Cover

Heute:
Ich weiß nicht, wo anzufangen. Als Lisa und ich uns kennenlernten? Oder als Damien an unsere Schule kam? Oder als Lisa und ich anfingen, nicht mehr miteinander zu reden?

Am besten ich verschaffe euch ein kleinen Überblick, als wir noch alle glücklich waren, das heißt, als das Thema "Jungs" noch auf der Liste mit den Dingen-über-die-man-gar-nicht-erst-redet stand.
Kindergarten. Kindergarten ist ein guter Anfang. Als Lisa und ich uns das erste Mal sahen.

Damals:
Als meine Mum mir erzählte, dass ich ab dem nächsten Tag in den Kindergarten gehen sollte, bekam ich es mit der Angst zu tun. Wenn ich an ihm vorbei musste, lief ich so schnell wie möglich, denn es sah gefährlich aus mit den hohen Drahtzäunen. Und da sollte ich hin?
Also klammerte ich mich an meine Mama und sie musste mich praktisch dahin schleifen. Glücklicherweise trafen wir vor dem Eingang auf ein anderes kleines Mädchen, das sich genauso an seiner Mutter festhielt. Da kamen unsere Mütter auf die Idee, dass wir uns gegenseitig festhalten sollten. Typisch, sie wollten uns nur loswerden. Ich beäugte die andere misstrauisch, um einzuschätzen, ob sie es würdig war. Test bestanden und so gingen wir zusammen rein. Seit dem Tag spielten wir jeden Tag zusammen, im Kindergarten und danach.
Mit Lisa überstand ich auch unsere Einschulung in die Grundschule und die fünfte Klasse.
Jetzt waren wir beide in der 9. Noch 4 Jahre und wir hatten unser Abi in der Tasche! Danach wollten wir zusammen in eine WG ziehen.

Damals:
"Huhu, hier bin ich!", kam Lisa mir winkend entgegen gerannt. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen strahlten. Sie war einfach wunderschön. Und das fiel nicht nur mir auf.
Rote Haare, giftgrüne Augen. Ein Traum! Und die süßen kleinen Sommersprossen passten gut zu ihr, auch wenn sie Lisa nicht gefielen. "Ninaaa! Ich bin soo glücklich!"
"Ist ja mal ganz was Neues! Gibt's einen Grund?", fragte ich lächelnd. Ich kannte doch Lisa.
"Nein, eigentlich nicht. Aber ich habe gerade gemerkt, wie viele süße Jungs es hier auf der Schule gibt. Und guck dir mal den Himmel an! So wunderschön blau!"
Ich sah nach oben. Der Himmel war genauso blau wie die letzten zwei Monate auch. Aber Lisa konnte sich jeden Tag wieder darüber freuen. So ist war sie halt und mir gefiel ihre optimistische Art.
"Gehen wir heute ins CG? Haben wir schon lange nicht mehr gemacht!"
"Ja, gute Idee! Du könntest danach bei mir schlafen. Ist ja Freitag." Früher war das CG, Café Gala, fast schon ein Ritual. Immer freitags haben wir uns dort getroffen. Mal mit ein paar anderen Leuten, mal alleine.
"Ja, super! Ich lieebe Freitage!", rief sie und gab mir ein Küsschen auf die Wange. "So, ich muss jetzt zu Latein, sonst komme ich mal wieder zu spät."
Ich sah ihr noch hinterher, bis sie um die nächste Ecke war. Kurz vorher fiel ihr noch ein ganzer Stapel Blätter runter, den sie hektisch wieder einsammelte. Typisch Lisa!
Als mir einfiel, dass ich auch zu meinem nächsten Unterricht musste, bemerkte ich, dass ich plötzlich alleine da stand. Wo waren denn die anderen? Ich musste wohl länger so da gestanden haben und vor mich hingeträumt haben!
Ich schaute auf die Uhr und sah, dass ich schon zehn Minuten zu spät war. Ich sprintete zum Klassenraum und bekam erstmal einen Klassenbucheintrag. Na super. Das war nicht der einzige in dieser Woche. Auf Nachsitzen konnte ich echt verzichten!

"Da bist du ja endlich! Wo hast du denn gesteckt?"
"Tut mir echt leid", sagte ich völlig aus der Puste, "Meine Mum wollte, dass ich noch "kurz" einkaufen gehe. Das "kurz" hat dann eine halbe Stunde gedauert. Na ja, ich bin ja jetzt da. Hast du schon was Interessantes entdeckt?" Wir bestellten eigentlich immer dasselbe, außer wenn etwas auf der Speisekarte stand, das wir noch nicht kannten. Das musste dann sofort ausprobiert werden.
"Ja, schau mal! Hier ist eine neue Eissorte! Glace au Niba."
"Hmm, klingt ... interessant."
Und so testeten wir es und es schmeckte himmlisch! Eis, Schokolade, Himbeeren und Sahne!
Wir löffelten es bis auf den letzten Tropfen aus und beschwerten uns dann darüber, dass wir die nächsten zehn Tage nichts mehr essen könnten. Was natürlich Unsinn war. Es ging schon weiter, als wir abends bei mir vor dem Fernseher lagen und eine Packung Gummibärchen verdrückten. Warum schmeckte das alles auch so gut? Wir sahen uns zwei Filme an und quatschten dann fast die ganze Nacht über Dinge, die wir uns noch nicht erzählt hatten und über Dinge, über die man immer wieder sprechen konnte. So war das immer. Es war nie so, dass wir uns nichts zu erzählen hätten. Ich konnte ihr auch alles erzählen, wofür ich mich bei anderen Leuten schämen würde.

Heute:
Ich muss also nicht erwähnen, dass wir absolut die besten Freundinnen waren, die es gab.
Und eigentlich müsste ich ja auch nicht erwähnen, dass man für so eine Freundin alles tun und alles aufgeben würde. Eigentlich. Wenn's denn so wäre.

Damals:
Lisa und ich saßen stundenlang über Listen. Listen, mit den Jungs, die wir toll fanden. Listen, mit den Ansprüchen, die wir an sie hatten. Listen, was wir uns kaufen wollten. Listen, mit wem mir die nächste Party feiern wollten. Listen, mit all den Wünschen an unsere Traumtypen.
Diese letzte Liste hätte bei uns nicht unterschiedlicher sein können.
Sie wollte einen großen, möglichst blonden Typen mit braunen Augen. Ich hingehen stellte mir einen dunkelhaarigen Jungen vor, und richtig strahlend blaue Augen. Die Größe war mir egal, solange er größer war als ich und das war nicht schwer zu erfüllen.
Süß, romantisch, höflich, guten Humor, ... Das wäre super. Aber wo gibt's so einen Jungen schon? Ach ja, ich muss gut mit ihm reden können und ein großer Pluspunkt wäre, wenn er gut Franzsösisch sprechen könnte. Oder Italienisch.
Dass es mal ganz anders kommen würde, hätte ich nicht gedacht. Aber man kann sich halt nicht aussuchen, in wen mach sich verliebt. Und man kann trotzdem über beide Ohren verliebt sein.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /