Autobiographie nach 50 Jahren Yoga
Alfred Ballabene
alfred.ballabene@gmx.at
gaurisyogaschule@gmx.de
Fenster des Yogaraumes zur Zeit Guru Anandas
In den Jahren auf die ich zurück schauen kann, hatte sich die Welt sehr stark verändert und auch der Yoga wie ich ihn gelehrt und praktiziert hatte. Durch meinen beruflichen Alltag in den Naturwissenschaften geprägt, sah ich den von mir gelebten Yoga als ein Experiment, eine Methodik der Innenforschung. Das was ich hierbei entdecken konnte faszinierte mich mehr als alle Weisheitsbücher und schien mir auch authentischer zu sein, da es modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst war. Aus der Kombination von altbewährter praktischer Erfahrung und gegenwärtigen Erklärungsmodellen entstanden andere Vorgehensweisen und andere Ergebnisse als jene, die in den konventionellen Schriften gebracht werden. In den vielen Jahren der Praxis hat sich die moderne Vorgehensweise von Experiment > Ergebnis > Suche nach einem Erklärungsmodell bewährt. Es zeigte sich auch, dass die Verknüpfung von Erlebtem mit Verstehen echten Fortschritt bewirkt und nicht die Nachahmung von oftmals dogmatisch erstarrten Vorgehensweisen. Gleichzeitig macht es einen jeden Yogi, der einen experimentellen Weg geht, zu einer einzigartigen Persönlichkeit.
Diese zwei Vorgehensweisen können wir auch in Indien beobachten. Es unterscheiden sich die schweigsamen indischen Yoga-Eremiten wesentlich von den gesellschaftlich integrierten Swamis, von denen ein religiös-gesellschaftlich angepasstes Verhalten erwartet wird.
Der mir gelehrte Yoga entstammt einer direkten Linie, die sich von Ramakrishna, einem indischen Yogi des 19. Jahrhunderts. Er wurde von einem Halbinder, der sich in Deutschland angesiedelt hatte und wie ich den Namen Vayuananda trug, an meine Gurini Ananda weiter gegeben. Meine Gurini überlebte als einzige von 10 Schülern ihres Gurus. Das war zur Zeit des zweiten Weltkrieges. Überlebt hatte Ananda durch Kampfgeist und starken Lebenswillen. Dieser Kampfgeist ist unser Erbe, das wir, ich und meine Nachfolger, von Guru Ananda übernommen haben. Die sich schnell ändernden Gepflogenheiten unserer Zeit erfordern Anpassungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen, um uralte, von Mode unbeeinflusste Ideale einhalten zu können.
Die Jahre vor dem Yoga waren für mich nicht einfach. Das betraf sowohl meine Schulzeit, in der ich ein Außenseiter war und an den Klassenschlachten mit nassem Tafelschwamm keinen Gefallen hatte und auch nicht daran, dass gerade die gutmütigen Lehrer drangsaliert wurden, während die strengen und eher lieblosen Lehrer in Frieden gelassen wurden. Ich fand das ungerecht. Die Klassenordnung verlief eindeutig nach dem Recht des Stärkeren. Zum Glück war ich sehr kräftig und wurde deshalb respektiert, den pubertären Gepflogenheiten der anderen habe ich mich jedoch dennoch nicht untergeordnet.
Nach meinem Abitur war ich etliche Jahre im Ausland. Es war vorgesehen, dass ich die Großgärtnerei meines Vaters übernehmen solle und hierfür sollte ich eine fundierte praktische Ausbildung haben. Im Ausland war ich auf mich selbst gestellt und bekam von den Eltern keine finanzielle Unterstützung. Weshalb weiß ich nicht. Vielleicht dachte mein Vater nicht daran, oder er wollte haben, dass ich lerne mich durch die Härten des Lebens selbst durchzukämpfen. Vielleicht muss man ihn insofern entschuldigen, als ich ihn aus Stolz nie um Geld gefragt hatte. Lieber hatte ich gehungert. Bei allem war ich mit der Situation zufrieden, denn ich fühlte mich als freier Mensch, endlich den Bedrängungen von Schule und Familie entwachsen.
Speziell die ersten Jahre im Ausland waren für mich sehr hart. Doch vieles was ich damals als lästiges Schicksal bewertet hatte, erhielt mit zunehmender Reife neue Akzente. Was zuvor nur als Entbehrung gesehen wurde, habe ich später mitunter als wertvolles Element meiner Persönlichkeitsformung gesehen. Es machte mich stärker und tiefsinniger.
