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Dominique oder

Der schwarze Panther jagt im Dreieck


Dominique war die attraktivste Frau, die er sich ueberhaupt vorstellen konnte. Sie hatte ein ovales Gesicht, dunkle strahlende Augen, weiche, aber klar geformte sinnliche Lippen und langes dunkles Haar, das sie ueber der Stirn als Pony trug. Dominique war schmal und zierlich. Er liebte ihr Dekolleté und ihren Busen. Und er liebte ihren wunderbaren Po, der beim Gehen ein deutlich sichtbares Eigenleben entwickelte. Dominique lachte gerne, und sie lachte viel: Ihr Lachen kam aus den geheimnisvollen Untiefen ihres weiblichen Koerpers und aus den funkelnden Raeumen ihrer schoenen Seele. Es kam perlend, glucksend, rollend, voll, tief, hell und melodisch. Schon alleine ihr Lachen machte ihn gluecklich.
Dominique war aufregend sinnlich. Nie zuvor und nie danach war er mit einer so sinnlichen Frau liiert. Sie war zaertlich. Sie war leidenschaftlich. Sie war sanft. Sie war wild. Sie konnte sich aussergewoehnlich gewoehnlich geben, hatte aber gleichzeitig das zickige Getue einer Mittelstands-Tussy im Repertoire.
Jede Stunde die sie miteinander verbrachten, war ausgefuellt mit Begehren und Erfuellen, mit Verlangen und Hingabe, mit Aufstiegen und Abstuerzen und mit dem tiefen Eintauchen in das beglueckende Wechselspiel von Geben und Nehmen. Ihre Liebe zu ihm war wie das Brennen einer Kerze, die sich von beiden Seiten her verzehrt. Seine Liebe zu ihr war wie eine Gefangenschaft in der Leidenschaft. Ihre Liebe zueinander war Ekstase.
Dominique war verheiratet und sie war Mutter einer reizenden Tochter. Er lebte getrennt von Frau und Sohn. Den kleinen Sohn liebte er sehr.
Dominique war wenig begeistert von seinem ueberraschenden Einfall, miteinander durchzubrennen, wie er es nannte. „Jetzt. Sofort. Fuer eine Woche nach Italien“, hatte er ihr vorgeschlagen. Eigentlich mehr gefordert, zu erzwingen versucht. Als Beweis fuer ihre Liebe zu ihm. Sie liess die Tochter nicht gerne bei ihren Ehemann, aber schliesslich ueberwand sie ihre Bedenken, packte eine Reisetasche und traf sich mit ihm zur rechten Zeit an dem verabredeten Ort. Die Anspannungen, Aengste und Befuerchtungen fielen rasch von ihnen ab. An ihre Stelle traten eine losgeloeste Freude, ein rauschhaftes Gefuehl von Freiheit und eine ganz besondere, bisher noch nie erlebte Form der Kumpanei.
Dominique und ihr Liebhaber fuhren ueber Lindau und Bregenz in die Schweiz, nach Bern, ueber den Sankt Gotthard hinunter an den Lago Maggiore und ueber Alessandria nach Ligurien, an das Mittelmeer. Dort mieteten sie sich ein.
Sie gingen bummeln, inspizierten den Markt, assen Fisch aus Pergamentpapier-Kartuschen, gingen schwimmen im noch immer kuehlen Meer, lagen hinterher faul im warmen Sand. Und konnten keinen Augenblick voneinander lassen. Sie verbrachten viel Zeit mit essen, flanieren und faulenzen, aber noch viel mehr im Bett.
Wenn sie sich auf den Strassen und Plaetzen der Doerfer und kleinen Staedte bewegten, waren sie von einer explosiv-erotischen Aura umgeben. Staendig hatte er das Gefuehl, dass sich tausend begehrende Maenneraugen auf Dominique richteten. Dominique aber lachte nur, und sie lachte ihn aus wegen seiner kopfgeborenen Eifersucht, wie sie das nannte. Und sie trug weiterhin die Kleidchen, die wie eine zweite Haut ihre Kurven umspannten und so kurz waren, dass sie kaum ueber Scham und Po reichten. Die Ausschnitte waren meist tief und gewaehrten Einblicke, die jeden Mann fast zwangslaeufig verrueckt werden liessen. Noch dazu waren die Kleider aermellos und zeigten viel von den wunderbaren Uebergaengen zwischen Bruesten und Oberarmen. Und Dominique trug grundsaetzlich keine BHs: So brachte sie auf klappernden Sandalen, mit steifen Nippeln und einem selbstbewussten Laecheln die ligurische Maennerwelt durcheinander.
