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Die Schicksalsbücher

 

 

Alfred Ballabene

alfred.ballabene@gmx.at

gaurisyogaschule@gmx.de

 

Vorwort

 

 

Wir fühlen uns zwar in der irdischen Welt zu Hause, aber genau genommen statten wir dieser Kulisse nur einen Kurzbesuch ab. Unsere wahre Heimat ist in einer anderen Dimension, im Jenseits. Dort warten unsere Angehörigen und Freunde auf uns, unsere Liebsten, mit denen wir schon seit ältesten Zeiten verbunden sind.

Wir gelangen nicht gleich nach unserem irdischen Tod in unsere jenseitige Heimat. Weshalb lässt sich auch leicht erklären: aus unserer irdischen Niederkunft nehmen wir einen mehr oder weniger schweren Ballast an Erinnerungen und Emotionen mit, der zunächst einmal verarbeitet werden muss. Wieder bewegen wir uns durch ein Umfeld, das wir genauso wie die irdische Welt als Kulisse bezeichnen können. Man könnte diese Kulisse auch mit einem Spiegel vergleichen, denn sie entspricht unserer inneren Verfassung. Unser inneres Befinden ist sozusagen nach außen gekehrt, durch eine Umwelt, die mit uns schwingungsmäßig in Resonanz steht und von der wir uns hierdurch angezogen fühlen. Das alles läuft unbewusst ab. Es ist sozusagen unser Unterbewusstsein, welches unser Geschick steuert. Seien wir ehrlich, schon auf Erden hat unser Unterbewusstsein unser Schicksal mehr bestimmt als unser freier Wille.

 

Mag unser freier Wille auch nicht in unseren Entscheidungen das erste Wort haben, aber er kann wesentlich zu unseren Entscheidungen beitragen. Letztendlich ist dieser freie Wille die entscheidende Kraft, welche unser Geschick bestimmt, in dieser irdischen Welt und auch in der jenseitigen Welt.

 

Je mehr wir unser selbst bewusst sind, je weniger wir von unseren Instinkten und Wünschen abhängen, desto freier werden wir in unseren Entscheidungen. Frei in unserer Selbstbestimmung zu werden ist das Ziel unserer Entwicklung. Es ist ein langer und mühsamer Weg. Manche wollen es einfacher haben und glauben den Weg der Selbsterkenntnis nicht gehen zu müssen. Solche Menschen verschreiben sich etwa der Macht und glauben durch Macht frei zu sein. Aber es ist nur eine Illusion, der sie erliegen und spätestens mit dem irdischen Tod kommt das Erwachen und die selbstherrliche Illusion fällt ab wie Staub von einem Reisegewand.

 

Die Schicksale der Menschen sind vielfältig, nicht nur in der irdischen Welt, sondern auch im Jenseits. Wenngleich kein Schicksal dem anderen gleicht, so können wir dennoch aus dem Schicksal eines anderen Menschen lernen. Und je mehr Schicksale wir durch Einfühlungsvermögen nacherleben, umso einsichtiger und verständnisvoller werden wir gegenüber den Turbulenzen und Geschehnissen, die von geheimnisvollen Kräften gelenkt, den Karmakräften, unser und der anderen Leben bestimmen.

 

Möge dieses kurze Büchlein einen Beitrag hierzu leisten.

 

 

Im Krankenbett

 

 

Albin vor seiner Krankheit

 

Albin war nun schon seit einem Monat krank und bettlägerig. Seine Umgebung nahm er nur getrübt wahr. Er sah besorgte Gesichter die sich zu ihm beugten. Seine Frau sprach beruhigende Worte zu ihm und er merkte an ihrem Tonfall, dass sie in weitaus größerer Sorge war als er selbst. Die Furcht vor seinem Tod klang aus jedem Wort heraus. Sein Tod würde in ihr Leben eine große Lücke reißen. Sie würde einsam sein und seine Nähe vermissen. Er, Albin, dagegen fühlte sich friedlich, wenngleich sehr müde und meist in wirren Träumereien versunken.

Die meiste Zeit schlief er, wachte auf und schlief nach kurzer Zeit wieder ein. Er war zu geschwächt und langes Wachsein und das Sitzen im Bett machte ihn müde.

