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Der Pfeifenmacher

 

Märchen von Manfred Basedow

 

 

 

Es war einmal in einem fernen Land, da lebte ein armer Mann in einem kleinen Dorf in den Bergen.

Joseph ging dem alten Handwerk des Pfeifemachers nach, wobei er kunstvoll geschnitzte Meerschaumpfeifen zum Tabakrauchen anfertigte. Immer wenn es Frühjahr wurde, verpackte er seine im Winter geschnitzten Rauchinstrumente in seine Tasche und wanderte von einem Jahrmarkt zum anderen, wo er seine Ware zum Verkauf anbot.

Er war ein junger Handwerker, der sein Können von seinem Vater vermittelt bekam. Als das Alter die Hände des alten Meisters steif werden ließ, erklärte sich sein Sohn bereit, die Werkstatt in seinem Sinne fortzuführen und weiter an seiner Schnitzkunst arbeiten wollte.

 

 

 

Eines Tages saß Joseph in seiner Werkstatt im Winter und schnitzte gerade an einem Jagdmotiv an der Brennkammer für die nächste Tabakspfeife, da betrat ein vornehmer Herr seinen Raum: „Ich hörte du machst die besten Tabakspfeifen in der Umgebung.

 

Der König hat bald ein rundes Krönungsjubiläum und wünscht sich eine ganz besondere Meerschaumpfeife mit dem Abbild unseres Königs Karl. Hier ist ein Medaillon, auf dem der König zu sehen ist. Nach diesem Vorbild schnitze bitte den Pfeifenkopf.“ „Wer sind Sie? Sie haben sich noch gar nicht vorgestellt.“, fragte Joseph nach, dem der unhöfliche Auftritt des Herren nicht gefiel.

 

„Wer ich bin, tut hier nichts zur Sache. Fertige die Pfeife in zwanzig Tagen, dann komme ich wieder. Wenn sie bis dann nicht bereit liegt, bestrafe ich dich. Ist die Pfeife fertig und so kunstvoll gearbeitet, wie dein Ruf eigentlich vermuten lässt, erhältst du eine großzügige Belohnung.“

 

Joseph konnte ein paar Taler mehr schon gut gebrauchen, denn so ein Pfeifenmacher wurde nicht gerade reich bei seiner Arbeit. Deshalb antwortete Joseph: „Na schön, ich nehme den Auftrag an und werde die Pfeife rechtzeitig fertig haben.“

 

Erst jetzt hatte der Handwerksmeister einen Blick für seinen besonderen Kunden übrig. Sein Gewand war aus kostbaren Stoffen genäht. Dazu trug der Mann einen ausladenden Federhut mit breiter Krempe. Im Gesicht wuchs ein vornehm gezwirbelter Schnurrbart, der an den berühmten Bismarckbart erinnerte.

 

Der Herr war mit seiner Antwort zufrieden und verließ die Werkstatt.

 

Der Pfeifenmacher Joseph legte die Arbeit, an der er gerade schnitzte, aus der Hand, und suchte sich das Rohmaterial für die neue Pfeife des Königs heraus.

Der Handwerker machte sich ohne lange nachzudenken ans Werk, denn in zwanzig Tagen würde der vornehme Herr wiederkommen, um das Rauchinstrument abzuholen.

 

 

 

Zunächst stellte Joseph den Pfeifenkopf aus osmanischem Meerschaum her, dann schnitzte er das Bild des Königs Karl in die Frontseite. Da brauchte er sein ganzes Können, damit der Herrscher des Reiches erkannt würde. Hinterher waren selbst die Juwelen der Krone fast greifbar, so lebensecht sah das fertige Kunststück aus.

 

Als nächstes stellte er aus einem besonderen Holz den Pfeifenholm her, der später den Pfeifenkopf mit dem Mundstück verbinden würde.

 

Der musste an die Bohrung des Kopfes passen und innen ausgehöhlt sein, damit der Tabakrauch nach oben zum Mundstück ziehen konnte. Der Holm wurde oben durch eine Hirschhornscheibe abgeschlossen und das Mundstück eingesetzt.

 

Joseph war sehr stolz auf diese außergewöhnliche Arbeit, denn diese Pfeife war tatsächlich sein echtes Meisterstück.