Jedenfalls haben mich die Schwierigkeiten jener Zeit gestärkt und mir zu einem guten Durchhaltevermögen verholfen, denn auch im Yoga gab es immer wieder Tiefphasen, in welchen ich den Eindruck hatte nicht voran zu kommen.
Die Härten meines neuen und endlich freien Lebens zeigten sich gleich in den ersten Wochen. Ich begann im September mit meiner Gärtner-Lehrzeit in Freising, Bayern. Gleich Anfang Oktober war ein Kälteeinbruch auf den ich in Hinblick auf Kleidung nicht vorbereitet war. Ich hatte all die Jahre in der Stadt gelebt, um dort die Mittelschule zu besuchen und dem war die Kleidung angepasst, die ich mitgebracht hatte. Als die Kältewelle kam, fror ich erbärmlich und holte mir hierbei einen Stirnhöhlenkatarrh, der mir mindestens ein Jahr Kopfschmerzen verursachte und erst im Laufe etlicher Jahre langsam abklang. Was noch unangenehmer war, war ein starker Blasenkatarrh, den ich ebenfalls durch Jahre hatte.
Innere Bilder mit Vergleichen zur heutigen Zeit tauchen bei diesen meinen Erinnerungen auf. Wenn ich damals meine Füße dick mit Zeitungspapier eingehüllt hatte, damit ich in den Gummistiefeln bei meiner Arbeit im Freien bei 30 Grad Minus nicht frieren müsse, so empfinde ich hierzu im Vergleich die Probleme gegenwärtiger Schulkinder unverständlich, die ihre Eltern anjammern, wenn diese ihnen nicht Turnschuhe einer ganz bestimmten modischen Trendfirma besorgen.
Ich sehe in der Verweichlichung und den gleichzeitigen hohen Lebensansprüchen eine Gefahr für unsere europäische Zivilisation. Ich erlebe wie gegenwärtig kleinste Entbehrungen als menschlich nicht zumutbar gesehen werden. Eine derart verweichlichte Generation wird es in Konkurrenz mit aufstrebenden Ländern und Kontinenten schwer haben. Und weil niemand auf gewohnte Annehmlichkeiten verzichten will, sind Unruhen und Revolten absehbar, die den Untergang nur beschleunigen.
In dem ebook "Guru und Schülersohn" schrieb ich:
Ich lebte in einem ungeheizten Dachbodenzimmer. Dick eingekleidet mit Pullover, einigen Unterhemden und zwei Hosen legte ich mich schlafen. Am Morgen konnte ich meine Daunendecke wie ein Holzbrett abheben, denn sie war bis in Bauchhöhe von der Atemluft vereist und steif gefroren. Zu Weihnachten bekam ich von meiner Firma einige Äpfel geschenkt. Ein Luxus, hatte ich doch kaum zu essen. Ich habe mich sehr über diesen Schatz gefreut. Wie groß war meine Enttäuschung, als ich die Äpfel am nächsten Morgen hart wie Stein gefroren vorfand. Sie waren auch nach dem Auftauen nicht mehr genießbar.
Ich verdiente als Lehrling nur 20 Mark im Monat (1958). Das reichte gerade für das Quartier und für die verbilligte Kantine. Mehr blieb nicht. Ich konnte mir keine Zahnpaste leisten. Ich war glücklich, als das Geld noch für ein Paar Gummistiefel reichte. Für Essen zusätzlich zu dem von der Kantine hatte ich kein Geld mehr. Da auch am Samstag gearbeitet wurde, hatte ich wenigstens noch Samstag Mittag Essen. Dann war bis Montag zu Mittag Fasten und es reichte nicht für ein Stück trockenes Brot. Tee gab es auch keinen, denn ich hatte keine Möglichkeit Wasser zu wärmen. Zum Glück war ich sehr sehnig und konnte die schwere Arbeit gut bewältigen. Dennoch war ich so geschwächt, dass ich fast jeden Tag Nasenbluten hatte. Ich bekam es dann, wenn ich aus der Kälte in die warme Kantine kam. Ich kann mich erinnern, wie oft unversehens das Blut in den Suppenteller getropft ist. Ich konnte mir nicht leisten auf die Suppe zu verzichten und aß sie dann von meinem Blut rot gefärbt auf.
Nach einem Jahr war es leichter. Ich konnte bei einem Arbeitskollegen arbeiten, der in der Umgebung sich ein Zusatzgeld mit Baumschnitt verdiente. Durch ihn konnte ich über das Wochenende Arbeit finden, um mir zum Beispiel von einem anderen Arbeitskollegen gefütterte Arbeitskleidung aus Ostdeutschland zu einem billigen Preis zu erstehen. Auch konnte ich mir nunmehr Brot als Sonntagsessen leisten.