 

Wieder war er aus tiefem Schlaf erwacht. Es schien diesmal ein besonders erholsamer Schlaf gewesen zu sein. Vielleicht hatte ihm irgend ein Mittel der modernen Medizin dazu verholfen, ein Medikament, das wie manches andere kleine Wunder vollbringen konnte. Ohne Schwierigkeiten, jedoch anscheinend noch etwas benommen, hatte er sein Bett verlassen. Ein Lebensgefühl, das er schon lange nicht mehr hatte. Es erfüllte ihn mit Freude. Sein Bewusstsein klärte sich allmählich und er genoss es in neuer Leichtigkeit durch das Zimmer zu gehen. Es war ein wunderbares Gefühl.

 

Es schien bereits abends zu sein, denn es war dämmrig im Zimmer. Es war unglaublich still. Kein Auto, kein Hundegebell, kein Moped war zu hören. Auch die Dämmerung war gleichmäßig. Keine schaukelnde Straßenlaterne belebte durch einen Wechsel von leicht Heller und Dunkler. Kein Autoscheinwerfer ließ für kurz das Zimmer heller werden. Kein Mond strahlte herein, um sich sogleich neckisch wieder hinter einer Wolke zu verstecken. Kurz schossen Albin diese Gedanken durch den Kopf, um sogleich durch neue Gedanken verdrängt zu werden. Würde der Mond herein scheinen gäbe es im Zimmer Schatten. Aber es gab keine Schatten. Kaum aufgetaucht, verschwand diese seltsame Beobachtung wieder aus Albins Bewusstsein und wechselte zu seiner Entscheidung das Licht aufzudrehen. Entschlossen ging er zum Lichtschalter, um das Tageslicht in das Zimmer zu holen. Doch zu seiner Überraschung funktionierte der Schalter nicht. Wäre er die Zeit vorher gesund gewesen, hätte er den Schalter repariert. So aber schien die Wohnung in manchen ihrer Funktionen ebenfalls abgebaut zu haben wie sein Körper. Wenn er wirklich durch ein neues Medikament wieder gestärkt ins Leben treten würde, so wären diese kleinen Reparaturen als erstes fällig. Noch mit diesen Gedanken befasst wechselte er in das benachbarte Wohnzimmer, in der Hoffnung dort seine geliebte Frau anzutreffen. Sie war dort, so wie erwartet. Sie saß im Lehnstuhl, auf ihrem Schoß ein Buch, das sie abgelegt hatte. Ihre Augen waren geschlossen. Anscheinend war sie eingedöst. Albin sprach sie leise an, um sie nicht zu erschrecken. Da sie nicht reagierte, tupfte er sie sanft an der Schulter an. Sie fühlte seine Berührung, erhob ihren Kopf, öffnete die Augen und sah sich erstaunt um. Zu Albins Erstaunen schien sie ihn nicht zu sehen. Er sprach sie an, doch sie reagierte nicht. So sprach er etwas lauter und eindringlicher. Doch statt einer Antwort und statt sich zu freuen, dass er stark genug war das Bett zu verlassen, griff sie sich verwirrt an die Stirne, erhob sich und ging in die Küche, wo sie sich ein Glas Wasser nahm.

 

Weshalb ignorierte ihn seine Frau? Die Situation war unwirklich seltsam. Albin begann sich zu beunruhigen und die verschiedensten Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Vielleicht träumte er. Oder es waren die Medikamente, welche die Wahrnehmungen mit Halluzinationen überlagerten? Er sprach weiter eindringlich zu seiner Frau, aber sie schien ihn nicht zu bemerken. Tausende Gedanken, im Versuch die Situation zu erklären, schossen ihm durch den Kopf. Doch statt Klarheit zu finden wurde er eher verwirrter. Als er sich selber ein Glas Wasser nehmen wollte, griff seine Hand einfach durch das Glas hindurch. Nun versuchte er dies an anderen Objekten und stellte es ebenfalls fest, inklusive dem Lichtschalter.

 