Das Wetter verschlechterte sich. Es wurde grauer. Sie fuhren weg vom Meer und kamen auf schmalen Strassen und Straesschen immer hoeher hinauf und immer tiefer hinein in die Berge und Taeler des Ligurischen Apennin. Oft verfuhren sie sich; die Orientierung war nicht einfach. Viele Haeuser und Gehoefte standen verlassen und waren dem Verfall preisgegeben. Manchmal schienen halbe Ortschaften unbewohnt, nur alte Frauen und Maenner und streundende Hunde waren zu sehen. Es gab keine Tankstellen und nur wenig Verkehr. Hinweisschilder verwiesen – so man die verwaschenen Schriften ueberhaupt entziffern konnte -, auf andere, wahrscheinlich ebenso verlassene und trostlose Ortschaften. Auf ihnen bekannte, vielleicht weiter entfernt liegende Staedte verwiesen sie nicht.
Selbstverstaendlich hatten sie eine Strassenkarte eingepackt, allerdings eine Karte in einem Masstab, auf dem diese kleinen Strassen und Ansiedlungen nicht eingezeichnet waren.
Dominique begann zu froesteln. Sie legte die Arme um Brueste und Schultern und sagte eher beilaeufig: „Allmaehlich sollten wir jemanden fragen und uns nach dem Weg erkundigen. Ich habe das Gefuehl, dass wir uns mehr und mehr verfahren.“ Er steuerte den Wagen und fuehlte sich deshalb besonders verantwortlich, schnell wieder auf eine Strasse zu kommen, die sie herausfuehren wuerde aus dieser fast schon unheimlichen Einsamkeit. „Ich schaue schon die ganze Zeit. Ich konnte aber bisher niemanden sehen, der so aussah, als haette man ihn nach dem Weg fragen koennen. Die Alten ohnehin nicht und mit unseren wenigen Brocken Italienisch schon zweimal nicht. Ich schlage vor, wir halten beim naechstbesten bewohnten Haus und fragen die Leute.“
Dominique entdeckte es zuerst. „Da, sieh doch. Diese wunderbaren Rosen. Und all die Eimer und Toepfe voll mit Blumen. Da muss doch jemand wohnen, der sich um diese Pracht kuemmert. Unbedingt.“ Er bremste ab und fuhr so nahe an das Haus heran, wie es der ausgewaschene Weg zuliess. Auch dieses Gebaeude wirkt so schaebig wie viele zuvor, der Verputz war in grossen Flaechen abgefallen, die Anstriche verwittert. Alle Fensterlaeden waren geschlossen. Bis auf einen: Bei einem Fenster im Erdgeschoss, auf der Giebelseite des Hauses, waren die Laeden geoeffnet. Ein weisser Vorhang aus duennem, wenig durchscheinendem Stoff verwehrte den Blick in das dahinterliegende Zimmer.
Dominique bat ihn auszusteigen und nachzusehen, ob jemand zu Hause sei. Er nickte, oeffnete die Wagentuere, stieg aus, streckte sich kurz, brachte sein Hemd im Hosenbund in Ordnung, raeusperte sich und ging los. Nur zoegernd ging er auf das Haus zu. Seine Augen wanderten umher mit der Absicht, eine Bewegung, ein Lebenszeichen, zu entdecken. Statt dessen bemerkte er eine eigenartige Markierung, die mit schwarzer Farbe auf eine der Hauswaende gemalt worden war. Eine keltische Rune? Ein Symbol eines Geheimbundes? Ein Schriftzeichen aus einem asiatischen Kulturkreis? Eine Markierung fuer Bettler, Hausierer und andere unstete Menschen konnte es nicht sein. Dazu war sie zu gross und zu auffaellig platziert. Das Zeichen war ueber einen halben Meter hoch und vor nicht allzu langer Zeit mit kraeftigen Pinsel angebracht worden. Wie eine Kalligraphie.
