Cover

Kapitel 1

Ist Fantasie nur Fantasie? Existieren Fabelwesen nur in unserer Einbildung ohne zu leben? Leben sie nicht doch, und wenn nur in uns? Werden wir nicht immer mehr von ihnen beherrscht je mehr sie in uns entstehen? Und werden sie dadurch nicht umso realer?
Florian hat solche Worte schon oft genug gehört von seiner alten Großmutter, wenn sie ihm solche Geschichten erzählte. Gern erinnerte er sich daran, an all die vielen Geschichten, als er noch klein war: Geschichten die in keinem Buch standen, sondern nur in ihr, und somit umso schöner waren. Öfter besiegten sie seine Traurigkeit.
Schnell verwarf er diese Gedanken und befasste sich wieder mit dem Stimmen seiner Gitarre. Dumme Gedanken seiner Meinung nach. Seine Großmutter lebte seit langem nicht mehr-wie auch seine Eltern. Gestorben als sie ihn mal wieder alleine ließen auf ihrer letzten Geschäftsreise.

Das Flugzeug war abgestürzt-er war 14. Wieder ein mal eine Geschäftsreise wie so häufig. Wieder war die Firma, obwohl sie bereits kurz vor dem Ende stand, wichtiger. Er saß alleine zu Hause und hörte dann die Nachrichten. Niemand war da um ihn in den Arm zu nehmen als er um sie weinte. Niemand um ihn zu trösten. Niemand, der seinen Schmerz teilte.
Und doch hasste er sie inzwischen von Tag zu Tag immer mehr. Wäre dieses mal die Firma nicht wichtiger gewesen, wären sie nicht im Flugzeug gewesen und hätten ihn für immer verlassen. Es war ihre Schuld.
Die Firma ging Konkurs, und als Erbe ohne genaues zu wissen konnte er es nicht rechtzeitig abschlagen. Die Folge: aller Besitz wurde gepfändet, mit 18 hatte er Schulden. Eine Ausbildung hatte er nicht, denn er fühlte sich nie wohl im Waisenhaus, schmiss die Schule und hatte nur seine Gitarre. Nun lebt er in einem alten Schuppen der früher zu einer Gärtnerei gehörte.
Seine Gitarre war das einzige was ihm noch etwas Freude machte. Das Singen und das Spielen. Florian sah sich in der Stadt um und strich sich dann seine schwarzen, Schulter langen Haare von den grünen Augen. Seine Jeans-Jacke trug er schon einige Jahre, dementsprechend war sie wie seine Hose nicht mehr im besten Zustand. Der 21-Jährige sah nochmal nach ob wenigstens das grüne T-Shirt einigermaßen gut aussah.
Er sah sich um. Die Königsstraße war noch nicht sehr belebt. Kein Wunder, es war ja erst Zehn Uhr morgens, da kaufen nur die Hausfrauen, Rentner und Arbeitslosen ein, jedenfalls wenn keine Ferien sind. Es war ein einigermaßen warmer Frühlingstag, die Sonne schien und wurde nur ab und zu durch ein paar Wolken unterbrochen, ihre Strahlen auf die Erde zu schicken.
Er besah sich die Kaufhäuser: Ein Mode-Haus, ein Elektronik-Geschäft, dann ein Bücher-Laden. Er selbst befand sich direkt neben einem großen Waren-Haus, wo man alles kaufen konnte. Der Ideale Ort also, um mal wieder ein paar Euros zum Leben mit etwas Musik einzuspielen.
Obgleich er es doch so langsam satt hatte. Immer wieder sang er so sehr er konnte. Er schaffte es immer wieder durch seine Lieder, die er meist einfach so sang-ohne Noten, ohne unnötige Gedanken-sich etwas von dieser Traurigkeit zu befreien, und immer wieder bezeugten die nicht gerade leeren Geld-Dosen am Ende des Tages dass es den Leuten gefiel.
Aber es war immer wieder das selbe. Nie änderte sich was-außer vielleicht der Schlagzeilen in den Zeitungen und dass der Bodenbelag in der Straße sich langsam abnutzte. Wenn nicht jemand jeden Tag mit ihm spielen würde, hätte er schon viel früher gar keine Freude mehr am Leben.
Wo war dieser Jemand eigentlich? Florian sah sich um und dachte bei sich: „Das kann doch nicht wahr sein, kommt der etwa schon wieder...“
„Hi Florian, sorry, hab verschlafen!“ Florian drehte sich um und nahm den etwa 1,80 Meter großen, braun-haarigen jungen Mann mit den grünen Augen ins Visier.
Er trug eine Jeans-Hose, eine schwarze, abgewetzte Lederweste und ein weißes, etwas verflecktes T-Shirt. „Das wird aber auch langsam Zeit Andre, meine Gitarre ist schon längst gestimmt. Ich hätte eigentlich gleich ohne dich anfangen können.“
Der Angesprochene holte seine schwarze Gitarre raus und antwortete mit etwas gespieltem, entrüstetem Blick: „Also nein, ohne deine Begleitstimme hörst du dich doch völlig mies an!“ Florian lachte etwas, stieß Andre, der sich seine Gitarre umhängte, etwas in die Seite und meinte darauf hin: „Erfreuen wir jetzt die gelangweilten Käufer mit etwas Musik oder wollen wir hier herum labern?“
Andre und Florian hielten nun schon seit einem Jahr fest zusammen und spielten seitdem auch jeden Tag um das nötigste zu haben. Florian war sich sicher, das er ohne die Begegnung mit Andre sich schon längst vom nächsten Hausdach gestürzt hätte.
Andre war von zu Hause weggelaufen, als er die ewigen Streitereien seiner Eltern einfach nicht mehr aushalten konnte, besonders da er anscheinend auch noch regelrecht missbraucht wurde von ihnen weil jeder Elternteil den Streit gewinnen wollte. Er kam sich nur noch wie ein Objekt vor, nicht mehr wie ein Mensch.
Genau dieses Gefühl hatten die beiden nicht wenn sie zusammen auf der Gitarre die Leute mit Musik erfreuten. Sie waren Brüder, ohne Zweifel, jedenfalls war ihr Zusammenhalt in dieser Hinsicht so stark.
Sie begannen zu spielen. Wie immer sang Florian, während Andre vor allem für die Begleitung zuständig war. Wenn sie Musik machten konnten sie in diesen Momenten alle ihre Sorgen vergessen: Vergessen, dass sie auf der Straße lebten, abgesehen von den Übernachtungen in den Schuppen, vergessen, dass jeder Tag ein Kampf ums Überleben war.
Dass Musik ihre Passion war, merkte man daran, dass jedes mal viele Menschen da standen, zu hörten und etwas Geld abgaben, denn gut waren sie, ohne Zweifel. Auch an diesem Tag wieder munkelte so mancher: „Warum kommen dauernd diese Flaschen zu diesen Casting-Shows und kriegen sogar Verträge, wo doch hier viel talentiertere Musiker sind.“
Florian ignorierte das jedes mal wenn er das hörte. Er erwartete schon lange nichts mehr vom Leben. Erst Recht nicht mal entdeckt zu werden und von Null auf eins in die Charts zu kommen. So was gibt’s nur in schlechten Kitsch-Romanen.
Gerade beendeten die Beiden einen Song, als sie auch schon die großen Jubel-Rufe hörten, welche sie schon seit 9 Monaten kannten. Wieder ein mal war die Musikklasse aus der näheren Schule sofort nach Schulschluss hier her gekommen, um sich ein bisschen Musik an zu hören. Manch einer hatte sogar ab und zu Unterricht bei Florian.
„Na, Leutchen, wie geht’s euch?“ begrüßte Florian sie nun. „Was wollt ihr denn hören?“ „ANOTHER DAY IN PARADIES!“ kam es aus etwa 20 Kehlen.
„Hätte ich mir auch denken können, was frag ich überhaupt?“ waren seine Gedanken, als er den Takt für Andre vorgab.
Die Schüler hatten das Lied damals als aller erstes gehört und wollten es deswegen jedes mal hören wenn sie hier her kamen. Es passte ja auch irgendwie zu ihnen: wie es der Text sagte: „Cause it`s another day for you and me in paradies.“
An sich lebte jeder, der hier stand im Paradies im Vergleich zu ihnen beiden. Sie hatten meist ein geregeltes Leben und mussten sich nicht jeden Tag fragen, ob sie genug zu Essen hatten am nächsten Tag. Mit solchen Gedanken immer schlafen zu müssen-wer das nicht erlebt hat, wird es sich nie vorstellen können.
Inzwischen war es 15 Uhr und somit die übliche Zeit um Schluss zu machen-wären da nicht die Schüler, die schon einen richtigen Fan Club darstellten und wie jeden Tag eine Zugabe forderten. „Na gut, aber nur noch ein Lied, dann müssen wir mal was Essen!“ sprach Andre und somit spielten sie nochmal ein Lied.
Dann aber packten sie endgültig zusammen. Einige warfen noch ein paar Münzen in die Dosen und gingen dann nach Hause. Die beiden Gitarren-Spieler steckten das Geld ein, und begaben sich dann in Richtung des Imbiss-Wagens, wo sie jeden Tag sich etwas zu Essen holten wenn sie mit dem Spielen fertig waren.
„Hallo Jungs, was darf ich euch heute bringen?“ fragte Hartmut, der etwas dickliche, voll bärtige, schwarz haarige Imbiss-Besitzer, als er sich die Finger etwas an seiner grünen Schürze abwischte. „Ich denke ich nehme eine Curry Spezial und dazu ein kleines Bier.“ erwiderte Florian. Andre bestellte sich eine große Portion Pommes.
„Wohl wieder großen Erfolg gehabt, was Jungs?“ wollte Hartmut angesichts der vollen Dosen wissen. Florian erwiderte: „Ja, am großen Warenhaus bekommt man halt die meisten Zuhörer. Und die kleinen Fans von der Schule sind auch wieder da gewesen.“
Hartmut kannte die Beiden als seine Stammkunden und erkannte deswegen schnell an Florians Ton, dass diesem etwas gewaltig missfiel. „Was ist denn mit dir los, Florian?“
Florian sah etwas erschreckt zu Hartmut und dann zu Andre, der ebenso nun zu ihm sah. Er fühlte sich ertappt wie jemand, der sich tarnen wollte und diese Tarnung ist aufgeflogen. Tief atmete er durch, denn er wusste, dass es Andre belasten würde, und das wollte er nicht.
„Ich hab einfach langsam die Schnauze voll. Ja, es macht mir Freude zu Singen und Musik zu machen, und es tut gut, wenn uns die Leute beklatschen, aber ich mache das schon Tag ein, Tag aus, und nie bekomme ich die Chance dass es aufwärts geht. Wozu auch? Ich kann eben nur das und sonst gar nichts.“
Andre war entsetzt. Zuletzt hat er seinen Freund so reden hörte als er ihm das erste Mal begegnete, denn damals, so war er sich sicher, wollte er sich aufhängen. Wie sonst soll er sich erklären dass Florian mit einem langen Strick in Richtung des Schuppens ging?
Andre hörte damals ähnliche Worte und machte den Vorschlag sich mit Musik etwas zum Überleben zu sichern. Und schon damals hörten die Leute die ihnen zuhörten am liebsten Another day in paradies.
„Florian, was redest du da?“ wollte Andre wissen. „Wir müssen eben weiter machen, wir bekommen unsere Chance.“
„Das darfst du meinte wegen denken, ich bin aber Realist Andre. Wiedersehen.“ Noch bevor irgendjemand was machen konnte, war Florian bereits mit seiner Curry Wurst verschwunden.
„Warte, Florian!“ wollte Andre ihn aufhalten, aber er hatte ihn schon aus den Augen verloren. „Oh Nein, das kann doch nicht wahr sein. Er wird doch nicht etwa....“ Andre war voller Panik, voller Angst um die einzige Person, der er voll vertraute. „Hier Hartmut, haste das Geld, ich muss ihn finden.“
„Lass gut sein, im Moment ist es wichtiger Florian zu finden bevor noch was passiert.“ antwortete der Angesprochene. „Soll ich die Polizei rufen?“
Andre sprach hektisch atmend: „Damit er in die Klapse gesteckt wird? Nein, ich muss ihn eben finden. Bis dann!“
Es war nicht schwer für Florian blitzschnell zu verschwinden. Er kannte eben die Tricks die Andre nicht kannte um in der Menge unsichtbar zu werden. Nach und nach aß er seine Curry Wurst auf und entfernte sich immer mehr in Richtung des stillgelegten Fabrik-Geländes, wo er immer hin ging um etwas in Erinnerungen zu schwelgen und seine Ruhe zu haben.
Um die vielen Hallen mit kaputten Fenstern, abgesplitterter Farbe und verrosteten Maschinen standen viele Gebüsche und ein paar Bäume, ebenso verrostete Zäune mit riesigen Löchern. Ob jemand das Gelände betrat interessierte niemanden mehr, womit man auch überall, wie auch an diesem Tag, übrig gebliebenen Heroinspritzen und leere Flaschen entdecken konnte.
Während er sich das letzte Stück in den Mund schob, sah er auf das größte Gebäude und begann seinen Verstand abzuschalten. Sein Herz fühlte sich richtig kalt an, es empfand irgendwie nichts mehr. Leere breitete sich immer mehr in ihm aus. Er dachte nur noch: „Es tut mir Leid Andre, aber ich bin nur eine Last für dich. Danke für das letzte Jahr.“
Wie in Trance setzte er die ersten Schritte in Richtung der Treppe des verfallenen Firmengebäudes. Er sah sich um und erkannte die verblassten Farben des Firmenlogos des Maschinenbau-Unternehmens, das schon vor Jahren die Stadt verlassen hatte um seine Produktion nach Polen zu verlagern. „Ja, Geld ist doch allen wichtig, nicht die Menschen. Und ich bringe eben niemandem Geld. Also bin ich auch nicht erwähnenswert.“
Jeder Schritt hallte mit vielen Echos durch die Halle und erzeugte somit eine Atmosphäre der Einsamkeit. Einsamkeit, die auch Florian bestens kannte. Jeder Andere würde es sich als unvorstellbare Qual vorstellen, aber Florian war trauriger Weise daran gewöhnt.
„Ist er das?“
„Ja, das ist er. Und wie ich gefürchtet habe, scheint er keine Hoffnungen mehr zu haben. Wir müssen das verhindern.“ Vier große Augen beobachteten das Geschehen aus einem Gebüsch. „Vater,“ erklang eine weibliche Stimme nun, „ich weiß nicht ob ich das kann. Warum muss mein erster Auftrag gleich ein so schwerer sein? Ich weiß nicht ob...“
„Du bist nicht nur die Talentierteste von uns allen.“ antwortete nun eine alte, männliche Stimme. „Es gibt auch niemanden, der ein so reines Herz hat wie du. Und genau das braucht er nun. Vergiss nicht, er ist der Letzte seiner Familie und hat bisher keine Nachkommen, welche sie in sich weiter tragen könnten. Ich weiß, du kannst es. Und jetzt geh!“
Ängstlich und doch auch etwas zuversichtlich, unsicher und doch etwas erwärmt durch diese Worte, trat nun ein vierbeiniges Geschöpf aus dem Gebüsch hervor, um dass sich aber schnell ein paar Sterne und Lichtstrahlen bildeten, und schon war es eine weibliche, menschliche Gestalt.

