Fidibus und der Weihnachtsmann
Weihnachtsmärchen
Manfred Basedow
Es war einmal ein Waldzwergenjunge mit dem Namen Fidibus, der im tiefsten Wald der Märchenwelt zuhause war.
Waldzwerge sammelten vor allem die Früchte des Waldes und tauschten sie bei den anderen Zwergen gegen andere nützliche Dinge.
Eines Morgens öffnete Fidibus die Steinpilzhütte, in der der Junge mit seinen Eltern und seiner Schwester Minni lebte. Der ganze Wald war wie verwandelt, weil es in der letzten Nacht lange geschneit hatte. „Papa komm schnell! Alles ist weiß. Wo muss ich jetzt im Winter hin?“
Papa Buchenwilli rief laut: „All ihr Geister im Märchenwals, befreit vom Schnee unsere Zwergenpfade.“
Kaum, dass der große Waldzwerg seinen Zauberspruch ausgesprochen hatte, waren ruck zuck winzige Pfade auf dem verschneiten Waldboden zu sehen, die nur für Zwerge erkennbar waren.
„Danke Papa“, rief Fidibus ihm zu, „ich hole jetzt Waldhimbeeren für unsere Weihnachtstorte.“
Ja, ihr habt richtig gehört, auch Zwerge freuten sich jedes Jahr auf den Weihnachtsmann.
Der Knabe konnte auf den Zwergenpfaden von Ort zu Ort sausen, fast so schnell wie die Gedanken. Sie brauchten sich bloß an die großen Himbeersträucher zu erinnern, so waren sie augenblicklich da, wie heute Fidibus.
Waren die Früchte für normal sterbliche Menschen im Winter abgeerntet oder von den wilden Tieren im Wald gefressen, konnten die Waldzwerge zu jeder Jahreszeit die Beeren und Pilze sammeln, auf die sie gerade Appetit hatten.
An diesem Morgen war der Junge besonders freudig unterwegs, denn überall lag der erste Schnee in diesem Winter. Die riesigen Tannen trugen zauberhafte weiße Hauben, aus denen nur die Tannenzapfen hervorlugten.
Gerade als Fidibus die Himbeersträucher erreichte, fiel sein Blick auf einen so riesigen Schlitten, dass der, selbst für normal gewachsene Menschen, kolossal wirkte. Auch die Rentiere erschienen in dieser ungewöhnlichen Größe. Dann sah der Waldzwergenjunge die wichtigste Weihnachtsgestalt der Welt, den echten Weihnachtsmann.
Menschen stellten ihn sich teilweise als Schokoladenmann vor, der einen roten Stanniolmantel trug.
Der Echte hatte Ausmaße, die die höchsten Wolkenkratzer der Menschen in den großen Städten der Welt, noch um neun Meilen übertraf. In den Geschenkesack passte nahezu die gesamte Erde hinein.
Fidibus begriff, dass nur so alle Kinder, rund um den Globus, gleichzeitig ihre Gaben in nur einer Nacht erhalten konnten.
Aber irgendetwas in dem Jungen sagte ihm, dass mit dem Schlitten etwas nicht in Ordnung war.
Er machte sich auf den Weg, um am Bein weiter nach oben zu klettern, bis er die breite Brust erreicht hatte. Wenn er sonst seine magischen Kräfte einsetzen konnte, war er dieses Mal gezwungen, mit eigener Muskelkraft emporzusteigen. Fidibus informierte aber seine Waldzwergenfamilie in der Steinpilzhütte, weshalb er nicht so schnell nach Hause kommen würde.
Papa Buchenwilli ließ in Windeseile alle Wald-, Wiesen-, Heide- und Fliegenpilzzwerge erscheinen. Alle Zwerge vereinigten sich und wuchsen so lange empor, bis sie die Höhe des echten Weihnachtsmannes erreichten.
Irgendwann bemerkten sie auch den kleinen Waldzwergenjungen, der gerade völlig erschöpft in einer Mantelfalte des Riesenmannes schlief.