Er unterdrueckte den Anflug eines leichten Unwohlseins und ging weiter. Schliesslich stand er vor der Haustuere. Sie war vor langer Zeit einmal mit schwarzer Farbe gestrichen worden, aber Zeit und Wetter hatten dem Anstrich sichtbar zugesetzt. Wie einen Fremdkoerper empfand er den daran angebrachten Tuerklopfer aus massivem, anscheinend hingebungsvoll polierten Messingguss. Er hatte die Form eines wunderschoenen Juenglingskopfes, ein Halbrelief mit feinen klassischen Zuegen und einem kunstvollen Aufbau lockigen Haares, das das fast maedchenhafte Gesicht einrahmte. Dieses kostbar wirkende Stueck erschien ihm unangebracht und fremd auf dem schieferigen Schwarz der schaebigen Tuere.
Und so musste er abermals eine Spur von Beklemmung ueberwinden, bis er den Tuerklopfer in die Hand nahm und mehrmals auf die dafuer vorgesehene Messinplatte schlug. Das Klopfen war laut, und aus dem Flur hinter der Eingangstuere hoerte er ein gedaempftes Echo. Sonst nichts.
Dominique war im Wagen geblieben. Sie sass still und beobachtete ihn. Sie liebte seine runden und kraftvollen Bewegungen, wie er ganz in dieser Situation aufzugehen schien, wie er in so vieles so intensiv eintauchen konnte, dass er die uebrige Welt um sich herum einfach vergass. So wie jetzt: Diese Mischung aus Neugierde, Hemmung, Tatkraft und Vorsicht, das Spiel seiner schoenen Haende, wie er sich die langen Haare aus der Stirn strich -, oh, sie haette ihn augenblicklich in die Arme nehmen moegen, ihn an ihren Busen druecken, in seinen Haaren wuehlen, seinen Kopf in die Haende nehmen und ihn kuessen moegen, kuessen, kuessen, fressen, fressen, fressen. Ja, sie haette ihn sich am allerliebsten einverleibt. Fuer immer. Sein Blut in ihrem Blut, sein Fleisch in ihrem Fleisch, seine Gedanken in ihren Gedanken, sein Lachen in ihrem Lachen, sein Geschlecht in ihrem Geschlecht. Fuer immer.
Dominique kehrt aus ihrer Trance zurueck in die Wirklichkeit des alleinstehenden Hauses irgendwo in den Ligurischen Bergen hoch ueber dem Mittelmeer. Und sie konnte zusehen, wie diese schwarze Tuere mit dem glaenzenden Tuerklopfer langsam geoeffnet wurde.
Eine Frau erschien unter der Tuere. Sie war gross und schlank. Und sie war jung. Hoechstens zwanzig. Ihr Haar war glaenzend, schwarz, wie lackiert, und aussergewoehnlich geschnitten als Pagenkopf, wobei die Straehnen links und rechts der Ohren wie die Rueckflossen von Haien geformt und drapiert waren, was der Frisoer etwas Bedrohliches und Gefaehrliches verlieh. Ihr Gesicht, ihr Hals und der sichtbare Teil ihres Dekolletés waren gleichmaessig weiss geschminkt. Deckend weiss. Darauf gemalt waren die Brauen: Schwarz. Die Lidschatten: Schwarz. Die vollen Lippen in der Form eines Herzchens: Schwarz. Die langen kuenstlichen Wimpern: Ebenfalls Schwarz.
Die junge Frau trug ein eng anliegendes schwarzes Kleid. Es reichte fast zum Boden und erlaubte einen Blick auf ihre formvollendeten zarten Fuesse und die schwarz lackierten Zehennaegel. Es war ebenfalls schwarz. Dazu trug sie fein gearbeitete Sandalen aus schwarzen Lederriemchen und hohen Absaetzen. Da, wo ihre Beine in den Unterleib uebergingen, fehlte ein dreieckiges Stueck aus dem glatten Stoff. Es war feinsaeuberlich und geometrisch akkurat herausgeschnitten worden. Dieses Fenster gab den Blick frei auf ein schwarzlockiges, feuchtglaenzendes Geflecht aus Haaren. Es stand in einem sanften Kontrast zu dem matten Schwarz des Stoffs.