Nach zwei Jahren war die Lehrzeit vorbei und meine nächste Tätigkeit war die eines Gärtnergehilfen in Holstein. Es war eine große Gehölzgärtnerei mit einem sehr hartherzigen Chef, der seine Arbeiter ausbeutete. Jeden Samstag gab es als Festessen zum Abschluss der Woche eine Suppe aus stinkenden Abfall-Schwarten. Etliche der Gehilfen schütteten regelmäßig die Suppe beim Fenster hinaus. Ich aß es. Dazu gab es Grütze, die ich sehr liebte und die immer zu wenig war. Da man nicht nachschenken konnte, war ich nach dem Essen immer hungrig. Zum Glück blieb ich dort nur ein dreiviertel Jahr. Es gab dort einige Gehilfen, die schon zwei Jahre dort waren. Sie klagten darüber, dass sie ihre Zähne zu verlieren begannen.
Alles in allem war dort in Holstein ein für mich fremder Menschenschlag. Ich hatte mich in der Lehrzeit mit einem in Südafrika geborenen Weißen befreundet. Dieser Freund hatte zusammen mit mir in dieser Holsteiner Firma einen Job angenommen. Mit ihm fuhr ich jedes Wochenende mit dem Zug nach Hamburg. Dort gingen wir durch die Hafenviertel, aßen am Abend eine heiße Suppe, legten uns dann wenn die Lokale um Mitternacht geschlossen hatten auf eine Bank am Kai und schliefen oder ruhten dort solange es die Winterkühle zuließ. Verglichen zu den eiskalten Wintern in Bayern war es für uns in Hamburg nur kühl. Um vier Uhr mussten wir uns dann doch erwärmen und einige Bewegung machen. Um diese Zeit öffneten bereits einige Marktstände in Altona, welche überreifes Obst aus irgendwelchen Schiffsladungen schreiend anpriesen und zugleich das Publikum mit derben Witzen unterhielten. Dort kauften wir unser Frühstück, das zugleich unser Mittagessen sein sollte. Bald dann um 5 oder 6 Uhr öffneten die ersten Kneipen, wo wir ein heißes Getränk bestellten und den Seemannsliedern zuhörten. Dort in diesen Kneipen, wenn ich die Frauen sah, wie sie unter Tränen sich von ihren Männern verabschiedeten, lernte ich die Seemannslieder verstehen, welche von der bedrückten Atmosphäre und dem Abschiedsschmerz ablenken sollten, und die dem letzten Beisammensein über die persönliche Situation hinaus einen für alle Menschen geltenden Schicksalscharakter gaben.
Es gehörte durchaus zu dieser grenzgängigen Atmosphäre, dass ich ohne Verwunderung und gelassen mich mit einer Frau unterhielt, die zugleich einen dritten Begleiter, der ausnahmsweise mitgekommen war, durch eine halbe Stunde mit einer Pistole bedrohte und immer wieder, wenn dieser es wagte eine kleinste Bewegung zu machen, erklärte, dass sie ihn erschießen wolle und die Pistole, die ohnedies die ganze Zeit auf ihn gerichtet war, noch gezielter auf ihn richtete. Sie war hierbei sehr erregt und ich musste alle Mühe aufwenden sie wieder zu beruhigen.
Bei dieser meiner Niederschrift hatte es einige Tage gedauert, bis mir gedämmert war, dass ich bei vielen auf Verständnislosigkeit treffen würde. Ich kann mir vorstellen, dass mich jemand aus der Jetztzeit erstaunt fragen würde wie ich so herzlos sein konnte, um mit dieser Frau zu plaudern und nicht statt dessen die Polizei zu rufen. Nun, bei einer solchen Frage hätte ich mich zumindest damals gewundert. Natürlich musste ich mich mit der Frau unterhalten, um sie zu beschwichtigen. Und wenn ich aufgestanden wäre, um die Polizei zu rufen oder weil ich auf die Toilette hätte gehen wollen, hätte sie mich niedergeschossen.
