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Der Weihnachtszauber

 Manfred Basedow

 

 

Es war einmal in einer kleinen Stadt. Dort stand in einer einsamen krummen Gasse ein altes windschiefes Häuschen. Die Fensterläden konnten den Wind nicht mehr richtig abhalten, weil sie durch den Zahn der Zeit schief in den Angeln hingen.

 

 

Werfen wir mal einen Blick in die gute Stube, wo eine kleine Petroleumlampe sein spärliches Licht auf einen kleinen Tisch hauchte. Die Kate war so winzig, dass sie nur diesen einen Raum hatte, der Wohnstube, Küche und Schlafzimmer in einem war.

 

An diesem Tisch saß ein kleiner Knabe und war traurig, denn ein Rad seines einzigen Lieblingsspielzeugs, eine Miniaturkutsche mit zwei Pferden, war abgebrochen.

 

Wie konnte es wieder repariert werden, denn der Papa des Jungen war mal wieder von seinem König zu einem seiner zahlreichen Kriege einberufen worden. Niemand war sich sicher, ob und wann er wieder nach Hause kam.

 

Aber was noch viel schlimmer war, in drei Tagen war Weihnachten. Peter, wie der Knabe hieß, hatte trotzdem nur einen Weihnachtswunsch, dass sein Vater endlich wieder zurückkam.

 

„Peter räum dein Spielzeug weg! Es ist Zeit fürs Abendbrot“, forderte seine Mama ihn auf. „Wann kommt denn endlich Papa wieder nach Hause. Ohne ihn freue ich mich nicht auf das Weihnachtsfest“, fragte der Junge.

 

„Das weiß nur der König. Doch ihn zu fragen wäre töricht.“

 

Nachdem ihr Sohn seine Spielzeugkutsche in seine Spielecke verstaut hatte, setzte er sich zum Abendessen an den Tisch zurück. Es gab Mehlsuppe mit einem Stück trockenem Brot. Zu mehr reichte es den beiden schon lange nicht mehr. Woher sollten sie denn auch Geld hernehmen? Der Mann, der es verdienen konnte, war im Krieg.

 

„So, Peter, wasch dich und dann ab ins Bett. Es wird Zeit zu schlafen.“

 

Er legte sich auf die Ofenbank neben den Herd, der ein wenig Wärme spendete. Nach einigen Minuten war Peter schon im wundervollsten Land der Welt, im Traumreich.

 

In dieser Nacht träumte der Knabe, dass das Heer des Königs gesiegt hatte und Papa unversehrt nach Hause zurückkehrte. Wie freute sich der Junge, fiel ihm strahlend um den Hals und wollte ihn gar nicht mehr loslassen.

 

„Schön, dass du gekommen bist. Jeden Tag habe ich dich vermisst, besonders seit mein einziges Spielzeug entzwei gegangen ist. Mama kann mir leider nicht helfen, es wieder ganz zu machen.“

 

Der Vater erwiderte die liebevolle Umarmung seines Nachwuchses und konnte kaum die Tränen der Freude zurückhalten.

Gerade in dem Moment war Mitternacht. Die dunkle Stube wurde von einem gleißenden, wundersamen Licht erhellt.

 

Eine gute Fee hatte die Familie schon eine ganze Weile beobachtet. Ihr tat es leid, dass dem braven Knaben Peter, der seiner Mutter stets gehorchte, nichts weiter übrig, ein so armes Leben zu führen .

 

 

Sie erhob ihren Zauberstab und sprach: „Genug habt ihr in bitterster Armut gelebt, ohne ein bisschen Freude im Leben. Das wird von nun an für immer vorbei sein.“

 

Der Junge bekam von dem nächtlichen Besuch der Fee überhaupt nichts mit, so fest träumte er von der Rückkehr seines Papas.

 

Als seine Mama und er am anderen Morgen erwachten, glaubten sie an einem fremden Ort zu sein. Denn durch den Zauber der Fee war aus der alten Kate ein solides Haus geworden. Peter erwachte in einem kuschelweichen Bett in einem eigenen Kinderzimmer.

 

Er rannte in die Küche. Was erblickte der junge Bursche? Sein Papa saß wie selbstverständlich am Küchentisch, als wäre er nie fort gewesen.

 

Der Sohnemann rieb sich die Augen, weil er glaubte, noch zu träumen. Doch es war kein Traum, sein nächtlicher Wunsch hatte sich erfüllt.

 

„Papa, endlich bist du wieder zu Hause! Gerade träumte ich noch, dass der Krieg endlich vorbei war und du hier bei uns!“ Er fiel ihm um den Hals und wollte ihn gar nicht wieder loslassen, als wolle er ihn daran hindern wieder fort zu gehen.