Kapitel 2

Florian ging die verstaubte, abgewetzte Wendeltreppe immer weiter. Schritt für Schritt. Was auch immer er an sah, er bemerkte es nicht wirklich. Statt dessen schwirrten vor seinen Augen Bilder herum. Erinnerungen an die vergangene Zeit.
Florian sah sich als 14-jähriger, weinend auf dem Teppich, auf dem Fernseher die Nachrichten: „Es gab keine Überlebenden. Das Flugzeug stürzte auf Grund eines Triebwerk-Schadens ab.“
Dann ein Wechsel. Florian öffnete den Brief von Anwälten, die ihn über die Schulden informierten, die er nun geerbt hatte, da er das Erbe nicht rechtzeitig abgeschlagen hatte. Alles wurde gepfändet-Florian ging ins Waisenhaus, niemand wollte ihn adoptieren.
Weiter ging er die Treppen hinauf. Aber wieder wurde er von Bildern verfolgt. „Du hast schon wieder einen Teller zerbrochen. Kein Wunder dass niemand einen Taugenichts wie dich haben will. Eben nur der Sohn von schnöseligen Firmenchefs.“
Die Worte des Erziehers beim Essen, als er 17 war. Das war der Tag, als er beschloss aus zu reißen. Ohne alles aus seinem Zimmer, weil die Dinge ihn nur an diese schreckliche Zeit erinnern würden-bis auf die Gitarre. Sie war sein einziger Trost.
Ein grausamer Tanz ereignete sich vor seinen Augen. Somit ließ dieser es auch nicht zu, dass die Schritte einer anderen Person, die ihm fast im selben Tempo folgte, zu ihm durch drangen.. Vielleicht war es aber auch nur, weil die Schritte so leise durch die Halle gingen, denn die Verfolgerin war ängstlich, ging deshalb nur vorsichtige Schritte, fragte sich wohl auch nur selbst, was hier vor ging.
Der Tanz ging weiter, aber endlich kam was gutes. Die Begegnung mit Andre. „Hey, du willst dich doch nicht etwa umbringen.“
„Was geht dich das an. Verschwinde.“
Das Gesicht von Andre: „Hör doch zu, mir geht’s auch schlecht, sehr schlecht sogar. Bitte. Rede mit mir.“ Das taten sie auch.
Danach kamen die vielen Tage, als sie Musik machten. Er sieht die Schüler, wie sie klatschen und eine Zugabe verlangen, Another day in paradies fordern.
Aber es war eben immer nur das selbe, und von der Straße hat es ihn nie geholt. Er erreichte nun das Ende der Treppe, sah das Licht, welches durch den Spalt der alten Türe, die zum Dach führt, scheint.
Die nächsten Bilder sind Bilder der Zukunft. Er sieht sich als Leiche. Blut überströmt, um ihn herum Polizisten, und wie sie reden: „Mal wieder ein Obdachloser, hat wohl Selbstmord begangen.
Machen wir das Übliche und dann können sie ihn ja in das Sozialgrab bringen.“
Das Letzte, was er sieht ehe er die Tür öffnet, ist ein Holzkreuz ohne Namen, nur mit dem heutigen Datum hinter dem Zeichen für gestorben. Vollkommen unwichtig beerdigt, wie auch sein Leben für jeden nur nutzlos war.
Langsam kam das Ende des Daches immer näher und näher. Er registrierte es nicht wirklich, erst, als er an der Kante stand. Er sah nach unten. Die Bäume und Büsche voller Blüten bewegten sich im leichten Wind. „Was für ein schöner Tag. Ich werde einen wunderbaren Tod haben. Ohne Schmerzen. Ohne Qual.“
Ein leichtes Knarren ertönte von hinten. Florian rief: „Vergiss es Andre, ich lass mich nicht mehr umstimmen. Geh lieber, ich will nicht dass du das hier siehst.“ Aber es kam ihm etwas merkwürdig vor, dass er fast keine Schritte hörte.
„Mein Name ist nicht Andre. Ich heiße Finadira.“ Florians Augen weiteten sich als er eine weibliche Stimme vernahm. Wie konnte das denn überhaupt passieren? Er kannte doch alle Tricks, er hatte sich immer wieder umgesehen. Wie konnte ihm jemand folgen?
„Was tun sie hier?“
„Wie heißt du?“ war die Antwort.
„Was geht sie das an, und was fällt ihnen ein mich zu duzen?“ Die Frau ging langsam einen Bogen und stand nun etwa zwei Meter neben ihm. Er wandte den Kopf nicht zur Seite.
„Ich würde dich gerne kennen lernen.“ Ihr Gegenüber glaubte die Frau sei doch verrückt, die sehe anscheinend nicht was hier vor sich geht. Aber wenn es ihm seine Ruhe verschafft: „Mein Name ist Florian. Zufrieden? Jetzt geh gefälligst.“
Er war selbst über sich erschrocken wie schnell er plötzlich beim Du gewesen war. Er spürte dass die Frau ihn intensiv ansah, er spürte ihren Blick. Ja, er glaubte zu ertasten dass etwas in ihn hinein fuhr. Dann hörte er: „Florian, dass heißt Der Prächtige. Der Name passt zu dir.“
Florian glaubte sich verschaukelt. „Spinnst du? Sieh mich doch an, was ist denn an mir prächtig.“ „Ich sehe nicht auf dein Äußeres, ich sehe es in deinem Herzen. Ich sehe wie gerne du etwas besonderes tun willst damit du dich erfüllt fühlst.“
So langsam glaubte er zu träumen. Wie konnte sie das wissen? Er musste sich eingestehen, sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber ihr wollte er das nicht eingestehen, nie in seinem nicht mehr lange andauernden Leben.
„Denkst du das wirklich? Woher willst du wissen dass das stimmt?“ Die Frau, besser gesagt Finadira, erhob nicht ihre Stimme und zeigte nichts davon irgend wie beleidigt zu sein.
Nur sanft sprach sie: „Ich hab gewisse Talente mein Lieber. Erfüllung bekommst du dadurch nicht. Gib dem Schicksal eine Chance um dich zu erfüllen. So findest du keine Erfüllung.“
„Hör auf von meinem Schicksal zu reden. Mein Schicksal ist das hier. Niemand wollte mich haben, und meine Eltern sind tot und...“
„Und niemand wollte dich adoptieren und im Waisenhaus nahm man keine Rücksicht auf deine Gefühle.“
„Das gibt’s doch nicht.“ dachte er sich. Dann sprach er aber: „Ach, das hasst du sicher geraten, bist doch sicher so eine Spezialistin, nicht wahr? Du kennst solche Fälle.“ höhnte er.
Er erhielt wieder dies sanfte Stimme: „Nein, ich hab dir doch gesagt was ich kann. Siehst du hier irgend eine Polizei? Ich bin allein.“
Florian wurde sich nun bewusst, dass er tatsächlich außer dieser Frau keine Anzeichen gehört oder gesehen hat für sonst irgend jemand. Doch es bedeutete ihm nichts mehr. „Das ist jetzt auch alles egal.“ dachte er sich.
Plötzlich hörte ein erschrockenes „NICHT!“, dann spürte er einen großen Ruck. Im selben Moment fühlte er an seiner linken Seite den harten Aufprall auf den Beton. Er stöhnte kurz unter dem dumpfen Schmerz.
Dann schrie er: „Sag mal hast du sie noch alle? Was ist mit dir los, du bist doch völlig...“ Da wurde ihm etwas bewusst. „Ich hatte doch gar nichts gesagt, mich nicht bewegt. Woher wusstest du dass ich den Beschluss gefasst habe?“
Die Frau lächelte und redete ihn an: „Wie ich schon vorhin erwiderte, ich habe gewisse Talente.“
Florian war völlig von der Rolle und konnte erst nach und nach realisieren was hier passiert war: eine Frau, die irgendwie mehr konnte als jeder andere Mensch hatte ihn davon abgehalten sein Leben zu beenden.
Florian traute sich nun doch zur Seite zu sehen um einen Blick auf Finadira zu werfen. Er wollte gerne wissen, welches Gesicht zu dieser Stimme gehörte. Erst sah er nur ein paar Haare der Person, die ihn immer noch umklammerte und nun zu ihm sah.
Florian sah in ein zartes Gesicht mit weißer Haut. Um dieses Gesicht wehte sehr helles, silbrig glänzendes weißes Haar, welches länger als ihre Schultern reichte. So was sieht man nicht alle Tage, denn er schätzte sie auf höchstens 18 Jahre. Das Blau ihrer Augen erinnerte ihn an den blauen Fischteich ihres früheren Anwesens.
Finadira löste sich von ihm und stand auf. Florian, der immer noch etwas perplex nach oben sah, erkannte das weiße Kleid und die gelben Frauenschuhe. Das Kleid war Ärmel los. Obwohl es an sich nicht ungewöhnlich war, glaubte er doch dass dieses Stück Stoff nicht von dieser Welt war, so sehr strahlte es durch das Sonnenlicht.
Finadira bot ihm ihre Hand an um ihm wieder auf die Beine zu helfen, aber als dieser erstmal nur auf die Hand sah und sich sonst nicht bewegte, setzte sie sich, die Beine frei herunter pendelnd, neben ihn und versetzte ihn eben so in diese Position.
Florian beobachtete das neben ihn befindliche weibliche Wesen, wie es unbeschwert in die Gegend sah und anscheinend ohne irgendwelche Sorgen. „Ich wünschte ich könnte so unbeschwert leben und durch die Gegend blicken wie du.“dachte er sich.
„Dann sag doch mal warum?“ ertönte plötzlich die weibliche Stimme. Florian wurde aus seiner kleinen Träumerei gerissen.
Verwirrt erwiderte er: „Äh...wie? Was? Wo? Was ist gemeint?“ Finadira ließ ein leises Lachen in die Luft fliegen und merkwürdiger Weise war er dadurch irgendwie voller Frieden.
Nun sahen die blauen Augen auf ihn: „Na warum wolltest du hier runter springen und deinem Leben ein Ende setzen? Das muss doch einen Grund haben, man geht doch nicht einfach so auf ein 20 Meter hohes Haus und denkt sich: Jetzt mach ich einfach mal Schluss.“
Der Gedanke: „Nicht nur hübsch sondern auch Aufmerksam.“ schwirrte Florian im Kopf herum. „Moment mal, hab ich das eben wirklich gedacht? Ich verliere wohl langsam meinen Verstand.“ Erschrocken über sich selbst sah er wieder auf die Büsche, in die er vor ein paar Minuten noch springen wollte.
„Ich höre!“ drang nun wieder zu seinen Ohren.
Er sagte: „Ich dachte du hast deine Talente, dann wirst du es doch wissen.“
„Ich will es aber von dir hören. Es wird dir gut tun. Nun mach schon.“ war die Antwort.
Florian seufzte: „Ich denke du gibst nicht auf, oder?“
„Worauf du dich verlassen kannst.“ war von Finadira zu hören.
„Du willst es also unbedingt wissen, ja? Willst es unbedingt von mir hören? Na gut. Weil niemand es bemerken würde wenn ich nicht mehr da wäre. Ich wäre vielleicht irgendeinem was wert, wenn ich ihm Geld bringen würde, aber das tue ich nicht.
Andre kommt ohne mich klar, er ist weitaus stärker als ich. Und die ganzen Schüler können sich schließlich CDs anhören, die müssen nicht dauernd hier her um uns zu hören. Meine Eltern sind tot. Absolut niemand braucht mich.“
Finadira war erst mal erschrocken über so viel Hoffnungslosigkeit. So etwas hat sie noch nie bei einem Menschen gesehen. Und besonders bei diesem Menschen. Von ihm hing so viel ab. Und nun? Zum ersten Mal fühlte sie sich ratlos. „Vater.“ war ihr Gedanke. „Kann ich das wirklich?“
„Du heißt also Finadira. Dieser Name ist nicht gerade all täglich. Ich denke mal du kommst nicht von hier?“ Finadira bemerkte, dass sie selber etwas erstaunt war darüber von Florian jetzt wieder etwas ganz anderes zu hören.
Sie antwortete: „Nein, oder...ja...das ist sehr kompliziert, weißt du? Ich denke nicht dass du das verstehen kannst. Jedenfalls noch nicht.“
Florian besah sich nun nochmal die neben ihm sitzende Frau und erfuhr so eben nochmal einen unglaublichen Frieden. Er empfand keinen Kummer mehr. Ja, auf einmal glaubte er gar keinen Grund mehr zu kennen weshalb er überhaupt Kummer haben sollte.
Besonders stark wurde das als Finadira ihren Kopf zu ihm drehte und ihn anlächelte. Etwas besonderes und mächtiges lag sowohl in diesem Lächeln als auch in diesen Augen.
„Er wird bald hier sein.“ sagte Finadira plötzlich.
„Wer?“ fragte Florian völlig verwirrt. Er begriff nichts.
Finadira erhob sich, zog Florian hinauf. Florian erkannte nun einen Kopf größer zu sein als die junge Frau.
Sie erklärte ihm: „Das wird sich dir bald zeigen. Hör mir bitte zu: Sei heute Abend in deinem Schuppen, dort wo du schläfst. Ich werde hin kommen und dann will ich dir was zeigen.“
„Was willst du mir zeigen?“ wollte Florian nun wissen. Irgendwie war er doch alles, was geschehen ist, ungeduldig neugierig geworden.
„Etwas sehr wichtiges Florian, damit du eine bestimmte Sache, die du vergessen hast, bald wieder in deiner Erinnerung bewahren kannst.“ Langsam hob sie nun ihre Hand und legte sie sanft auf Florians Wange: „Warte auf mich!“
Dann ging sie scheinbar lautlos durch die Tür und verschwand. Florians Herz schlug schneller. Mit einem unsicheren Blick streichelte er sich über die Wange, auf der eben noch eine Frauenhand lag. Was war hier nur los? Wer war diese Frau?
Erst jetzt wurde es Florian bewusst , er hatte keine Gedanken mehr daran sein Leben vorzeitig und freiwillig zu beenden. Irgendwo her, er weiß selber nicht woher, spürte er in seinem Herzen wieder Hoffnung und Lebenswillen. Auch wurde ihm noch klar, dass sie wusste wo er lebte. Obwohl er es nie erwähnt hatte.
War diese Frau ein Engel? Eine Elfe vielleicht? Ein normaler Mensch konnte sie jeden falls nicht sein, und wenn doch, dann musst er seine Meinung über die Menschen ändern.
„Florian!“ Florian wurde durch die Stimme von Andre, welcher so eben durch die Tür trat, aus all diesen Gedanken. „Ich dachte du wärst bereits gesprungen?“
„Wollte ich auch, aber eine Frau hat mich aufgehalten. Sie ist eben erst vom Dach gelaufen.“
Andre verstand erst mal gar nichts: „Frau? Welche Frau? Ich hab niemanden gesehen Florian. Komm, ich bring dich nach Hause.“
In diesem Moment kamen Florian wieder die Worte Finadiras in den Sinn: „Er wird bald hier sein.“ Sie musste Andre gemeint haben. Sie hat anscheinend wirklich so ihre Talente.
Dann aber kam Florian was anderes in den Sinn: „Woher wusstest du eigentlich, dass ich hier bin, Andre?“
„Na hör mal,“ war die Antwort, „du hast mir doch selber damals gesagt dass hier der Ort liegt wo du dich zurückziehst. Ich musste nur eins und eins zusammen zählen. Schließlich kenne ich dich ja auch ein Jahr.“
Florian musste etwas lachen. Er erkannte wie wichtig er doch anscheinend für Andre war. Wenigstens einer, der sich um ihn kümmert. Zusammen machten sie sich auf den Weg in Richtung von Florians Zu hause, des alten Schuppens.
Was sie nicht wussten, Finadira hatte den Ort nicht verlassen. Sie beobachtete wie die zwei Freunde die beiden Gitarren, welche Andre mitgenommen und am Eingang des Gebäudes angestellt hatte, an sich nahmen und das Gelände verließen.
„Dass du an die Gitarren gedacht hast, Andre.“ hörte sie schwach von Florian.
Und wie darauf Andre antwortete: „Na klar, sind doch unsere Arbeitsgeräte.“
Dann hörte sie hinter sich die tiefe, männlich Stimme: „Ich wusste du kannst es. Du hast einen guten Weg eingeschlagen.“
„Aber ob ich ihn fort führen kann? Denkst, das kann ich auch Vater?“ sprach sie ohne den Blick von den beiden jungen Männern, besonders von Florian, ab zu wenden.
„Ich denke es nicht, meine Tochter, ich weiß es. Der erste Schritt ist getan. Du wirst den Weg fortsetzen.“ war die Antwort. „Komm. Deine Mutter und deine Schwester warten sicher schon auf uns.“
Finadira hatte immer noch Zweifel, aber sie hatte auch ihren Erfolg erkannt und empfand etwas mehr Selbstsicherheit und auch Dankbarkeit gegenüber ihrem Vater. Sie drehte sich ab und folgte ihrem Vater in ein Waldstückchen. Ein helles Leuchten erschien.