Nach einem dreiviertel Jahr hatte ich von der Firma in Holstein genug und wollte eine Stelle in Holland annehmen. Leider schickte mich die Grenzpolizei, welcher mein großer Seesack suspekt war, wieder nach Deutschland zurück. In Utrecht, also schon ziemlich weit im Landesinneren von Holland, hatten sie ihre Telefonate mit meiner Zielfirma endlich beendet und wiesen mich aus dem Zug, mich zum nächsten Zug Richtung Deutschland begleitend. Natürlich musste ich für die Rückreise ebenfalls einen Fahrschein lösen, der mein restliches Geld nahezu völlig aufbrauchte. Ich hatte kein Geld mehr, um die weite Strecke nach Wien bezahlen zu können. Zum Glück hatte ich ein kleines Notizheft mit einer Adressliste von Gärtnereien. Ich fuhr zu einer Gärtnerei nahe von Bonn und nahm dort eine Anstellung an. Einige Monate später konnte ich doch nach Holland und verbrachte dort ein wunderbares Jahr. Ich fühlte mich dort glücklich und zu Hause.
Es folgte noch eine Arbeitsstelle in Frankreich bis ich nach Wien zurück kehrte, um dort eine völlig veränderte Familiensituation anzutreffen. Mein Vater war mit einer mir fremden Frau verheiratet, die einen Sohn mitbrachte, welcher die Gärtnerei übernehmen sollte. Ich wurde zu einer unerwünschten Person und wurde dermaßen gemoppt, dass ich mir in Wien eine Arbeitsstelle suchte. Diese Situation mag manchem als ungerechtes Unglück erscheinen. Es erwies sich jedoch als mein großes Lebensglück, denn damit war eine optimale Basis für meinen zukünftigen Yoga gelegt. Ich war frei und ohne Bindungen, hatte weder Freund noch Freundin, keine Familie – meine Mutter war ebenfalls neu verheiratet und ich fühlte mich in der veränderten Familienatmosphäre fremd. Ich hatte im Ausland gelernt mich durchzusetzen und zu kämpfen. Ich war anspruchslos und musste nicht Askese erlernen, denn das Leben hatte es mir beigebracht. Ich hatte gelernt wie vergänglich alles im Leben ist. Alle diese Luxus-Wichtigkeiten, an denen viele kleben, waren für mich unbedeutend. Mit diesen günstigen Voraussetzungen kam ich zu Guru Ananda.
Die ersten Impulse, welche eine Sehnsucht zum Yoga oder zu einem spirituellen Weg erwecken, können sehr unterschiedlich sein. Es gibt die verschiedensten Motive durch die manche vom Yoga angesprochen werden. Meist sind es Motive wie Gesundheit, Wellness, Romantik oder innere Bestimmung. Die letzte Kategorie traf auf mich zu.
Begonnen hatte meine Sehnsucht nach Yoga durch ein tiefes, unerklärliches Heimweh. Das ist nicht selten. Eine Sehnsucht nach einer heilen Welt haben viele Menschen. Meist versuchen sie die Erfüllung dieses Wunsches in dieser Welt hier zu finden. Das galt auch für mich. Ich glaubte diese Sehnsucht in einem fernen Land stillen zu können und war drauf und dran nach einer holländischen karibischen Insel auszuwandern. Es ist nicht geschehen. Ich bin überzeugt, dass mein innerer Lenker, wie ich jene höhere und klügere seelische Instanz in mir bezeichnen will, mich davor bewahrt hat. Mein innerer Lenker hatte mein Heimweh oder Fernweh anders verstanden und es nicht in einem exotischen irdischen Ort gesehen, sondern in einer geistigen Welt, zu welcher der Yoga der Schlüssel sein sollte.
Das Heimweh entstand ganz unerwartet, gleichsam von einem Augenblick zum anderen und zwar durch einen Film. Es geschah, als ich mit 16 Jahren einen Vorfilm zum „Dschungelbuch“ sah, in welchem langhaarige Yogis unter hohen Bäumen eine Hütte bauten. Als ich diese Szenen sah, erfasste mich eine unglaubliche Sehnsucht, die mich nicht mehr los ließ. Es war ein Heimweh nach den Yogis und einem Leben unter den Yogis. Es war ein klares Bild, das ich in mir trug. Sehr romantisch und ein wenig weltfremd – die Yogis lebten in einem glücklich Alltag, in dem sie geheime Übungen praktizierten und die, obwohl die Schneegipfel des Himalaya nahe waren, niemals froren und niemals hungerten. Nun, diese weltfremde Romantik förderte meine Sehnsucht und hatte somit auch ihren Sinn.
Dieser Kurzfilm, der meine Sehnsucht zu erwecken vermochte, war der Anlass, weshalb ich einen Guru gesucht hatte. Gurus waren damals noch sehr selten. Ich fand eine Gurini, die sich "Ananda" nannte. Sie selbst verwendete für sich immer den Ausdruck "Guru" und nicht "Gurini", weshalb ich bei ihrer Nennung ihre Ausdrucksweise verwende.
