Strumpfhose und Stiefel. Oben herum trug sie nur ein Türkises Top, mit einer schwarzen Strickjacke darüber. Auch wenn es langsam kühler wurde, ihr machte es wenig aus, sie war es ja gewohnt.
„Mach dich locker.“ grinste ein braunhaariger Junge der gedankenverloren mit einem Eisenstab, Striche in den Schotter zeichnete.
„Du hast gut reden, Drake.“ murmelte Elisa besorgt.
Drake hatte einen alten grauen Pulli an, der ziemlich ausgeleiert war. Dazu trug er eine Bundeswehrhose und dicke Boots.
Der dritte von ihnen, war Carlos. Er war etwas älter als die anderen beiden. Mit zwanzig war er eindeutig der älteste der Gruppe. Er hatte kurze schwarze Haare und war ein wenig kräftiger.
Es dauerte eine Zeit, bis Elisa Schritte auf dem Schotter hörte. Hier und da zerbrachen auch Glasscherben, die auf dem Boden lagen.
„Da hinten kommt er.“ lächelte Elisa erleichtert und zog nochmal an der Zigarette, ehe sie, sie auf dem Boden austrat.
„Und er hat die Leiche mitgebracht.“ stöhnte Carlos genervt.
Drake musste darauf zustimmend lachen. Auch Elisa kontne sich bei der Aussage kein Lächeln verkneifen.
Die Einfahrt herauf kamen, zwei fast gleich aussehende Jungen. Beide hatten sie dunkelbraune Haare. Einige Strähnen hingen ihnen im Gesicht. Der kleinere von beiden hatte kürzere Haare, bis hinten in den Nacken und das Pony hing ihm bis knapp unter die Augen.
Der andere war vielleicht drei cm großer und hatte die Strähnen bis zum Kinn hängen. Beide trugen sie schwarze Klamotten. Der größere hatte einen weißen Totenkopf auf seinem T-Shirt. Und beide trugen sie schwarze Jacken. Eigentlich hätte man sie verwechseln können, wenn sie noch gleich groß gewesen wären.
„Hey, Manuel.“ lächelte Elisa frech, als die beiden Brüder zu ihnen kamen. Sie blieben vor ihrer Clique stehen.
„Hey.“ begrüßte dieser sie leicht lächelnd.
„Dachte schon, wir sehen dich gar nicht mehr, nach gestern Abend.“ neckte Drake ihn.
Manuel ignorierte das und wühlte nervös in seinen Jacken und Hosentaschen. Dann wendete er sich an seinen Bruder. „Eh, Miguel. Hast du was zu rauche mit?“ fragte er ihn.
„Nee. Liegt alles in der Wohnung.“ antwortete dieser.
Elisa lächelte und hielt ihm eine Zigarettenschachtel hin. Lächelnd nahm Manuel sich eine heraus und suchte in seinen Taschen nach dem Feuerzeug. Als er es gefunden hatte, zündete er sich die Zigarette an.
„Magst du auch?“ fragte Elisa vorsichtig und hielt Miguel die Packung hin. „Nee, lass mal. Mir is schlecht genug.“ meinte dieser nur und schüttelte den Kopf. Elisa zog die Schachtel Schulterzuckend weg.
„Was war gestern überhaupt passiert?“ wollte Carlos jetzt wissen.
Manuel hatte keine große Lust darauf zu antworten. Er drehte offensichtlich den Kopf weg und begann nervös an seiner Zigarette zu spielen. Über solche Themen sprach er nicht gerne.
„Die Leiche hat Manu´s Moped vertickt.“ meinte Drake und grinste Miguel daraufhin herausfordernd an.
Miguel presste die Lippen aufeinander. Er hasste es, wenn sie ihn so nannten. Da stieg sofort eine unglaubliche Wut in ihm hoch und er ballte die Fäuste.
Drake fing sich daraufhin von Manuel ein paar absolut tödliche Blicke.
„Ey, Miguel warum haste das denn gemacht?“ wollte nun Elisa wissen und lehnte auch ihren Kopf an die Wand.
„Brauchte Geld.“ murmelte er nur zur Antwort.
„Der hat das für zwanzig Euro verkauft.“ Drake tippte sich an die Stirn.
Manuel knirschte wütend mit den Zähnen und suchte eine ausrede um seinen Bruder aus dem Mittelpunkt zu ziehen.
„Schon okay, ich hab doch sowieso keinen Führerschein.“ meinte Manuel ruhig und sah kurz zu seinem Bruder, der immer wütender wurde.
Er wusste, das Miguel heute nicht gut gelaunt war und dann sollte man ihn besser einfach in ruhe lassen. Er hatte seinen Bruder jetzt schon seit gestern Abend warten lassen und wenn er solange wartete, reichte ein schiefer Blick und er rastete völlig aus.
Genau diesen Blick gewährte sich nun Drake. Er funkelte Miguel kurz an und schon schaltete bei diesem das Hirn aus.
Ein roter Vorhand der bloßen Wut umhüllte den Jungen komplett und er lies sich nur noch von seinen Gefühlen leiten.
„Man, lass mich doch mal in ruhe!“ brüllte er auch schon los.
Das amüsierte Drake, sein schiefes grinsen misslang ihm aber dennoch. „Bastard, was willst du jetzt machen?“ grinste der Amerikaner und ging einen Schritt auf Miguel zu, wobei er auffordernd seine Arme nach rechts und links streckte.
„Ich stech dich ab.“ fauchte Miguel wütend und machte eine kurze Handbewegung, mit der Rechten Hand. Er hatte unter einem breiten Nietenarmband ein Messer, das durch die Bewegung herausfiel, direkt in seine Handfläche.
Das Gelenk war schon ganz blutig, da die spitze der Waffe dort ruhte. „Komm doch her, Leiche.“ grinste Drake weiter und ging einen weiteren Schritt auf den braunhaarigen Jungen zu.
In Miguels Augen funkelte der pure Hass auf.
Elisa rollte nur mit den Augen. Carlos tat es ihr gleich. Die beiden waren es bereits gewohnt, das Drake und Miguel aufeinander losgingen. Drake musste ihn aber auch immer provozieren.
„Miguel, reg dich mal ab.“ knurrte sein Bruder daneben und zog an der Zigarette. Doch dieser schien gar nicht daran zu denken und knirschte mit den Zähnen.
„Der provoziert dich doch nur.“ redete Manuel weiter.
„Lass mich!“ fuhr Miguel ihn an und ging auf Drake zu, der triumphierend grinste. So langsam wurde auch Manuels Gesichtsausdruck angespannter.
Drake packte Miguel am Kragen und zog ihn näher zu sich. „Versuchs doch.“ grinste er dann und ließ den Jungen los.
Dieser umfasste einmal noch, das Messer. Ob es Rost oder Blut war, was daran klebte, konnte er selber nicht mehr sagen.
Drake holte zum Schlag aus, Miguel fing seinen Arm ab und wollte zustechen, wurde jedoch mit der anderen Hand in den Magen geschlagen. Er hustete auf und die Wut ergriff noch mehr von ihm Besitz.
„Ich bring dich um!“ schrie er. „Ich bring hier jeden um!“
„Miguel! Komm!“ rief sein Bruder aufgebracht, und packte ihn am Arm.
„Lass mich los!“ schrie er hysterisch und streifte dessen Hand ab.
„Komm!“ wiederholte Manuel sich ungeduldig und griff erneut nach Miguels Arm.
Der Junge fuhr herum und wollte ihn wegschlagen. Doch in seiner ganzen Wut, vergaß er, dass er ein Messer in der Hand hatte und Schnitt seinem Bruder einmal über die Wange.
Sofort floss das rote Blut hinunter und tropfte auf den Boden. Mit einem mal war es still geworden. Das einzige was man hören konnte, war das heftige und stoßartige Atmen von Miguel, der völlig verwirrt seinen Bruder anstarrte.
Dieser fasste sich vorsichtig an die schmerzende und blutende Wunde. Er betrachtete die nun rot gefärbten Fingerspitzen eingehend, als würde er seine nächsten Worte überlegen.
„Tu das Teil weg.“ forderte er ruhig von seinem Bruder.
Dieser gehorchte sofort und steckte sich das Messer wieder unter das Armband, wo er seinen Ärmel der Jacke drüber zog.
„Manu … ey, das … das wollt ich nich´ ehrlich!“ stammelte der Junge und sah seinen Bruder erwartungsvoll an.
Angewidert streifte er sich die Finger an der Hose ab. „Wir gehen.“ murmelte Manuel und ging voraus.
Schnell folgte Miguel und war noch immer von einem schlechten Gewissen geplagt. Als sie aus der Ausfahrt austraten war die Sonne schon am Himmel und strahlte auf sie nieder. Es war dennoch ziemlich kalt. Gegenüber von der Einfahrt, auf der anderen Straßenseite, war ein Park. Diesen besuchten die Jungs oft, entweder, wenn Miguel wieder was brauchte oder einfach nur so.
„Man, Manu. Das tut mir so leid.“ er sah seinem Bruder in die Augen und war kurz davor loszuheulen.
„Schon okay.“ murmelte Manuel gedankenverloren und sah seinem Bruder in die Augen. Er konnte sehen, das sie sich beinahe mit Tränen füllten, und wie ehrlich Miguel wieder einmal war. Er wusste doch, das er es nicht extra gemacht hatte.
„Wäre ja nicht das erste mal.“ seine Stimme versagte dabei fast, als er das sagte. Es trieb den Schmerz wieder nach oben, den, den er sorgfältig hinter einer Tür verschlossen hatte.
Miguel atmete stockend ein und aus, ehe er seinen Kopf auf die Schulter seines Bruders legte. „Man, Sorry.“ hauchte er dabei.
„Schon gut.“ Manuel lehnte den Kopf an den seines Bruders und seufzte auf.
Kapitel 2
Die Klasse war ziemlich hell, die Wände waren hell gelb gestrichen und mit Plakaten tapeziert. Der Boden war in einem einfachen blau gehalten und die Tische waren in einer Hufeisenform aufgestellt. In der Mitte war ein Tisch für sechs Personen platziert. Es herrschte bereits wildes Getuschel in der R9b. Die meisten der Klasse waren schon anwesend.
Auch die 15 jährige Amy war da. Sie saß gedankenverloren an ihrem Platz und starrte zum Fenster raus. Ihre Schulterlangen blonden Haare hatte sie mit einem blauen Haarband, das sie als Haarreif nutzte, aus dem Gesicht gesteckt.
Der ebenfalls blaue Pulli passte also perfekt dazu. Sie war das Ebenbild einer wohlerzogenen Tochter, eines erfolgreichen Mannes. Sie seufzte und sah nach vorne.
Klasse, sie stöhnte genervt auf.
„Was hast du?“ fragte ihre beste Freundin Theresa, die sich ihre ebenfalls blonden Haare mit einer Klammer an der Seite befestigt hatte. Auch bei dem Wetter scheute sich das Mädchen nicht davor, einen knall pinken Rock zu tragen. Aber er stand ihr gut.
„Mister Ich-bin-so-toll. Hat gerade das Zimmer betreten.“ knurrte Amy genervt.
Theresa sah nach vorne. Tatsächlich, der Neue Schüler kam rein. Naja, neu war er nicht. Schon seit ungefähr zwei Monaten besuchte er die Klasse nun, wobei auch das eher weniger zutraf. Er kam und ging anscheinend, wie es ihm passte. Hatte er keine Lust mehr auf die Schule? - bitte, einfach aufstehen und gehen.
„Aber auch er unterliegt der Schulpflicht, das du mir ja nicht so etwas machst.“ hatte Amy's Vater gesagt. Und er hatte recht, so wie Amy fand. Auch er musste in die Schule, da konnte er nicht einfach gehen.
Allein schon wie er sich stylte, regte sie auf. Die zerrissenen Hosen, das ebenso zerstörte schwarze Shirt und die abgetragene schwarze Lederjacke. Er war einfach so ein Typ, der wohl immer der größte und beste sein wollte.
Auch wie er jetzt wieder rein kam. Die Haarsträhnen im Gesicht hängen, sodass er seine Augen dahinter verstecken konnte. Die Hände in den Hosentaschen begraben und einen löchrigen schwarzen Rucksack über einer Schulter hängend.
Doch heute war etwas anders, in seinem Gesicht, auf der rechten Wange hatte er einen blutigen Schnitt.
„Klasse, hat sich wohl auch noch geprügelt.“ stöhnte Amy erneut auf.
Theresa lachte daraufhin nur kurz auf. „Ich weiß nicht was du hast, so schlecht sieht der nicht mal aus.“ grinste sie und sah noch einmal zu ihm.
„Das erzähl ich Geronimo.“ neckte Amy sie und grinste.
„War nur Spaß. Solche Jungs kommen gegen meinen Mann nicht an.“ lächelte Theresa und setzte sich auf ihren Platz, denn der Lehrer hatte das Zimmer betreten.
Langsam schlich nun auch Amy's Banknachbar zu ihr rüber. Natürlich hatte sie das Glück, das neben ihr ein Platz frei war, wo der Neue perfekt hin passte.
Er lies sich lässig auf den Stuhl sinken und legte die Tasche auf den Boden.
„Morgen.“ Amy zwang sich zu einem lächeln. Auch wenn sie ihn nicht mochte, höflich sollte man doch immer sein.
Er nickte kurz zur Begrüßung.
„Ey.“ er sah sie an. „Ja?“
„Kann ich mal Mathe von dir abschreiben, habs irgendwie vergessen.“
„ähm ...“ sie haperte mit der Antwort. „Ich glaube es wäre besser wenn nicht.“ murmelte sie eingeschüchtert.
Er nickte darauf nur und schwieg.
Amy war erleichtert. Sie hatte irgendwie richtig Angst vor ihm, immer wenn sie so auf sich gestellt war. Es war als würde sie einfach keine richtigen Sätze mehr zustande bringen. So wie er aussah, konnte man auch nur Angst haben.
Aber dennoch, die Frage was er da getan hatte, das er einen blutigen Kratzer im Gesicht hatte, lies sie nicht in ruhe.
Lange legte sie sich die Wörter zusammen, wie sie am geschicktesten Klangen.
„Was hast du da gemacht?“ fragte sie also kleinlaut und bereute es sofort.
Er drehte den Kopf zu ihr. Seine Augen lugten hinter einer Haarsträhne hervor und sahen beinahe wie zwei leblose Murmeln aus.