Kapitel 3

Florian und Andre kamen inzwischen am Schuppen an. Der Schuppen war ganz aus Metall. Er hatte ein Wellblech-Dach und eine eher dünne Tür. Auch die Wände bestanden aus Wellblech. Alles schon ganz schön verrostet.
Aber für Florian war es das einzige Dach über dem Kopf dass es für ihn geben konnte. Seit die Gärtnerei, der dieser Schuppen gehörte, umgezogen war hatte sich niemand mehr darum gekümmert, weswegen auch niemand sich dafür interessierte ob dort einer hauste.
„Also dann bis morgen, Florian. Und komm bloß nicht auf die Idee in nächster Zeit auf irgend ein Hausdach zu gehen.“ scherzte Andre.
„Ja Ja, keine Sorge Andre.“ meinte dieser etwas entrüstet. Andre begab sich nun in Richtung des alten Stalls, etwa 2 Kilometer von Florians Zu Hause entfernt. Es dämmerte bereits. Florian öffnete die Tür unter einem Quietschen.
Er schaltete die an einem Draht aufgehängte Bergtaschenlampe, die er hier gefunden hatte, ein. Das etwas schwache Licht fiel auf ein Sofa und einen Sessel, beides alt, heruntergekommen und etwas zerrissen und eine alte, verschmutzte Jacke, die er alle vom Müllplatz geholt hatte.
Kurz seufzte Florian, dann stellte er die Gitarre neben den blauen Sessel und und setzte sich auf das rote Sofa . Selten hatte er einen so merkwürdigen Tag erlebt. Und noch immer beschäftigte ihn diese Frau, wie hieß sie? Finadira. Was hat es mit dieser nur auf sich?
Auf einer Waldlichtung schien etwas Licht von einer ein paar Meter entfernten Straßenlaterne auf zwei legendäre Geschöpfe, welche auf die anderen beiden Familienmitglieder warteten. Wer die beiden gesehen hätte, dem wären vor Verwunderung fast die Augen aus dem Kopf gefallen.
Man sieht ja auch nicht alle Tage Einhörner. Das rote, größere Einhorn, welches eine gelbe Mähne und ein goldenes Horn besaß, sprach zu dem etwas kleinerem weißen mit brauner Mähne, auf dessen Haupt ein silbernes Horn war: „Dein Vater und deine Schwester brauchen etwas länger als sonst. Riecht nach erstem Erfolg, was meinst du Endira?“
„Willst du allen Ernstes daran zweifeln Mutter? Ich war im Unterricht schließlich die Beste-bis auf meine Schwester. Sie hat sämtliche Rekorde gebrochen und außerdem hab ich nie etwas dunkles in ihr erlebt.“ war die Antwort des jüngeren Fabelwesens.
Aber die Mutter bedauerte: „Wenn sie nur nicht soviel Zweifel an such selbst hätte. Angst ist unser größter Feind. Und ihre Angst zu Versagen ist besonders stark.“
Endira konnte ihr nicht widersprechen: „Ja, das ist ihre einzige Schwäche, aber eben auch ihre Größte. Hach, Finadira.“
Etwas Wind kam auf und verstärkte die etwas einsame Atmosphäre. Hier und da konnte man eine Grille Zirpen hören, und auch erste Rufe eines Uhu drangen durch die langsam beginnende Nacht.

„Das wird eine wunderschöne Nacht!“ sprach Endira, und ihre Mutter nickte zustimmend mit dem Kopf. Ohne Zweifel konnte man diese friedliche Stille auch wirklich genießen, was viele Menschen ohne Zweifel taten, aber für die Einhörner gab es dafür eigentlich keine Gründe.
„Kjara!“ Sofort horchten sie auf und schon sahen sie wie ein braunes Einhorn mit grauer Mähne und goldenem Horn mit einem kleineren weißen Einhorn, dessen Mähne weiß und Horn silbern war
die Lichtung betraten.
Sofort lief die Mutter auf das braune Einhorn zu und kreuzte ihr Horn mit dem des braunen Wesens: „Schön dass du wieder da bist Iguazu.“
„Ich freue mich auch Kjara..“
„Und?“ rief nun Endira aufgeregt. Sie hüpfte aufgeregt um ihre Schwester herum. „Machs nicht so spannend. Wie ist es gelaufen?“
Das weiße Einhorn gab zurück. „Ich werde ihm heute Nacht zeigen wie wichtig er für die Menschen in seiner Umgebung geworden ist. Erst mal hab ich verhindert dass er seinem Leben ein Ende setzt.“
Kjara sah ihrer Tochter etwas Unbehagen an: „Was ist denn? Du hast einen Erfolg erarbeitet, kein Grund für Trübsal.“
„Es war nur ein erster Schritt, Mutter. Noch hab ich ihn nicht davor beschützt. Und außerdem ist das ja nicht die eigentliche Aufgabe für uns.“
„Uns?“ Iguazu wurde etwas misstrauisch.
Finadira wurde nun etwas rot: „Ähm, ich meine natürlich für ihn angesichts seiner Bedeutung und für mich angesichts des Auftrages.“ Leicht amüsiert und auch leicht verwirrt sahen sich die anderen Familienmitglieder an.
Finadira bemerkte dass es nun endgültig dunkel geworden ist. „Ich muss los. Wir sehen uns dann.“ Mit diesen Worten verließ sie den Platz.
„Sie hat immer noch Zweifel.“ stellte das Rote Einhorn fest. Kjara erinnerte sich wie oft ihre Tochter sich selber immer wieder bezweifelte, jeden Erfolg. Zuerst glaubte sie es währe Ehrgeiz, aber immer mehr musste sie feststellen, wie sehr es doch ein niedriges Selbstvertrauen war.
Iguazu stellte sich zu seiner Gefährtin: „Irgendwie bin ich mir sicher ihre Zweifel werden sich bald auflösen.“
„Wollen wir mal hoffen dass du Recht hast Vater. Manchmal möchte ich ihr echt einen Schlag verpassen.“ sprach Endira daraufhin.
„Endira?“ kam vom braunen Einhorn ärgerlich.
Verlegen sah Endira auf den Boden: „Entschuldigung.“
„Es wird Zeit nach Hause zu gehen.“ teilte der Vater mit. „Und ehrlich gesagt gefällt mir unsere andere Gestalt um einiges besser.“
„Mir auch.“ sprach nun Endira. Die drei verließen jetzt ebenso den Platz und ließen wieder mal das Leuchten erstrahlen.
Finadira sah zum inzwischen aufgegangenem Halb-Mond hinauf. „Eine schöne Nacht. Und die Wichtigste in meinem Leben.“ Angst breitete sich in ihr aus, sie sah zum Boden: „Bitte gib mir Kraft. Bitte, Großvater.“ Ihr Großvater war ihr immer in wichtiger Mensch gewesen. Er hatte ihr als erster die Geschichte erzählt, in der sie sich selbst nun befand.
Wieder sah sie zum Himmel und sie bemerkte das kurze Aufleuchten eines Sterns. „Danke Großvater!“ Etwas Wärme erfüllte nun das junge Einhorn. Finadira verwandelte sich in die menschliche Gestalt, welche Florian kennen gelernt hat.
Florian schlief sehr unruhig. Immer wieder wälzte er sich auf dem alten Sofa, versuchte er seine Augen zu schließen, aber der Tag hatte ihn völlig durcheinander gebracht. Mehr als ein vielleicht minutenlanges Dösen war einfach nicht drin.
Tausende Fragen schwirrten in seinem Kopf. Was mit dieser Frau los war. Ob sie ihm wirklich heute einen Besuch abstatten würde. Vor allem aber fragte er sich warum er sie nicht mehr aus dem Kopf bekam.
Gut, seinen Sprung hatte sie verhindert, aber an sich hatte er jede andere Person, bis auf ganz wenige, immer sofort aus seinem Gedächtnis streichen können. Warum nicht diesmal? Diese Frau, diese Person, und ihr Name, Finadira, das alles fesselte ihn regelrecht.
Auf ein mal klopfte es an die Tür. „Florian?“ Er erkannte Finadiras Stimme. Aber sollte er das tun? „Florian, ich bins. Ich weiß dass du mich treffen willst. Du willst doch sicher wissen was ich dir sagen möchte. Komm schon.“
Der Angesprochene zweifelte selber an seinem Verstand als er nun langsam aufstand, aber etwas taumelte und sich am Kopf kratzte. Irgendwie glaubte er eher ferngesteuert zu sein als er auf die Tür zu ging, diese öffnete und nun jene Person vom Nachmittag zu Augen bekam, im selben Kleid wie er sie das erste mal sah.
„So wies aussieht hast du ja gar nicht gut geschlafen.“ meinte sie nun mit einem Lächeln. Florian musste sich eingestehen wieder eine auf ihn beruhigende und wohltuende Wirkung zu erhalten durch dieses Lächeln.
Florian gähnte und meinte: „Nein, habe ich nicht. Also, du wolltest mir doch etwas zeigen. Dann leg mal los.“
Finadira amüsierte sich ein bisschen darüber, nahm Florians Hand und entgegnete: „Das wirst du gleich sehen. Mach dich bereit. Du wirst diese Nacht so einiges lernen.“ Mit diesen Worten schloss Finadira ihre Augen.
Noch ehe sich Florian versah tauchten auch schon tausende Sterne um sie herum auf, welche Florian gefangen nahmen. Florian glaubte zu schweben, er meinte ab zu heben. Doch ebenso schnell wie die Sterne auftauchten, verschwanden sie auch wieder.
„Was ist hier nur los?“ dachte Florian. „Diese Frau ist doch wirklich kein normaler Mensch. Ich muss doch träumen.“ Eine harte Ohrfeige die er sich selbst verpasste später musste er aber fest stellen: „Das ist gar kein Traum.“
„Kennst du die kleine Person die dort schläft?“ fragte Finadira ihn. Florian musste nun feststellen dass er in einem Kinderzimmer stand. Um ihn herum sah er ein Regal mit Kinderbüchern, dann auch schon Kisten mit Spielzeug.
Durch ein kleines Nachtlicht sah er dann eine ihm bekannte Gitarre, welche neben einem Bett stand. In diesem Bett schlief ein braun haariger, kleiner Junge tief und fest. Das Herz von Florian beschleunigte sich und ihm blieb erst mal die Sprache weg. Dann aber stotterte er: „Jo...Johannes.“

„Ja,“ bestätigte Finadira, „der kleine, zehnjährige Johannes. Woher kennst du ihn denn?“
Florian musste sich erstmal sammeln: „Er hat mich mal gefragt ob ich ihm nicht das Gitarre spielen beibringen könnte. Er war so nett. Und seine Kinderaugen haben mich gefangen. Also hab ich es ihm gezeigt.“
Die Frau zeigte jetzt auf etwas: „Sieh mal was er da hat.“ Jetzt erkannte Florian wie sich Johannes an etwas klammerte. Es war ein goldener Pokal.
Gerade eben als er etwas fragen wollte, hörte er Stimmen der Eltern, die so eben an der Tür vorbei liefen, erst eine weibliche Stimme: „Dass er den Musikwettbewerb heute gewonnen hat. Und das mit dem Unterricht mit diesem Florian.“
„Ich habe mir Sorgen gemacht und bin ihm vorige Woche heimlich gefolgt.“ sagte nun der Vater. „Ich dachte das kann nicht gut gehen. Aber als ich diesen jungen Mann gesehen habe, wie er mit Johannes geredet hat. Seine Augen, das alles. Er war ein Glücksfall.“
„Wieso war ich ein Glücksfall?“ wollte Florian nun wissen. „Woher weißt du überhaupt von ihm?“
„Ich hab dir doch gesagt, ich habe es in deinem Herzen gelesen.“ war die Antwort. „Und was den Glücksfall betrifft, weißt du eigentlich dass seine Eltern arbeitslos sind? Sie konnten Johannes zwar noch die Gitarre kaufen, aber für den Unterricht hatten sie kein Geld mehr, es traf sie völlig überraschend. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte er das alles nie geschafft.“
In diesem Moment hörte Florian wie der kleine Junge im Schlaf murmelte: „Danke, Florian.“
Florian fing an zu weinen, kniete sich hinunter und flüsterte: „Gern geschehen, Johannes.“
Florian fühlte jetzt wieder eine Frauenhand: „Ich möchte dir noch etwas zeigen, Florian.“ Erneut sah er das Leuchten, jetzt waren sie wieder an einem anderen Ort.
„Wo sind wir?“ fragte Florian. Ihm kam der Ort bekannt vor, er versuchte sich so sehr zu erinnern, aber all das was geschah verwirrte ihn zu stark, somit schien er eine Blockade in seinem Kopf zu haben.
„Wir sind in Andres Erinnerungen, besser gesagt hier ist ein besonderer Moment.“ war die Antwort.
Geschockt rief Florian: „Was? In Andres Erinnerungen?“ er verstand endgültig nichts mehr.
„Ich habe auch in seinem Herzen lesen können. Und das dabei gefunden.“ erklärte Finadira nun. „Dies ist ein Moment bevor ihr euch getroffen habt. Ich will dass du da hin siehst.“
Nun erkannte Florian den Platz, an dem Andre ihn mal geführt hatte. Es war ein Baugelände, überall lagen Sand, Schutt und auch die manche leere Flasche.
Es war wie in einem Standbild. Als sich Florian umschaute, fiel ihm plötzlich Andre ins Auge, welcher etwas in der Hand hielt. Er trat näher um genau zu sehen was es war. Es war eine Spritze.
„Was ist das?“ wollte Florian nun wissen. Obwohl er es sich denken konnte, aber glauben wollte er es nicht.
Finadira trat neben ihn: „Das ist eine Überdosis.“
„Nein! Er wollte sich den goldenen Schuss setzen?“ schrie Florian entsetzt und blickte dabei auf.
„Ja,“ musste Finadira nun bestätigen, „aber als du ihm begegnet bist, schwor er sich, dich aus dem Sumpf zu ziehen und sich dabei mit. Er hoffte in dir jemanden zu finden mit dem er seinen Schmerz, den er die Jahre hinweg erfahren musste durch die vielen Streits seiner Eltern und die Anfeindungen gegenüber ihm als Obdachlosem zu teilen. Und so war es doch auch, hab ich nicht Recht?“
So langsam dämmerte Florian was ihm die Junge Frau sagen wollte. Er gestand sich ein, sie hatte Recht. Denn schließlich hatte er doch an sich mit Andre eine Familie: „Ja, wir haben vieles miteinander geteilt.“
„Was denkst du,“ hörte er nun, „Was wäre geschehen wenn du Andre nicht begegnet wärst?“
Es kam die Erwiderung von Florian: „Ich will mir nicht ausmalen was passiert wäre.“
„Auch wenn es verrückt klingt, aber wenn zwei verzweifelte jemand brauchen um die Traurigkeit zu bezwingen, hilft es durch aus, sich gegenseitig zu helfen und die Traurigkeit zu teilen.“ sagte nun Finadira.
Florian lächelte ihr zu: „Du bist eine sehr kluge Frau, weißt du das?“
Etwas errötet widersprach Finadira: „Oh, ähm, nein, eher nicht, das hat mir mein Großvater mal gesagt. Weißt du, er bedeutete mir sehr viel. Und ich denke er hat mit vielen Dingen, die er mir sagte Recht.“
„In dieser Hinsicht hatte er mit Sicherheit Recht. Du bist etwas besonderes. Kaum zu glauben.“ kam von Florian.
Nun aber wurde er von Finadira an der Hand genommen: „Ich bringe dich wieder nach Hause.“ Erneut schloss sie ihre Augen und schon standen sie wieder vor Florians Schuppen.
Florian ging wieder in sein Zu hause, doch bevor er den Schuppen betrat, drehte er sich um: „Danke Finadira. Du hast mir gezeigt, dass mein Leben doch etwas Wert ist. Ich weiß zwar nicht genau was und wer du wirklich bist, aber ich bin froh dir begegnet zu sein.“
Sie sprach darauf hin lächelnd: „Ich bin froh dir geholfen zu haben. Und du wirst eines Tages alles über mich erfahren, wenn die Zeit gekommen ist.“
„Ich hoffe wir begegnen uns bald wieder. Ciao Finadira.“
„Gute Nacht Florian.“ antwortete sie. „Wir werden uns vielleicht schneller begegnen als du es dir wünscht!“ sprach sie leise zu sich.
Nachdem die Tür geschlossen war, fasste sich Finadira an die Stirn. Ihr wurde etwas schwindlig, sie taumelte, sie fühlte sich leer. Die ganze Zeit konnte sie sich noch zusammen reißen, um Florian nicht zu beunruhigen, sie wollte vor ihm keine Schwäche zeigen.
Aber jetzt spürte sie umso mehr wie ausgelaugt sie nun war. „Oh nein, das war einfach zu viel. Ich kann nicht mehr.“ So schnell wie möglich verließ sie jetzt den Ort.
Florian schloss so eben die Tür und musste nun über sich selbst etwas lachen. Auf ein mal hielt er sich selber für den größten Idioten den es überhaupt geben konnte. Irgendwie fragte er sich nun, weshalb er überhaupt daran dachte für niemanden wichtig zu sein.
Florian legte sich wieder auf sein altes Sofa, legte seinen Kopf auf seine nach hinten verschränkten Arme und machte sich mit Blick auf die Decke seine Gedanken über das eben erlebte. Verrückt. Ja, das war der einzige Gedanke den er dazu fand.
Eigentlich wusste Florian die Antwort, weshalb er nicht erkannte einigen Leuten doch mehr zu Bedeuten als er meinte. Er wollte es nicht sehen. Er hatte praktisch die ganze Zeit seine Augen zu gehalten um es nicht zu erkennen, so verrannt war er in seinem glauben.
Und nun musste diese Frau, welche eindeutig mehr war als einfach nur eine Frau, ihm erst die Augen öffnen. Irgendwie kam ihm die ganze Sache bekannt vor.
Aber klar doch, aus diesem Film: Ist das Leben nicht schön. Tja, wahrscheinlich war sie genau das: Sie musste ein Engel sein. Und sie war es: vielleicht nicht zwingend so, wie man es von der Kirche hörte, aber in jedem Fall für ihn persönlich.
Finadira taumelte die Treppe in einem Hochhaus hinauf. Ihre Beine fühlten sich leer, ihr Kopf brummte. Sie schwitzte, ihr war schwindelig, alles war verschwommen.
Das Ende der Treppe wurde erreicht. „Endlich!“ schnaufte sie. Einige wenige Meter lief sie nun in Richtung ihres Heimes. Da sie aber die Namensschilder nicht erkannte, musste sie die Türen zählen:
„Eins...zwei...drei....vier....fünf...“
Sich sich nach vorne fallen lassend drückte sie die Klingel. Ihre Kraft ließ immer mehr nach, um nicht zu fallen stützte Finadira sich an die Wand.
Schritte waren zu hören, die Tür öffnete sich: „Finadira?“