Als ich zu Guru Ananda kam, hatte sie wohl durch ihre schwere Vergangenheit ähnliche Lebensansichten wie ich, aber sie fühlte sich als Ausnahme und vermutete sie keineswegs bei mir, einem Jugendlichen aus Wien. Das führte zu gelegentlichen Fehleinschätzungen. Ich erinnere mich am Anfang des Yoga, etwa im ersten oder zweiten Jahr durch zirka eine Woche eine starke Hitze empfunden zu haben, wenn ich mich zur Übung der Gedankenstille hingesetzt hatte. Diese Wahrnehmung war mir nicht unangenehm. Dennoch hatte ich dies Guru Ananda erzählt, weil sie mein Guru war und ich dachte, dass ich es ihr erzählen müsse. Ohne viel weiter zu fragen hatte Guru Ananda gesagt: "Die Hitze wird nicht mehr kommen" und seitdem hatte ich die Hitze bei der Übung der Gedankenstille (Mauna) nicht mehr gefühlt. Aber Mauna hatte mir danach auch keine Freude mehr gemacht.
Dann war noch etwas, worum es mir leid tut. Jeden Sonntag am Vormittag meines ersten und teilweise zweiten Yogajahres bin ich in die Natur gegangen, habe mich zu einem Baum gesetzt und an die Satgurus und meine spirituelle Heimat gedacht. Hierbei sind mir die Tränen geflossen - ich hatte das mystische Weinen. Auch das hatte ich Guru Ananda erzählt. Sie hatte mich weder nach der Situation noch nach sonstigen Details gefragt und dachte einfach ich litte unter Einsamkeit. Ab da hatte sie mich aus falsch verstandenem Mitleid am Vormittag immer zu sich bestellt, um mit ihr und ihrem Mann, dem Künstler, den wir nach alter Prager Sitte "Meister" nannten, in ein Kaffeehaus zu gehen, wo der Meister die Tageszeitungen zu lesen pflegte. Solcherart konnte ich mich nicht mehr mystisch verbinden. Wochentags war ich zu müde, weil ich bis zum späten Abend für Guru Ananda geschäftliche Briefe schreiben musste.
Ich wurde vorsichtiger mit meinen Mitteilungen. Einige Male versuchte ich Ananda noch von meinen Astralreisen zu erzählen. Dieses Thema aber war Ananda völlig fremd und sie blockte solche Gespräche sofort ab. Von da ab hatte ich mich ihr in meinem Erleben nicht mehr geöffnet und ging meinen eigenen Weg. So geschah es in der Folge, dass ich meinen eigenen Yoga praktizierte und diesen auch lehrte, einen Yoga, der völlig anders war als der von Guru Ananda. Hiervon wusste natürlich Guru Ananda und sie tolerierte es. Solcherart wurde unser unterschiedlicher Yoga für die Gemeinschaft bereichernd und es konnten die Bedürfnisse verschiedenster Mentalitäten erfüllt werden, von dogmatisch religiös auf Seiten Anandas und einer experimentellen Innenforschung von meiner Seite her. Das aber bezieht sich bereits auf die späteren Yogajahre. In meinen Anfangsjahren gab es völlig andere Probleme, mit denen verglichen die kleinen Missverständnisse unbedeutend waren.
In den ersten Yogajahren hatte ich zwei Aufgaben: Yoga zu lernen und Ananda zu stützen, so dass sie und der Meister das Leben durchhalten konnten. Es war folgende Situation:
Der Meister hatte Syphilis im dritten Stadium - eine häufige Krankheit der Offiziere in der K. und K. Monarchie. Die Syphilis wurde durch eine Malaria Kur (durch hohes Fieber) zum Stillstand gebracht, jedoch nicht geheilt, wie man dachte. Als Guru Ananda den Meister kennen gelernt hatte, hatte damals schon die Syphilis schwere Spuren hinterlassen. Der Meister war geisteskrank, entmündigt und ist von Guru Ananda gepflegt und umsorgt worden. Alle Lebensaufgaben wie die finanzielle Versorgung, Wohnung, Lebensunterhalt, all das musste von Guru Ananda bestritten werden und niemand hatte ihr dabei geholfen.
Als ich in den Yoga gekommen war, hatte sich das Leiden vom Meister verstärkt und es gab es folgende Situation:
Jede Nacht sah sich der Meister von Geistern umgeben, die ihn bedrohten. Er war in panischer Angst und versuchte sich mit einem großen Küchenmesser und einer Axt gegen die Geister zu verteidigen. Natürlich wollte er vor den
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 22.07.2017
ISBN: 978-3-7438-2420-1
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