„Geht dich nichts an.“ fuhr er sie grob an und wendete seinen Blick wieder ab.
Amy schnappte nach Luft und sah wieder auf ihr Heft. Sie hätte beinahe den Stift in ihrer Hand zerbrochen. Eine noch dämlichere Frage hätte sie nicht stellen können!
Sie war richtig froh, als es endlich zur Pause klingelte und sie sich zu Theresa und Joline auf den Pausenhof gesellen konnte.
Joline war ein rothaariges und immer fröhliches Mädchen. Um ihre Nase tanzten ein paar Sommersprossen, die seltsamerweise auch im Winter nicht verblassten.
Sie war eigentlich immer nett und ruhig, aber auch gleichzeitig die größte Zicke, die Amy kannte.
„He, süße.“ ein viertes Mitglied der Clique kam dazu und umarmte Theresa von hinten, wobei er ihr einen zarten Kuss auf die Wange hauchte. Theresa quietschte amüsiert auf und streichelte seine Hände, die auf ihrem Bauch ruhten.
„Hey.“ grinste Amy den Jungen an.
Auch er grinste. Geronimo, Theresas fester Freund, hatte schwarze Haare. Sein Pony war schief geschnitten. Es war zwar bitterkalt draußen, doch ihn schien es recht wenig auszumachen, den er trug ein T-Shirt von Greenday, es war weiß und stand ihm ziemlich gut. Dazu eine schwarze Röhrenjeans und einen Nietengürtel, sowie Chucks. Seine Augen hatte er dezent mit schwarzen Eyeliner nach gefahren. Im gesamten hatte er ziemliche Ähnlichkeit mit Billy Joe Armstrong.
Sanft wiegte Theresas Freund sie hin und her, während sie dabei die Augen schloss.
„Ich hab keine Lust.“ stöhnte er genervt auf.
„Was ist denn?“ fragte Joline und lächelte ihr zuckersüßes und unschuldiges lächeln.
„Schreibe gleich eine Prüfung.“ seufzte er. „Hab aber eine Überraschung für dich.“ meinte er zu Theresa.
„Welche?“ sie lächelte aufgeregt.
„Hab so einem Idioten für zwanzig Euro ein Motorrat abgekauft. Dem Armen Kerl hätte ich auch nur Fünf geben müssen und ich hätte es bekommen, der hat mich regelrecht angefleht.“ lachte er.
Am Ende der Pause verabschiedeten sich Geronimo und Theresa mit einem zärtlichen Kuss, ein paar lieblichen Worten und sie wünschte ihrem Freund viel Glück.
Amy bewunderte Theresa ein Stück weit. Sie hatte einen Freund, einen mehr oder weniger perfekten Freund. Und sie? Hatte noch nie eine Beziehung gehabt. Mit einem seufzen lies sie sich neben ihrem Banknachbar nieder und legte den Kopf auf den Tisch.
Nach ungefähr drei Minuten kam die Klassenlehrerin herein. Es war eine etwas dickere Frau. Ihre braunen Haare hatte sie lang wachsen lassen und sie meistens mit einem Zopf nach hinten gebunden. Auch heute wieder. Dazu trug sie eine graue Bluse und eine weiße Hose.
„Morgen.“ begrüßte sie die Klasse. Ein träges und gezogenes 'Guten Morgen' kam zurück.
„Ihr seit ja wieder gut gelaunt.“murmelte die Lehrerin und schrieb etwas an die Tafel.
'Klassenfahrt' stand nun dort.
Amy sah auf. Stimmte ja, im nächsten Halbjahr würde es eine Klassenfahrt geben, sie freute sich schon jetzt darauf.
„Also, der Schulrat hat beschlossen das die Klassenfahrt im März stattfinden wird.“ sie schrieb das Datum an die Tafel.
Alle holten ihre Blöcke heraus und notierten fleißig, was die Lehrerin sagte. Bis auf Amy's Sitznachbar, dem schien das ganze recht herzlich egal zu sein.
„Wohin fahren wir denn?“ meldete sich Theresa und sah zu der Lehrerin.
„Wir fahren eine Woche nach Spanien, an die Küste.“ lächelte die Frau zufrieden.
Im Augenwinkel sah Amy eine vage Veränderung in dem Gesicht von ihrem Nachbarn. Er sah nun interessiert auf, formte stumm das Wort 'Spanien' mit seinen Lippen und starrte ein wenig erschrocken nach vorne.
Amy betrachtete ihn. „Alles okay?“ fragte sie vorsichtig.
Er gab keine Antwort. Sie schnaufte verächtlich ab und ärgerte sich nur wieder darüber, das er sie völlig ignorierte. Ein Angeber, weiter nichts. Am besten sollte sie einfach still sein, er ignorierte sie ja sowieso. Die ganze Zeit, während sie über die Klassenfahrt sprachen, wie viele Zimmer es geben würde und und und, hörte er zu.
„Psst.“ kam es links von ihr. Amy sah auf. Theresa hielt ihr einen Zettel vor die Nase.
Sie nahm ihn und faltete ihn sorgsam auseinander.
Wollen du, ich und Joline in ein Zimmer?
Amy grinste. Natürlich wollte sie mit ihren beiden besten Freundinnen in ein Zimmer, so schrieb sie also eine Bestätigung zurück und gab ihn wieder bei Theresa ab.
Zufrieden konnte sie sich an dem Tag auf den Weg nachhause machen. Zuhause warf sie die Tasche auf die Treppe und schlenderte in die kleine Küche. Eine weiße Küchenzeile stand dort und an der Wand gegenüber ein Esstisch. Er war ebenfalls weiß und eine braune Bank, zum sitzen stand an der einen langen Seite. Ansonsten waren es auch weiße Stühle.
„Hey, Amy. Wie war die Schule?“ fragte ihre ebenfalls blonde Mutter und holte ein Glas aus dem Schrank.
„Naja.“ murrte Amy und ließ sich auf ihren Platz, am Rand der braunen Bank sinken.
Kurze Zeit später kam auch ihr Vater rein. Er lugte über seine Brillengläser und begrüßte seine Tochter etwas distanziert. Dann ließen sich auch ihre Eltern nieder und ihre Mutter, Monika stellte ihr einen Teller mit Spaghetti hin. Amy lächelte.
„Wie war die Schule?“ fragte der Vater und sah sie erwartungsvoll an.
„Naja … dieser dumme Manuel hat mich wieder nur ignoriert. Der ist ein Idiot.“ fauchte sie aggressiv.
Ihr Vater runzelte die Stirn und sah sie misstrauisch an. „Der Junge, der immer schwänzt?“ fragte er.
Sie nickte. „Ja, und heute hatte er sogar eine Wunde auf der Wange.“ fuhr Amy aufgebracht fort. „Wollte sogar Mathe bei mir abschreiben!“
Monika lächelte nur ein müdes lächeln und trank einen Schluck.
„Der scheint ein richtiger Idiot zu sein. Naja, es gibt eben Kinder, die es nicht so genau nehmen mit ihrer Zukunft.“ murmelte der braunhaarige Mann.
„Ein Glück, gibt sich meine Tochter nicht mit so einem Pack ab. Wäre ja noch schöner, wenn sie einen solchen Jungen mit nachhause bringen würde.“ knurrte er fast schon wütend.
Amy nickte zustimmend. So einen wie Manuel? - Nein ganz bestimmt nicht. Solche Jungs waren doch nur eingebildet, trugen die Nase ganz weit oben und kamen wahrscheinlich aus einem reichen Haushalt, wo sich jeder um sie kümmerte. Sie von oben bis unten verhätschelte. Zogen sich dann wie Straßenkinder an, weil das momentan total in Mode war.
„Mama, ich geh heute Nachmittag zu Theresa, okay?“ fragte Amy und stocherte lustlos in ihrem Essen.
„Innordnung, wo wollt ihr denn hin?“
„Keine Ahnung, bestimmt kommen Joline und Geronimo auch mit.“ lächelte Amy voller Vorfreude.
„Geronimo, das ist ein anständiger Junge. Nicht so ein Rüpel.“ knurrte der Vater, der anscheinend immer noch aufgebracht war, wegen der Sache mit Manuel. Amy belächelte das nur.
Kapitel 3
„Fuck.“ knurrte Manuel und er rüttelte an der Türklinke. Er steckte sich die Zigarette in den Mundwinkel und warf sich gegen sie. Schließlich ging sie mit einem kleinem knacken auf.
Einmal drehte er sich noch um, sah in die schmutzige Treppe hinauf, auf der Zigarettenstummel lagen. Seufzend ging er in die kleine Kellerwohnung.
„Miguel.“ rief er durch die Zimmer. Ohne auf eine Antwort abzuwarten schlich der Junge langsam in die Küche.
Es war alles ziemlich heruntergekommen. Oben in der Ecke hatte sich bereits der Schimmel gebildet und alles stank nach Müll und kotze.
Manuel warf seine Tasche in eine Ecke und lief ins Wohnzimmer. In diesem war lediglich nur eine dunkelgrüne Couch, mit Löchern. Auf dem Boden lagen einige Fetzen von der Polsterung. Immer wenn Miguel nervös war zupfte er sie heraus und niemand räumte sie weg.
Auch diesmal hing Miguel auf der Couch und erwartete bereits die Ankunft seines Bruders.
„Das hat wieder gedauert.“ fauchte sein Bruder schon gleich und richtete sich auf.
„Ich kann doch nichts dafür, muss doch in die Schule.“ verteidigte sich Manuel lässig und schnippte die abgebrannte Zigarette in eine Zimmerecke.
„Du hättest mir wenigstens was geben können, wenn du schon nicht da bist, Mann.“ knurrte Miguel wütend und hatte einen bedrohlichen Gesichtsausdruck.
„Alter, wir haben kaum noch was, bis morgen musst du noch warten, bekomme erst heute Geld und heute Abend werde ich dir nix mehr auftreiben.“ er tippte sich an die Stirn.
Miguel rollte mit den Augen.
„Stell dich nicht so an, nur n' bisschen was, damit die Schmerzen weg gehen, komm.“ er biss sich auf die Unterlippe.
„Du stirbst davon schon nicht.“ neckte Manuel ihn amüsiert.
„Man, Manu gibs jetzt her!“ sein Tonfall wurde lauter.
„Ich muss arbeiten.“ konterte er ruhig und legte Miguel fünf Euro auf den Tisch. „Kauf dir davon 'nen Billigwein oder so. Muss reichen, bis ich Geld habe.“
Miguel steckte sich knurrend das Geld ein und sein Bruder wusste, wie sehr er damit kämpfte, nicht auszurasten.
„Ich geh jetzt jedenfalls und wehe du verscherbelst wieder irgendwas von meinen Sachen. Und wenn doch, dann nicht für mickrige zwanzig Sachen.“ neckte Manuel seinen Bruder und machte sich zum gehen auf.
„Idiot.“ hörte er seinen Bruder noch sagen, ehe er wieder draußen war.
Die frische und klare Luft tat gut wenn man aus der Wohnung kam. Er musste auch bald noch die Miete zahlen aber er wusste auch, das er Miguel nicht mehr lange hinhalten konnte, ehe er völlig austicken würde.
Langsam lief der Junge die Treppe hoch und die Straße entlang. Er musste in die Innenstadt, da er einen Job in einer italienischen Pizzeria angenommen hatte. Immer nach der Schule musste der Junge dorthin und beim bedienen helfen. Er verdiente nicht viel, aber genug um sich und seinen Bruder über Wasser zu halten.
Er griff in seine Tasche und holte sich erneut eine Zigarette heraus. Verdammt, er rauchte einfach viel zu viel und das wusste er auch. Gemütlich blies er den Rauch in die Luft und beobachtete ihn.
„Hey, Manu.“ eine Mädchenstimme riss ihn aus seinen Gedanken und er sah nach vorne.
Ein schwarzhaariges Mädchen mit pinker Strähne lächelte ihn neckisch an.
„He, Elisa.“ grinste er fröhlich und versuchte cool an seiner Zigarette zu ziehen, was ihm allerdings kläglich misslang. So ganz konnte er seine Freude nicht verbergen.
„Was treibst du dich denn hier rum?“ fragte sie und zupfte ihren dunkelblauen Rock zurecht.
„Muss arbeiten.“ erklärte er sich kurz.
„Und wo haste die Lei – ich meine Miguel?“ sie wendete mit hochrotem Kopf den Blick ab.
„Der is eingeschnappt daheim.“ er grinste als er an das Bild denken musste.
Elisa lachte kurz auf und ihre strahlend blauen Augen hielten Manuel kurz gefangen.
„Naja, könntest ja mal nach ihm sehen, wenn du magst. Die Tür klemmt ein bisschen, aber ein wenig Gesellschaft tut ihm sicher gut.“ er zog an der Zigarette.
Elisa schüttelte den Kopf. „Sorry, muss zur Uni.“ sagte sie.
„Okay.“ er nickte. „Macht ja nichts.“
Sie lächelte. „Okay. Ich sollte los sonst reißt der alte mir den Kopf ab.“ sie fing an zu lachen und ging weiter. Zum Abschied schenkte sie ihm ein lächeln.
Er ging weiter und schnippte die Zigarette weg, die er bis zum Filter leer geraucht hatte.
Durch die kleine Plauderei mit Elisa kam er eine viertel-stunde zu spät. Das sah sein Chef gar nicht gerne.
„Idiota! Vuoi venire ancora una volta troppo tardi, si può vedere di che!” schrie er aufgebracht.
Der ziemlich dünne Chef von ihm, mit den schwarzen Haaren hatte einen hochroten Kopf und sah nur in die Verständnislosen Augen, eines jungen Teenagers der zu seinem Nebenjob antrat.
„Ich mache genug mit dir durch! Wenn du dir noch eine Kleinigkeit erlaubst, fliegst du, capito?!“ knurrte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Man konnte noch genau den Italienischen Akzent heraushören.
Manuel nickte resigniert und bekam von seinem Chef, einen Blog mit Stift in die Hand gedrückt. „Und jetzt fange endlich an.“ knurrte er und verschwand wieder.
Es roch überall nach Italienischen Gewürzen, Manuel mochte diesen südländischen Geruch sehr und genoss es dort arbeiten zu dürfen.
Locker nahm er hier und da die Bestellungen auf, lächelte einigen Mädchen zu, die ihn dafür mit Trinkgeld belohnten. Der ein oder andere spendierte ihm sogar eine Zigarette, die er heimlich einsteckte. Noch einen Patzer beim Chef, und er würde seinen Job verlieren. Das wäre ziemlich schlecht.
Gerade kam Manuel wieder aus der Küche, mit einem braunen Tablett auf der Handfläche. Eine Zigarette hatte er lässig hinter sein Ohr gesteckt und er balancierte Gläser mit Cola und Wasser auf dem Tablett.
Dann blieb er stehen und starrte auf den jenigen der vor ihm stand. Es war, als würde der Junge in einen Spiegel blicken.
Eine schwer zitternde Gestalt stand vor ihm.
„Ich krepiere!“ knurrte diese und ging auf Manuel zu.
„Man, Miguel! Hau ab!“ fuhr Manuel ihn sofort an und wollte sich an ihm vorbei drücken, doch Miguel packte seinen Bruder grob am Kragen, sodass diesem das Tablett von der Hand rutschte.
Scheppernd fielen die Gläser zu Boden und alle waren Still in dem Lokal.
Manuel packte die verkrampfte Hand seines Bruders und zog sie von ihm weg.
„Verschwinde!“ fauchte er dabei.
„Man, Manuel, ich sterbe!“ knurrte er um einiges Lauter.
„Ich sagte du musst bis morgen warten!“
„Du hast es doch mit! Also gib es mir endlich!“
„Nein.“ Manuels Stimme war standhaft und hatte mittlerweile einen drohenden Unterton, womit er seinen Bruder normalerweise einschüchtern konnte. Doch dieses mal wohl nicht.
„Gib es mir endlich!“ schrie Miguel nun.
„Estar en silencio!“ fauchte Manuel leise.
Miguel schüttelte heftig den Kopf.
„Ich will nicht leise sein! Rück es raus, ich sterbe sonst!“ schrie er hysterisch und begann Manuels Taschen zu durchsuchen.
Dieser stieß seinen Bruder weg. „Geh heim und warte da.“ er versuchte möglichst ruhig zu klingen.
Doch auch das hatte keinen Zweck mehr, Miguel verlor komplett die Beherrschung.
„Verdammt!“ schrie er lautstark und trat einen der Tische um, wo die Gläser und Teller der Gäste auf dem Boden zersprangen.
De Leute standen sofort auf und flüchteten davon. „Her damit!“schrie er erneut und funkelte seinen Bruder bedrohlich an.
„Ey, ich stech dich ab! Gib jetzt her!“ wiederholte er sich hysterisch.
„Du weißt gar nicht wovon du sprichst! Du bist mal wieder komplett abgedriftet, mach das du heim kommst!“ konterte Manuel lautstark und sah nun richtig wütend aus.
Miguel griff nach dem Messer unter seinem Armband und funkelte herausfordernd mit den Augen. Seine Augenlider zuckten hin und wieder und sein Gesicht wurde mit einem mal in ein tiefes Loch der Depression gezogen.
„Man, bitte Manu. Ich sterbe, bitte … ich will nicht sterben … bitte, Bruder.“ flehte er regelrecht.
Manuel hingegen war immer noch extrem wütend.
„Man Miguel! Hau endlich ab du dummer Junkie! Machst mich noch wahnsinnig! Verschwinde, ich will dich nicht mehr sehen!“ schrie Manuel aufgebracht.
„Bitte!“ knurrte Miguel daraufhin und wollte gehen.
„Und nimm dein Zeug mit!“ schrie dann Manuel, griff in seine Tasche und warf seinem Bruder eine kleine Tüte nach.
Dieser hob sie natürlich sofort auf und haute dann ab.
Manuel trat wütend noch einmal gegen den Tisch, ehe er die Situation realisieren konnte.
Die Gäste sahen ihn geschockt an und neben ihm stand sein Chef, der einen hochroten Kopf hatte.
„Mach-das-du-verschwindest.“ zischte er kontrolliert.
Manuel begriff sofort die Situation und hob schützend die Hände nach oben. „Okay. Ich geh schon.“ murmelte er ruhig und lief nach draußen.
Er sucht mit den Augen die Gegend ab. Nirgendwo war sei Bruder zu sehen. „Ach Scheiße!“ knurrte er und schlug gegen eine Hauswand. Er hatte es doch gar nicht so gemeint.
Kapitel 4
„Ich geh jetzt!“ schrie Amy durchs Haus.
„Okay Liebes.“ kam es von der Mutter zurück.
Lächelnd zog sich das blonde Mädchen die Jacke an und ging nach draußen. Sie freute sich richtig darauf, etwas mit ihren Freunden zu machen.Glücklich lief sie zur U-Bahn und stieg ein.
Sie beobachtete die Menschen dort drinnen und überlegte sich, welche Geschichte wohl hinter ihnen steckte. Das machte sie bei vielen fremden.
An der 4 Station musste sie raus, es war die Innenstadt. Viele Schaufenster waren bereits mit Weihnachtsschmuck Amy fand das überflüssig, es war doch erst November, da war es eigentlich noch nicht so weit um Weihnachtsmänner in die Fenster zu stellen. Naja, es gab ja auch im Oktober schon Lebkuchen.
Sie seufzte ein wenig und ging weiter. Es war ziemlich kalt, aber die frische Luft tat gut. Sie fragte sich, wohin sie wohl mit ihren Freunden gehen würde. Viellicht mal etwas essen, sie hatte Hunger. Dann blieb sie vor einem Italienischen Restaurant stehen. Schüttelte aber den Kopf, ihre Freunde warteten sicher schon.
So ging sie weiter, musste aber erneut stehen bleiben, im Augenwinkel dachte sie etwas gesehen zu haben. Langsam ging sie einige Schritte zurück und tatsächlich, sie hatte sich nicht getäuscht.
In einer Seitengasse, in der wenig Licht war, kauerte eine kleine Gestalt. Die braunen Haare hingen ihm im Gesicht und er hatte die Beine Angezogen. Sie wollte sicher gehen sich wirklich nicht zu täuschen, also ging sie näher dran.
Tatsächlich … ein Schnitt auf der Wange.
„Manuel?“ hauchte sie Fragend und starrte den Jungen an.
Dieser fuhr sofort mit dem Kopf herum.
„Was willst du von mir?!“ fuhr er sie wütend an.
Elisa war gerade Zuhause, naja mehr oder weniger. Sie lebte in einer WG zusammen mit 2 anderen Mädchen, die sie kaum zu Gesicht bekam. Ruhig wollte sie gerade ins Wohnzimmer gehen um für die Uni zu büffeln, da klingelte es Sturm an der Tür und sie hörte bis nach oben lautes geklopfe.
Sie seufzte und ging zum Fenster, wo sie den Kopf herausstrecke um zu sehen wer da so Radau machte.
Unten stand ein Junge mit braunen Haaren. Die Sonne schien ein wenig, sodass sie einen leichten rot Stich hatten. Der Junge sah nach oben.
„Miguel?!“ Elisa sah ungläubig nach unten.
„Wo haste deinen Bruder gelassen?“ fragte sie darauf.
„Ey, kann ich … erst mal rein? Ich friere mich hier zu Tode.“ rief er mit einer krazigen Stimme nach oben.
Elisa seufzte kurz auf. „Warte kurz.“ rief sie und ging wieder rein.
Schnell räumte sie ihre Wertvollsten Sachen Weg. Dinge wie, Handy, Geldbeutel und ja, auch die Uni Bücher. Sie wusste nur zu gut, das man bei dem Kerl nicht Sicher sein konnte, ob er nun doch etwas klaute und es für Drogen vertickte. Einmal hatte er ihr, ihr gesamtes Geld gestohlen, als sie ihn das erste mal traf.
Dann hatte sie ihn zusammengestaucht und er gab knurrend das Geld zurück. Allerdings entschuldigte er sich dann doch noch. Und da er jetzt auch das Motorrad von seinem eigenem Bruder verkauft hatte, passte sie doppelt so gut auf.
Als alles wichtige weg war, ging sie ins Treppenhaus und öffnete unten die Tür.
„Miguel, du siehst ja schrecklich aus.“ sie unterdrückte einen kurzen Aufschrei als sie den 17 jährigen sah.
„Danke auch.“ fauchte er mies gelaunt und ging rein.
Der Spitzname dem ihm die Jungs verpasst hatten war nun mehr als berechtigt. Er hatte tatsächlich schwer Ähnlichkeit mit einer Leiche. Er war ganz blass und die Lippen waren leicht blau verfärbt, dabei war es gar nicht so kalt draußen. Wo sie gerade daran dachte, Miguel hatte keine Jacke an.
Zusammen gingen die beiden nach oben und er lies sich auf ihrer Couch nieder.
„Willst du was warmes trinken? Einen Kaffee oder einen Tee?“ fragte sie lächelnd.
Er schüttelte den Kopf und kniff gequält die Augen zusammen. „Nee. Mir is schon schlecht genug.“ meinte er daraufhin.
Elisa seufzte.
Amy hatte sich mittlerweile neben Manuel sinken lassen. Ihr Herz klopfte extrem laut, sie konnte es genau hören.
„Warum sitzt du hier?“ fragte sie um das erdrückende schweigen zu unterbrechen.
„Sei still, wenn du schon da bist.“ knurrte Manuel unfreundlich und zündete sich eine Zigarette an.
„Sorry.“ flüsterte Amy eingeschüchtert und zog die Beine an.
Sie konnte sich einfach nicht durchsetzten. Noch immer pochte ihr Herz viel zu laut und ihre Gedanken kreisten um den Jungen neben ihr.
Sie musterte sein Profil und hatte das erste mal ein wenig Zeit um ihn genauer zu betrachten. Wie er gedankenverloren an seiner Zigarette zog und schwieg. Sie verstand selbst nicht, warum sie einfach hier sitzen blieb …
„Sorry. Wollt dich nicht so dumm anmachen.“ kam es plötzlich von ihm, wobei er noch immer geradeaus schaute.
„Macht nichts … aber warum bist du nun hier?“ wagte Amy einen erneuten Versuch.
Wieder nur ein wütender Blick von dem Jungen, der klar und deutlich signalisierte, das er nicht reden wollte.
Also schwieg sie wieder.
Miguel hatte die Beine angezogen und zitterte am ganzen Körper. Elisa hatte fürsorglich ihm eine Decke über die Schultern gehangen und lächelte ihn liebevoll an.
Sofort zog er die Decke fester zusammen und legte den Kopf auf die Knie.
„Man, ich friere mich hier zu Tode … haste irgendwas da?“ fragte er und sah auf.
„Was soll ich bitte da haben?“ sie seufzte und sah ihn an.
„Na, ne Spritze oder so. Meine Sachen sind alle Zuhause und da kann ich net hin.“ grummelte er.
„Hast du Zoff mit Manu?“ fragte sie und betrat damit feindliches Territorium. Eins war ihr klar, wenn sie solche Fragen Manuel stellte, wies der sie sofort kalt zurück. Jetzt war sie richtig auf die Reaktion von Miguel gespannt, immerhin war dieser sein Bruder.
Er wiegte den Kopf hin und her. „Man Ja, der is voll ausgetickt, ey. Hat mich angebrüllt ich soll verschwinden und so.“ erklärte er.
„Haste jetzt eine oder nicht?“
„Ich sehe kurz nach.“ seufzte Elisa und stand auf. Vielleicht würde sie im Zimmer ihrer Mitbewohner was für Miguel finden. Schade, das er sich so abschoss.
Es vergingen vielleicht zehn Minuten des Schweigens, bis Manuel dann endlich etwas sagte.
„Hatte nur ein bisschen Streit mit meinem Bruder.“ murmelte er halblaut.
„Mit deinem Bruder?“ fragte Amy vorsichtig nach. Sie wollte auf keinen Fall wieder etwas falsches sagen.
Er nickte. „Ja, der is ein bisschen ausgerastet und dann abgehauen. Hab meinen Job verloren, keine Ahnung wie es jetzt weitergehen soll.“ murmelte er und versteckte seine Augen hinter den Strähnen.
Mit einem mal hatte Amy schreckliches Mitleid mit dem Jungen und kramte in ihrer Tasche, wo sie einen Zettel und einen Stift hatte. Sie schrieb ihre Handynummer und Adresse darauf und reichte sie dann Manuel, mit einem leichten lächeln.
„Was ist das?“ fragte er und nahm den Zettel entgegen.
„Wenn … du was brauchst oder so ...“ murmelte sie und fand das es eine dumme Idee war. Sie schüttelte den Kopf und wollte ihm den Zettel wieder entnehmen.
„Sorry war ne dumme Idee.“ sagte sie dabei.
Doch Manuel zog grinsend die Hand weg. Amy befürchtete nun ernsthaft, er würde es seinen Kumpels oder so sagen. Dann würde die ganze Klasse auf ihr her umhacken. Sie machte auch immer solche dummen Fehler.
„Warum? Ich finde das echt lieb von dir.“ lächelte er sanftmütig.
„Du bist Amy oder?“ fragte er dann nach.
Sie nickte. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und speicherte ihre Nummer ein. Plötzlich klingelte Amy's Handy. Sie zog es schnell heraus und auf dem Display war eine fremde Nummer.
Sie sah auf. Manuel stand nun wieder und schnippte die Zigarette weg. „Wenn was is oder so, nur für den Fall.“ lächelte er dabei und ging aus der Seitenstraße.
Amy sah ihm verdattert nach, ehe sie begriff was da gerade abgelaufen war. Die erste Handynummer von einem Jungen, der nicht in ihre Clique gehörte. Und es war Manuel! Ihr Herz begann zu rasen und ein extremes Glücksgefühl breitete sich in ihr aus.
Sie speicherte die Nummer stolz und grinste vor sich hin.
Elisa suchte in dem Zimmer ihrer Mitbewohnerin, von der sie ganz Sicher wusste, das sie Drogen nahm. Und tatsächlich eine Tüte mit Spritzen lag auf ihrem Schrank. Eine würde sicher nicht auffallen. Sie nahm sie heraus und musterte die Spitze. Kaum vorzustellen, das sich jemand freiwillig so ein Teil in die Venen rammte.
Ruhig ging sie zurück, zu dem noch immer zitternden Miguel.
„Hey, hab eine.“ sagte sie dabei und reichte sie ihm.
Er grinste, aber es misslang ihm kläglich.
„Danke.“nuschelte er und nahm sich die Spritze.