Kapitel 4

Ein Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren überkam jetzt Finadira. Sie schwankte und schließlich fiel sie einer älteren Frau, etwa 50 Jahre alt mit blonden, kurzen Haaren in die Arme.
Sie trug eine schwarze Hose und ein rotes Hemd.
„Was ist mit ihr?“ fragte nun eine männliche Stimme.
Die ältere Frau zog die nun ohnmächtige Finadira mit sich und antwortete: „Schnell, Iguazu, Endira, helft mir, wir müssen sie ins Bett bringen. Sie hat keine Kraft mehr.“
Sofort kamen ein älterer, braun bis blond haariger Mann, welcher eine braune Lederhose, ein rotes Holzfällerhemd und eine braune Lederweste trug, und ein 16 jähriges Mädchen mit braunen, Schulter langen Haaren hinzu und halfen Finadira nun in ihr Zimmer zu bringen. Schnell legten sie das keuchende Mädchen in ihr am Fenster stehende Bett.
Die gesamte Wohnung war mit eher älteren und antikeren Möbeln ausgestattet. In jedem Zimmer stand eine Pflanze. Finadiras Zimmer bestand neben dem Bett besonders aus vielen Bildern, die an der Wand hingen. Seit sie hier lebten malte sie gerne die Natur. Bäume, Blumen, Vögel, Finadira liebte es das Leben festzuhalten. Ansonsten sah man noch eine Kiste mit etwas Mal-Zeug.
Kjara legte ihre Hand auf die Stirn ihrer Tochter: „Sie wird langsam heiß, Endira, hol ein nasses Handtuch.“
So schnell es ging lief die Angesprochene Person aus dem Zimmer. Während dem trat Iguazu an das Bett, nahm die Hand seiner Tochter und fragte mit besorgter Stimme: „Was hast du nur gemacht?“
„Ich...habe...“ versuchte Finadira zu erklären. So eben trat ihre Schwester wieder in das Zimmer und übergab der Mutter das Handtuch.
Kjara legte das Handtuch langsam auf die Stirn der jungen Frau. Finadira hatte ihre Augen geschlossen und schaffte es langsam wieder etwas ruhiger zu atmen. Mehr und mehr wurden die Atemzüge weniger hektisch, ließ das Keuchen nach.
Das kühlende Gefühl des Tuches tat ihr unglaublich gut. Es kam ihr vor als ob ein Feuer, welches sie unglaublich peinigte, dadurch gelöscht wurde. Es heilte richtig.
Iguazu sah mit einem ersten erleichterten Blick auf Endira, welche wiederum ihre abfallende Angst ihrer Mutter zu kommen ließ.
„Wir sollten sie etwas schlafen lassen, dann wird das schon.“ sagte Kjara und erhob sich. Möglichst leise verließ die Familie das Zimmer der jungen Person, die so eben langsam aber sicher ein schlief.

Erste Sonnenstrahlen schlichen sich durch kleine Löcher in den Wänden und durch Ritzen zwischen Dach und Wand des Schuppens. Sanft zuckte Florian etwas mit den Augen als ihn die ersten Strahlen trafen.
Langsam öffnete er seine Augen und nach und nach eröffnete sich ihm der neue Tag. Florian setzte sich auf, streckte seine Glieder und gähnte noch ein wenig. Er fasste sich etwas an den Kopf und dann traf ihn die Erinnerung an die Ereignisse der Nacht.
War das alles nur ein Traum? Hatte er das nicht wirklich erlebt? Solche Fragen spukten ihm nun in seinem Gehirn herum und ließen ihn ein wenig an seinem Verstand zweifeln.
Aber als er spürte wie er doch immer noch unglaubliche Freude spürte, und als ob sein Herz befreit wurde von einer gewaltigen Steinlawine, erkannte er: „Das alles war kein Traum. Es ist wirklich geschehen. Ich spüre eine neue Energie. Hab ich diese vielleicht schon immer in mir getragen?
Vielleicht ja. Und Sie hat mir geholfen sie zu finden.“
Nun aber wurde es Zeit für etwas Körperpflege, soweit es einem hier möglich war. Zuerst öffnete er die kleine Luke an der Seite und holte den kleinen Eimer, welcher gefüllt war mit Regenwasser, herein.
Anschließend füllte er eine Gießkanne mit etwas von diesem Wasser, entledigte sich seiner Kleidung und hängte die Gießkanne mit dem Griff an einen Haken. Sofort strömte das kalte Wasser her raus und durch schüttelte Florian regelrecht.
Ein Glück war nicht Winter, denn da war beim besten Willen nicht daran zu denken. Florian schlich sich dann immer in den Kühl-See des Kohlekraftwerks, da das Gelände bewacht wurde, ging er das Risiko nie ein wenn das Wetter warm war. Nachdem er sich soweit es ging gewaschen hatte, zog er sich an, nahm seine Gitarre und begab sich zu seinem Stammplatz.
Langsam öffneten sich Finadiras Augen. Ihr war immer noch etwas schwindelig, aber zumindest fühlte sie sich wieder etwas gestärkt. Noch etwas verschwommen bemerkte sie wie die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet wurde und ihre Mutter eintrat. Ihr folgend ihr Vater.
Iguazu trat ans Bett: „Wie geht es dir?“
„Es geht schon wieder.“ kam die Antwort. „Wo ist Endira?“ wollte sie nun wissen.
„In der Schule.“ antwortete Kjara. „Und du sagst mir jetzt bitte was du gestern gemacht hast. Es hat seinen Grund wenn du um fällst und keine Kraft mehr hast.“
Finadira fühlte sich etwas getroffen von dieser etwas plötzlichen Frage, doch war es ihr auch bewusst, die Sorgen ihrer Eltern haben einen Grund. Sie hatte einen Fehler begangen. Und nun musste sie diesen offenbaren.
Ihre Eltern hörten sich aufmerksam die Erzählung an. Genaue Details wurden dabei genannt, auch wenn es Finadira etwas peinlich war. Jedoch ging es nicht anders, die Sorge der Eltern war einfach zu groß.
„Finadira, musste das sein?“ sprach Iguazu nun nachdem sie fertig war. „War es so nötig? Du weißt genau welche Folgen es hat unsere Kräfte in der Menschengestalt zu nutzen. Gut, es mag unsere wahre Gestalt sein, aber es ist gefährlich und kraftraubend. In Einhorngestalt sind wir um einiges weniger angreifbar.“
Seine Tochter sah zu Kjara, um etwas Zustimmung zu bekommen, aber diese verriet mit ihrem Blick, dass sie der gleichen Meinung ist.
„Es ging nicht anders, er hatte kaum Hoffnung,“ versuchte Finadira zu beschwichtigen, „wie hätte ich es sonst machen sollen?“
Igauzu trat auf sie zu: „Das verstehe ich, aber vergiss nicht, wir dürfen uns nicht unnötig schwächen. Unsere Feinde werden sehr bald ein Auge auf Florian werfen. Wir werden alle unsere Kräfte benötigen, bis er die Energie frei lässt.“
„Aber wann soll das sein, Vater?“ Finadira war nun richtig aufgewühlt. Ihr Auftrag war ihr wichtig, aber dieser Mensch war ihr nun inzwischen noch wichtiger geworden. Weshalb konnte sie nicht sagen.
Ihr Vater antwortete: „Du weißt, seine Energie wird durch eine andre Kraft freigesetzt, eine gewaltige unbeschreibliche Kraft.“
„Und was für eine Kraft soll das sein? Im Unterricht wurde sie nie erwähnt.“ sie war nun völlig verwirrt.
Kjara nahm Finadiras Hand und antwortete: „Das, meine Tochter, muss du selber her raus finden.“
Als die Eltern nun aber das Zimmer Hand in Hand verlassen wollen, schmollte Finadira aber: „Könnt ihr mir nicht einen kleinen Tipp geben?“ Dabei zog sie einen Schmoll-Mund.
Iguazu und Kjara lachten etwas angesichts des für ein Kleinkind typischen Verhaltens und dann erwiderte der Vater: „Tue das, was du bisher immer getan hast. Sieh in dein Herz.“

Inzwischen war es Mittag geworden. Florian und Andre beendeten so eben ihr letztes Lied. Wie immer hatten sie erneut eine Zugabe geben müssen um die Schüler ruhig zu stellen. Nach einem letzten Beifall warfen einige Leute Münzen in die Dose und dann ging es für Florian und Andre wieder in Richtung Imbiss.
Andre klopfte Florian auf die Schulter und fragte: „Und was ist denn jetzt so alles passiert gestern?“
„Lass es lieber sein Andre. Du würdest es mir sowieso nicht glauben.“ kam die Antwort.
Hartmut konnte sich inzwischen um die beiden kümmern: „Hallo Jungs. Na, haste Florian wieder eingefangen gestern?“
Florian verdrehte etwas die Augen und erwiderte leicht genervt: „Ja, hat er Hartmut. Bitte keine weiteren Andeutungen mehr, ich weiß bereits dass ich mich wie ein Idiot benommen habe. Bring mir lieber eine Cola und ein Schnitzel-Brötchen.“
Sich etwas darüber amüsierend nahm Hartmut noch die Bestellung von Andre auf und widmete sich dann wieder seinem Grill und den Fritteusen. Andre meinte darauf hin: „Na, nicht so gut aufgelegt heute?“ Florian lächelte etwas und stieß freundschaftlich Andre etwas in die Seite.
„Sorry, es ist eben etwas merkwürdig gerade. Ich denke gerade so über einiges nach.“ sagte er dann.
Andre meinte scherzhaft: „Du und denken? Seit wann denn das?“
„Andre!“ kam es jetzt etwas übertrieben ärgerlich.
Andre lachte und erwiderte: „Tschuldigung, konnte es mir nicht verkneifen.“ Mit einem Seufzer in dessen Richtung biss Florian in sein Brötchen.
Inzwischen war es später Nachmittag geworden als Iguazu und Kjara gerade etwas Fernsehen schauten, da bemerkten die beiden wie Finadira und Endira so eben zur Wohnungstür gingen. „Na wo wollt ihr denn hin?“ rief Iguazu seinen Töchtern zu.
Finadira antwortete etwas unsicher: „Ähm, naja, ich will gerne nach Florian sehen und Endira könnte ich dabei noch etwas beibringen.“ Gewaltig ungläubig sah Endira auf ihre Schwester.
„Bist du dir sicher das es dir wieder gut geht Finadira?“ ertönte jetzt die besorgte Stimme ihrer Mutter.
„Ja, keine Sorge Mutter.“ war die Antwort.
Iguazu forderte aber noch: „Denk daran, Endira sollte nicht zu spät nach Hause kommen.“
„Ja, wir denken dran!“ erwiderte jetzt Endira etwas genervt. Somit verließen die Schwestern jetzt die Wohnung.
Während sie unterwegs waren sprang Endira plötzlich vor ihre Schwester.
Diese fragte überrascht: „Was ist denn?“
„Du weißt schon dass das eben nicht ganz wahrheitsgemäß war?“ tadelte Endira jetzt etwas scherzhaft Finadira.
Daraufhin fing Finadira an sie etwas zu kitzeln und lachte dabei: „Hätte ich ihnen vielleicht sagen sollen Endira will unbedingt Florians besten Freund kennen lernen? Hätte ich das? Na, Na?“ Endira brach in Gelächter aus ebenso wie nun auch ihre Schwester.
Nun rangelten die Zwei etwas miteinander. Die Schwestern spürten die Sorgenlosigkeit und die Freude sich zu haben. Wärme, Glück, das alles durchströmte sie jetzt. „Na komm, gehen wir weiter Endira.“