 

Der Vater erzählte seiner Frau und dem Jungen nun, was ihm widerfahren war. „Der König forderte von unserem Heer wieder viele Opfer, um ein weiteres Reich zu erobern, weil ihm sein eigenes nicht groß genug dünkte.

 

Gegen Mitternacht befand ich mich noch mitten in einer Schlacht, sah viele Kameraden fallen.

 

Doch plötzlich wurde ich durch eine unsichtbare Kraft gepackt und fand mich in diesem bekannten und doch fremden Heim wieder. Aber, ich beschwere mich nicht und bin unendlich froh, wieder bei euch zu sein.“

 

Genau in diesem Augenblick erschien das blendende, gleißende Licht, wie schon um die Stunde zu Mitternacht. Dann stand plötzlich die schöne Fee in der Stube.

 

„Ich bin die Fee Glitzerschein, habe eure Familie schon sehr lange im Blick. Besonders der arme kleine Peter tat mir leid, dass er so oft in seinem jungen Leben auf seinen Vater wartete, weil der mal wieder als Soldat in den Krieg gerufen wurde. Als dem Kind nun auch noch sein einziges Spielzeug entzwei ging, wurde mir klar, hier gebot es meinem Gerechtigkeitssinn einzuschreiten.“

 

„Habt Ihr mich durch Zauberei nach Hause geholt?“, fragte Peters Papa überrascht.

 

„Ja, das habe ich erfüllt und eure alte, windschiefe Kate in ein solides Haus verwandelt. Du sollst nie wieder in den Krieg müssen, denn dein König wird dich in Zukunft übersehen.“

 

So geschah es, dass der Vater nie wieder als Soldat seine Familie verließ, um der Mobilmachung zu folgen.

 

 

Er war eigentlich Schreiner von Beruf, fand neben dem Haus eine Werkstatt vor, die mit den modernsten Werkzeugen dieser Zeit ausgestattet wurde. Die Möbelstücke, die er anfertigte, waren so gut, dass bald selbst der König von dem meisterhaften Können erfuhr.

 

Eines Tages kam ein kostbar gewandeter Herr in die Schreinerei und sagte: „Seiner Majestät, dem König kam zu Ohren, dass Ihr ein guter Meister seid, der sein Handwerk gut versteht. Ihr erhaltet den Auftrag, die Inneneinrichtung für die neue Schatzkammer zu schaffen, weil seine alte langsam zu klein wird. Schafft Ihr alles in drei Monaten fertig zu stellen, will der König es euch reich belohnen. Werdet Ihr bis dahin seine Hoheit nicht zufrieden stellen, werdet Ihr hart bestraft.“

 

Ob Peters Vater wollte oder nicht, er musste sich der Weisung seines Königs fügen und sich an die Arbeit machen. Sein erster Weg führte ihn zum Schloss, denn er hatte für diesen Auftrag die genauen Maße zu nehmen, damit die Inneneinrichtung später auch richtig passte.

 

Innerlich ärgerte er sich darüber, weil er so wieder an den kriegswütigen Monarchen erinnert wurde, von dem ihn der Zauber der Fee eigentlich erlöst hatte.

 

Zu allem Überfluss fiel dem Schreinermeister ein, dass in zwei Tagen das Weihnachtsfest bevor stand.

 

Noch hatte er trotz allen Könnens noch nicht so viel verkauft, um für Peter ein schönes Weihnachtsgeschenk auf dem Markt auszusuchen.

 

In dieser Nacht lag der Mann lange wach, konnte vor Sorgen kaum einschlafen. Bis um Mitternacht wieder die gute Fee Glitzerschein im Zimmer stand.

 

 

Sie erhob ihren großen Zauberstab und sprach:

 

„Oh, du Geist der seligen Weihnacht, lasse die Herzen des Schreiners und seiner Familie leuchten. Spende besonders Peter das Wunder der Weihnacht.“

 

Als Peter am anderen Morgen in die Stube kam, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Am schönsten Platz stand ein so schön geschmückter Weihnachtsbaum, dass selbst der König im fernen Schloss neidisch geworden wäre.

 

Unter dem Baum lagen drei fantasievoll verpackte Geschenke, die in dem Jungen den Zauber der Weihnacht erwachen ließen.

Rasch lief der Sohn ins Schlafzimmer und weckte seine Eltern.

 

„Kommt schnell und seht, was für ein Wunder geschehen ist!“ Der Ruf klang so dramatisch, dass Mama und Papa sich beeilten, um ebenfalls in die gute Stube zu gelangen.