Dominique konnte von ihrem Platz aus keine Einzelheiten erkennen. Aber sie konnte sehen, wie ein Ruck durch den Koerper ihres Geliebten ging, kurz nachdem die junge Frau in der Tuere erschienen war. Sie sah, wie er den Kopf geneigt hielt, etwas nach unten, so, als wuerde er auf etwas draufschauen.
Die Begierde sprang in an wie ein Panther. Fuer wenige Sekunden verspuerte er noch die Ueberraschung und die Verlegenheit darueber, dass ihn diese Begierde trotz Dominiques Naehe so heftig ueberkam. Dann aber setzte sein Denken aus. Alle Blutstroeme seines Koerpers schienen sich jetzt nur noch auf den einen, den einzigen Punkt zu konzentrieren. Es war ihm, als muesste er bersten. Und gleichzeitig verspuerte er den Wunsch, ohnmaechtig zu werden und in Bewusstlosigkeit zu versinken.
Der Panther war schwarz und glaenzte. Das Maedchen aber blickte ihn mit grossen schwarzen Augen sanft laechelnd an und fragte: „Prego?“ Er aber starrte noch immer wie gebannt auf den Panther im Dreieck. Er hatte kaum noch Gewalt ueber sich. Er konnte nicht sprechen. Sie fragte ihn noch einmal: „Prego, Signore?“ Da loeste sich fuer einen Moment seine Erstarrung und er stammelte ein hilfloses „Grazie“, ging ein, zwei Schritte zurueck, den Blick noch immer auf das Fenster zum Paradies gerichtet. Endlich riss er sich los und er drehte sich um und lief wie verfolgt zurueck zu dem Wagen. Zurueck zu seiner Geliebten.
Das Maedchen blickte ihm nach. Sanft laechelnd. Dann ging es in das Haus zurueck und schloss die Tuere hinter sich.
Dominique war inzwischen auf den Ruecksitz gewechselt und beobachtete von dort aus das Ende der Szene. Sie spuerte deutlich die Spannung und die Erregung, die sich innerhalb weniger Minuten ihres Liebhaber bemaechtigt hatten. Sie laechelte, als er zu ihr zurueckkam. Mit einladender Geste oeffnete sie ihm die Fahrzeugtuere, wartete, bis er sich neben sie gesetzt hatte und verhalf ihm – noch immer laechelnd, aber mit den gefletschten Zaehnen einer hungrigen Raubkatze -, seine Erregung loszuwerden.
Dominique laechelte noch immer, als er sich spaeter erschoepft in ihren Schoss kuschelte und leise Toene der Zufriedenheit von sich gab. Sie glaubte hinter dem einen Fenster, dessen Laeden als einzige geoeffnet waren, eine Bewegung an den Vorhaengen bemerkt zu haben. Sie kniff die Augen zusammen, um schaerfer sehen zu koennen. Tatsaechlich: Im Fenster sah sie jetzt ganz deutlich das weiss geschminkte Maedchen stehen. Die junge Frau blickte zu ihr herueber. Dominique erwiderte den Blick. Die beiden Frauen betrachteten sich gegenseitig – lange und mit gesteigerter Aufmerksamkeit. Dann liess die Spannung nach und die beiden Frauen laechelten sich in die Augen. Die Situation hatte ein Ende..
Bevor es dunkel wurde, konnten sie ein vorbeifahrendes Fahrzeug aufhalten und nach dem Weg fragen. Der Fahrer des Tricicolos lachte sie aus: Sie waren nur wenige Kilometer von der Hauptstrasse entfernt, die nach Marmorassi fuehrte. Dort fanden sie dann auch ein bequemes Zimmer und ein gemuetliches Lokal, wo sie ausgiebig assen und tranken. Und mit Genuss das Dreieck und den schwarzen Panther hochleben liessen.

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Tag der Veröffentlichung: 24.11.2012

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