Verwirrt und beunruhigt kehrte Albin wieder ins Wohnzimmer zurück und ging im Raum auf und ab, eine alte Gewohnheit, wenn er versuchte seine aufgewühlten Gedanken wieder zu ordnen. Da sah er unverhofft seinen lang verstorbenen Großvater vor sich stehen. Er war von einer schwachen Lichtaureole umgeben. Albin starrte die Erscheinung an, die es doch in Wirklichkeit nicht geben konnte. Wieder schossen ihm allerlei Gedanken durch den Kopf. Er musste sich in einer Fieberphantasie befinden, ja, das musste es wohl sein. Er schloss und öffnete einige Male seine Augen, doch die Erscheinung seines Großvaters blieb beharrlich bestehen. Vielleicht war Geduld von Nöten. Wäre es ein Traum, so müsste sich über kurz oder lang die Szene ändern. Albin hatte sich durch viele Jahre eingehend mit Traumgesetzen und Traumsymbolik befasst und wusste: Träume sind von häufigem Szenenwechsel gekennzeichnet. Auch ist in Träumen Logik und Denken reduziert, wenn man von Klarträumen mal absieht. In seiner Selbstanalyse stellte er fest, dass er denken konnte, ja logisch denken konnte. Sofort meldete sich ein neuer Gedanke: in Träumen könnte man den größten Unsinn erleben und den größten Unsinn denken und es wird einem immer logisch erscheinen. Wäre es nicht so, so hätte dies einen Weckeffekt zur Folge und genau das möchte der nach Erholung strebende Körper vermeiden. Schwer die Situation zu bewerten. Vielleicht irrte er sich, doch sein Eindruck war, dass sein Denken, wenngleich aufgewühlt, doch klar und nicht wie in Träumen war. Er ging weiterhin erregt auf und ab. Das Gehen beruhigte ihn. Sein Großvater stand nach wie vor im Raum und blickte aufmerksam zu ihm her. Allmählich gelang es Albin seine überstürzten Gedanken so weit zu kontrollieren, um zu einer mittelmäßigen Ruhe zu kommen. Etwas ruhiger versuchte er zu überlegen. Langsam rückte die Vorstellung in den Vordergrund, dass er vielleicht verstorben sein könnte. Er hatte in früheren Jahren etliche Jenseitsbücher gelesen, wo solche Zustände beschrieben wurden. Ob es das wohl wäre?

 

Verblüfft über die neu aufgekommene Vorstellung, dass er nun vielleicht selber ein Geist wäre, so wie er das in manchen Berichten beschrieben fand, blickte Albin nun mit größerem Interesse zu seinem Großvater. Sein Großvater schien das Abklingen der Verwirrung und den fragenden Blick mit Erleichterung zur Kenntnis zu nehmen und redete ihn jetzt an. Kurz sprach er: "Es stimmt, du hast Deinen irdischen Körper abgelegt." Albin akzeptierte diese Worte als wahr, jedoch führte dies keineswegs zu einer Beruhigung. Im Gegenteil. Eine Flut von Gedanken überstürmte Albin, Gedanken darüber was in der Welt noch unerledigt liegen geblieben sei, wie seine Frau zurecht kommen würde, ob diese oder jene Rechnung bezahlt wäre, ob seine Frau das Passwort für seine Mailbox kennen würde, um seinen Bekanntenkreis zu verständigen und vieles von Wichtigem und Unwichtigem mehr.

Der Großvater wartete geduldig, bis sich die Gedanken Albins allmählich beruhigt hatten und er sich mit seiner Situation abgefunden hatte. Dann sprach er beruhigende Worte und erklärte Albin, dass dieser ein gutes Leben geführt habe und Freunde in der jenseitigen Welt auf ihn warten würden. Er wäre nicht alleine und hätte viele ihn liebende Seelengefährten, denen er bald begegnen würde, sobald er seine dichtere und noch dem Irdischen verhaftete Seelenschwingung abgelegt hätte. Albin nahm die Worte dankbar an. Es war weniger der Inhalt des Gesagten, was für ihn wog, sondern die Tatsache, dass er der Situation nicht hilflos und allein ausgeliefert war und es ein vertrautes Wesen gab, mit dem er sich austauschen konnte.

Großvaters Kraft und Ruhe übertrug sich auf Albin, der allmählich zur Ruhe fand, zu seinem bevorzugten Polsterstuhl ging und sich in diesen setzte. Zusehends legten sich die Emotionen und die gegenwärtige Situation wurde weniger dramatisch. Die Gedanken wurden träger und eine zunehmende Müdigkeit erfasste ihn. Bald schien er in einen erholsamen Schlaf zu versinken.