 

Was sie dort zu sehen bekamen, übertraf ihre leisesten Ahnungen bei weitem.

 

Sie entdeckten auch den tollen Baum und die Geschenke, die unter dem Baum lagen. Während sie sich noch wunderten und staunten, pochte es dreimal dumpf an der Eingangspforte.

 

Papa ging hin, öffnete sie und blieb mit offenem Mund stehen. Vor ihm stand wahrhaftig und leibhaftig der echte Weihnachtsmann in seinem langen roten Mantel, einen großen langen Stab in der einen Hand, in der anderen den schweren Sack. Ein langer weißer Bart reichte ihm bis zum Gürtel. Auf seinem Haupt trug er eine rote Mütze.

 

Wortlos, deutete der Mann dem Weihnachtsmann, dass er in seinem Haus herzlich willkommen war.

 

Der alte Bärtige begann zur Familie zu sprechen: „Euer armes Leben soll für immer der Geschichte angehören. Du Schreinermeister Hans, wirst fortan durch deine meisterhafte Arbeit mit den Deinigen in Wohlstand leben und zu den Glücklichen zählen. Die Fee Glitzerschein berichtete mir, was ihr im bisherigen Leben zu leiden hattet. Deshalb spreche ich über euch den großen Weihnachtszauber aus, der bis ans Ende eurer Tage andauern soll.“ Gerade wollte sich die Familie vom Weihnachtsmann dankvoll verabschieden, da war er urplötzlich verschwunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jetzt ging es ans Auspacken der Geschenkpakete. Peter war am schnellsten und rannte vor Freude zehn Runden um den Baum, denn er hatte einen Miniaturpferdestall mit kunstvoll geschnitzten Pferden und einer goldenen Kutsche bekommen.

 

Papa Hans Paket war aber das eigentliche Weihnachtswunder. Denn die komplette Inneneinrichtung für die Schatzkammer des Königs war schon fertig eingebaut, was dem Schreiner eine reiche Belohnung einbrachte. Außerdem ernannte der Herrscher ihn zum königlichen Hofschreiner.

 

Die Mama von Peter bekam schöne Kleider und konnte zur Erleichterung der täglichen Hausarbeit eine Magd einstellen.

Als der Junge ins heiratsfähige Alter kam, verwandelte die Fee Glitzerschein die goldene Spielzeugkutsche in eine echte, setzte ihn hinein und ließ das edle Gefährt zum königlichen Schloss vorfahren. Prinzessin Margitta sah zufällig dieses Gespann und verliebte sich augenblicklich, in den gut aussehenden jungen Mann, der gerade ausstieg.

 

Der König wurde eilig über die Ankunft dieser wertvollen Kutsche informiert und ließ Peter empfangen, der wie ein edler Prinz aus einem fernen Reich gewandet war.

 

Vor dem Thron angelangt, verbeugte er sich vor der Majestät, wie es sich ziemte, bevor er sprach: „Eure Majestät, mein Name ist Prinz Peter I. aus dem Diamantenreich. Die Schönheit Ihrer Tochter Prinzessin Margitta eilt ihr weit hinaus, bis in mein fernes Reich. Ich bitte Euch um die Hand Ihrer Tochter.“

 

Der König, der nie genug Reichtum bekommen konnte, hörte auf, als er vom Diamantenreich erfuhr. In seinen Gedanken funkelten sie schon unaufhörlich, sodass er wie automatisch der Bitte des Prinzen nachkam.

 

Es wurde eine sehr große Hochzeit, auf der das neue Paar ausgiebig tanzte und sich auf seine neue, gemeinsame Zukunft freute.

 

Der Vater der neuen Gemahlin von König Peter I. vom Diamantenreich und dem Reich, in dem er eigentlich schon immer gelebt hatte, grübelte den Rest seines Lebens darüber nach, woher ihm sein Schwiegersohn bekannt vorkam, doch der Schutzzauber der guten Fee Glitzerschein, entfaltete seine ganze Wirkung.

 

Als das erste Enkelkind geboren wurde, konzentrierte er seine ganze Freude dem neuen Familienmitglied.

 

Schreinermeister Hans mochte sein Handwerk so gut, dass er beschloss, seine Werkstatt weiterzuführen. Viele junge Burschen meldeten sich bei ihm an, um eine Lehre in diesem Beruf zu beginnen und bald als Handwerkergesellen auf Wanderschaft zu gehen.

 

® Manfred Basedow, 28.11.2017, Rostock

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Tag der Veröffentlichung: 28.11.2017

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