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s gibt viele verschiedene Arten der Meditation. Es hängt davon ab, was man mit der Meditation beziehungsweise einer Meditations-Praxis erreichen will. Sich einfach versenken, über etwas konzentriert, in Ruhe und unabgelenkt nachdenken? Das würde man wohl eher als Kontemplation und nicht als Meditation bezeichnen. Oder sogenannte, das Bewusstsein erweiternden Drogen einzunehmen? Hier werden die Ränder zwischen Rausch und Meditation schnell unscharf. Drogenkonsum kann eine spirituelle Haltung nicht ersetzen.
Yoga kann im Spirituellen wurzeln und deshalb Meditation, kann aber auch einfach Übung zur Erhaltung der körperlichen Beweglichkeit sein. Autogenes Training ermöglicht Entspannung, stellt aber keine Meditationsform dar.
Geh-. Tanz- und Schuettel-Meditationen, Mantra- und Musikmeditationen, Tantra, Aktive-, Martial Art- und Arbeits-Meditationen - das sind Meditationspraktiken, die zum Teil sehr alt sind und in denen die Sinne, Bewegungen und körperliche Betätigung als Mittel zum Erreichen meditativer Zustände genutzt werden. Dabei werden auch Atem- und Energietechniken, Trance und Ekstase im Sinn von Meditation angewandt. Osho (Bhagwan Shree Rajneesh) zum Beispiel, entwickelte für zappelige Westler die Kundalini-Meditation, die Dynamische Meditation, die Nataraj- und die Nadabrahma-Meditation - das sind Meditationsformen, die helfen sollen, erst seelische und körperliche Spannungen abzubauen, um die eigentliche, die stille Meditationsphase ueberhaupt moeglich zu machen.
Eine Stille- oder Ruhe-Meditation wird grundsätzlich als spirituelle und religiöse Praxis verstanden. Zen, Zazen, Rosenkranz oder die Tafeln von Chartres sind stille Meditationen. Dabei versucht man, die Gedankenfabrik im Kopf weniger zu nähren, sie in ihrer Aktivitaet zu verlangsamen und - Ziel der Meditation - ganz abzuschalten. Um Momente zu erleben, die frei von Gedanken und Denken sind und eine innere Leere oder Stille bedeuten. Man kann Achtsamkeit, Konzentration, Versenkung, Selbstbeherrschung, Ruhe, Glück - alles meditative Zustände - durch Übungen erreichen, die helfen, das Denken zu hemmen und dem Denken die dominierende Kraft zu nehmen. Ziel ist die Erleuchtung. Erleuchtung wird beschrieben als das Einssein mit dem Ganzen. Das Ganze kann gleichgesetzt werden mit dem Einssein mit der Natur. Mit dem Einssein mit der Schöpfung. Mit dem Einssein mit Gott. Aber nicht auf der Grundlage religiöser Dogmatik, sondern der spirituell-religiösen Selbsterfahrung.
Zur Orange, oder Apfelsine, einer Zitrus- oder Agrumenfrucht: aussen im reifen Zustand orangefarben, innen in Segmente gespalten. Hoffentlich kernlos. Hoffentlich saftig und süss. Im Gegensatz zu anderen Früchten reifen Zitrusfrüchte nach ihrer Ernte nicht nach. Das muss man beim Einkauf berücksichtigen.
Zum Orangeschaelen: zur jeder guten Arbeit gehört gutes und richtiges Werkzeug. Was wir benöti-gen, ist nicht viel: Einen Löffel- oder Gabelstiel oder ein stumpfes Messer, am besten ein Tafelmesser. Stumpf deshalb, weil wir die Orange schälen und nicht schneiden wollen; nur Menschen, die aus Orangenscheiben Dekorationen herstellen, benützen scharfe Messer. Zusätzlich benötigen wir einen flachen Teller zum Ablegen von Teilen der Innenschale und zum Auffangen von Safttropfen, sollten sich solche - was eigentlich nicht erwuenscht ist - beim Schälen bilden.
Das ist bereits der erste Lernsatz, über den es sich zu meditieren lohnt: Alles, was nicht passieren soll, kann passieren. Oder anders herum gesagt: Was nicht passieren soll, passiert.
Vor uns liegt also ein flacher Teller. Darauf eine reife Orange. Daneben ein Löffel, eine Gabel oder ein stumpfes Messer. Bevor wir mit dem Schälen beginnen, erinnern wir uns, dass die Orangenschale eine glatte Aussenschale hat, wie gewachst, orangefarben und mit ätherischen Ölen gesättigt. Die Innenschale hingegen ist rauh und weiss und enthält das für unsere Gesundheit und das Konservieren von Obst so wertvolle Pektin.
Ferner erinnern wir uns, dass die Orange grundsätzlich nicht zu den „Easy Peelern“ gehört. Easy Peeler sind zum Beispiel Mandarinen, Clementinen oder Satsumas. Deshalb stellt das Schälen einer Mandarine, Clementine oder Satsuma - im Gegensatz anderslautender Informationen - keine Zen-Übung dar. Zur Erinnerung: im Gegensatz zum Bogenschiessen gehört auch das Hantieren mit Steinschleudern nicht zu den Zen-Übungen.
Obwohl die Innenschale der Orange mit seinem Pektin so gesund ist, essen wir das Weisse zwischen Frucht und Aussenschale nicht mit. Damit sich die Innenschale mit dem wertvollen Pektin zusammen mit der Aussenschale leichter vom Fruchtkörper lösen lässt, kneten oder walken wir die Orange vor dem Schälen.