„Kann ich in dein Bad? Muss ich ja nich hier machen.“
Elisa nickte und Miguel sprang schlagartig auf und verschwand in ihrem Bad. Sie runzelte die Stirn. Wehe, er würde irgendetwas durcheinander bringen, dann hätte sein letztes Stündlein geschlagen. Ein paar Minuten später kam er wieder und hatte einen deutlich enstpannteren Gesichtsausdruck und lächelte leicht. Er sah sogar beinahe normal aus.
„Danke … hab das echt mal gebraucht, hab den Kopf wieder frei.“ lächelte er und legte die Decke auf die Couchlehne.
Elisa lächelte leicht.
„Magst du jetzt was essen oder trinken?“ grinste sie.
Er zuckte mit den Schultern. „Was hast du denn da?“ fragte er ruhig.
„Komm.“ irgendwie bekam Elisa ihr grinsen nicht mehr aus dem Gesicht und ging in die Küche. Miguel folgte ihr und zusammen durchwühlten sie den Kühlschrank.
„Sag mal, warum schleppst du eigentlich dauernd das Messer mit dir rum?“ fragte sie, als sie dabei war ihm und ihr Brote zu schmieren.
Diese Frage beschäftigte sie nun länger. Als keine Antwort von ihm kam, drehte sie sich zu ihm. Er zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Fühle ... mich Sicherer so, wer weiß was für kranke … Leute es gibt.“ murmelte er und sah nun doch wieder ganz anders aus. Elisa hielt kurz Inne und betrachtet Miguel.
„Miguel?“ fragte sie vorsichtig, da seine Mundwinkel sich zu einem schiefen grinsen verzogen hatten.
Keine Antwort, er grinste nur so vor sich hin. Sie seufzte. Jetzt hatte sie ihm wohl vollkommen umsonst ein Brot geschmiert. Immerhin, nahm er wohl nun nichts mehr war.
Kapitel 5
Noch immer saß die blonde Amy in der kleinen Seitengasse. Sie starrte auf ihr Handy und versuchte zu realisieren was passiert war. Ihr Herz klopfte viel zu Laut und schlug schmerzhaft gegen den Brustkorb.
Sie hatte sich mit dem so verhassten Manuel unterhalten, aber warum machte es sie so glücklich, ihn nun im Handy stehen zu haben. Eigentlich müsste sie diese Nummer sofort wieder löschen. Eigentlich ...
Schließlich stand sie auf, hatte ganz weiche knie und schloss die Augen mit einem lächeln. Doch, diese ruhe blieb nicht lange – sie wollte sich mit ihren Freunden treffen.
„Mist!“ fluchte das Mädchen wütend, steckte sich das Handy ein und rannte los. Zum Glück waren Theresa, Geronimo und Joline nicht sauer auf ihre Verspätung.
„Tut mir leid, aber ich muss nachhause. Meine Mutter möchte, das ich ihr beim Umräumen helfe.“ lächelte Joline unschuldig wie eh und je.
Ihre Stimme war ziemlich hoch und erinnerte an die eines kleinen Mädchens. Kaum zu glauben das sie ebenfalls 15 war und dennoch so unschuldig tat. Sie war an diesem Tag etwas auffälliger gekleidet, trug ein schwarzes Rüschen Kleid und bekam auch einige schiefe Blicke zugeworfen, doch sie störte es wenig.
„Ist okay.“ lächelte Amy, die mit Mühe und Not ihre Hormone in den Griff bekommen hatte und die Gedanken an Manuel in die hinterste Ecke ihres Gehirns gedrängt hatte.
Auch Joline lächelte und verabschiedete sich höflich von allen, ehe sie verschwand.
„Dann sind wir eben nur zu dritt.“ murmelte Geronimo und zog seine Freundin an seine Seite. Diese lächelte.
„Ja, aber ich muss auch ein bisschen früher gehen.“ stöhnte Theresa genervt auf.
„Warum das denn?“ Geronimo war nicht sehr begeistert über diese Nachricht und schnickte lässig sein schwarzes Pony zur Seite.
„Mein Onkel hat Geburtstag und meine Eltern schleifen mich mit. Dabei kenne ich den Kerl kaum.“ sie rollte genervt mit den Augen.
Schließlich gingen sie zu dritt los. Sahen sich Klamotten und Schmuck an. Geronimo kaufte seiner Freundin eine silberne Kette, wo ein Herz dran war. Vorsichtig band er es ihr um und küsste sie auf die Wange.
Amy belächelte das und fühlte sich eigentlich völlig überflüssig, wie schon sooft. Immerhin war sie mit einem verliebten Pärchen da. Die beiden waren schon bereits eineinhalb Jahre zusammen, nichts hatte sie auseinander gebracht. Amy war sich sicher, das die beiden irgendwann mal zusammen sterben würden, sie passten perfekt zusammen.
Sie selbst konnte an solche Dinge nicht denken. Sie würde vermutlich niemals einen Freund finden. Gar erst mal einen Jungen zu finden, der sich für sie interessierte. Wenn sie ihn auch liebte konnte sie dennoch nicht so unbeschwert mit ihm ausgehen, so wie ihre beiden Freunde. Wenn der Junge nicht den Kriterien ihres Vaters entsprach, konnte sie es sich sowieso abschminken. Irgendwie musste sie sich viel nach seinen Wünschen biegen. In Wirklichkeit, hatte sie ganz andere Dinge im Kopf. Sie wollte nicht immer so brav aussehen und sein…
„Hey, Amy. Alles klar bei dir, du wirkst so abwesend.“ drang eine Stimme in ihren Kopf.
„Hm?“ schnell sah sie auf, es war ihr bester Freund Geronimo.
Aber von Theresa fehlte jede Spur. „Wo ist The?“ fragte das Mädchen perplex.
„Die musste schon los.“ seufzte er und lies den Kopf hängen.
Amy nickte. Sie hatte es gar nicht mitbekommen, das ihre Freundin schon gegangen war.
„Aber du musst mir jetzt mal einiges erklären.“ lächelte Geronimo sanft und sie setzten sich gemeinsam auf eine Bank.
Nervös biss sich Amy auf die Unterlippe und vermied den Augenkontakt.
„Was denn?“ fragte sie und versuchte so unschuldig wie Joline zu klingen. Es misslang ihr und wieder fragte sie sich, wie es das Mädchen immer wieder hinbekam.
„Du wirkst schon die ganze Zeit so nachdenklich, ist was vorgefallen?“ fragte er ruhig und lächelte dabei sanft.
Amy seufzte tief, sie wusste worauf er hinaus wollte. Sie konnte ihrem besten Freund einfach nichts verschweigen. Er hatte einen so Treudoofen Blick, dem niemand widerstehen konnte, aber diesmal riss sie sich zusammen.
„Nichts.“ sie zwang sich zu einem lächeln.
Geronimo musterte sie streng, ehe er auch nachgab und nicht weiter nachfragte. Das beruhigte Amy ziemlich und konnte eine halbe Stunde später, gemütlich nachhause gehen.
Beim Abendessen kam das, was sie hoffte, das es nicht geschehen würde.
„Ich habe heute diesen komischen Kerl gesehen!“ schnaubte ihr Vater verächtlich und biss in sein Brot.
Amy wandte den Blick beschämt ab. Die Tatsache, das dieser komische Kerl ihre Handynummer und Adresse hatte, würde ihren Vater bestimmt nicht sonderlich freuen.
„Der Kerl ist mir vor das Auto gerannt, hätte ihn beinahe überfahren!“ prustete der Mann aufgeregt weiter.
Er hatte dieses Talent, sich auch nach Stunden noch über gewisse Dinge aufzuregen. „Beruhig dich, Mark.“ lächelte die Mutter fürsorglich.
Er schüttelte nur aufgeregt den Kopf und regte sich noch ein bisschen auf. Amy begann davon zu erzählen, das sie ihn an dem Tag getroffen hatte. Die Dinge, das er rauchte, sie erst ignorierte und ihre Handynummer hatte, lies sie natürlich aus.
„Und er hat einen Bruder.“ murmelte Amy dann schließlich noch.
„Aha.“ knurrte der Vater nur. „Und inwiefern, geht das meine Tochter an?!“
„Mark.“ ermahnte die Mutter ihn genervt.
„Ist doch so“.
„Vielleicht … ist er ja gar nicht so schlimm.“ versuchte Amy kläglich den Jungen einigermaßen zu rechtfertigen. Aber sie wusste selbst, das es da nichts zu entschuldigen gab.
„Fang nicht mit so was an.“ Mark rollte die Augen.
„Meine Tochter wird jedenfalls keinen Kontakt mit so einem Rüpel haben.“ knurrte er wütend und hätte dabei beinahe sein gesamtes Abendessen auf seiner Hose verteilt.
Amy seufzte leise und nickte dann. „Du hast vermutlich recht.“ sagte sie dabei leise.
Doch wohin mir all den Gedanken? Sie schrieb sie auf, jeden einzelnen schrieb sie auf um nicht mehr daran denken zu müssen. So schrieb sie einen Brief an sich selbst, wo alles drinnen stand. Irgendwie musste sie alles loswerden, und das hatte mal eine Freundin gesagt. Joline …
Das Mädchen hatte kein so leichtes Leben, sie war ein Scheidungskind und der Streit um ihr Wohl ging nun schon 6 Jahre. Am Ende begann der Vater Selbstmord und Joline konnte bei ihrer Mutter leben, mehr hatte sie Amy nicht erzählt. Nur, das sie seit dem nicht mehr geweint hat, da sie all ihr Leid in einen Brief geschrieben hatte und immer wenn etwas schief lief, las sie die Briefe um sich daran zu erinnern, das es schon mal schlechtere Zeiten gab.
Amy seufzte und las ihr geschriebenes noch einmal durch, ehe sie einen Schuhkarton heraus kramte und es hineinlegte. Vielleicht würde sie ihn eines Tages noch einmal lesen … vielleicht auch nicht. Zufrieden schob sie den Karton wieder unter das Bett, sie fühlte sich auf jedenfall befreiter. Joline hatte recht behalten.
Kurze Zeit später kam ihre Mutter ins Zimmer und trug eine rote Bluse, war dezent geschminkt und hatte die Haare hochgesteckt. Amy's Eltern wollten an dem Abend, nach langem mal wieder zusammen ausgehen, das hatten sie lange nicht gemacht. Normal gingen sie jeden Dienstag Abend aus, aber die letzte Zeit hatte es sich immer wieder verschoben.
Mark wollte seine Tochter nur ungern alleine daheim lassen, aber durch gutes zureden von Monika konnte er beruhigt mit ihr wegfahren.
„Lass keine fremden Leute rein.“ mahnte er beim rausgehen.
Amy rollte mir den Augen. „Ich bin kein kleines Mädchen mehr.“ meinte sie dazu nur genervt und schloss die Tür hinter ihren Eltern.
Zufrieden ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Ein Film, den sie schon lange sehen wollte kam im Fernseh und sie freute sich darauf.
Doch sie kam gar nicht dazu, den Film zu sehen. Es klingelte bereits an der Tür ...
Kapitel 6
Amy rollte mit den Augen, bestimmt war es ihr Vater, der sich wieder vergewissern wollte, das es ihr gut ging. Genervt stand das Mädchen auf, zupfte ihr langes Schlaf T-Shirt zurecht und öffnete schließlich die Tür, nur um festzustellen, das es nicht ihr Vater war.
Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Ihre Haare waren ungekämmt, sie trug eine Jogginghose und ein viel zu weiter, graues T-Shirt.
„M-Manuel?“ stammelte sie komplett überfordert und starrte den braunhaarigen Jungen an, der seine Augen hinter einigen Haarsträhnen versteckte.
„He.“ murmelte dieser zurück und vergrub die Hände in den Taschen seiner dunklen Lederjacke.
„Was willst du hier?“ fragte das blonde Mädchen geschockt.
Er musste ein wenig grinsen und starrte auf den Boden.
„Du hast doch gesagt, wenn was is, soll ich kommen.“ gab er von sich.
Amy starrte ihn an. Er hatte es wirklich ernst genommen, was sie gesagt hatte. Er stand nun wirklich hier vor ihr und sah sie mit Treudoofen Augen an. „Komm … rein.“ hauchte sie und trat zur Seite. Nicht zu vergessen, das sie bereits zum schlafen beriet war. Das würde sicher ein toller Grund sein um sie in der Schule zu ärgern.
„Sicher? Was ist mit deinen Eltern?“
„Die sind heute nicht da.“
Er trat in das Haus ein und sah sich vorsichtig um. Alles sah so zerbrechlich aus und Manuel fühlte sich völlig falsch am Platz. Irgendwie wusste er, das er in das Bild nicht hinein passte.
Er folgte Amy ruhig ins Wohnzimmer und lies sich neben ihr auf der Couch nieder.
Das Mädchen hatte sich mittlerweile damit abgefunden, das er sie anschreien würde, wenn sie nachfragen würde. Da sie das vermeiden wollte, schwieg sie lieber und starrte Löcher in die Luft. Eine geraume Zeit saßen sie so da, sagten nichts, starrten nur vor sich ins leere.
„Wenn du nur zum schweigen hier bist ...“ setzte Amy schließlich vorsichtig an. Er schüttelte schnell den Kopf.
„Nee … warte.“ antwortete er und atmete tief ein.
„Was hast du denn?“ fragte Amy nun und hoffte, das ihr neu gewonnener Mut, nicht von ihm zerstört werden würde.
„Man … warte doch mal kurz!“ fauchte er sie an, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Und der Mut war zerstört. Sie musste sich wohl eingestehen, das sie mit Fragen nicht weit kommen würde.
So schwiegen beide wieder.
„Ey … ich hab irgendwie Miguel verloren.“ sagte Manuel schließlich und versuchte seine Hände mit dem Tischdekor zu beschäftigen. Amy beobachtete das und machte sich sorgen, das er das Kerzenglas nicht kaputt machen würde.
„Miguel?“
„Mein Bruder.“
„Du hast deinen Bruder verloren?“ fragte Amy nach. Mit Nachfragen, konnte man bei ihm bestimmt nichts falsch machen. Aber es war schon eine seltsame Aussage, ein Familienmitglied zu verlieren.
„Naja, nich so richtig. Wir haben uns gestritten und er is abgehauen. Hab ihn gesucht, keine Ahnung wo er sein könnte.“
„Und du hast wirklich überall gesucht?“
„Ja, hab ich doch gesagt.“ knurrte er und funkelte sie böse.
Amy dachte nach. Im Anbetracht dessen, das sie weder Manuels Freundeskreis noch seinen Bruder kannte, konnte sie ihm nicht helfen.