 

Pünktlich am zwanzigsten Tag erschien der vornehme Herr: „Hast du die Pfeife pünktlich fertig bekommen?“ Der Pfeifenmacher Joseph ging nach hinten und holte das Etui, das er zur Aufbewahrung dieser besonderen Arbeit schuf. Ganz andächtig öffnete er es vor dem vornehmen Herren, der wirklich hin und weg war. So eine schöne Tabakspfeife hatte er in seinem bisherigen Leben noch nicht gesehen.

 

„Das ist famos, die beste Arbeit, die ich je erblickte. Dafür erhältst du zwanzig Dukaten. Außerdem darfst du sie persönlich am Krönungsjubiläum König Karl in seinem Thronsaal überreichen. Ich bin der erste Minister dieses Reiches.“ „Wann feiert denn seine Majestät sein großes Krönungsfest?“, wollte der Pfeifenmacher wissen.

 

„Komm morgen drei Stunden nach Sonnenaufgang zum Schloss des Königs. Ich lasse dich mit einer Kutsche abholen und kauf dir von den Dukaten ein Gewand, das dich vor dem Thron besser aussehen lässt.“

 

Daraufhin verließ der Minister des Königs die Werkstatt und fuhr mit seiner Kalesche zur Hauptstadt des Reiches.

Joseph ging nun zu seinem besten Freund den Gewandmacher Hans und fragte ihn: „Morgen muss ich vor den König ins Schloss. Dafür brauche ich ein neues Gewand, das dafür taugt. Du bekommst einen halben Dukaten dafür, wenn ich es noch heute bekomme.“ Hans wurde neugierig und fragte nach dem Grund: „Was willst du denn als kleiner Pfeifenmacher beim König?“

 

Joseph antwortete: „Vor zwanzig Tagen erschien der erste Minister des Königs bei mir in der Werkstatt und gab mir die Order auf, dass ich bis heute eine ganz besondere Meerschaumpfeife bauen sollte, mit dem Bild von König Karl auf dem Pfeifenkopf. Morgen feiert er sein großes Krönungsjubiläum.

 

Deshalb wurde ich vom Minister in das Schloss eingeladen, weil ich das Präsent persönlich an König Karl übergeben soll.“ „Dazu gratuliere ich dir. So eine Ehre wird nicht jedem zuteil. Ja, dafür nähe ich dir ein schönes Gewand.“ Der Schneider legte los und konnte Joseph schon am frühen Nachmittag zur Anprobe rufen. Das war so ein Gewand, das Joseph wie ein Grafensohn wirken ließ. Er bedankte sich beim Schneider Hans, gab ihm den versprochenen halben Dukaten und begab sich nach Hause.

 

Zufrieden kam der junge Mann Zuhause an und bereitete sich auf die Nacht vor, denn am anderen Tag wollte er ausgeschlafen vor dem König erscheinen. Gerade wollte er die Kerze löschen, da tauchte aus dem Kerzenrauch ein kleines Männchen auf. „Du sollst morgen zum König Karl, um ihm dein Meisterstück die besondere Meerschaumpfeife mit seinem Abbild zu überreichen.

 

Wenn du tust, was ich dir sage, wird dieser Tag dein absoluter Glückstag werden.“ Erschrocken fragte Joseph: „Wer bist du? Warum tauchst du so plötzlich aus dem Kerzenrauch auf?“ „Ich bin Mäxchen Hahnenstolz, das Rauchmännchen.

 

Wenn du morgen vor den König trittst, um ihm die Pfeife zu übergeben, wird auch die Prinzessin Roswitha anwesend sein, die unermesslich schön ist und sehr klug. Der König wird von deiner Arbeit so erfreut sein, dass er dich fragen wird, was du für einen Lohn möchtest. Darauf antworte: ‚Nichts außer Eure Tochter Prinzessin Roswitha als Braut.’

 

König Karl wird erst einmal ablehnen. Dann fordere den König auf: ‚Weihe meine Meerschaumpfeife ein.’ Der Tabak hat eine besondere Eigenschaft, denn er wird den König um- und deiner Hochzeit mit seiner Tochter zustimmen.“ Genauso plötzlich wie Mäxchen aufgetaucht war, verschwand er nach dem Ausblasen der letzten Kerze.

 

Am anderen Morgen fuhr die Kutsche des Königs vor, mit dem Wappen auf der Tür, der Lakai öffnete sie und bat Joseph einzusteigen.