Nebeneinander führten sie jetzt ihren Weg fort. Finadira trug inzwischen eine blaue Jeans und eine weise Bluse, ihre Schwester hatte neben einer ebenso blauen Jeans ein gelbes T-Shirt angezogen. Erinnerungen kamen Finadira dabei in den Kopf, Erinnerungen an den Unterricht von früher.
Zusammen mit anderen ihrer Art wurden Finadira und Endira in den letzten drei Jahren von den so genannten Ältesten darin belehrt, wie man ihre Kräfte richtig einsetzt, was insbesondere ihre Aufgabe ist, und die Geschichte, die sie zu dem machte, was sie sind.
Und von niemanden lernte sie lieber als von ihrem Großvater. Denn die Lehrer brachten ihnen bei, wie man ihre Kräfte einsetzt, aber von ihrem Großvater lernte sie vieles über das Leben. Sie hatte ihn immer sehr geliebt.
Nun kamen sie ihrem Ziel näher, Hartmuts Imbiss. Finadira schwirrten nun viele Fragen durch den Kopf: „Wie wird er auf mich reagieren?“ Immer weiter kamen sie heran. Von weitem erkannte sie nun Florians Gesicht.
Sie fasste sich an ihr Herz: „Warum nur schlägt es so stark, und weshalb ist mir so heiß? Anscheinend bin ich doch mehr als nur etwas müde. Oh nein, was ist das bloß? Diese Hitze, sie Quält mich und doch tut sie mir gut.“
„Hey Schwesterchen, ist alles in Ordnung mit dir?“ besorgte sich Endira und legte ihr dabei die Hand auf die Schulter.
Die Angesprochene nahm Endiras Hand und wollte sie beruhigen: „Doch, alles ist in Ordnung. Mir geht’s gut.“ Auch wenn dem nicht wirklich so war. Auf so ein Gefühl hatte sie nie irgend ein Unterricht oder ihr Großvater vorbereiten können.
Nun kamen sie am Imbiss an, wo sich Florian und Andre gerade darüber unterhielten was sie in nächster Zeit spielen wollen. Tief atmete Finadira durch, dann sprach sie Florian an: „Hallo Florian.“
Die ihm bekannte Stimme versetzte Florian erst mal einen kleinen Schock. Sein Herz beschleunigte sich unglaublich. Langsam drehte er sich um und sah wieder in diese blauen Augen.
„Ah...ähm, hallo Finadira.“ die Schwestern setzten sich nun auf zwei freie Plätze neben Andre und Florian.
Andre fiel Endira sofort ins Auge: „Na, welche hübsche Person haben wir denn hier?“
Etwas errötet antwortete Endira: „Nun, ich bin Endira, ihre Schwester.“
Florian nahm Finadira schnell an seine Seite und flüsterte: „Wieder deine Talente, dass du gewusst hast wo wir sind?“
Etwas lächelnd flüsterte sie zurück: „Na klar, ich habe doch in deinem Herzen gelesen. Ich hoffe du hast niemandem etwas verraten.“
„Das hätte mir doch sowieso keiner geglaubt.“
Andre mischte sich nun ein: „Sag mal, wo hast du denn diese tollen Geschwister her?“
„Naja.....“ Florian sah etwas verstört auf Finadira, deren Blick eindeutig ihn darum bat, nichts zu verraten, was in irgendeiner Weise merkwürdig wäre.
„Also...das ist die Frau die mich gestern davor bewahrt hat...Naja, du weißt schon.“ stotterte er etwas. Ihm war ganz flau zu Mute. Fast schon zitterte er. Finadira legte ihm ihre Hand auf die Schulter, es beruhigte ihn etwas und Wärme floss durch seinen Körper.
Andre rief daraufhin zu ihnen hinüber: „Aha, also unsere große Heldin.“ Schnell nahm er seinen alten Anhänger und hängte ihn Finadira über, gleich der Sieger-Zeremonie bei der Olympiade. Etwas errötet blickte Finadira jetzt zu Boden.
Florian gefiel diese Show überhaupt nicht: „Andre, jetzt lass mal.“
„Eine Heldin, was? Na dann hast du freie Auswahl.“ sagte Hartmut, der das Gespräch mitgehört hatte. „Du bekommst von mir ein freies Getränk und was zum Essen wenn du willst.“
Nun war Finadira gewltig verlegen und drückte ein: „Ein Wasser reicht.“ her raus.
Nachdem Hartmut ihr ein Wasser gebracht hatte, verlief es bis zum Abend gewaltig unterschiedlich. Andre flirtete wie verrückt mit Endira, während Florian und Finadira irgendwie nur verlegen nebeneinander saßen.
Es war ihnen beiden komisch zu Mute. Eigentlich wollten sie sich so viel sagen, aber irgend etwas blockierte sie. So viel sollte eigentlich über ihre Lippen kommen, aber es ging nicht. Es kribbelte in ihnen gleichermaßen.
Bei einem Blick auf ihre Uhr stellte Finadira fest: „Endira, wir sollten so langsam gehen.“
„Ochs, muss das sein?“ schmollte ihre Schwester.
„Ja, es muss sein.“ Dann wandte sie sich an Florian: „Florian, ich hoffe wir sehen uns bald wieder. Ich weiß auch nicht was mit mir los ist, wahrscheinlich bin ich etwas müde. Können wir uns morgen wieder sehen?“
„Oh ja, sehr gerne. Weißt du, wir singen morgen wieder vor dem Warenhaus, so um zehn Uhr. Wenn du willst kannst du morgen zu uns kommen.“ redete er zu ihr.
Ihre Antwort war: „Sehr gerne. Wir sehen uns dann.“
Sie verabschiedeten sich voneinander. Finadira und Endira begaben sich nach Hause. Die ganze Zeit über war Finadira mit ihren Gedanken ganz wo anders. Immer noch beschäftigte sie sich mit ihren Gefühlen.
Es waren Gefühle, welche sie noch nie gekannt hat. War sie immer noch nicht ganz bei Kräften? Denn es gab doch einen Grund dass sie kein Wort sagen konnte, obwohl tausende Worte ihr doch in den Kopf kamen.
Was niemand gewusst oder auch nur geahnt hatte, sie wurden an diesem Tag die ganze Zeit über beobachtet. Eine dunkle Gestalt entfernte sich so eben weg von dem Imbiss, den sie beobachtet hatte.
Nachdem sie sich umgesehen hatte, erzeugte sie einen leuchtenden Kreis mitten in die Welt, trat durch diesen hindurch und befand sich dann in einem dunklen Raum.
„Was hast du mir mitzuteilen?“ ertönte eine dunkle Stimme. Sie besaß keinerlei Gefühl in sich, keine Wut oder sonst irgendetwas.
Die Person antwortete: „Sie haben ihn bereits ins Auge gefasst. Anscheinend haben sie unsere Ankunft erahnt.“
„Ich habe nichts anderes von Iguazu erwartet. Seine Tochter soll es also richten. Er wird bald merken, dass er unsere Macht unterschätzt hat. Nicht mehr lange, und wir werden bald dort sein, wo wir hingehören.“
„So soll es bald sein, Herr.“

Kapitel 5

Der nächste Tag kam, wie nun mal jeder Tag kommt, bevor er geht. Wie immer trafen sich Andre und Florian beim Warenhaus und stimmten die Gitarren. Nur war Florian nicht ganz bei der Sache.
Etwas fehlte ihm an diesem Tag, immer wieder sah er sich um.
Andre erkannte das Verhalten seines Freundes, grinste etwas und meinte schließlich: „Keine Angst, deine Schönheit wird mit Sicherheit kommen.“
Etwas verärgert reagierte Florian: „Andre, sie ist nicht meine Schönheit. Außerdem sagt so was ja gerade der Richtige, du hast schließlich ganz schön heftig mit ihrer Schwester geflirtet gestern.“
Prompt verstummte Andre und er lief krebsrot an. Seine Schweißdrüsen wurden über aktiv.
„Nun ja,“ versuchte sich Andre aus der Affäre zu ziehen, „wie...ähm.“
Mit einem Lächeln legte Florian ihm jetzt seine Hand auf die Schulter: „Na komm, nimm es nicht so schwer, ich mach dir ja keinen Vorwurf. Lass uns lieber etwas Musik machen. Wenn du willst kannst du noch mit jeder Frau flirten die du triffst.“
Durch atmend sah Andre etwas verschämt zu ihm und dann begaben sie sich auf ihre Plätze, um sich wieder das Geld für die tägliche warme Mahlzeit ein zu spielen.
Inzwischen waren drei dunkle Gestalten in einer Höhle nebeneinander versammelt und hörten der dunklen Stimme zu: „Das Spiel kann beginnen. Iguazu meint immer noch, er wäre mir überlegen. Zeigt ihm dass er falsch liegt. Bringt mir den Kopf des Trägers. Und achtet nicht auf die jungen Beschützer. Sie sind nichts weiter als armselige dumme Schüler. Es wird euch ein leichtes sein mit ihnen fertig zu werden.“
Die drei Diener verbeugten sich: „Wie ihr wünscht Meister.“ Dann verschwanden sie auch schon.
„Florian!“ Florian sah, als er eben einpackte schnell zu der von ihm vermuteten Quelle. Und da war sie auch schon, Finadira, diesmal wieder im weißen Kleid, in welchem er sie das erste Mal getroffen hat.
Ein wohlig warmer Schauer durch floss ihn als er Finadira sah. Es tat gut, unglaublich gut. Solche Wärme kannte er nicht. Ein wenig genoss er sie, weshalb er fast gar nicht mehr merkte, wie Finadira schließlich vor ihm stand.
Er besah sie sich, während dem begrüßte er sie: „Hallo Finadira.“ Was für eine Freude in ihm war, wollte er sich nicht eingestehen. Man darf sich nicht auf die Gefühle verlassen, für ihn konnte das alles nur Schmerzen bringen, kein Glück.
Er bemerkte plötzlich dass sie alleine war. „Ist deine Schwester nicht mit dir gekommen?“
„Nein, sie hat heute Nachmittags-Unterricht. Aber mitgekommen wäre sie gerne, um euch mal spielen zu hören.“
„Schade!“ war daraufhin von Andre zu hören. Etwas verwundert sahen nun Florian und Finadira zu ihm. Danach sahen sie sich an und zuckten mit den Schultern.
Dann meinte Florian: „Na, aber du kannst uns doch anhören. Was ist Andre?“
Aber Andre packte gerade eben seine Gitarre und eine der zwei gefüllten Gelddosen: „Nee du, ich hab jetzt Hunger. Ich gehe schon mal zu Hartmut, du kannst ihr alleine noch was vorspielen. Wir sehen uns dann.“
Florian konnte sich keinen Reim darauf machen, normalerweise geht Andre nie ohne ihn zum Essen. Er war verwirrt-aber auch, weil er nicht traurig darüber war, es erfreute ihn mit ihr alleine zu sein, und das bereitete ihm ein schlechtes Gewissen.
Tief in seinen Gedanken wurde er aus diesen durch eine Frauenstimme gerissen: „Möchtest du in den Park, Florian?“ Finadira lächelte ihn an. Und prompt wusste Florian nicht, was ihm geschah. Ein Licht erstrahlte in ihm.
Irgendwie glaubte er, so was immer in sich getragen zu haben, nur jetzt fängt es an zu leuchten. „Ja, sehr gerne Finadira.“
Somit begaben sie sich nun in den Park. Es war wieder mal ein schöner, sonniger Tag. Überall versetzte die Sonne alles in einen unglaublichen Glanz. Einige wenige, noch verbliebene Tautropfen glänzten wie durchsichtige kleine Diamanten. Es schimmerte in den Regenbogenfarben.
Finadira zog Florian plötzlich zwischen ein paar Bäume, welche eine kleine Lichtung umgaben. Die Wiese war noch immer etwas feucht durch Tau. Das Zwitschern der Vögel drang hier hindurch. Finadira setzte sich und deutete Florian es ihr gleich zu tun.
„Ich liebe die Natur!“ sprach sie nun. „Viele Menschen erkennen nicht die wunderbare Kunst die in ihr liegt.“
„Was denn für eine Kunst?“ wollte Florian nun wissen.
Als Antwort redete Finadira: „ Wenn du das wissen willst, dann schließe deine Augen. Sage nichts, lass es auf dich wirken.“
Ein bisschen kam er sich etwas dumm vor. Manchmal konnte Finadira wie einer dieser verrückten Wunderheiler sein, welche versprechen mit der Natur alles heilen zu können. Und doch folgte er ihrer Anweisung.
Somit schloss er nun seine Augen und tat nichts mehr. Er hörte einfach nur noch auf seine Umgebung. Zuerst aber meinte er, dass sich nichts verändert. Eben etwas Wind der durch die Bäume wehte, die Vögel, ein, zwei summende Bienen.
Aber dann spürte er doch, wie sich etwas veränderte. Immer mehr wurden die vielen Geräusche zu einer Musik. Ja, Florian meinte eine Harmonie zu erkennen, eine wunderbare Melodie, die niemand jemals hätte komponieren und schreiben können.
War es das, was sie ihm erklären wollte? Ja, das musste es sein. Wie es ihn durch floss, stärkte, beruhigte. Sein Herz erfühlte Freude und Glück. Wie konnte so was nur sein? Ja, nur die Natur konnte eine solche Kunst zu Stande bringen.
Langsam öffnete Florian seine Augen, immer noch benebelt von diesem Gefühl, welches er nicht beschreiben konnte. Unglaublich war es. Unbeschreiblich.
„Nun?“ fragte Finadira.
„Du hattest Recht.“ kam die Antwort. „Die Natur hat unglaubliche Künste Finadira. Kein Mensch kann diese Künste erschaffen.“
Nun sah sie ihn an: „Was hast du gespürt?“
„Etwas hat mich durch flossen. Ich habe eine Energie gefühlt. Es war unglaublich.“ Er sah auf Finadira. Er wollte es endlich wissen: „Was bist du? Bitte sag es mir.“
Finadira, sah nun etwas erschreckt zum Boden. Es war klar, er würde diese Frage erneut stellen, sie wusste es. Aber war der richtige Zeitpunkt gekommen?
„Naja, also, Florian, ich..“ Ihr war mulmig.
„Ja?“ wurde Florian jetzt etwas fordernd. Seine Gedanken waren: „Bitte, vertrau mir.“
Sie atmete durch. Ihr Herz raste. „Florian, ich weiß nicht ob...“
Auf ein mal stockte sie.
„Nein!“ hauchte sie. Die junge Frau erfuhr eine unglaublich dunkle Energie. „Oh nein, nein nein!“
„Was?“ wunderte sich Florian.
„Wir müssen sofort weg!“ reif Finadira hektisch, sie packte Florians Hand und zog ihn hinter sich her, als sie flüchtete.
Florian verstand die Welt nicht mehr: „Was ist denn jetzt auf ein mal los mit dir?“
„Frag nicht sondern lauf lieber Florian. Beeile dich.“ Obwohl Florian gar nichts mehr kapierte, spürte er doch wie ernst es Finadira war. Irgendwas stimmte überhaupt nicht.
Also rannte er jetzt ihr hinterher. Eine Gefahr war hier, das konnte er auf ein mal fühlen. Aber weshalb? Vielleicht, weil Finadira bei ihm war, so dass er nun etwas von ihr erhalten hatte? Weswegen er nun diese Gefahr spüren konnte?
Sie kamen gerade an einem verlassenen Parkplatz an, als auf ein mal eine Explosion sich direkt vor ihnen ereignete. Auf einen Schlag flog ihnen der Zaun vor ihnen um die Ohren. Der Schreck fuhr ihnen in die Glieder, ließ sie erstarren.
Als die beiden aufblickten, kam ein Mann auf sie zu: Er war völlig in schwarz gekleidet: schwarzer Trenchcoat, schwarzes Hemd, schwarze Hose. Auch die kurzen Haare waren schwarz, und sein Blick verriet eisige Kälte.
Gerade eben wollten sie zur anderen Seite rennen, als dort auch schon eine Person auftauchte, genauso schwarz und mit kaltem Blick wie der andere. Eine erneute Umkehr erwies sich durch eine dritte, solche Person als unmöglich.
Langsam wurden sie eingekreist. Immer weiter. Der Kreis zog sich zu. Wie die Beute eines Rudels hatten sie sich nun in einer Jagd einer hoffnungslosen Situation zu ergeben.
Finadira sah sich um. Da sprach einer der Männer zu ihr: „Gib auf, Schülerin. Du hast gegen uns keine Chance.“
„Niemals. Ich bin keine Schülerin mehr, ihr wisst das. Er ist zu wichtig.“ Sie hatte sich vor Florian gestellt. Ihm ging es überhaupt nicht gut. Er war nur noch ahnungslos, alles schien ihm eine dicke Wand vor seinen Verstand gebaut zu haben.
Wieder redete einer der Männer: „Du weißt dass deine Tarnung dann hinfällig ist. Willst du das riskieren?“
Der Gedanke war Finadira nicht wirklich angenehm. Andererseits, sie hätte es ihm sowieso verraten irgendwann. Nur jetzt unter diesen Umständen gefiel es ihr gar nicht. Ob er enttäuscht sein würde, weil sie es ihm nicht so mitgeteilt hat?
Nochmal konnte sie ihre Kräfte nicht in Menschengestalt einsetzen. Es würde sie nur schwächen. Voller Angst sah sie zu Florian. Ihr teils trauriger, teils bittender Blick versetzte ihm eine Gänsehaut: „Florian, bitte verzeih mir. Ich hätte es dir mit Sicherheit schon bald so gesagt.“