„Man … und der Typ hängt mir mit der Miete im Nacken.“ sagte er dann noch und stütze den Kopf verzweifelt in die Hände.
„Bezahlst du deine Miete selber?“ Amy sah ihn verwundert an, normalerweise kümmerten sich doch Eltern um so was.
„Man ja. Für mich und Miguel, was sollen wir denn sonst machen? Jetzt hab ich meinen Job verloren und keine Ahnung was ich machen soll.“
Er sah Amy an, doch mit einem mal verdüsterte sich sein Blick wieder. Verwirrt sprang er auf und sah sich noch mal kurz um, ehe er sich an Amy wandte.
„Ey, vergiss was ich gesagt hab. Geht dich eh nichts an, also.“ meinte er und stürmte Buchstäblich aus dem Haus, wobei er die Tür heftig zuknallte. Zurück blieb eine ziemlich verwirrte Amy.
Am nächsten Tag in der Schule passierte tatsächlich das, was Amy niemals erwartet hätte. Es war gerade Pause und sie stand mit ihren Freunden auf dem Hof.
Theresa und Geronimo wie immer eng umschlungen, während Joline schwieg. In letzter Zeit trug sie immer auffälligere Klamotten. Heute ein ziemlich plüschigen Rock und eine knall pinke Schleife in den Haaren.
Wieder einmal diskutierte sie mit Theresa über etwas völlig belangloses und wurde mit jeder Antwort zickiger.
„Du bekommst Besuch, Amy.“ grinste Theresa dann fröhlich.
Amy, die völlig in Gedanken war, schreckte auf und sah hinter sich.
Ein paar Meter von ihr Entfernt stand Manuel.
„Ey, kannst du mal kommen?“ fragte er heiser und sah sie unschlüssig an. Amy sah kurz zu Theresa, die schadenfroh grinste. Das Mädchen seufzte und ging langsam zu Manuel, nur um mit ihm an den Rand des Schulhofes zu gehen.
„Wegen gestern, tut mir leid.“ murmelte er und sah sie bittend an.
„Schon okay.“ lächelte Amy ehrlich.
„Die Sache ist, Miguel ist immer noch nicht da und ich mach mir richtig Sorgen. Ey, ich hab Angst das dem was passiert ist, solange is der noch nie abgehauen. Man, ich bin voll fertig.“ er schüttelte langsam den Kopf und senkte den Blick.
Amy hielt die Luft an. Er musste wirklich ziemlich verzweifelt sein. Sie konnte sich vorstellen, das der Junge sich schreckliche Sorgen um seinen Bruder machen musste.
„Ich kann da auch nichts machen.“ murmelte sie leise und sah ihn mitfühlend an.
„Man, ich weiß. Trotzdem.“ sagte er. „Kannst du mir nicht mal helfen?“ fragte er.
„Jetzt?“
Manuel nickte leicht. Amy schüttelte energisch den Kopf. „Wir haben Schule!“ sagte sie dabei.
„Ja, ich weiß. Aber ich geh kaputt, wenn dem was passiert ist. Ist doch auch nur einmal, bitte.“ es war schon beinahe ein flehen seinerseits. Doch Amy konnte sich nicht darauf einlassen. Es war schon schlimm genug, das sie sich mit ihm abgab, aber nun die Schule schwänzen?
Wieder schüttelte sie den Kopf. „Wenn mein Vater das erfahren würde, würde er mir den Kopf abreisen.“
„Ich … ich werde das ihm erklären.“ hakte er weiter.
Amy schüttelte den Kopf. Manuel war kurz davor zu heulen und wurde immer nervöser. „Kommst du wenigstens mal kurz mit hinter das Schulgebäude?“ fragte er.
Amy nickte langsam und ging mit ihm mit. Hinter dem Gebäude kramte er zitternd eine Zigarette heraus und zündete sie sich an. Amy wedelte mit der Hand den ecklichen Geruch weg.
„Nichtraucher?“ fragte er sie nur. Sie nickte und Manuel stellte sich einen Schritt weiter weg, um den Rauch nicht zu ihr zu blasen.
Beide schwiegen sie, während Manuel das Nikotin genüsslich inhalierte. In Null Komma nichts war von der Zigarette nur noch der Filter übrig den er weg warf.
Sie liefen gemächlich zurück zum Schulhof. Amy war froh darüber, ihn von der Idee abgebracht zu haben. Schwänzen, kam überhaupt nicht in Frage.
Als sie ihre Clique sah runzelte sie angestrengt die Stirn. Theresa war mitten in einem heftigem Streit. Diesmal nicht mit Joline, sondern mit einem anderen Mädchen. Das war völlig untypisch für sie.
Das Mädchen hatte einen schwarzen Rock an, über den sie sich einen Nietengürtel gebunden hatte. Dazu eine schwarze Leggins, ein schwarzes T-Shirt. Über dem schwarzen T-Shirt ein schwarz-weißes Korsett.
Ihre Haare waren schwarz und eine pinke Strähne war in ihrem Pony.
Ungläubig Schritt Amy näher heran. Sie kannte dieses Mädchen nicht, sie war sich nicht mal sicher ob sie überhaupt die Schule besuchte.
Aber Manuel schien sie zu kennen, denn er ging wütend auf sie zu und zog sie von Theresa weg, da sie kurz davor war ihr eine rein zu schlagen.
„Halts Maul, Schnecke. Barbie konnte auch nicht sprechen!“ rief die schwarzhaarige aufgeregt.
„Elisa!“ knurrte Manuel wütend. Diese riss sich von seinem Griff los und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich von ihrem Seitenpony gelöst hatte.
„Hässlicher Punk!“ fauchte The leise. Elisa hatte das gehört und ging sofort mit verbalen Beleidigungen darauf ein.
Amy musste jedoch zugeben dieses 'Punk-Mädchen' hatte saß eindeutig am längerem Hebel. Amy musste sich ernsthaft zusammenreißen, nicht laut loslachen zu müssen. So Sauer hatte sie ihre Freundin noch nie erlebt.
Nachdem Manuel es geschafft hatte, Elisa zu beruhigen und Theresa diesen und seine Freundin mit Ignoranz bestrafte konnte Manuel endlich nachfragen, warum sie da war.
„Dein kranker Bruder stellt bei mir alles auf den Kopf.“ fauchte sie, noch immer wütend von dem Streit.
„Miguel ist bei dir?“ fragte er verwirrt und verwundert.
„Ja, der kam zu mir und meinte ihr hättet euch gestritten und ich sollte dir nicht sagen, das er bei mir ist. Keine Ahnung was der hat, jedenfalls ist der jetzt bei mir und macht voll Radau.“
„Radau?“
„Der wollte meine Uni Bücher verticken. Der hat sie nicht mehr alle!“ dabei tippte sie sich an die Stirn.
„Ey, ich hol den jetzt ab. Sorry, das er so viel scheiße gemacht hat.“
„Will ich auch hoffen.“ knurrte Elisa wütend und drehte sich um, nur um daraufhin wütend vom Schulhof zu stapfen.
Amy sah ihr nach.
„Ich hau jetzt auch ab. Wir sehen uns morgen oder so.“ verabschiedete sich Manuel und ging Elisa nach.
Jetzt hatte das mit dem Brief nichts genützt. Amy war völlig verwirrt und starrte den beiden perplex nach. Was war bei dem Jungen nur ständig los? Er schien ein aufregendes Leben zu haben, nicht zu wie sie. Er schwänzte einfach die Schule, ohne an morgen zu denken.
Und wieder. Amy's Herz klopfte wieder nicht zu überhören.
Sie bekam nur halb mit, wie ihre Freunde sich weiter fröhlich unterhielten. Wie Geronimo erzählte, das er wenn das nächste mal schönes Wetter war, er mit seinem Motorrad eine Testfahrt machen wollte. Das Joline, nicht mehr lange hier sein würde und Theresa mit einem mal Punks wie Elisa hasste.
Kapitel 7
Elisa schloss ihre Haustür auf.
„Ich sag dir eins, wenn der nochmal bei mir aufkreuzt und alles verkaufen will, ruf ich die Polizei.“ knurrte sie, als sie die Tür aufdrückte.
„Jaja. Kommt nich mehr vor.“ murmelte Manuel und versuchte, den aufkochenden Zorn zu unterdrücken. Miguel machte auch immer nur Blödsinn.
Sie kamen bei Elisas Wohnung an und die Tür fehlte, woraufhin sich der Blick des Mädchens verdüsterte. Manuel musste ein wenig grinsen, als das Mädchen ihn so wütend ansah.
Doch Elisa verkniff es sich, Manuel anzuschreien, das würde sie sich für Miguel aufheben. Sie stapfte ins Wohnzimmer, wo mittendrin die fehlende Tür lag und auf der Couch hing Miguel mit einer Flasche Rotwein.
Er hatte sich einmal quer darauf gelegt und sah eisern geradeaus, wobei er ab und zu an der Flasche nippte. Manuels Wut war mit einem mal verschwunden, warum wusste er selbst nicht genau. Irgendwie hatte er nur noch Mitleid mit seinem Bruder und lächelte sanft.
Elisa fand das alles andere als schön und stapfte auf Miguel zu.
„Sag mal hast du einen an der Klatsche?!“ schrie sie ihn aufgebracht an und gestikulierte wild.
„Komm, lass mich.“ meinte Miguel und trank einen kräftigen Schluck Rotwein. Diesen riss Elisa ihm aus der Hand und starrte wütend auf die Flasche, in der nicht mehr viel war.
„Und das ist mein Wein! Du hast sie doch nicht mehr alle!“ fauchte sie wütend und tippte sich an die Stirn. „Und hänge die verdammte Tür ein!“
„Man, stress ma nich.“ Miguel streckte seine Hand nach der Flasche aus, aber Elisa zog sie weg.
„Manuel, dann hänge du sie ein, und nimm dann die Leiche mit!“ knurrte sie und verschwand in ihrer Küche.
Manuel seufzte und tat was sie sagte. Er hängte ihr die Tür wieder ein und ging dann zu Miguel der noch immer auf der Couch lag.
„Na komm schon.“ meinte er und grinste seinen Bruder an.
„Nee. Willst mich doch eh nicht.“ knurrte er beleidigt.
„Miguel, Sorry. Ich war nur wütend und jetzt komm, oder willst du weiter bei Elisa wohnen?“
„Nee. Hast ja recht. Die hat sie nich mehr alle, rastet wegen so einer dummen Tür aus.“ Miguel richtete sich mühsam auf und stand kurz darauf auf den Füßen.
Zusammen gingen die Geschwister aus der Wohnung und dann nach draußen. Von Elisa wollten sie sich lieber nicht mehr verabschieden.
Miguel zupfte Manuel schüchtern am Ärmel. „Ey … Manuel … ich ähm ...“ stammelte er mühsam zusammen.
„Schon gut.“ Manuel rollte mit den Augen und griff in seine Jackentasche, wo er eine kleine Tüte raus holte.
„Tu mir den gefallen und rauche es.“ sagte er, als er Miguel die kleine Tüte in die Hand drückte. Dieser nickte nur und steckte sie sich ein.
Zusammen liefen sie Nachhause. Naja, zumindest dorthin, was sie zuhause nennen konnten. Doch an dem Abend kam alles ganz anders als geplant.
Ein etwas rundlicherer Mann, mit karierten Hemd und Brille stand an der Tür und sah nicht sehr erfreut aus.
„Da seit ihr ja! Ich warte schon den ganzen Abend!“ schrie er aufgebracht und lief auf die Brüder zu.
„Habt ihr endlich das Geld?!“ fragte er und streckte seine Hand aus.
„Nee. Aber … ich gebe mir mühe.“ meinte Manuel eingeschüchtert und sah den Mann an.
„Nein! Ich hab keine Lust mehr. Das wars, ihr fliegt raus. Holt eure Sachen und dann Abmarsch!“ schrie er wütend und wurde ganz rot um seine Wangen.
Der Tonfall des Mannes, lies keine Widerrede zu, so mussten die Jungen ihre Sachen zusammensuchen und die Wohnung verlassen. Zudem hatte der Mann mit der Polizei gedroht, wenn sie nicht gegangen wären.
Manuel hatte sich einen Rucksack, mit all seinen Sachen genommen. Auch die wenigen Klamotten seines Bruders waren darin. Dieser hatte nichts außer einen CD-Player und einen College-block mit Bleistiften. Alles andere, hatte er verkauft.
Sie blieben in einer Seitenstraße stehen und Manuel lehnte sich an die Wand. Unruhig kramte er in seiner Tasche und holte zwei Zigaretten heraus, die er sich zwischen die Lippen steckte und anzündete. Eine von ihnen reichte er seinem Bruder, die er dankend annahm.
„Wo sollen wir denn jetzt hin?“ murmelte Miguel unruhig und sah auf den Boden. Manuel zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung.“ meinte er resigniert.
Dann schwiegen sie beide und blieben einfach in der Seitenstraße stehen. Hier waren nur die Hinteren Teile der Häuser, keine Eingangstüren. Überall standen Müllcontainer und Kartons herum.
Nach einiger Zeit saßen sie beide Nebeneinander, hinter einem der Müllcontainer. Manuel hatte seine Freunde angerufen, doch niemand wollte ihn und 'die Leiche' aufnehmen. Also blieben sie einfach dort.
Es fing langsam an zu regnen und es wurde langsam dunkel. Sie saßen nun schon den ganzen Tag schweigend da.
„Wir haben schon ein beschissenes Leben.“ murmelte Manuel langsam in die Stille und lachte ein wenig auf. Es war ein bitteres und kaltes lachen, das er nicht oft zeigte.
Miguel lehnte an Manuels Schulter und hielt eine Zigarette in der Hand, sie qualmte vor sich hin, ohne das er daran zog.
„Ey, die hat auch Geld gekostet.“ meinte Manuel und nahm sie ihm aus der Hand, um sie selbst zu rauchen.
„Ey Manuel.“
„Hm?“ Manuel inhalierte den Rauch der Zigarette ein und blies ihn in die Luft.
„Quiero volver a casa.“ murmelte er abwesend und starrte Löcher in die Luft.
Manuel lächelte ein wenig. „Mann, du redest nur Müll! Ich weiß doch davon gar nichts mehr, das weißt du doch.“
„Nee. Du willst dich nur nich dran erinnern … irgendwann … gehen … du … und … ich … wieder … zurück.“ murmelte und seine Augen wurden immer Träger, bis Miguel einen Moment weg nickte, aber sofort den Kopf wieder hob.