 

 

Felsen und Steine

 

Albin hatte den Eindruck, als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht. Zunächst hielt er seine Augen noch geschlossen. Langsam, wie aus einem Nebel, tauchten seine letzten Erinnerungen auf. Er ließ sich Zeit diese zu ordnen und zu klären. Er war krank und lag Tage oder Wochen im Bett. Das war klar. Das Letzte jedoch woran er sich erinnerte war verwirrend:

Er fühlte sich viel gesünder an, ging durch die Wohnung und seine Frau nahm ihn nicht wahr. Dagegen sah er seinen verstorbenen Großvater, der ihn sogar ansprach. War es möglich, dass er, Albin, in die andere Welt gewechselt hätte? War alles Traum oder Wirklichkeit. Jetzt war der Augenblick gekommen sich darüber Klarheit zu verschaffen. Hierfür war ein günstiger Augenblick gekommen, denn er fühlte sich wach, ohne jegliche Benommenheit und sogar bei Kräften. Noch hatte er seine Augen geschlossen und alles war ruhig. Wenn er sie jetzt langsam öffnen würde, so würde sich sicherlich alles klären. Höchstwahrscheinlich hatte er einen Traum gehabt und würde sich jetzt, gut ausgeschlafen wieder in seinem Bett vorfinden, mit seiner lieben Frau an der Seite.

Aber er hatte Zeit. Deshalb fühlte er noch in seinen Körper hinein. Das Körpergefühl war da, vollkommen wie gewohnt. Er fühlte Arme und Beine. Vorsichtig bewegte er einen Arm. Ja, das war in Ordnung und ebenfalls so wie immer; es war kein Unterschied. Oder doch? Er müsste doch seine Bettdecke fühlen und das war nicht der Fall! Noch etwas erstaunte ihn, als er so seinen Körper beachtete: er lag nicht, sondern saß, mit dem Rücken an eine harte Stütze angelehnt.

Das war unverhofft. Diese verwirrenden Umstände musste er noch kurz sich setzen lassen, bevor eine genauere Überprüfung statt finden sollte. So ließ er noch kurz die Augen geschlossen. Dann öffnete er langsam die Augen.

Was er sah war unerwartet. Eine völlig veränderte Realität. Er saß auf einem Felsblock, mit dem Rücken an eine Felswand gelehnt. Vor ihm lag eine breite Talsenke mit seitlichen sich verzweigenden Schluchten, die von hohen, steilen Bergwänden eingesäumt waren. Es war eine beeindruckende Landschaft, urtümlich und mächtig.

 

Albin blieb sitzen und wartete ab, bis sich seine Überraschung und die Flut von Gedanken beruhigt hatten. So wie es aussah, war es nicht nötig sich in Aktionen zu stürzen.

Ob Traum oder jenseitige Realität, was immer es sein mochte, er konnte denken und sich kontrollieren. Das war schon einmal ein guter Ausgangspunkt, der versprach die Situation einigermaßen handhaben zu können.

 

Langsam wanderten Albins Augen über die Umgebung. Der Himmel war trüb, wie an Wintertagen, aber es war nicht kalt. Es waren keine Wolken zu sehen. Seine Augen glitten die Felsenwände entlang, suchten das Tal ab nach Wegen, Flüssen oder Anzeichen von Hirten, Unterständen oder Häusern. Es waren keine Anzeichen menschlicher Artefakte zu sehen. Alles war unberührte Natur. Die Bergwände zeigten Vorsprünge und Erker, Spalten und bestanden aus unterschiedlichem Gestein mit zarten bunten Farben. Neben dem Grau gab es gelbe und orangefarbene Gesteinsstreifen, welche die Wände durchzogen. Es gab auch rote Farben und bläuliche Schatten. Die Landschaft hatte eine eigenartige Schönheit.

 

Das Tal vor ihm war breit. Am Übergang zu den Felswänden türmten sich Halden vom Steinschlag. Seitlich einmündend sah er steile Schluchten, jedoch konnte er weder Wasserfälle, noch Bäche sehen. Alles war trocken und schien zudem ruhig und wie ausgestorben. Es musste eine Menschen ferne Gegend sein.

Einige Minuten noch blieb Albin sitzen. Er ließ sich Zeit beim Betrachten der Landschaft. Er fühlte sich körperlich wohl und hatte weder Hunger noch Durst. Nichts drängte ihn zur Eile. Er empfand die Landschaft als sehr schön und zusammen mit seinem sich gesund anfühlenden körperlichen Zustand kam ein Gefühl von Freiheit auf, wie er es schon lange nicht mehr erlebt hatte. In vollen Zügen genoss er immer wieder neue Details, die seine Augen entdeckten. Durch Monate hatte ihn sein Krankheit in die Enge eines Zimmers verbannt, das keine Abwechslung bot und eintönig wurde. Welch ein Kontrast zu dem, was er jetzt erleben durfte.

