Von 1982 – 1997 gehörte ich dem Blasorchester der Warnowwerft Warnemünde an. Unsere schönsten Auftritte führten uns vom 20.07. – 23.07.1986 in die ehemalige Volksrepublik Polen, wo wir anlässlich des 42. Nationalfeiertages unseres Nachbarlandes eingeladen wurden.
Zunächst reisten wir in einem Ikarus Reisebus nach Stettin, wo wir in einem Studentenhotel einquartiert wurden. Unser Blasorchester der Warnowwerft Warnemünde war damals mit Aushilfen sechs Frauen und 32 Männer stark. Bei uns spielten selbst Berufsmusiker des Stabsmusikkorps der Volksmarine Rostock und des Musikkorps der Volksmarine Hohe Düne mit.
Während der Busfahrt nach Stettin, bekam unserem Dirigenten Willi der letzte Schnaps nicht. Seine Beine wollten ihm nicht mehr gehorchen. Seine Frau Marlies brachte ihn mit ein paar „blauen Pillen“ wieder auf Vordermann. Damals gab es noch keine Autobahn A 20. Deshalb fuhren wir auf einer Fernverkehrsstraße, wie die heutigen Bundesstraßen vor der Wende bei uns hießen, in Richtung Neubrandenburg. Unterwegs rasteten wir auf einem Rastplatz, denn unser Bus hatte keine Toilette an Bord, wie sie bei Reisebussen heute selbstverständlich sind. Dort entdeckten wir lauter kleine Kätzchen, die dort in einem Schuhkarton einfach neben dem Häuschen abgelegt worden waren. Leider konnten wir sie auf unsere Reise nach Polen nicht mitnehmen, obwohl uns die Tierbabys Leid taten.
Dann fuhren wir bis nach Neubrandenburg weiter, wo wir in einer Gaststätte Frühstück aßen. Am Grenzübergang Linken, mussten alle Musiker ihre Personalausweise vorzeigen. Doch bei unserem Klaus wurde es brenzlig. Sein Ausweis war wohl nicht mehr ganz taufrisch. Die Grenzer sprachen schon von Einsperren und Zurückschicken. Dank guter Zurede beließen sie es dann doch bei einer Ermahnung. Gegen 11:25 Uhr passierten wir die Grenze und waren auf polnischem Boden. Im Studentenhotel „Almatur“ wurden wir untergebracht. Gegen 13:00 Uhr bekamen wir in der Mensa Mittagessen. Zwei Frauen kamen später zu unserem Organisator des Orchesters und beschwerten sich, dass ihr Zimmer unbewohnbar war. Er setzte durch, dass sie ein anderes Appartement bekamen.
Im Stettiner Jugendklubhaus fand von 16:00 – 18:00 Uhr ein Freundschaftstreffen zwischen Jugendlichen aus der Sowjetunion, Polens und der DDR statt. Dort gaben wir unser erstes Konzert und bekamen einen so herzlichen Applaus, wie es in einem deutschen Jugendklub undenkbar wäre. Uns gefielen die Darbietungen der anderen Kulturgruppen.
Um 18:00 Uhr bekamen wir alle ein Abendessen, wobei der Reiseleiter 900 Zloty pro Person verteilte. Einige Männer spielten an dem Abend eine zünftige Runde Skat, die regelrecht in ein Saufgelage ausartete. Am nächsten Morgen waren die Beteiligten über den selbst geschaffenen Berg leerer Flaschen überrascht.
Am 21.07.1986 fuhren wir im Reisebus weiter in die polnische Stadt Chojna, wo wir zunächst einen Einkaufsbummel durch die Stadt unternahmen. Gegen 13:00 Uhr fanden wir uns zum Mittagessen in einem rustikal eingerichteten Restaurant ein. Dort wurden wir am Eingang von einer Zigeunerkapelle begrüßt, bei der wir den Eindruck hatten, das Lied hätte 150 Strophen. Am lustigsten fand ich den Klarinettisten, dem die oberen Schneidezähne fehlten. So konnte er das Instrument genau zwischen die beiden Eckzähne klemmen. Am Ende lieh sich ein Musiker von uns die Geige vom Geiger und eine Musikerin die Trompete aus und spielten spontan mit der Truppe mit. Das gefiel der Zigeunerkapelle natürlich sehr.
Nach dieser lustigen Begebenheit gaben wir auf einer Freilichtbühne der Stadt Chojna unser zweites Konzert der Tournee.
Auch dort ging das Publikum begeistert mit.
Am 22.07.1986 besichtigten wir den Schlossgarten des Stettiner Schlosses. Von 12:00 – 13:00 Uhr gaben wir ein Konzert im Schlosshof, welches vom polnischen Staatsfernsehen live übertragen wurde. Zu unserem Blasorchester der Warnowwerft gab es eine Band, mit dem Namen „Pichelsteiner Musikanten“, die eine ähnliche Musik machten, wie die Schürzenjäger oder Herbert Roth. Das war bei uns im Norden eine musikalische Marktlücke. Auch diese Band wurde bei diesem Konzert sehr gefeiert. Das Wetter spielte auch voll mit und schenkte uns einen schönen Sonnentag. Nach dem Mittag fuhren wir in das 40 km entfernt liegende Stargard bei Stettin. Dort gaben wir im Kultur-Zentrum, das wie ein Amphibientheater gebaut war, ein sehr eindrucksvolles Konzert.
Als wir wieder zurück in unserem Studentenhotel in Stettin waren, konnten mindestens vier Musiker nicht in ihr Zimmer, weil ein fünfter Musiker mit dem Zimmerschlüssel in der Hosentasche in die Stadt gegangen war. So machten wir uns auf die Suche nach ihm, denn wir wollten ja endlich unsere Uniform ausziehen.
Am 23.07.1986 traten wir die Heimreise nach Rostock an. Diese Reise war für alle Musiker des Blasorchesters der Warnowwerft Warnemünde ein bleibendes Erlebnis.
Rostock, 03.09.2012
Autor: Manfred Basedow
Texte: Manfred Basedow
Bildmaterialien: Manfred Basedow
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2012
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