Finadira schloss ihre Augen und schon umschwirrten sie wieder das weiße Licht und die Sterne. Das helle, blendende Licht zwang Florian seine Augen abzuwenden und zu schließen.
Als er sie wieder öffnete, verschlug es ihm die Sprache, wie er nicht mehr die junge Frau, sondern ein Einhorn vor sich sah.
„Träume ich das alles hier? Das ist doch nicht real. Anscheinend verliere ich mein letztes Bisschen an Verstand. Das gibt’s doch alles nicht.“ dachte er.
Aber als er in diesem Moment von einer Druckwelle erfasst wurde, die ihn zu Boden schleuderte, musst er auf schmerzhafte Art fest stellen, dass das kein Traum war.
„Florian,“ rief das Einhorn ihm zu, „bring dich in Sicherheit. Schnell. Ich erkläre dir alles später.“ Ohne jedes Widerwort und völlig verwirrt rannte Florian hinter einen Haufen von zerstörten Straßen-Laternen, ein besseres Versteck war hier nicht zu finden.
Nun griffen die Männer das Einhorn an. Eine Druckwelle schob es einige Meter nach hinten. Sofort reagierte es und ließ einen Licht-Speer ausgehend des Horns auf den ersten Angreifer, welcher sofort auswich.
Der nächste ließ einen Blitz auf das Wesen los. Kurz wieherte es und schwang auf seine Hinterbeine, dann warf es den Blitz zurück.
„Es ist nur eine Schülerin, nicht mehr.“ sagte nun der dritte und sprang an den Hals des Fabelwesens. Die anderen Beiden kamen ihm zu Hilfe und sprangen ebenso auf das Tier. Mit dunklen Kugeln versuchten sie nun den Kampf zu gewinnen.
Immer wieder und wider stießen sie eine Kugel nach der anderen gegen den Körper Finadiras, wie es sich Florian, der alles vorsichtig beobachtete, eingestehen musste. Sie wand sich und dann ließ sie ein Licht erstrahlen.
Sofort flogen die Feinde einige Meter von ihm weg. Florian war erleichtert, ein Stein fiel ihm vom Herzen, wie er dies beobachtete.
Es erschien nicht so dass die Gegner nochmal aufstehen konnten. Aus seinem Versteck kam Florian nun zum angestrengt atmenden Einhorn. Er wankte etwas, ging nur zögernd auf sie zu, sein Herz schlug mehr als laut, alles drehte sich in seinem Kopf.
Flüstern fragte er: „Finadira?“ Das Einhorn sah kurz zu ihm.
Sich schämend ließ Finadira ihr Haupt hängen: „Ja.“
Bevor er noch mal was sagen konnte, ertönte eine weitere tiefe Stimme: „Man muss eben alles selber machen. Aber ich muss sagen, du hast mich beeindruckt.“
Ein weiterer, größerer Mann erschien auf dem Kampflatz. Lange, rote Haare hatte er. Rau und kantig war sein gesamtes Gesicht. Seine Augen hatten eine Dunkelheit, welche jedem unter die Haut ging.
Er trug einen dunklen Umhang, wie die anderen, dunkles Hemd, dunkle Hose. „Ich habe noch nie einen Einhornmenschen in diesem jungen Alter so stark kämpfen sehen. Aber jetzt ist damit Schluss.“
Er hob seine Arme. Schwarzer Rauch erschien aus seinen Händen.
„Lass ihn in Ruhe!“ schrie nun das Einhorn. In Florian wuchs die Kälte der Angst, als er diesem Mann sah, der nicht von dieser Welt war anscheinend. Er zitterte stark, fast schon fing er an zu weinen.
Ein Diabolisches Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Mannes: „Ich werde die größte Bedrohung für mich ganz bestimmt nicht verschonen. Dann wäre ich ja vollkommen verrückt. Was denkst du denn von mir?“
„Größte Bedrohung? Ich? Für wen oder was überhaupt?“ Florians Angst vermischte sich mit Unwissen und Verwirrung. „Ist dieser...nein, dieses wirklich hinter mir her? Weshalb nur? Warum soll ich so wichtig sein? Warum ich?“ Das alles waren seine Gedanken.
„Mach dich bereit.“ forderte der Mann nun. Finadira versetzte sich in Kampfstellung mit gesenktem Haupt, bereit alles zu geben, obwohl ihr klar war, sie würde keine Chance haben.
„Almodovar, genug. Du hast deinen Spaß gehabt!“ ertönte nun die Stimme eines Älteren Mannes. Schnell erschien der Rest von Finadiras Familie in Einhorn-Gestalt.
„Iguazu, Alter Freund. Hast du meine Macht gespürt? Immer noch so geschickt wie ich es seit unserer letzten Begegnung kenne.“ erwiderte der Angesprochene hämisch.
Das braune Einhorn sah entschlossen zu ihm: „Ich habe dich damals nicht aufhalten können, aber diesmal wirst du keine Chance haben. Du kämpfst gegen meine gesamte Familie diesmal.“
„Ihr könnt mich nicht vernichten!“ war die Antwort.
Woraufhin Iguazu erwähnte: „Aber dich aufhalten bis es für dich zu spät ist. Und das könnten wir heute, sofort. Willst du es riskieren, dass wir dich deine gesamte Kraft kosten, dass du warten musst, bis dein Ende besiegelt ist?“
Iguazu deutete mit seinem Horn nun in Richtung der Besiegten: „Sieh dir deine Handlanger an, sie sind besiegt, von meiner Tochter. Ohne sie sieht es nicht mehr so gut für dich aus.“ Florian stützte sich auf Finadira und beobachtete diese ganze Szene mit einem Blick, der seinen gesamten Schock über das, was hier geschah, offensichtlich machte.
Almodovar deutete seinen Untergebenen auf zu stehen. „Ihr hattet einen guten Zug, Iguazu. Aber noch ist das Spiel nicht zu Ende.“ Er wendete sich Finadira zu, während seine Helfer an ihm vorbei schlichen mit gesenkten Köpfen: „Ich freue mich auf unser Wiedersehen, gnädiges Fräulein.“ Dann drehte er sich um und verschwand.
Nun verwandelten sich alle vier in ihre Menschen-Gestalt. Florian war zuerst erneut völlig perplex, dann aber dachte er sich nur: „Mich wundert nichts mehr.“
Iguazu wandte sich seiner Tochter zu: „Glaubst du jetzt, wie stark du bist?“
„Aber Vater, ohne euch hätte er mich vernichtet!“ antwortete Finadira.
„Fiandira,“ sprach nun ihr Vater, „du hast drei seiner Helfer alleine bezwungen. Jeder andere in deinem Alter hat gegen nur einen von ihnen verloren und wurde schwer verletzt, wenige verloren sogar ihr Leben. Du bist die Stärkste...“
„Entschuldigung dass ich störe,“ alle sahen sie nun auf Florian, dessen Unwissenheit inzwischen eine richtige Wut in ihm erzeugt hatte, und diese stand in seinem Gesicht geschrieben: „ich will jetzt endlich wissen was hier vor sich geht, und was ihr alle von mir wollt!“
Sich neben ihn stellend sprach Iguazu nun: „Folge mir, Florian, ich habe dir einiges zu erklären. Es wird nicht einfach für dich sein.“
Iguazu hatte seine Hand auf Florians Schulter gelegt und nahm ihn nun mit sich. Florian sah Finadira an, und sein Blick verriet ihr Enttäuschung: „Florian.“ flüsterte sie traurig.

Kapitel 6

„Florian, es wird nicht einfach sein für dich dies alles zu verstehen. Aber ich denke es wird Zeit dass du die Wahrheit erfährst. Vieles wird für dich unmöglich erscheinen, aber ich bin sicher, du wirst es mit der Zeit verstehen.“
In der Wohnung von Finadiras Familie herrschte eine angespannte Atmosphäre. Die gesamte Familie hatte sich zusammen mit Florian um den großen Tisch zusammengesetzt. Iguazu saß ihm Gegenüber, die Frauen an Iguazus Seite.
Finadira sah mit traurigem Blick auf Florian. In ihr brannte ein schlechtes Gewissen. Immer wieder fragte sie sich, ob es nicht besser gewesen wäre es ihm früher zu sagen. Sie merkte wie er deswegen anscheinend voller Enttäuschung war.
In Florians Kopf rang die Verwirrung nun mit dem Versuch, sich auf die nun folgende Erzählung zu konzentrieren. Fragen, immer wieder so viele fragen, die in ihm gnadenlos hämmerten. Und dagegen kämpfte er nun an. Er sah auf.
Iguazu begann: „Dies alles begann vor mehr als tausend Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt existierten
Gut und Böse in dem Gleichgewicht, wie es sein muss. Denn wie es ohne den Tod das Leben nicht geben würde, gäbe es auch ohne das Böse nicht das Gute.
Licht und Dunkelheit existierten nebeneinander. Damals lebten auch wir Einhornmenschen in Frieden mit den anderen Menschen. Es war stets unsere Aufgabe dieses Gleichgewicht zu schützen, und zu bewahren.
Aber damals, so heißt es, wurde Almodovar der Nachfolger des damals verstorbenen Königs des Schattens. Und im Gegensatz zu seinen Vorgängern war er nicht daran interessiert dieses Gleichgewicht zu bewahren.
Er beachtete nicht die nötige Existenz des Lichtes, ohne das es den Schatten nicht geben würde. Almodovar verletzte das Recht der Menschen, sich selber zwischen Gut und Böse entscheiden zu können. Er zwang sie zum Bösen.
Das Ergebnis folgte: Zuerst achtete niemand mehr auf das Recht des anderen. Der Starke quälte den Schwachen, der Bruder wurde dem Bruder zum Feind. Und schließlich erreichte es seinen Höhepunkt bei den Kreuzzügen.
Der Einfluss Almodovars brachte die Kreuzzügler zu etwas, von dem sie glaubten es wäre gut: Menschen zu töten, weil ihr Glaube anders war. In dieser Krise wurde unseren Vorfahren die Gefahr bewusst.
Besonders, da Almodovar das Einzige kannte, was ihn vernichten könnte: Die Energie des Hellsten Lichts. Doch die Energie kann nur durch die Größte Kraft auf Erden freigesetzt werden. Somit pflanzten sie die Energie einer der reinsten Familien jener Zeit ein: Deiner Familie.“

Florians Mund stand sperrangelweit offen. Wie als ob so eben eine Wand gegen ihn gefallen war, so fühlt er sich erst mal geplättet. Das gab es doch nicht: „Mei...mei...ner...Fa....Familie?“
„Ich weiß,“ redete nun Iguazu, „Es trifft dich hart, aber so ist es. Deinen Vorfahren.“
Florian ließ das alles auf sich wirken, ehe er nach gut zwei Minuten des Schweigens fragte: „Und....was ist dann geschehen?“
Nun führte Iguazu fort: „Unsere Ahnen löschten das Gedächtnis aller Menschen mit den Erinnerungen an uns. Jede Geschichte über Einhörner die du je gehört hast, jedes Buch das geschrieben wurde, all das sind die Überbleibsel der Erinnerungen, welche auch über all die Generationen weiter lebten.
Die Nachfahren von damals mussten sich nun versteckt halten und ihre Kräfte und ihre andere Gestalt geheim halten. Und sie versuchten die Nachfahren deiner Familie zu beschützen, denn die Energie des Hellsten Lichts vererbte sich seit der ersten Generation.
Aber sie mussten auch ebenso das Gleichgewicht beschützen, aber Almodovars Einfluss wuchs, und es gelang ihnen nicht immer. Immer wieder reichte der Einfluss aus, um die gewaltigsten Katastrophen zu verursachen.
Die Pest, der Dreißigjährige Krieg, die Weltkriege: Das alles waren Urgewaltige Krisen, die über das Gleichgewicht hinaus gingen und ohne Almodovar nie geschehen wären.
Und leider wurde seine Macht immer größer. Immer mehr Mitglieder deiner Familie mussten sterben. Und jetzt lebst nur noch du. Du bist der einzige Träger der Energie des Hellsten Lichts. Und somit die größte Bedrohung für Almodovar.“
Florian vergrub sein Gesicht in den Händen. So langsam brach so einiges für ihn zusammen. Sein Herz krampfte sich zusammen, sein Kopf hämmerte, er glaubte wahnsinnig zu werden.
Beim Versuch seine Tränen zu unterdrücken vor Schock fragte er: „Was ist mit meinen Eltern?“

Iguazu antwortete, auch wenn es ihm gewaltig schwer viel: „Damals....Almodovar hatte das Flugzeug abstürzen lassen. Ich versuchte ihn aufzuhalten, aber er war zu mächtig, und meine Töchter waren noch Schüler.
Ich hatte keine Chance. Deine Mutter war der Träger. Jetzt ist dein Leben in Gefahr. Florian, ich möchte dich bitten, vertraue uns. So lange du die Energie nicht frei gelassen hast, bist du ohne uns nicht sicher.“
Einige Minuten vergingen. Florian hatte ein ganz mieses Gefühl in der Magengegend. Ein gewaltiger Kloß steckte ihm im Hals. Eine gewaltige Last stapelte sich immer mehr auf seinen Schultern, so hatte er das im Gefühl.
Er wäre also so etwas wie ein Auserwählter. Nur, hatte er keine Kräfte die er dafür einsetzten könnte. Nein, er muss auf eine Kraft warten. „Kann ich,“ fragte er nun, „denn gar nichts tun um das zu beschleunigen? Was ist das überhaupt für eine Kraft, welche die Energie frei setzen soll?“