„Na los, Schlaf ein bisschen.“ murmelte Manuel fürsorglich.
„Nee. Will dir noch was erzählen.“ meinte er nur und zwang sich dazu, wach u bleiben.
„Es war … immer voll warm … war echt schön. Kannst du dich nich mehr daran erinnern? Dir hat es richtig gut gefallen ..“ murmelte er glücklich und lächelte dabei.
„Keine Ahnung. Ich weiß jedenfalls nichts mehr.“
„Irgendwann nehme ich dich mit. Dann gehen wir zurück, vielleicht weißt du es dann … wieder.“
Miguel schloss nun wieder die Augen und lächelte.
„Vielleicht.“ lächelte nun auch Manuel und legte seinen Kopf, an den seines Bruders. Langsam nickte Miguel weg und schlief. Manuel rauchte die Zigarette gedankenverloren zu ende und schlief dann auch ein.
Die nächsten Tage, verbrachten sie damit, die Nächte in dieser Seitengasse zu verbringen und am Tag im Park zu sein. Auch an diesem Tag waren sie im Park und saßen unter einem der Bäume. Miguel hing träge neben seinem Bruder und gähnte.
„Mann … kann kaum auf dem harten Boden pennen.“ maulte er und streckte sich.
„Dann Schlaf doch hier ein bisschen.“ grinste Manuel.
„Nee. Der Boden ist ja trotzdem hart.“ Miguel tippte sich an die Stirn und versuchte es sich wenigstens ein bisschen gemütlich zu machen.
„Hast du noch n' bisschen Geld da?“ fragte Miguel und rupfte das Gras aus dem Boden.
„Ne. Is alles für deine dummen Sachen draufgegangen.“ fauchte Manuel wütend.
„Ich besorge was.“ Miguel stand schnell auf und sah sich um.
„Ne, bleib hier. Ich will nicht, das du durch die Gegend rennst und Leute anpöbelst!“ knurrte Manuel und stand ebenfalls auf.
Seit einem ganzen Tag hatte Miguel nichts mehr genommen, langsam wurde er richtig zickig.
„Ey, ich mach schon nix!“ er verdrehte genervt die Augen.
„Nein! Du bleibst hier!“ knurrte Manuel. „Wir finden schon ne Möglichkeit, aber jetzt will ich noch n' bisschen pennen, also bleib hier!“
„Dann penn doch! Ich besorge Geld!“
„Nein! Ich hab keine Lust deinen Mist wieder auszubaden! Verstehst du?! Ich hab keine Lust mehr, ich kann nicht mehr!“
„Dann sollt ich vielleicht besser sterben! Dann hättest du das Problem nicht!“ fauchte Miguel aufgebracht.
Manuel sah ihn jetzt richtig wütend an. „Sag so was nie wieder!“
„Ich bin doch eh nur die dumme Leiche die dir auf die Nerven geht.“ nuschelte Miguel zutiefst gekränkt.
„Setz dich, okay? Ich kümmere mich ja schon um alles!“ Manuel packte Miguel am Arm und drückte ihn dann auf den Boden.
„Jetzt penn ein bisschen und ich komme später wieder.“
Kapitel 8
Manuel kam nach ungefähr einer Stunde wieder zurück. Er atmete erleichtert auf, als er sah, das sein Bruder noch da war. Gedankenverloren zeichnete er auf dem College-block und hatte dabei die Stöpsel seines tragbaren CD-Players in den Ohren.
Manuel lies sich neben ihn sinken. Miguel bekam nichts mit, die Musik die er hörte, war so laut dass Manuel sie ebenfalls hören konnte.
„Ey.“ Manuel stupste seinen Bruder grinsend an.
Dieser sah resigniert zu Miguel und zog sich die Stöpsel aus den Ohren.
„Da bist du ja.“ murmelte er verschlafen.
„Haste was dabei?“ fragte er darauf schon.
„Ja, aber is nicht viel. Ich glaub es reicht nicht aus, um es zu rauchen.“ sagte er und drückte seinem Bruder die kleine Tüte in die Hand.
Dieser nickte nur und stand auf. „Bis gleich.“ nuschelte er abwesend und ging dann mit gezielten Schritten davon.
Manuel seufzte und zog den College-block zu sich hin. Er betrachtete das gezeichnete Bild und musste lächeln.
Bevor Miguel jedoch wiederkommen konnte, legte Manuel den Block wieder weg. Alle seiner Bilder, handelten von einem Strand. Es war immer derselbe den er malte.
Schließlich schlurfte Miguel wieder zurück und setzte sich neben Manuel.
„Besser?“ fragte dieser und lächelte ein wenig.
„Mhm.“ machte Miguel und sah seinem Bruder in die Augen.
Manuel mochte es nicht, wenn er das tat. Immer wenn Miguel solche seltsamen Augen hatten, so verschwimmen und glasig. Es jagte ihm jedes mal einen kalten Schauer über den Rücken.
Er knirschte mit den Zähnen und sah zur Seite.
„Voy a volver a la playa.“ nuschelte Miguel und lehnte sich an die Schulter seines Bruder, wobei er anfing zu grinsen.
Manuel rollte nur mit den Augen und kramte eine Zigarette heraus.
„No hables como una pérdida!“ grinste Manuel daraufhin nur und zündete die Zigarette an.
„Du bist doch so dicht, weißt gar nicht was du wieder laberst.“ fügte er hinzu. Darauf erntete er nur fragende Blicke seines Bruders.
Er verstand Deutsch nicht, wenn er High wurde oder High war.
Manuel schüttelte den Kopf. „Idiota!“ lachte er dann und schlug Miguel an die Stirn. Es vergingen einige Stunden, die sie dort einfach so saßen. Miguel grinste immer mal wieder und redete 'nur Müll'.
„Manuel?“ ertönte jetzt eine zierliche Mädchenstimme.
Manuel sah auf, ein paar Meter von ihm entfernt stand ein blondes Mädchen.
„Amy?!“ Manuel schnappte nach Luft und sprang sofort auf. Sein Bruder, der sich an seine Schulter gelegt hatte knallte unsanft auf den Boden. Er stöhnte genervt auf. „Hombre, pasar en algunos juegos!” knurrte er wütend und rupfte dann wieder Gedankenverloren das Gras aus dem Boden.
Manuel ignorierte ihn und stapfte daraufhin auf Amy zu. „Was machst du hier?“ fragte er ein wenig wütend.
„Sorry, aber das ist ein öffentlicher Park.“ verteidigte sich Amy.
Manuel sah zu seinem Bruder der nun auf dem Rücke lag und die Hände in die Luft gestreckt hatte. Es sah fast so aus, als wollte er nach den Wolken greifen.
„Wer ist das?“ fragte Amy vorsichtig und sah zu dem breit grinsenden Jungen.
Manuel seufzte und haperte mit der Antwort. Es würde nicht bringen, Amy nun zu verschwiegen, das es sein Bruder war. Immerhin wusste sie ja davon. Zudem war der Junge momentan einfach am Ende, vielleicht würde sie es merken, vielleicht … würde sie ihm helfen.
„Ähmm … das ist mein Bruder.“ nuschelte er also.
Amy sah stirnrunzelnd hin, sagte aber nichts dazu, dass dieser ziemlich breit grinsend, zu ihr rüber sah und begann ihr zu winken.
Amy wurde sofort rot und sah starr auf den Boden. Das behagte ihr ganz und gar nicht. Immerhin winkte ihr nicht oft ein Junge, der sie auch noch so offensichtlich angrinste.
Manuel warf seinem Bruder einen wütenden Blick zu.
„Komm.“ murmelte er zu Amy, packte sie am Arm und zog sie von ihm weg.
Amy stolperte verdattert hinterher. Das war das erste mal, das er Amy mit sich nahm. Sie hielt die Luft an und wurde wieder rot. Beschämt senkte sie den Kopf, wie sie es hasste.
Ein paar Bäume weiter blieb er stehen und lehnte sich daran. Unruhig kramte er eine Zigarette heraus und zündete sie an.
Amy wusste nicht was sie sagen sollte, also schwieg sie einfach.
„Sorry, Miguel hat sie nicht mehr alle.“ er tippte sich an die Stirn und grinste dabei schief.
Amy schüttelte den Kopf. „Schon okay.“
„Sag mal, hat er vorhin eine andere Sprache gesprochen?“ ergriff Amy neugierig das Wort.
Manuel nickte nur resigniert. „Macht er manchmal.“ murmelte er dabei ohne auf genaueres einzugehen.
Wieder nickte Amy nur, sie traute sich nicht noch mehr fragen zu stellen. Nicht, dass Manuel sie einfach abweisen würde.
Als Manuel fertig mit der Zigarette war gingen sie wieder zurück.
„Vielleicht is er jetzt besser drauf.“ murmelte er ruhig.
Amy verkniff sich ein Kommentar. Der Junge von vorhin schien jedenfalls alles andere als schlechte Laune zu haben.
Tatsächlich schien Miguel nicht mehr ganz so gut gelaunt zu sein. Er lehnte an dem Baum und hatte sich wieder die Kopfhörer in die Ohren gesteckt und hatte die Augen geschlossen. Die Arme hingen schlaff zur Seite.
Amy hatte nun die Möglichkeit den Jungen genauer zu betrachten. Etwas Angst machte er ihr ja schon. Die dunklen Haare, die ihm ins Gesicht hingen. Sie waren viel länger als die von Manuel. In seinem Gesicht zeichneten sich einige Narben, die schlecht verheilt waren. An seinem linken Ohr hatte er vier Piercings. Zumindest waren es die, die Amy sah.
Um das Handgelenk hatte er einen Haufen Lederarmbänder und auf der anderen Seite ein Nietenarmband gebunden. Seine Klamotten waren ziemlich heruntergekommen und zerfetzt.
Zudem trug er noch tiefschwarze Stiefel, die ebenfalls ziemlich heruntergekommen waren.
Im gesamten machte dieser Eindruck ihr ein wenig Angst. Ihr Vater sagte ja schon, das Manuel ein Raudi war, dann wollte er wohl nicht dessen Bruder sehen.
„Miguel!“ knurrte Manuel und trat gegen dessen Fuß.
Miguel verzog da Gesicht und drehte demonstrativ die Musik lauter.
„Sorry, mit dem is jetzt nichts anzufangen.“ murmelte Manuel und sah zu Amy.
„Ich sollte eh wieder heim.“ lächelte sie sanft.
„Okay.“ Manuel nickte langsam.
Amy verabschiedete sich noch von den Brüdern und verschwand fluchtartig. Wenn sie ehrlich war, wollte sie keine Sekunde länger bei ihnen sein.
Amy kam Zuhause an, wo ihre Mutter schon auf sie wartete.
„Amy, liebes.“ rief sie und kam die Treppe hinunter gestürmt.
Das blonde Mädchen sah ihre Mutter an.
„Ich und dein Vater wurden zu einem Abendessen bei den Nachbarn eingeladen, wir gehen kurzfristig hin.“ erklärte sie ruhig.
Amy nickte lächelnd. Dann kam auch ihr Vater.
„Wir wollen, das du dich benimmst. Und wehe, du schmeist eine Hausparty oder so was!“ knurrte er bestimmend.
Amy rollte mit den Augen. „Nein.“ sagte sie gedehnt und wollte ins Wohnzimmer flüchten, doch ihr Vater hielt sie auf.
„Und kein Besuch von Jungen!“ knirschte er gequält.
„Lass sie.“ schaltete sich ihre Mutter ein und legte die Hand auf seine Schulter.
Amy ging in dem Moment auch schon ins Wohnzimmer und lies sich auf die Couch sinken.
Am Abend gingen die Eltern, wie gesagt zu den Nachbarn und ließen Amy alleine. Diese hatte sich auf der Couch verschanzt und Schaltete Lustlos durch die Kanäle. Es gab auch nichts anständiges im Fernseh.
Plötzlich klopfte es wie wild an der Tür. Einen Moment erschrak das Mädchen. Das klopfen hatte aufgehört, fing aber wieder an, gefolgt von Sturmklingeln.
Sofort sprang sie auf und rannte in die Küche. Sie brauchte was um sich zu verteidigen, man konnte nie wissen wer es war. Sofort nahm sie sich ein großes Küchenmesser und rannte damit zur Tür. Vorsichtig öffnete Amy die Tür und hätte beinahe vor Schreck das Messer fallen lassen ...
Kapitel 9
Amy stand da, wie gelähmt. Blut tropfte auf den Boden und es entstand allmählich eine richtige Pfütze. Das Mädchen starrte in zwei aufgerissene Augen, die sich aber langsam wieder normalisierten.
„Tu das Messer weg, willst du mich umbringen oder was?“ fauchte Amy's Gegenüber wütend.
Sie nickte hastig und legte es zitternd auf eine Kommode. Dann ging sie wieder zur Tür.
Manuel stand da noch immer. Aber, er war nicht alleine. Er hielt mühsam einen anderen Jungen auf den Beinen, der am Kopf blutete. Seine Lippe war aufgeplatzt und er hatte einige blutende Schnitte im Gesicht. Es war sein Bruder, meinte Amy zumindest.
Das Mädchen war komplett überfordert und wusste nicht was sie sagen sollte, aber Manuel übernahm das reden.
„Ey … Sorry wenn ich so rein platze. Hast du irgendwie Verbandszeug oder so was?“ fragte er unruhig und hievte seinen Bruder hoch, der halbtot an seiner Schulter hing.
Amy nickte hastig. „Komm rein.“ murmelte sie und lief los.
„Ey, was is mit deinen Eltern?“ fragte Manuel.
„Die sind nicht da.“ hauchte Amy und lief schnell weiter.
Sie lief ins Badezimmer wo ein Arzneischränkchen war. Schnell suchte sie den Verband, einige Tücher und Desinfektionsmittel heraus und ging ins Wohnzimmer.
Manuel stand wie eine Statue da und fing das Blut, das von Miguel abtropfte mit der Hand auf, um den weißen Teppich zu schonen.
„Setz ihn dahin.“ sie zeigte leicht zitternd auf die Couch.
Jetzt durfte sie sich nicht von der Angst übermannen lassen.
Manuel nickte und setzte Miguel vorsichtig auf die Couch. Er setzte sich daneben und hielt ihn fest, da dieser kaum die Augen auflassen konnte. Amy ging vorsichtig zu den Brüdern.