 

Dann kam sie vor dem Schloss an und der Pfeifenmacher schritt mit dem besonderen Etui in der Hand zum Thronsaal des königlichen Hauses. Joseph war so aufgeregt, dass er die wertvolle Ausstattung links und rechts des langen Ganges gar nicht wahrnahm.

 

Die Doppeltür zum Thronsaal wurde geöffnet und der Zeremonienmeister rief laut, wobei er seinen langen Stab auf den Saalboden stieß: „Pfeifenmacher Joseph zur Übergabe seines Meisterwerkes erschienen!“

 

Der Pfeifenmacher begab sich vor den Thron und verbeugte sich mit dem Hofdiener, wie es sich vor dem König ziemte.

 

König Karl sprach den Pfeifenmacher Joseph an: „Ihr seid also der beste Pfeifenmacher meines Reiches, wie mir mein erster Minister berichtete. Dann zeigt mir bitte Euer Meisterwerk.“

 

Joseph überreichte dem König das Pfeifenetui geöffnet mit beiden Händen. Da wurde ein solches Kunstwerk offenbar, wie es König Karl noch nie vorher gesehen hatte. Ehrfürchtig nahm er den Pfeifenkopf in die Hand, wo sein Abbild in meisterlichen Konturen heraus gearbeitet wurde.

 

„Was wollt Ihr dafür haben Königlicher Pfeifenmacher Joseph?“ Schon durch diesen ausgesprochenen Titel müsste ein Handwerker aus dem einfachen Volk sich geehrt fühlen.

 

„Eure Majestät gebt mir Eure Tochter Prinzessin Roswitha zur Gemahlin. Einen anderen Lohn begehre ich nicht.“ „Ich kann Euch doch nicht meine Tochter geben, wo Ihr doch nicht von Adel seid.“, entgegnete der König.

 

Darauf sagte Joseph: „Eure Majestät weiht bitte erst einmal meine Pfeife ein, damit Ihr Euch persönlich überzeugt, dass sie nicht nur gut aussieht, sondern auch gut zu gebrauchen ist. Sie ist schon mit einem besonderen Tabak gefüllt, der Euch sehr munden wird.“

 

Also wurde die neue Meerschaumpfeife zusammengesetzt und dem König mit einer langen Kordel umgehängt, denn der Pfeifenholm war fast so lang, wie der Körper des Herrschers. Ein Diener hielt ihm das Holz über die Brennkammer des geöffneten Pfeifenkopfes.

 

König Karl begann am Mundstück zu ziehen, der Tabak fing an zu brennen, sodass sich der besondere Duft entfaltete. Dieser bewirkte wirklich, wie vom Rauchmännchen Mäxchen Hahnenstolz vorhergesagt, dass der König wie selbstverständlich antwortete: „Das ist ein so guter Tabak und eine bessere Pfeife habe ich nie besessen. Prinzessin Roswitha soll Eure Gemahlin werden, wie Ihr wünscht.“

 

Nach der Hochzeit als der neue Herzog in der Hochzeitsnacht die Kerzen anzünden wollte, tauchte im Rauch wieder Mäxchen das Rauchmännchen auf und sagte: „Du hast meinen Rat befolgt, damit wurde auch ich von einem alten Fluch befreit, mit dem mich eine böse Hexe belegt hatte.“

 

Noch einmal zischte, fauchte und knallte es, dann stand ein junger stattlicher Mann vor Herzog Joseph und eilte befreit und vor Freude über sein wieder gewonnenes Leben von dannen.

 

So kam es, dass der Pfeifenmacher Joseph aus dem einfachen Volke, mit der Prinzessin Roswitha vermählt wurde und sein großes Glück fand, von König Karl in den Adelstand erhoben  wurde und das Herzogtum Meerschaumpfeifenland erhielt.

 

Herzog Joseph und Prinzessin Roswitha verliebten sich und wurden ein glückliches Paar.

 

Wenn sie nicht gestorben sind, leben Sie noch heute.

 

Herzog Joseph vergaß nie, wo er herkam und richtete im Laufe seines Lebens eine einzigartige Sammlung kunstvoll gearbeiteter Pfeifen aus aller Welt ein.

 

® Manfred Basedow

15.03.2014, Rostock

 

Impressum

Texte: Manfred Basedow
Bildmaterialien: Manfred Basedow, lizenzfreie Cliparts Microsoft Office
Tag der Veröffentlichung: 15.03.2014

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