Iguazu lächelte ihn an und sprach: „Um das zu tun, musst du in dein Herz sehen.“ Finadira blickte leicht entsetzt zu ihrem Vater. Er hatte ihr nur wenige Tage zuvor das selbe gesagt. Was ging hier nur vor?
Für Florian war es nicht mehr wirklich verwunderlich, irgendwie redete hier alles und jeder nur in Rätseln. Da konnte absolut niemand mehr daraus schlau werden.
Als er merkte, dass er wohl keine Antwort auf seine Frage erhält, die er versteht, wollten er nun etwas anderes wissen: „Seid ihr nun eigentlich Menschen oder Einhörner?“
Kjara widmete sich nun ihm zu: „Wir sind Menschen. Wir haben nur zusätzliche Kräfte. Aber an sich gehören wir zu eurer Art.“
Dann wollte er wissen: „Wenn Almodovar so alt ist, was ist dann mit euch?“
„Wir,“ sagte Kjara nun, „werden nicht älter als ihr. Nur die Herrscher der Dunkelheit können über tausend Jahre alt, wenn nicht noch älter werden, damit die Stabilität des Gleichgewichts bewahrt bleibt. Auch wenn es im Falle von Almodovar nicht dem Zweck dient.“
Kjara sah nun kurz zu Finadira, dann erneut mit einem Lächeln auf Florian:„Weißt du, Finadira hat viel riskiert als sie zu dir kam.“
„Wieso? Was meinen sie?“ Florian wusste nicht weshalb, vielleicht wollte er es nicht wahr haben, jedenfalls erwachte in ihm wieder die Sorge, die er noch nie gehabt hatte um jemanden.
Kjara erklärte es ihm: „Wir können unsere Kräfte immer einsetzen, aber wenn wir sie in Menschengestalt einsetzen, schwächt uns das enorm. Es kann sogar lebensgefährlich werden. Finadira hat viel für dich getan, Florian.“
Florian sah nun auf Finadira, welche etwas verlegen wurde und den Kopf zum Boden lenkte. Es war ihr fast peinlich, wie rot ihr Gesicht nun wurde.
Dankbarkeit machte sich in ihm breit. Irgendwie hatte er ihr Vorwürfe gemacht, weil sie ihr Geheimnis eher gezwungener Maßen preis gegeben hatte, aber nach dem ihm Kjara das erklärt hatte, spürte er er nun ein schlechtes Gewissen.
Sie hatte viel für ihn riskiert, und er war vor einigen Sekunden noch mächtig enttäuscht. Dabei war sie einige Wagnisse gegangen, um ihm seinen Lebensmut wieder zu geben.
Auf ein mal gähnte er und schon fühlte er sich völlig leer. Richtig ausgelaugt. „So muss sich eine leere Batterie fühlen.“ dachte er sich. „Es tut mir Leid, aber ich muss jetzt gehen. Ich bin so müde.“
„Du darfst ruhig bei uns schlafen.“ sagte Kjara.
Florian lehnte ab: „Ich will niemandem zur Last fallen. Ich gehe nach Hause. Nett von ihnen, aber es muss so sein.“
Finadiras Herz sorgte sich um ihn, es schlug und veranlasste sie dazu, sofort: „Ich komme mit dir!“ zu rufen. Florian lächelte ihr zu und spürte erneut diese Wärme. So sehr gefiel es ihm. „Sehr gerne Finadira.“
Somit begaben sich nun Finadira und Florian in Richtung von Florians Schuppen. Einige Zeit lang sagten sie beide gar nichts. Sie schwiegen nur, als sie nebeneinander gingen.
Die ganzen Dinge, die Florian erfahren hatte, kamen alle so plötzlich, dass er Zweifel daran hatte damit fertig zu werden. So viel war noch nie auf ihn eingeprasselt. Und das auf ein mal. Eigentlich ein Grund, dass sein Kopf platzen könnte.
Aber es gab einen Grund, warum es nicht so kommt: Finadira. Florian sah zu ihr rüber während sie weiter liefen. Er dachte an das, was er mit ihr erlebt hatte. Wie sie ihm klar machte, wie wichtig sein Leben doch ist. Diese wenigen Momente mit ihr.
Besonders was sich heute ereignet hatte: Diese Nähe zur Natur. Die Natur war eine Künstlerin, dies hatte er durch sie gelernt. Und dann hatte sie ihn beschützt. Vor allem mit diesem Einsatz.
„Eigentlich,“ so sprach es nun in seinem Kopf, „ist sie eine wunderbare Frau. Vielleicht die perfekte Frau.“ Inzwischen kamen sie an einer Wiese an. Etwas Licht von der untergehenden Sonne erhellte diese Stelle.
Für die Frau gab es keine Möglichkeit zu widerstehen. Sie musste einfach ihre Augen schließen um nochmal die Schönheit der Künstlerin namens Natur zu genießen. Florian beobachtete sie. Wie sie atmete.
Er lächelte. Sein Herz schlug so stark gegen seine Brust, dass er meinen konnte es würde gleich aus ihm her raus springen. Erneut kam diese Wärme. Und diese Wärme setzte vieles in ihm aus, abgesehen von seiner Hand, welche sich nun in Richtung von Finadiras Hand bewegte.
„Florian!“ Erschrocken drehte Florian sich um und sah wie Andre mit einem panischen Gesicht auf sie zu rannte. Er begriff gar nichts mehr. „Andre?“
Nun drehte sich auch Finadira um und verstand genau so wenig. Bis sie auf ein mal was verspürte. Es traf sie richtig, erzeugte Schmerzen in ihr. Wie als ob Flammen in ihr brannten, so war das Gefühl in ihrer Brust.
„Finadira, was ist mit dir?“ schrie der völlig geschockte Florian.
Als er in diesem Moment auch schon wieder Andre hörte: „Florian pass auf!“ Andre riss nun Florian und Finadira, welche sich noch immer krümmte mit sich. In diesem Moment bereits erschien bereits eine Art schwarzer Rauch-Speer und erwischte Andre voll am Rücken.
Das Herz von Florian stand kurz still. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er den Wiesenboden unter sich spürte. Für eine Sekunde, die ihm aber wie Minuten vor kam, lag er erst nur lethargisch da.
Dann aber schrie er vor entsetzen: „ANDREEEE!“ Sofort rappelte er sich auf, kam zum reglosen Andre. Noch ganz sanft hörte er ein Atmen, aber er war schwer verletzt, Sein gesamter Rücken hatte Brandwunden, das Blut reflektierte das Licht der Abendsonne.
Da ertönte wieder die dunkle Stimme: „Ihr Menschen und eure Gefühle. Damit steht ihr euch eben immer wieder selber im Weg.“ Almodovar erschien hinter einem Gebüsch.
Finadira, deren Schmerzen mit einem Male weg waren, erkannte nun auch den Grund dafür. Sie musste seine Anwesenheit gespürt haben, aber leider zu spät. Nun hasste sie sich dafür. Sie nahm Florian in ihren Blick, wie er bei Andre war: „Andre, halte durch, bitte. Ich bring dich hier weg.“

Verzweifelt versuchte Florian Andre zu Schultern, aber Da erschien schon wieder eine Rauchsäule direkt vor ihm: „Wohin denn so schnell, Energieträger. Jetzt fängt der Spaß doch erst an.“
So schnell es ging verwandelte sich Finadira und nahm den Kampf mit Almodovar auf. Sie hatte Wut: Wut auf sich selbst, denn sie hatte die Gefahr erst bemerkt, als es zu spät war. Es war furchtbar sich ein zu gestehen, versagt zu haben.
Finadira schloss ihre Augen: „Wir sind angegriffen worden. Beeilt euch. Ich schaffe es nicht allein.“
Als nächstes ging sie auf ihn zu.
Almodovar hatte nur ein müdes Lächeln dafür übrig: „Hast du nach deiner Familie gerufen? Denkst du wirklich, ich kenne das nicht? Ich habe bereits meine Krieger aus geschickt um sie auf zu halten.“
Finadira trat nun auf ihn zu. „So, lernen wir uns also etwas besser kennen.“ sprach Almodovar nun. „Du bist also diejenige, von der Iguazu glaubt, sie wäre die Stärkste und Beste. Glaubst du es denn selbst?“
Eine Kälte kam über sie. Nie hatte sie geglaubt, was ihr Vater glaubt. „Nein!“ war die Antwort. „ich weiß nicht, weshalb er es mir immer wieder sagt.“
Kalt und siegesgewiss grinste Almodovar. „Selbstzweifel.“ waren seine Gedanken. „Wunderbar. Es gibt keine größere Schwächung. Das wird ein Kinderspiel.“
Das Lächeln flößte Florian eine Gänsehaut ein. Starre war über ihn gekommen. Nicht mal der Gedanke, Andre zu helfen konnte ihm irgend eine Möglichkeit sich zu bewegen verschaffen. Andre lag noch immer bewusstlos vor ihm.
Finadira schwang ihren Kopf und warf einen Lichtblitz gegen Almodovar. Dieser erzeugte als Antwort darauf eine Rauchwand, welche gar nichts durch ließ. „Wo bleibt denn da der Spaß? Komm schon, zeig mir was.“
Wut machte sich in Finadira breit. Ihr Horn fing an zu leuchten, dann stieß ein Lichtspeer hervor. Ihr Gegenüber machte eine Handbewegung und das Geschoss flog wieder auf sie zu. Sie spürte eine Druckwelle und wurde nach hinten verschoben.
Almodovar verhöhnte sie: „Ich hatte schon Gegner die mich mal verschoben haben in meiner Position. Warum du nicht? Wohl doch nicht so mächtig.“ Jetzt erhob er seine Hand und griff mit einem Rauchstrahl an.
Unglaubliche, brennende Schmerzen erfassten das Einhorn. Die Hölle schien ihre Flammen gegen sie gespeit zu haben. Ihre Kraft verließ sie. Nur noch etwas wackelig war sie auf den Beinen, sie meinte nichts mehr tun zu können.
Ihr Stolz hielt sie noch aufrecht. Aufgeben? Nein, das konnte sie eigentlich nicht. Und doch wusste sie, es gab keine Chance. Niemals. Nochmal versuchte sie auf ihn zu zu gehen, aber ihr Bein knickte ein.
Nun zeigte sich ein gespielt, enttäuschtes Gesicht auf Almodovars Gesicht. Schritt für schritt kam er näher. Mit einem enttäuschten Unterton redete er sie an: „Du verschwendest nur meine Zeit. Da kann man keinen Spaß haben. Wo bleibt denn da mein Vergnügen?“
Anschließend sah er auf Florian: „Du sollst mit an sehen wie ich den Träger vernichte. Du sollst sehen wie du versagst ehe es mit dir zu Ende geht.“
Erschrocken sah das Einhornmädchen zu Florian. „Nein!“ flehte sie in ihrem Geiste. Sie versuchte mit ihrem Einhorn-Kopf ihn noch zu erreichen, aber ihre Kraft reichte nicht mehr aus.
Florian sah auf den Feind, wie er seine Hand hob. „Jetzt ist es also doch vorbei!“ sprach es in seinem Kopf.
Als wieder eine Rauchsäule auf ihn zu kam, hob er seine Hand. Ein helles Licht erstrahlte. „Ich muss im Himmel sein. Dieses warme Licht!“ Das Licht erstarb nach einigen Augenblicken. Florian öffnete seine Augen.
Er sah aber nicht den Himmel, sondern nur wie Almodovar anscheinend einige Meter weit geflogen war und sich nun an den Kopf fasste. Er sah auf Finadiras überraschtes Gesicht. „Was ist hier nur passiert?“ spukte es in ihm. Dass Finadira ebenso verwundert war ließ ihn darauf schließen, dass nicht sie die Sache vorerst zum guten gewendet hatte.
„Na warte,“ rief nun Almodovar, „dies mal hast du Glück gehabt, aber das nächste Mal gehörst du mir.“ Dann verließ er den Platz.
Das Einhorn verwandelte sich wieder in einen Menschen. Florian sah wieder auf Andre. „Wir müssen ihn in ein Krankenhaus bringen!“ hörte er ihre Stimme. Aber als sie ihre Hand auf seine Schulter legte, schüttelte er sie weg. Er sah sie mit zornigem Blick an.
„Verschwinde! Ich will dich hier nicht mehr sehen! Du hast mich davor bewahrt mich umzubringen. Aber doch nur wegen dieser Energie, die ich in mir tragen soll, nicht wahr? Wenn dir wirklich etwas an mir liegt, dann hättest du es nicht so weit kommen lassen!“
Erschrocken nahm sie ihre Hand zurück. So was hatte noch nie jemand zu ihr gesagt. „Aber..“
„Halt den Mund!“ schrie er nun mit Tränen in den Augen. „Klar, Andre muss ins Krankenhaus. Und dann? Er hat keine Krankenversicherung verdammt! Er wird den Aufenthalt nicht bezahlen können, man wird ihn einsperren!
Mir ist es lieber tot zu sein als dass er da hineingezogen wird. Nun ist es aber so. Seit du da bist ist nicht nur mein Leben bedroht, sondern anscheinend auch das meines einzigen Freundes. Ich will dich nicht mehr sehen!“
Etwas bohrte sich in Finadiras Herz. Eine Qual, so schrecklich, wie es ihr noch nie widerfahren ist. Tränen rollten ihre Wangen herunter. Nun war es egal wie entkräftet sie war, sie rannte nur noch voller Verzweiflung weg von diesem Ort.
Florian sah ihr nach. Er hielt seinen Zorn aufrecht, er tat es mit voller Kraft. Oder, versuchte er es nur? Es war ihm erst mal egal. Wieder schulterte er Andre und zog ihn soweit es ihm möglich war in Richtung der Klinik, von der er meinte, es wäre der kürzeste Weg.
Finadira rannte, rannte, ohne Ziel. Einfach nur weg von diesen Worten, die sie immer noch verfolgten, immer wieder in ihr hallten. Irgendwie versuchte sie davor zu flüchten. Doch wusste sie, es ist unmöglich zu entkommen.
Auf einmal standen drei Einhörner vor ihr. Sie stoppte. Die Einhörner verwandelten sich in Menschen. Iguazu sah das Leid im Gesicht seiner Tochter. „Finadira! Was ist mit dir?“ sprach er. Finadira antwortete nicht, sie sprang in seine Arme und weinte.
Igauzu streichelte sanft ihren Kopf. Kjara und Endira schmerzte es sie so weinen zu sehen und umarmten sie ebenfalls. „Ist schon gut, Liebes. Lass es raus. Schäm dich nicht. Wir sind da. Nur wir sind da!“ flüsterte Iguazu.