Sie lies ein paar Tropfen des Desinfektionsmittel auf eines der Tücher tropfen und setzte ganz vorsichtig an, Miguels Wunde zu säubern. Sie fing mit einem der blutigen Schnitte an seiner Wange an. Sofort kniff der Junge die Augen zusammen und lies sich zu Manuel fallen, versteckte sein Gesicht hinter dessen Schulter.
„Alter, reiß dich mal zusammen.“ knurrte Manuel und zog ihn wieder in die aufrechte. „Die hilft dir nur, lo captas? Sólo la ayuda!“ sagte er beruhigend und strich seinem Bruder sanft durch die Haare. Dieser deutete ein leichtes nicken an und sah dann zu Amy. Naja er versuchte es zumindest, wenn ihm die Augen nicht immer zugefallen wären.
Amy schloss die Augen und atmete einmal tief durch, bevor sie sich wieder daran machte, seine Wunden zu desinfizieren. Doch Miguel schien es immer noch nicht verstanden zu haben. Mit einem mal umgriff er Amy's Arm und drückte brutal die Hand zusammen. Amy hätte beinahe aufgeschrien, als sie das Messer unter seinem Armband sah. Sofort griff Manuel ein und zog die Hand seines Bruders von Amy's.
„Fass sie nicht an! Te voy a matar!“ fauchte er zu seinem Bruder und sah ihn absolut tödlich an.
Daraufhin packte Manuel grob beide Hände seines Bruders und hielt sie fest. Amy zögerte und sah ihn unsicher an. Sie hatte angst, angst davor, das Miguel ihr etwas tun würde.
„Bitte … hilf ihm. Er is … kein so schlechter Typ, ehrlich.“ flehte Manuel sie an. Amy fasste sich ein Herz. Es würde eh nichts bringen jetzt zu kneifen.
Einmal atmete sie noch durch und nickte dann. Langsam strich sie Miguel das Blut weg. Diesmal zuckte er nur einmal kurz weg und hielt ansonsten still. So konnte Amy alle Wunden desinfizieren und ihm einen Verband um die Wunde am Kopf machen.
„Sag mal … was ist überhaupt passiert?“ traute sie sich nun endlich zu fragen und biss sich auf die Unterlippe, während sie Miguel verarztete.
Manuel schwieg und holte sich eine Zigarette aus seiner Hosentasche. „Darf ich?“ fragte er leise und sah Amy an.
Nein. Eigentlich durfte er nicht, doch Amy nickte nur. Vielleicht wollte sie endlich das Vertrauen des Jungen gewinnen, oder sie hatte einfach den Kopf mit anderen Dingen voll, als die Frage ob er rauchen durfte.
Dankbar lächelte er und zündete sich die Zigarette an.
„Ähm ...“ fing er schließlich an und spielte wieder mit dem Tischdekor.
Amy traute sich nicht, sich neben ihn und seinen Bruder zu setzen, also hockte sie sich auf den Boden, vor den Wohnzimmertisch. Im Augenwinkel begutachtete sie immer Miguel.
„Es … man ...“ murmelte er.
Amy schwieg, sie würde einfach warten, bis er redete, egal wie lange es dauerte.
„Bin doch gefeuert worden … wir sind aus der Wohnung geflogen. Ähm … irgendwie mussten wir das doch Überleben … Miguel … der wollte nur n' bisschen Geld auftreiben, aber … irgendwie is es in ner Schlägerei geendet. Man, der hatte gar keine Chance, die waren zu dritt und er alleine. Haben mit zerbrochenen Flaschen auf ihn eingeschlagen … der wäre fast draufgegangen. Ey … ich wollte mich ja selbst um ihn kümmern, aber der is als nur am rumjammern gewesen, is ja verständlich. Da … dachte ich... ich … könnte ja dich fragen. Sorry.“ die letzten Teile seiner Rede flüsterte er nur noch heiser und sah Amy mit feuchten Augen an, als würde er am liebsten losheulen.
Amy atmete tief ein. Sie wusste nicht genau, was sie jetzt daraus verstehen sollte. Eins stand jedenfalls fest, Manuels Bruder hatte mächtig eins auf die Fresse bekommen und die beiden Wohnten auf der Straße.
„Wo geht ihr jetzt hin?“ fragte Amy vorsichtig.
Manuel wippte mit dem Kopf hin und her, zog an der Zigarette und stützte verzweifelt den Kopf in die Hände.
„Keine Ahnung.“ wisperte er und schluchzte einmal tief, ehe er sofort wieder aufsah. „Hab schon viel scheiße mitgemacht … aber das is jetzt zu viel.“ murmelte er und senkte den Blick wieder.
„Wir haben ein Gästezimmer … ich denke … eine Nacht ...“ sagte Amy langsam und machte sich schon jetzt auf das Donnerwetter ihres Vaters bereit. Aber sie konnte Manuel doch nicht weiter auf der Straße lassen. Immerhin … waren sie Freunde …?
„Echt?“ sein Blick festigte sich etwas und es war als würde eine kleine Flamme der Hoffnung aufleuchten.
Amy nickte langsam. „Aber … seit leise … mein Vater, wäre nicht sehr froh, wenn er wüsste das ihr da seit.“ lächelte sie leicht.
„Echt? Man, Amy du bist echt voll Innordnung.“ grinste er breit.
Amy wurde sofort rot und sah auf den Boden. Ihr Herz fing an wie wild gegen ihre Brust zu hämmern und sie setzte ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, den Herzschlag zu verlangsamen.
„Mir tut alles weh!“ stöhnte jetzt Miguel auf und lehnte sich wieder an seinen Bruder, ehe er auf dessen Schoß viel.
„Benehme dich mal.“ Manuel rollte mit den Augen.
„Ey, ich … will nich mehr … kann nich mehr … mach das es aufhört, bitte.“ stöhnte er gequält.
Amy musste ein wenig lächeln.
„Miguel jetzt hör schon auf und setzt dich hin.“ Manuel schob seinen Bruder wieder gerade hin, doch der fiel wieder an seine Schulter. Dort lies Manuel ihn schließlich. Er bemerkte Amy's lächeln.
„Danke ey, sonst haben die uns alle rausgeworfen. Die wollten alle nich, wegen Miguel weil der so viel scheiße macht, aber ich verspreche´ dir, der is total lieb wenn der nur will.“
Amy lächelte ein wenig. Schließlich zeigte sie ihnen das Gästezimmer. Manuel ging hinein und sah sich um, Miguel blieb einen Moment bei Amy im Flur stehen, er hielt sich die schmerzende Wunde am Kopf und sah sie an. Er kniff die Augen zusammen und schien etwas zu überlegen.
Amy blieb wie eine Statue stehen, sie hatte Angst sich auch nur ein kleines bisschen zu bewegen.
„Ähm … Sorry wegen vorhin … und danke. Is lieb von dir.“ murmelte er und schlurfte dann in das Zimmer.
Amy atmete auf und schloss die Tür hinter ihm. Doch ihr Herz pochte immer noch in ihrer Brust und Manuels Worte schwirrten immer noch in ihrem Kopf umher.
Sie musste sich nun erst mal beruhigen … sie wollte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn ihr Vater das herausbekommen würde …
Kapitel 10
Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als Amy noch mal daran zurück dachte. Sie fing langsam an, diesen Jungen zu mögen, aber eigentlich wollte sie das nicht mal. Nein, das ging einfach nicht. Sie wollte diesen Moment am liebsten hinter einer Tür verschließen, ihn aufbewahren und immer in Erinnerung tragen, denn dieser Moment war so zerbrechlich gewesen.
Es klopfte an ihrer Zimmertür. Es war ein schwaches und zögerliches Klopfen. „Ja?“ rief sie und die Tür öffnete sich.
Manuel stand ein wenig unruhig vor ihr.
Amy sah ihn unschlüssig an, wie er von einem auf das andere Bein wippte.
„Ähm …“ nuschelte er und sah sie an. „Kann … Miguel mal das Bad benutzen?“
Amy lächelte sanftmütig. „Klar.“ meinte sie betont lässig.
„Ähm … ich glaub nich das du weißt was ich meine. Ich meine das er es … na du weißt schon, was er eben so macht.“ versuchte er es zu umschreiben.
Amy, die überhaupt nicht den leiseste Ahnung von dessen Bruder hatte zuckte mit den Schultern. „Man, der muss sich was spritzen.“ sprach es Manuel dann schließlich aus.
Amy sah ihn verdattert an. „Wie jetzt?“
„Hat voll miese Laune, wenn der nich gleich was bekommt, legt er das Zimmer in Schutt und Asche.“ knurrte Manuel langsam etwas genervt, da Amy so schwer von begriff war.
„Drogen?!“ sie schnappte nach Luft.
„Was denn sonst, glaubst du der spritzt sich Tee oder was?!“ fauchte er wütend und drehte den Kopf weg.
Amy sah ebenfalls geknickt weg. „Okay.“ hauchte sie dann leise und Manuel ging wieder.
Sie konnte es nicht fassen. Was war bei dem Jungen nur los? Nicht nur, dass er seinen halbtoten Bruder mit hierher geschleppt hatte, nein jetzt wollte der sich auch noch dir Birne in ihrem Bad zuhauen.
Dann schreckte sie augenblicklich hoch. Sie hörte das klingeln, von dem Schlüssel ihrer Mutter. Schnell sprang sie auf und lief in den Flur, wo sie beinahe Miguel über den Haufen gerannt hätte.
„Pass doch auf!“ fauchte er angriffslustig und schliff ins Bad, wo er die Tür hinter sich verriegelte.
Amy blieb einen Moment starr stehen, ehe sie von Manuel in die Realität zurückgeholt wurde. Er stand vor ihr und sah sie wehmütig an. „Sorry, wie gesagt, der is mies drauf.“ murmelte er entschuldigend, als wäre nie etwas vorher vorgefallen.
Amy hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. „Meine Eltern kommen heim, los geh ins Zimmer.“ dirigierte sie den Jungen schnell. Dieser tat was sie sagte und ging in das Gästezimmer. Das Mädchen atmete augenblicklich auf, aber die Situation war nicht gerettet. Im Bad war Miguel. Sie rannte hin und klopfte schüchtern an der Tür.
„Hmm?“ kam es gedehnt zurück.
„Wie lange brauchst du?“ fragte Amy schüchtern.
„Nich … äh … warte.“
Amy konnte jetzt nur hoffen, das er lange brauchen würde, nicht da er raus kam und ihren Eltern über den weg laufen würde. Oh, worauf hatte sich das Mädchen nur eingelassen? Niemals hätte sie es für möglich gehalten, das mal zwei Jungen bei ihr Übernachten würden.
Sie drehte sich von der Tür weg, um ihre Eltern in Empfang zu nehmen, doch es war zu spät.
Amy hielt die Luft an und blieb stocksteif stehen. Ihr Vater stand ihr Gegenüber und sah nicht sonderlich glücklich aus. Er hatte die Arme verschränkt und sah auf seine Tochter herab.
„Hast du Besuch?“ fragte er grimmig, da er meinte Stimmen gehört zu haben.
Amy schüttelte langsam den Kopf. Doch ihr Vater lies nicht nach, er sah stirnrunzelnd auf die Badezimmertür. Dann ging er langsam dahin und wollte sie öffnen, doch sie war verschlossen. Er rüttelte heftig daran.
„Espera un minuto!“ rief Miguel aus dem Bad, dann war ein heftiges rumpeln zu hören. Glas zerbrach und Miguel schrie kurz auf. Amy zuckte zusammen und ihr Vater wurde richtig rot vor Wut.
Dann ging die Tür auf, Amy wagte einen Blick zu dem Jungen. Er sah träge nach vorne, die Augen ganz Matt und das graue verdeckte beinahe die gesamte Pupille. Träge blickte er dem Mann ins Gesicht, er war ungefähr einen Kopf kleiner als ihr Vater.
Dieser packte den Jungen grob am Kragen und zog ihn zu Amy.
„Wer ist das bitte Amy?! Schleppst du jetzt Jungen nachhause?!“ schrie er wütend und sah Amy in die Augen. Sie schwieg betroffen.
„Ey … déjame!“ knurrte Miguel und versuchte sich aus dem Griff zu befreien, doch ihr Vater lies nicht locker.
„Ich fasse es nicht, was meine Tochter macht!“ rief er aufgebracht weiter.
Von dem Geschrei und Miguels Worten alarmiert kam Manuel aus dem Zimmer und wurde sofort von Amy's Vater ins Visier genommen.
„Und wer ist das nun wieder?!“ knurrte ihr Vater und schliff Miguel zu Manuel.
„Das eins klar ist, Fräulein, wir Unterhalten uns gleich!“ meinte er, packte auch Manuel und zog beide die Treppe hinunter.
Amy war nicht in der Lage sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Sie war wie in Beton eingepackt, unfähig einen Finger zu rühren.
Im Bad sah es aus, als wäre es ein Schlachtfeld. Auf dem Boden war überall Blut, eine Spritze lag auf dem Boden, das Arzneischränkchen war bis aufs letzte Medikament ausgeräumt. Handtücher lagen auf dem Boden.
Sie hörte einige laute schrie ihres Vaters, Miguel etwas nuscheln und anschließend Manuel, der alles zu erklären versuchte. Doch dann wurde einfach die Haustür zugeschlagen und es war still. Schließlich folgten Laute Schritte, die die Treppe hinauf kamen. Amy schloss die Augen.
Ihr Vater packte sie am Arm und zerrte sie nach unten, drückte sie auf die Couch und war rasend vor Wut.
„Ich fasse es nicht!“ meinte er Kopfschüttelnd. „Wir haben doch darüber gesprochen, was das mit Jungen angeht! Wie konntest du zwei Straßenpenner zu uns holen?!“ schrie er aufgebracht und gestikulierte wild.
Amy zuckte mit den Schultern und sah auf den Boden. Fixierte den Teppich und zählte die kaum Sichtbaren Blutspuren von Miguel.
„Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche! Kind, wie kannst du mir das antun?! Ich dachte du wüsstest, was das für Menschen sind! Ich dulde das nicht, solche Jugendlichen sind kein Umgang für meine Tochter! Ich will nicht, dass du sie weiter triffst!“ am Ende wurde sein Ton etwas kontrollierter.
„Aber ...“ hauchte Amy.