Der Hauptzwerg fragte den großen Bärtigen, „Sag an, alter Herr aller Weihnachtsgeschenke, warum bist du mit deinem Rentierschlitten in unserem Märchenland gelandet?“
Der Gefragte antwortete im tiefsten Bass, wie ihn noch nie jemand hat reden hören, „Die rechte Kufe meines sieben Meilen langen Schlittens ist in der Mitte gebrochen. Zwerge des Waldes, ich brauche eure geballte Zauberkraft, um ihn wieder flott zu kriegen. Sonst muss die Bescherung bei den Kindern dieser Welt in diesem Jahr ausfallen.“
Fidibus hatte so fest geschlafen, dass er die Verwandlung der anderen Zwerge zum Riesen gar nicht mitbekam. Doch der eindringende tiefe Bass des wichtigsten Mannes des Weihnachtsfestes weckte alles und jeden. Der Winzling ließ sich dank seiner telepathischen Kräfte auf die Schulter des Zwergriesen fliegen und wollte den großen in seinem roten Mantel gekleideten Opa aus der Nähe betrachten.
Jetzt erst fiel ihm der riesige lange, weiße Bart auf, denn der ragte von seinem Kinn wohl noch zwei Meilen in die Tiefe hinab, bis kurz über seinem, eine Meile breiten schwarzen Gürtel.
Der Blick des Weihnachtsmannes war so magisch und strahlte die vollkommenste Güte aus, der keine bösen Gedanken zuließ.
Deshalb fiel es Fidibus nicht schwer, ihn nach einer ihn dringenden Auskunft zu bitten; „Lieber Weihnachtsmann, hast du auch in diesem Jahr genau das gewünschte Geschenk dabei, das auf meinem Wunschzettel stand?“
„Ja, was glaubst du denn, warum sollte ich denn je einen Wunsch vergessen, der auf der großen Liste eingetragen wurde? Mach einfach deine Augen zu und denk an deine Bitte, dann wird es dir sogleich als Bild erscheinen.“
Der Junge gehorchte, schloss seine Gucker und schon wurde die Farnwedelschaukel sichtbar, in der Minni, die Schwester von Fidibus und der Knabe abwechselnd schaukelten und sich freuten.
Als er den Weihnachtsmann wieder anblickte, konnte dieser ein breites Lächeln im Gesicht erkennen. „Siehst du, so schnell warst du zufrieden. Damit sich aber auch alle Kinder der Welt über ihre Geschenke freuen können, helft mir mit eurer geballten Waldzwergenmagie, um meine gebrochene Schlittenkufe zu reparieren.“
Die Winzlinge murmelten einen Zauberspruch in ihrer geheimnisvollen Sprache.
Nach nicht mal einer halben Sekunde war der Schlitten wieder heil.
Der Weihnachtsmann war von der schnellen, unkomplizierten Hilfe der Zwerge so gerührt, dass er dafür sorgte, dass deren Schätze niemals versiegen sollten.
So konnten die Bergzwerge aus dem Land der sieben Berge auf Lebenszeit Gold, Silber und Edelsteine aus ihrem Bergwerk holen. Die anderen Zwerge fanden wirklich zu jeder Jahreszeit Beeren, Früchte, Eicheln und Pilze, und konnten zu jedem Zwergenjahrhundert neue Rezepte erfinden.
Daraus wurden dann leckere Speisen, aber auch Wundermittel und Heiltinkturen ganz nach Zwergenart angefertigt.
Als der Waldzwergenjunge Fidibus zuhause ankam, beugte sich der Riesenweihnachtsmann persönlich zu der Steinpilzkolonie der kleinsten menschenähnlichen Lebewesen des Waldes herab. Mit einer riesigen Lupe band er die neue Schaukel zwischen zwei große Farnwedel, die für Leichtgewichte ausreichten, um nicht beim Spielen zu reißen.
Bei der Weihnachtssause in der Steinpilzhütte saßen vier Zwerge der Familie am Eichenblatttischchen und aßen die Weihnachtshimbeertorte, wie es seit jeher bei den Waldzwergen üblich war.
Fidibus der Waldzwergenjunge, Buchenwilli, Minnie und Mama Susi wünschen allen kleinen und großen Freunden ein schönes Weihnachtsfest. Vielleicht gelingt dir auch eine wundersame Begegnung mit dem Weihnachtsmann, der mit seinem sieben Meilen langen Rentierschlitten unterwegs ist, um in einer einzigen Nacht alle glücklich zu machen.
® Manfred Basedow, 04.12.2022, Rostock
Manfred Basedow
Tag der Veröffentlichung: 29.11.2016
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