 

Dann nach dieser Weile innerer Sammlung und zunehmender Ruhe und Zufriedenheit erhob er sich, um sich auf den Weg zu machen. Noch einmal drehte er sich in alle Richtungen, genoss die Schönheit der Felsen und ging dann auf einen breiten Schotterpfad zu, der durch die Mitte der Talsenke sich um Vertiefungen und Felsen schlängelnd seinen Weg fand. Eine neue Welt war zu erkunden und er ging ihr zuversichtlich entgegen.

 

Albin hatte schon immer Steine geliebt. Von Zeit zu Zeit hob er einen der Steine auf, betrachtete die Maserung, die Färbung, trug ihn betrachtend einige Schritte mit sich, um ihn dann wieder am Rande des Weges abzulegen. Er warf ihn nicht einfach weg den Stein, denn eine Ehrfurcht vor seinem Alter forderte dies von ihm. Solcherart auch ließ ihm der Weg immer wieder neue Schönheiten entdecken und war für ihn schön. Andere Menschen hätten denselben Weg anders empfunden: einsam, karg und abstoßend. Auch daran dachte Albin und er sagte sich, dass nicht die Umgebung schön oder hässlich sei, sondern es vom Menschen abhängen würde, wie er sie bewerte. Man konnte hier glücklich sein oder traurig er war glücklich, wenngleich ihn auch ein wenig die Einsamkeit beschlich. Als er wieder seinen Blick über das Geröll am Weg gleiten ließ, sah er unweit einer knorrigen Staude etwas glitzern. Vielleicht ein Glimmer. Albin dachte an den Spruch der drei Hauptbestandteile von Granit:

"Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess' ich nimmer!"

Neugierig ging er darauf zu und fand einen ovalen Stein, der seltsamerweise glatt geschliffen war. Albin fand das merkwürdig, denn hier in der trockenen Gebirgsgegend gab es keine Bachkiesel. Und was auch sollte sonst die Steine abrunden und schleifen? Der Stein war von grauer Farbe und mit vielen winzigen Kristalleinschlüssen, die, ebenfalls merkwürdig, alle Farben reflektierten. Er wendete den Stein in seinen Händen. Einen solchen Stein hatte er noch nie gesehen und er kannte sich in Mineralien gut aus. Dieser Fund war es Albin Wert mitgenommen zu werden.

 

Albin legte nun zügige Schritte ein und es mochte wohl eine Stunde vergangen sein, als das Tal sich weitete und die seitlichen Felsen in sanfte Hügel über gingen.

Der Weg verzweigte sich. Albin war unschlüssig, welchen der zwei Wege er nun gehen sollte und suchte bei jedem der zwei Wege den Horizont ab. Ratlos blieb er stehen, denn keine Richtung versprach mehr als die andere. Als er gedankenverloren in seine Tasche griff, fühlt er den Stein und da sich dieser warm anfühlte, holte ihn heraus. Es war eine gedankenverlorene Handlung. Zu seinem Erstaunen bemerkte er, dass der Stein auf der einen Seite, die zum linken Weg gewandt war dunkel blieb und auf seiner dem anderen Weg zugeneigten Seite in schwachem Glanz leuchtete. Merkwürdig war das. Albin wendete sich nun bewusst dem einen Weg zu und dann dem anderen. Der Stein wurde in Richtung des einen Weges dunkel und in Richtung des anderen begann er leicht zu scheinen. Das war merkwürdig und er wiederholte einige Male den Versuch, nur um von Neuem zu staunen.

 

Es war klar; im Jenseits und da schien er sich zu befinden, galten andere Gesetze als auf Erden. Er dachte an seinen Großvater. Vielleicht hatte dieser ihm einen magischen Stein geschickt, einen Kompass, der ihm in verschiedenen Situationen eine günstige Richtung zu weisen vermochte? Ohne noch einen weiteren Augenblick zu zögern ging er die Richtung, zu welcher hin der Stein aufgeleuchtet war.

 

Das Land wurde flacher und der nun breiter gewordene Weg begann leicht bergab zu führen. Die Vegetation war nach wie vor karg und bestand aus blattlosem Dornengestrüpp. Nach einer Wegbiegung um einen Hügel stand Albin unversehens vor einem weiten Talkessel. Ein breiter Weg führte hinab, verzweigte sich weiter unten, um sich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 17.07.2017
ISBN: 978-3-7438-2336-5

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