„Kein Aber! Du-wirst-dich-nicht-mehr-mit-den-Jungen-treffen. Verstanden?!“
Das blonde Mädchen schwieg. Sie wollte dieses versprechen nicht geben, sie wollte sich nicht von Manuel fernhalten.
„Verstanden?!“ knurrte er erneut.
„Verstanden.“ wisperte das Mädchen.
„Und jetzt geh! Ich will dich heute nicht mehr sehen!“ der Mann winkte wütend ab.
Unverzüglich stand Amy auf und schlich nach oben. Sie schloss die Tür hinter sich, warf sich aufs Bett und fing an zu weinen. Sie wusste nicht mal wie lange sie da lag und vor sich hin wimmerte. Irgendwann kam ihr eine erschreckende Erkenntnis. Warum weinte sie nun? Eigentlich sollte es ihr egal sein! Manuel ging sie nichts an und zwar gar nichts! Warum hatte sie sich neben ihn gesetzt, als er in der Seitenstraße war. Warum gab sie ihm ihre Handynummer? Lies ihn bei sich rein. Nahm sogar seinen komischen Bruder bei sich auf. Und warum weinte sie nun um ihn? … sie war …
„Verliebt. Ich bin verliebt.“ flüsterte sie leise und drückte ihr Gesicht in das blaue Kissen.
Diese Erkenntnis lies alles in sich zusammenfallen. Sie wollte nicht auf ihren Vater hören, sie wollte Manuel nicht meiden. Doch, sie hatte angst vor dem Mann. Richtige, panische Angst.
Jetzt musste sie mit jemandem reden, es war zwar Mitten in der Nacht, aber sie brauchte jemanden.
Sie nahm ihr Handy zur Hand und wählte Geronimos Nummer. Die Freizeichen ertönten, aber es ging niemand ran, es war lediglich der Anrufbeantworter, der sich meldete. So rief sie Theresa an.
„Hm?“ ging das Mädchen verschlafen dran.
„The, ich muss mit dir reden.“ hauchte Amy verzweifelt.
„Jaja … leg los.“ kam es von ihr zurück.
So erzählte Amy einfach alles, alles was sie dachte. Von dem was passiert war. Nichts lies sie aus.
„Versprich, das du es niemandem sagst!“ meinte Amy noch.
„Ja. Und mach dir keinen Kopf. Das wird schon.“ sagte Theresa, die mittlerweile hellwach war und dabei war sich Frühstück zu machen, da in einer Stunde ihr Wecker für die Schule klingeln
Amy legte auf und drückte ihr Kopf wieder in das Kissen. Sie müsse wohl bis morgen abwarten … aber … sie würde sich wohl oder übel von Manuel fernhalten müssen ...
Kapitel 11
Man merkte, dass es Winter wurde. Es wurde immer kälter und einige Autos waren an den Scheiben gefroren..
Manuel öffnete langsam die Augen und bemerkte sofort die Eisigen Temperaturen. Er spürte seine Zehen schon nicht mehr und musste augenblicklich husten.
Er lehnte an einer Wand und war gerade aufgewacht.
„Shit.“ knurrte er zwischen den heftigen Hustenanfällen.
„Ey … halt still … Todo bien.“ murmelte Miguel, der an seiner Schulter ruhte und legte seine Hand auf die Brust seines Bruders. Dieser hielt augenblicklich die Luft an, um nicht weiter husten zu müssen und setzte sich ein bisschen um, damit sein Bruder gemütlicher liegen konnte.
Dieser lächelte ein wenig und krallte seine Hand in das T-shirt von Manuel um dann weiterzuschlafen.
Manuel hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Er hätte niemals bei Amy aufkreuzen dürfen, es war ein Fehler gewesen.
„Ey, Miguel.“ wisperte Manuel heiser und rüttelte an seinem Bruder.
„Un momento ...“ nuschelte er mit geschlossenen Augen.
Manuel rollte die Augen. „Nein, ich muss in die Schule.“ er lies nicht von Miguel ab.
„Du … gehst immer. Bleib … bei mir, bitte.“ flüsterte er im Halbschlaf und drückte sich fester an Manuel.
„Komm schon, ich hab jetzt keine Zeit für so was!“ knurrte er und wollte aufstehen. Was dazu führte, das sich Manuels Finger noch mehr in Manuels T-Shirt krallten. Mittlerweile konnte dieser sogar die Spitze des Messers fühlen, was ihn schon sooft verletzt hatte.
„Ey, wenn du so weitermachst, verletzt du mich wieder!“ fauchte Manuel ungemütlich. Sofort lies Miguel sein Shirt los und zog die Hand zurück. „Sorry.“ murmelte er dann und gab Manuel endlich frei. Dieser stand auf und sah sich um. Einige Menschen waren schon da, sie wollten mit der U-Bahn in die Innenstadt fahren, vermutlich arbeiten. Hier hatten sie die letzte Nacht verbracht
„Wann kommst … du wieder?“ fragte Miguel und rappelte sich auf.
„Ich mach extra ein bisschen früher Schluss, okay? Dann bin ich bald wieder da.“ Manuel kramte eine verknickte Zigarette aus der Jackentasche und zündete sie sich an.
„Okay.“ murmelte Miguel.
„Hast du dein Handy?“ fragte Manuel und sah seinen Bruder an. Dieser wühlte kurz in seinen Hosentaschen. „Ja, aber ruf mich an. Hab keinen Bock darauf, wieder jemanden zu fragen was du mir schreibst.“
Manuel lächelte ein wenig. „Ist okay. Hab aber nicht mehr viel Geld auf dem Handy.“
„Ja, dann … klingel halt an und ich ruf von einem Freund zurück.“
„Okay.“ mit diesen Worten ging Manuel die Treppe nach oben und kam nach draußen. Es war noch dunkel. Er vergrub zitternd die Hände in den Taschen und musste husten.
Er musste zur nächsten Bushaltestelle, dumm nur, das er nicht wusste wo diese war. Er zog sich seine Kapuze über und lief einfach los.
Amy hingegen saß gerade unten am Tisch. Ihre Mutter kam herein, ihr Vater war arbeiten. Seelenruhig kochte die Frau sich ihren Kaffee, während Amy noch immer total aufgewühlt war.
„Mama?“ sie sah die Frau an.
„Ja?“
„Ähm … wegen gestern ...“ murmelte sie ein wenig betroffen und wandte den Blick ab.
„Hör zu. Ich will darüber nicht mehr reden, ja? Dein Vater hat vollkommen recht! Ich finde auch, das er ein wenig überreagiert hat, das mag sein, aber du sollst dich nicht mit solchen Straßenkötern treffen. Die haben schlechten Einfluss auf dich. Mehr sage ich dazu nicht.“
Amy deutete ein Nicken an und stand auf um sich für die Schule fertig zu machen. Mit einem mal verfluchte sie ihr komplettes Leben, bereute den Gedanken aber wieder. Hatte sie überhaupt das recht so denken zu dürfen?
In der Schule war es nicht viel besser. Eigentlich freute sie sich darauf, immerhin würde sie Manuel sehen. Doch, es kam anders als geplant.
„Amy!“ rief eine Frauenstimme.
Das Mädchen drehte sich um und sah ihre Schulleiterin an. Sie hieß Frau Schmidt, war eine schlanke und schwarzhaarige Frau. Eigentlich war sie immer sehr locker, für ihr alter, aber an diesem Tag zierten tiefe Denkfalten ihre Stirn.
„Ja?“ fragte das blonde Mädchen unsicher.
„Komm mal mit.“ dirigierte sie das Mädchen in ihr Büro und lies sich erschöpft auf einen der Sessel fallen, die in ihrem Büro standen.
Amy setzte sich ebenfalls und sah de Schulleiterin gespannt an.
„Deine Lehrerin liegt im Krankenhaus und ich vertrete sie. Deshalb würde ich gerne mit dir sprechen, denn dein Vater hat gestern Abend bei mir angerufen.“ klärte sie das Mädchen schnell auf. „Er sagte, er würde es besser finden, wenn du dich von Manuel … Manuel.“ sie schnipste und machte die Augen zu. „Manuel … ah … Manuel Sánchez, wenn du dich wegsetzen würdest.“
„Nein!“ rief Amy energisch und erschrak sofort über ihre heftige Reaktion. „Tschuldigung.“ murmelte sie schnell darauf und drückte sich tief in ihren Stuhl. Die Lehrerin schmunzelte.
„Hör zu, vielleicht hat der Junge einen schlechten Einfluss, so wie dein Vater es gesagt hat. Aber das kann ich mir bei dir beim besten willen nicht vorstellen und Fakt ist, das seine Leistungen sich verbessert haben.“ sagte sie nachdenklich. „Dennoch, ich muss eigentlich den Wünschen deines Vaters nachkommen.“ sie sah Amy ernst an und überlegte.
Diese wendete sofort den Blick ab und fixierte den Boden, um die Tränen zurück zu halten. Sie war einfach viel zu nahm am Wasser gebaut! Ihr Vater war wohl der schlimmste Vater, den es geben konnte, am liebsten würde sie ihn zum Mond schießen … und ihre Mutter gleich mit.
„Amy?“
„J – Ja?“
„Ich setze dich erst mal um, mal sehen was sich noch ergibt, aber ich muss leider los, ich habe einen Termin.“ sagte sie und sprang auf. Amy stand auch auf und verließ das Büro als erstes.
In der Klasse setzte die Lehrerin Amy gleich in der ersten Stunde von Manuel weg – der nicht da war.
Erst in der zweiten Stunde trudelte der Junge auch ein. Mit seinen zerrissenen Klamotten und völlig unter Schulmaterial stand er vor dem Mathelehrer der ihn mit hochrotem Kopf musterte.
„Ähm … ich hab verschlafen.“ entschuldigte er sich langsam und lies einige Haarsträhnen über seine Augen fallen, damit man sie nicht sehen konnte.
Amy musterte ihn mit gemischten Gefühlen. Wie oft, hatte sie den Jungen schon betrachtet, aber noch nie so … immer wieder sah auch er zu ihr, aber Amy sah dann schnell weg.
„Und gibt es einen Grund, für das fehlende Schulmaterial?“
Keine Antwort von Manuel. Als der Lehrer ihn erneut fragte funkelte er ihm wütend zu.
„Hör mal, sie können froh sein, das ich überhaupt hier bin!“ fauchte er mit einem mal und knirschte wütend mit den Zähnen. Der Mann atmete heftig durch die Nase aus und bat Manuel sich zu setzen und aufzupassen.
Schweigend lief er zu seinem Platz und setzte sich hin.
In der Pause verschwand er wieder und Amy ging ihm auch aus dem Weg, sie wollte keinen ärger riskieren, egal wie schwer es war.
Natürlich hatte Theresa es nicht für sich behalten und so wussten Geronimo und auch Joline von Amy's Gefühlen. Zum Glück war das auch das einzigste was Theresa gesagt hatte.
„Warum gehst du ihm dann jetzt aus dem weg?“ erkundigten sich alle drei und starrten Amy fragend an. Diese senkte den Blick und schluckte. „Das ist nicht so einfach ...“ murmelte sie und sie mussten sich damit zufrieden geben.
Amy verfluchte sich selbst hundert mal. Sie hätte von Anfang an nicht daran glauben sollen, das Manuel ihr Freund werden könnte. Immerhin … war sie nur ein einfaches Mädchen und zwischen ihnen waren Welten.
Elisa räumte gerade ihr Zimmer auf und schmiss die Uni-Bücher in eine Ecke, als es an der Tür klingelte, gefolgt von lautem geklopfe. Die Punkerin rollte mit den Augen und stapfte zum Fenster, das sie aufriss und nach unten sah.
Sie sah in eines ihr ziemlich bekanntes Gesicht, das verzweifelt zu ihr hoch blickte.
„Lei – ähh – Miguel?!“ rief sie runter und runzelte die Stirn.
„He.“ murmelte er leise.
„Was machst du hier?“
„Ähm … weißt du …“ stammelte er überrumpelt.
„Komm erst mal rein.“ seufzte Elisa und holte den Jungen rein, der am ganzen Körper zitterte. „Warum kommst du eigentlich immer komplett durch gefroren zu mir?“ knurrte sie und führte den Jungen in ihr Wohnzimmer.
Er zeigte ein schwaches lächeln. „Wir haben auf der Straße geschlafen … da is es nich so warm.“ murmelte er und wäre beinahe eingeschlafen.
Sie setzte ihn auf die Couch und hockte sich neben ihn.
„Ich packe das alles nich.“ sein Blick verdunkelte sich ziemlich und die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Ich mein, Manuel … dem geht’s nich gut, er sagt nix aber ich sehe es ihm doch an. Und … wegen mir wohnen wir jetzt auf der Straße und wegen mir müssen wir uns von dem Mädchen fernhalten. Ich glaub die hieß Ally … nee Amy. Und … man, der Manuel mochte die. Ich ähm …“ er schloss gequält die Augen. „Ich mach alles kaputt.“ hauchte er dann.
Elisa traute sich nicht zu atmen oder etwas zu sagen. Sie schwieg einfach und legte ganz langsam ihre Hand auf Miguels Hand. Er nahm diese Geste natürlich zu Kenntnis und sah sofort weg. Es war ungewohnt für ihn, von einem Mädchen berührt zu werden, also bewegte er sich nicht.
„Ihr könnt … hier bei mir auf der Couch schlafen. Wenn du nich meine Sachen verkaufst.“ sagte sie ernsthaft. „und die Tür bleibt wo sie ist!“ grinste sie dann und zog die Hand weg.
„Versprochen.“ lachte Miguel kurz auf und sah immer noch weg.
Dann klingelte sein Handy, er zog es zähneknirschend heraus und sah aufs Display. Kurz darauf verstummte es. Er sah zu Elisa.
„Hey … kannst du mir dein Handy geben, damit ich Manu anrufen kann?“ fragte er sie.
Schweigend zog die schwarzhaarige ihr Hände aus der Hosentasche und gab es dem Jungen.
Es dauerte fast zehn Minuten, bin Miguel Manuels Nummer abgetippt hatte und er ihn anrief.
„He.“ begrüßte er ihn.
„Bei Elisa.“
„Können da pennen … sí … sí … éstas loco? ...“ er knurrte auf, senkte aber dann den Blick: „ … Sí.“
Texte: Alle Bilder in diesem Buch, habe ich selbst gezeichnet und ist auch nur für dieses Buch bestimmt.(Bis auf das Cover)
Tag der Veröffentlichung: 30.10.2011
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