Entweder nehmen wir die Orange in eine Hand, pressen sie leicht mit den Fingern gegen den Handballen und drücken mit den Fingern dagegen und kneten sie. Gleichzeitig bewegen wir sie in alle Richtungen, so dass wir sie rundherum kneten können. Dieses unterstützen wir mit der freien Hand, indem wir sie von unter leicht gegen die Knethand drücken.
Wir können die Orange aber auch zwischen beide Handflächen nehmen und kräftig hin- und herwalken, und zwar so, dass wir sie rundherum walken. Es versteht sich von selbst, dass wir nicht so viel Druck ausüben, dass die Schale der Orange platzt und der Saft ausfliesst: Wir wollen die Orange schälen und nicht foltern.
Das Kneten und Walken lässt die kleinen Zellen im Fruchtfleisch der Orange platzen und den Saft daraus austreten. Ergebnis unserer Vorarbeit wird also sein, dass sich nicht nur Schale und Innenschale leichter von der Frucht ablösen lassen, sondern auch, dass die Frucht saftiger sein wird, als eine nicht geknetete oder nicht gewalkte Orange.
Durch mehrfaches tiefes Ein- und Ausamten bereiten wird uns auf die tatsächliche meditative Übung des Schälens vor. Dann nehmen wir die Orange in die Linke, den Stielansatz nach oben, und Gabel- oder Löffelstiel oder das stumpfe Messer in die Rechte. Bei Linkshändern umgekehrt. Wir setzen das Werkzeug in einem Winkel von etwa fünfzehn Grad oben neben der Vertiefung des Stielansatzes an und schneiden wenig ein, gerade soviel, dass wir mit dem Werkzeug zwischen Schale und Frucht kommen. Dann heben wir spiralförmig - immer zwischen Frucht und Schale - einen gleichbleibend breiten Streifen ab. Mit Achtsamkeit und bei angemessener Geschwindigkeit schaelen wir die Orange in einem etwa 12 bis 15 Millimeter breiten Streifen, und zwar solange, bis wir am Blütenansatz der Frucht angelangt sind. Die Kunst des Orangeschälens besteht darin, dass der Streifen der Schale in einem Stück abgehoben wird und dass seine Breite gleichbleibend ist.
Wie immer, wenn sich Menschen einer Sache hingeben, haben sich auch beim Zen des Orangeschälens unterschiedliche Interpretationen und damit Schulen herausgebildet. In einigen Punkten stimmen sie allerdings überein: Die Schale muss in einem Spiralstück abgehoben werden. Die Breite des Spiralstreifens muss gleichbleibend sein. Die Frucht selbst darf auf keinen Fall verletzt werden. Unterschiedliche Auffassungen gibt es hinsichtlich der der Breite des Streifens und darin, ob am Schluss der Blütenstand in der Orange mit ausgehoben werden muss, oder ob der Schalenstreifen am Blütenstand abgeschnitten werden darf.
Eine Einigung in diesen Fragen ist momentan nicht in Sicht.
Ausserhalb jeglicher Wertung und Bewertung liegt der Verzehr der geschälten Frucht. Oft wird empfohlen, die geschälte Frucht nachzuarbeiten und mit dem Werkzeug die Reste der pektinreichen weissen Innenschale zu entfernen.
Ganz allgemein: Der Verzehr einer Orange ist ein sinnlicher Vorgang und keinesfalls nur ein Akt der Nahrungsmittelaufnahme.
Da die Orangenfrucht auf Spalten aufgebaut ist, empfiehlt es sich, sie vor dem Verzehr wieder in Spalten zu trennen und diese auf einem Teller anzurichten. Orangenspalten sollten mit den Fingern gegessen werden. Dazu empfiehlt es sich, eine kleine Schüssel mit lauwarmen Wasser zur Verfügung zu halten, vielleicht sogar mit einer kleinen Zitronen- oder einer Limettenscheibe darin und ein kleines Handtuch oder eine Stoffserviette, um sich nach dem Verzehr die Finger waschen und trocknen zu können.
Orangenspalten sollten nicht mit der Gabel - auch nicht mit einer Obstgabel - gegessen werden. Dadurch ginge jeder haptische Genuss verloren, der sich beim Berühren prallvoller Spalten einstellt, und es bestünde die naheliegende Gefahr, dass durch Stiche der Saft vorschnell austritt. Erst im Mund, durch einen sanftfesten Biss, sollte der Saft aus den ihn umschliessenden Zellhüllen befreit werden. Und nicht durch einen Gabelstich. Schmecken - der Geschmack an sich -, passieren bekanntlich auf der Zunge und im Rachen. Kleine Geschmacksknospen liefern die Informationen, die wir dann als Schmecken und als Geschmack erleben. Wie man weiss, gehören Schmecken und Riechen zusammen. Auch das ist ein Grund, eine Orangenspalte mit den Fingern dicht unter der Nase vorbeizuführen, ehe man sie im Mund verschwinden lässt.
Aber all das berührt das breite Feld geschmacklicher und ästhetischer Empfindungen, vielleicht sogar kultureller Prägungen. Deshalb scheint es letztlich unangemessen zu sein, hier Empfehlungen auszusprechen oder Ratschläge zu erteilen. Es sei aber erlaubt darauf hinzuweisen, dass die Addition von Yoghurt, Honig, Zimt, eine Mischung aus Zucker und Zimt oder einer winzigen Prise frisch gemahlenen Pfeffers neue Geschmackssensationen hervorrufen kann.
Texte: Adi Bachmann
Bildmaterialien: Adi Bachmann
Tag der Veröffentlichung: 07.04.2012
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