Kapitel 7

Ein Zimmer. Weiße Vorhänge hingen an den Fenstern. Nur das regelmäßige Geräusch des Tropfes störte hin und wieder diese Stille. Es konnte unerträglich werden. Es war eine Stille des ebenso stillen Leides.
Die Wände waren ebenso weiß wie das Bettzeug. Ein Gummibaum stand neben dem Fenster und wirkte wie ein grüner Fleck in diesem eintönigen Weiß.
Heute war eindeutig nicht daran zu denken, Musik zu machen. Florian saß am Bett von Andre. Immer noch war er bewusstlos. Aber zumindest war er nicht in Lebensgefahr.
Überall an seinem ganzen Körper waren Verbände. Er hätte Glück gehabt, meinten die Ärzte. Noch mehr verbrannte Haut, und die Sache wäre nicht so glimpflich gewesen.
Florian hatte Tränen in seinen Augen.„Es tut mir so Leid Andre. Ich hätte mich nicht auf diese Frau einlassen sollen. Es wäre vielleicht doch besser gewesen zu springen. Dann wäre das alles nie passiert.“ flüsterte er. Dann ging er auf das Bett zu: „Ich verspreche dir, das wird nie wieder geschehen.“
Florian nahm Andres Hand und drückte sie kurz. Dann entschied er sich erst mal zu sich nach Hause zu gehen. „Hier kann ich im Moment nichts machen. Aber ein mal werde ich noch kommen. Und danach wirst du nicht mehr wegen mir Leiden.“
Während dem trat die ältere Frau an das Bett ihrer Tochter. Finadira war wohl nur wegen Erschöpfung eingeschlafen. Tränen benetzten noch immer das Gesicht der jungen Frau. Langsam streichelte sie die weißen Haare.
Sie konnte es noch immer spüren, das Leid, dieses unsägliche Leid. Eines der schlimmsten, die es geben konnte. „Finadira, wäre ich doch nur schneller gewesen. Ob wir es verhindert hätten?“
„Nein, es war unmöglich es zu verhindern.“ trat nun Iguazu zu seiner Frau. „Almodovar hatte es genau geplant. Aber ich glaube, sie wird es schaffen.“
Er legte seine Hand auf Kjaras Schulter. Diese umfasste die Hand. Es war ihr so wichtig, dass sie eine Familie waren, dass sie Schmerzen teilen konnten.
Iguazu nahm dann seine Frau mit sich: „Wenigstens wissen wir jetzt, so wie es Finadira erzählt hat, Florian wird zum Teil von der Energie beschützt. Aber das wird ihn nicht ewig vor Almodovar bewahren. Sie muss es, nein, sie wird es bald erreichen.“
„Was soll ich erreichen?“ Die Eltern drehten sich zu ihrer Tochter um, welche sich nun aufsetzte und dann ein paar Strähnen aus dem Gesicht wischte. Am liebsten hätte sie wieder geweint, doch so langsam fehlte ihr die Kraft dazu.
Ihrem Vater stieg nun ein Kampf ins Innere. Soll er? Soll er nicht? Eigentlich war es ihr gutes Recht es zu wissen, aber andererseits konnte es ihr auch noch mehr weh tun. Dann aber beschloss er, dass es nicht anders gehe.
Iguazu kam auf sie zu: „Ich wollte es dir eigentlich nie offenbaren, weil ich nicht wusste, wie du es aufnimmst, aber jetzt, muss ich es sagen: Ich glaube, du bist der Schlüssel um die Energie des Hellsten Lichts frei zu setzen.“
„Spinnst du?“ erwiderte sie aufgebracht. „Was soll ich schon erreichen. Du hast es doch von mir gehört. Wenn dieser Lichtstrahl nicht aus seinem Körper gekommen wäre, hätte Almodovar jetzt gewonnen.“
Iguazu sah erschrocken auf seine Tochter. Seine Frau sah zu Boden. Tränen stahlen sich aus ihren Augen. Finadira war völlig aufgewühlt, alles in ihr brodelte. Warum nur beharren sie so sehr darauf, was für Fähigkeiten sie habe?
Dann aber kam wieder dieses Stechen in ihrem Herzen. „Es tut so weh, und doch, es ist nicht mein Körper. Mutter,“ wandte Finadira sich an Kjara, „Kennst du das?“
„Ja, mein Kind, ich kenne es:“ war zu hören.
Mit ihrem Blick zum Boden gerichtet sprach Finadira: „Er war so wütend, so verzweifelt. Ich habe seine gesamte Wut gespürt. Es muss ihm großes Leid zugefügt haben, als Andre verletzt wurde. Und dann die Sache, er könne das Krankenhaus nicht bezahlen. Es schmerzt ihn so sehr.“
Wieder hallten seine Worte in ihr. Und irgendwie war da etwas anderes als nur Wut, es war das Leid. Es war die Sorge um Andre. Es tat ihr mehr weh, dies zu hören, es her raus zu hören, wie es ihn mitnahm, als das, was er ihr sagte.
„Ich muss ihm helfen!“ redete sie zu sich. Sie stand auf. Eine Kraft brachte sie nun dazu, voran zu gehen, etwas zu tun, von dem sie wusste, es ist das Richtige. Sofort eilte sie zur Tür: „Ich muss gehen, so schnell wie es geht!“
„Warum?“ wollte ihr Vater wissen, der sie mit erstauntem Blick verfolgt hatte.
Sie schrie gerade zu zurück: „Verdammt, mir geht es nicht um diese Energie, mir geht es um ihn. Und nur um ihn. Ich weiß nicht warum, aber ich kann nur glücklich sein, wenn er glücklich ist. Egal, was ich opfern muss dafür. Und wenn es mein Leben ist!Ich kann nicht erklären warum, aber ich muss es tun!“
Schnell lief sie zur Tür hinaus. Kjara und Iguazu sahen sich zuerst verwundert, dann lächelnd an. „Nun,“ fragte Iguazu seine Frau, „hatte ich Recht?“
Kjara legte ihre Arme um ihn, küsste ihn sanft und antwortete: „Ja, du hattest Recht. Hoffentlich wird sie jetzt endlich an sich glauben!“
„Schon bald ist es soweit. Und dann wird sie mehr finden als nur das Ende dieses Krieges!“ flüsterte er und küsste dann nochmal seine Frau.
Kjara sah dann auf ihre Uhr: „Endira braucht heute aber lange. Was macht sie nur?“
„Mach dir keine Sorgen,“ beruhigte sie ihr Liebster, „Sie wird sich noch etwas vergnügen. Und außerdem, sie hat auch ihre Kräfte.“
Kjara lehnte sich an ihn und sprach: „Ja, du hast Recht.“ Schon so viele Jahre fühlten sie diese wunderbare und schöne Macht. Diese Geborgenheit, und das Vergessen aller Sorgen. Und es würde immer so sein, und noch viele Jahre.
Niemand hatte Bemerkt, wie jemand in das inzwischen gedämmerte Zimmer Andres trat. Die Person versuchte leise zu sein, um von niemandem bemerkt zu werden.
Sobald sie das Bett erreichte, flüsterte sie: „Ich hätte da sein sollen, Andre. Denn schließlich, bist du mir sehr wichtig geworden. Und das nur in diesen wenigen Augenblicken, die wir hatten. Aber ich verspreche dir, wir werden noch viele dieser Tage haben.“
Dann beugte sie sich zu ihm, gab ihm sanft einen Kuss auf die Lippen. Und schließlich verließ Endira das Zimmer so leise, wie sie es betreten hatte. Andres Augenlider zuckten.
Florian hatte unruhig geschlafen bis fast gar nicht in den letzten beiden Tagen. Wohl eher etwas gedöst ab und zu. Die ständigen Sorgen und dann dieses schlechte Gewissen. Es nagte unaufhörlich an ihm. Fast schon meinte er davon innerlich aufgefressen zu werden.
Aber es wird bald damit Schluss sein. Nicht mehr lange werden andere wegen ihm Leiden, das hatte er sich geschworen, Nun aber wollte er wenigstens wissen, ob Andre wieder auf die Beine kommt. Also machte sich Florian, es war bereits gegen Mittag, auf den Weg zur Klinik.
In den letzten Tagen hatte er alleine etwas Musik gemacht um nicht ganz ohne Essen auskommen zu müssen. Die Schüler hatten ihn ebenso wie Hartmut mehrmals gefragt, weshalb Andre nicht dabei wäre.
Als Antwort kam von ihm, Andre hätte Heuschnupfen. Wobei er sich dachte, dass jeder, der sie etwas besser kannte, daran zweifelt, hatte Andre doch bisher nie Symptome dafür gezeigt.
Aber zuzugeben, Andre wäre im Krankenhaus und kann das nicht bezahlen, so dass er mit einigen unangenehmen Folgen zu rechnen hätte, dafür schämte er sich zu sehr. Schwäche zeigen, das ist etwas, was er noch nie konnte.
So eben kam etwa fünfzig Meter vor ihm, als er um eine Ecke kam, der Eingang des Krankenhauses in den Blick. Und wie jemand in Weiß gekleidet eben von diesem Eingang wegging.
Florian war verwirrt: „Ist da eben Finadira...Nein, nie und nimmer. Anscheinend werde ich nun endgültig verrückt.“
Er ging durch die Tür. Es war das übliche geschäftliche Treiben. Besucher mit Blumensträußen, Schwestern, mancher Patient im Rollstuhl, und dazu die dauernden Durchsagen. Wie die Zimmer war auch hier das Meiste an den Wänden weiß, der Bodenbelag war blau.
Auf ein mal ging einer der Schüler, für die sie immer gespielt hatten, an ihm vorbei. Der Junge, er hatte blonde Haare und trug eine Lederjacke, drehte sich kurz zu Florian um, nickte ihm lächelnd zu, und verließ das Gebäude.
„So langsam glaube ich die ganze Welt ist verrückt geworden, was macht er denn hier? Dass jemand Verwandtes von ihm anscheinend gerade hier ist, oh man, ich sollte nicht mehr versuchen Dinge zu verstehen.“ dachte er bei dem Anblick.
So langsam verstand er die gesamte Welt nicht mehr als er den Fahrstuhl hinauf fuhr in Richtung von Andres Zimmer. Schließlich öffnete sich die Tür, und Florian ging auf das Zimmer, in dem Andre lag, zu.
Als er es betrat, verschlug es ihm die Sprache. Andre saß da scherzend und lachend, während sein Mittagessen vor ihm stand,zusammen mit Hartmut, welcher neben dem Bett stand und dabei immer wieder irgend etwas begutachtete.
Nach erster Lähmung rannte er auf Andre zu: „Andre, wie geht es dir?“ Florians Innenleben war durch gemischt von Freude und Verwunderung, Unglauben und Glück. Keinen klaren Gedanken konnte er fassen.
Andre lachte etwas darüber und antwortete: „Mal abgesehen von den Verbänden geht es mir perfekt. Das kannst du mir glauben.“
Florian meinte nun endgültig nicht mehr in einem normalen Krankenhaus zu sein, sondern in einer Irren-Anstalt. Wie konnte sein bester Freund angesichts der aktuellen Situation nur lachen? Mit wirrem Blick sah er nun auf Hartmuts ebenso lachendes Gesicht.
„Andre,“ versuchte er diesem seine Lage zu erklären, „Du hast keine Versicherung, du wirst die Rechnung niemals bezahlen können. Das heißt sie werden gegen dich klagen, und da du nicht bezahlen kannst, darfst du die Summe dann absitzen, ist dir das klar?“
„Wegen der Rechnung brauchst du dir keine Sorgen machen.“ Völlig perplex sah Florian auf Hartmut, der das eben ausgesprochen hatte. „Die Schüler, für die ihr immer spielt, haben gestern auf der Schule für euch gesammelt, da ist einiges zusammen gekommen, das dürfte für die Rechnung reichen.“
Ungläubig nahm Florian nun wieder Andre in den Blick, dessen Lächeln die Sache zu bestätigen schien. So langsam kam es ihm in den Sinn, dass Hartmut anscheinend Recht hatte.
„Und was ist das hier eigentlich?“ fragte Florian beim Blick auf ein Stück Papier, welches direkt vor Hartmut lag.
Hartmut erklärte: „Dies,“ und dabei hob er das Blatt demonstrativ hoch, „ist eine Einladung an euch, in einem Club vor zu spielen. Gestern hatte ein Club-Besitzer bei mir am Imbiss geklagt, dass er niemanden für gute Live-Musik hat.
Da seid ihr mir eingefallen. Ich habe ihm von eurem Erfolg erzählt, und er meinte, er braucht jede Gelegenheit die er kriegen kann. Wenn Andre wieder fit ist, will er euch sehen.“
„Nee, oder?“ Florian traf es wie ein harter Schlag. „Das kann doch nicht war sein...“ Florian nahm das Blatt und las die Zeilen, die da standen. Immer und immer wieder. Sein Herz klopfte. Das erste mal, das zweite Mal, immer noch konnte er es nicht glauben.
Aber so stand es da, und es war unterschrieben, inklusive des Briefkopfes eines Clubs. Es entsprach tatsächlich der Wahrheit.
„Warum habt ihr eigentlich nie gesagt, dass ihr auf der Straße lebt?“ wollte Hartmut nun wissen. Florian sah ihn überrascht an. Hatte er sich das nicht gedacht?
Er sagte: „Du wusstest doch, dass wir auf der Straße Musik machen, hättest du es dir nicht denken können?“
„Florian,“ wurde vom Imbiss-Besitzer erwidert, „erstens habt ihr mir nie genau was von eurem Leben erzählt, insbesondere nicht das, und zweitens weißt du gar nicht, wer alles auf der Straße Musik macht. Ich meinte, ihr wärt arbeitslos und bekommt irgendwas niedriges vom Staat, wo ihr was dazu verdienen wollt. Aber nicht, dass ihr obdachlos seid.“
Beschämt sah Florian zum Boden. Stimmt, sie hatten nie genaues gesagt wie sie lebten. Es war ihnen peinlich. Aber nun kam ihm etwas in den Sinn: Jemand muss doch irgend wem erzählt haben, was passiert war.
Er musste es unbedingt wissen: „Hartmut, wer?“
„Wer was?“ kam die Gegenfrage.
„Wer hat dir, oder euch, oder wem auch immer erzählt, dass Andre verletzt ist? Dass wir Obdachlos sind? Wer?“
Ein mal sah Hartmut zu Andre. Dieser nickte ihm kurz zu. Anschließend atmete er kurz durch, ehe er die Wahrheit offenbarte: „Es war diese junge Frau, Finadira.“
Im ersten Moment stieß etwas gegen Florians Kopf, im nächsten Moment ließ er sich in einen Stuhl fallen. Ein starker Druck lastete auf ein mal in seinem Herzen, dass unglaublich schnell schlug. Er glaubte, es müsste zerspringen.
Er atmete hektisch, als er nur noch in die Leere blickte. „Alles in Ordnung mit dir, Florian?“ fragte besorgt Hartmut.
Florian sah auf ihn: „Hartmut...könntest...du...mich bitte mit Andre alleine lassen?“
Der Angesprochene erkannte, er wäre im Moment keine Hilfe. „Natürlich,“ redete er, „Aber denkt daran mir Bescheid zu sagen wenn es für euch in den Club geht.“
„Klar, machen wir!“ war Andres Antwort.
Nachdem sie nun alleine waren, wollte Andre wissen: „Was ist mit dir? Sag mir bitte, was dich beschäftigt?“
„Andre, ich denke, es wird nicht leicht sein es zu glauben. Aber ich sage die Wahrheit.“ sprach der immer noch niedergeschlagene Florian.
Draußen, vor der Klinik, sah eine junge Frau mit weißen Haaren und ein paar vereinzelten Tränen zum Fenster von Andres Zimmer, in dem sie auch Florian wusste.
„Lebe wohl, Florian. Ich werde dich niemals vergessen!“ flüsterte sie. Dann warf sie einen Kuss in Richtung des Fensters. Sie spürte den Abschiedsschmerz. Ihr Herz flehte sie an, nicht zu gehen, aber ihr Verstand war stärker.
Sie wusste, es würde keine Chance geben. Auch wenn jeder Schritt nun weg von diesem Ort sich mit einem Stich in ihr Herz bohrte. Die Tränen würden vergehen, sie würde alles vergessen. Mit Sicherheit. Und doch, eine Leere breitete sich in ihr aus.
Andre hatte sich Florians Geschichte angehört. Zuerst mal musste er das alles verdauen. Florian hatte ihm alles Erlebte mit Finadira erzählt, und was er in sich tragen soll.
Nach einiger Zeit sah er in Florians Augen und erkannte, es war die Wahrheit, so unglaublich sie auch klang. „Ich versteh also Florian. Ist ja einiges passiert. Und eines muss ich dir sagen. Dazu musst du aber etwas näher kommen.“
Etwas verwundert darüber tat Florian was Andre wünschte. Im nächsten Moment spürte er schon die Hand Andres. Fast wurde er von dieser Ohrfeige umgeworfen. Dann spürte er einen brennenden Schmerz auf seiner Wange.
Er rieb sich die getroffene Stelle und schrie Andre gerade zu voller Wut an: „Was zum Henker sollte denn das jetzt?“
Die Antwort kam nicht gerade in niedrigerer Lautstärke: „Wie konntest du das tun, sie so zu verletzten? Merkst du eigentlich nicht wie viel sie dir bedeutet?“
„Sie bedeutet mir gar nichts!“ brüllte Florian zurück, doch etwas in seiner Brust sagte was anderes.
Andre wurde noch ärgerlicher: „Verdammt Florian, ich habe Augen im Kopf. Ich habe es doch gesehen, wie du sie angesehen hast bei Hartmut. Du liebst diese Frau.“
Bei diesen Worten fühlte Florian erneut diesen starken Druck. All dies Lachen, das Erlebte, als sie auf der Wiese waren, ihre Begegnung, diese Nacht-Es brach aus ihm her raus, als endgültig nur noch die Stimme seines Herzens sprach, er weinte bitterlich.
„Was habe ich nur getan? Ich bin so ein Idiot.“
„Geh zu ihr!“ bedrängte ihn Andre.
Auch Florians Herz schrie ihn gerade zu an, so deutlich konnte er dessen Stimme hören: „Beeile dich.“
Andre wurde von Florian angesehen mit Tränen gefüllten Augen: „Ich weiß doch nicht wo sie ist?“
Mit einer Hand auf Florians Schulter sprach Andre: „Du wirst sie finden. Geh schon!“
Nun trieb auch sein Herz ihn dazu, auf zu stehen und so schnell wie möglich das Zimmer zu verlassen: „Ich werde bald wieder kommen, Andre. Und dann wird für den Club-Besitzer geübt.“ rief er nach hinten.
„Jetzt hau schon ab!“ war die Antwort. Nach dem er allein war lachte Andre ein bisschen mit einem Kopf schütteln: „Immer wieder muss man ihn antreiben.“
Florian rannte durch die Stadt, welche in der Abenddämmerung golden glänzte. Er sah sich immer wieder um, rief nach ihr, aber nirgends war eine Spur von Finadira.
„Ob ich mal bei ihr zu Hause frage?“ Dachte er sich. „Wo bist du nur, Finadira. Verdammt, wenn es einen Gott gibt,dann bekomme ich noch eine Chance. Bitte.“
Florian ertappte sich dabei, wie er das aller erste mal in seinem Leben betete. Er suchte nach Hilfe. Plötzlich aber kam ihm der Gedanke: „Vielleicht ist sie ja...“ Weiter dachte er nicht, er rannte nur noch.
Finadira sah sich die letzten Spuren der Sonne an. Immer noch spukten in ihr die Worte Florians herum. Das Herz eines Einhornmenschen konnte vieles vertragen, aber gegen solche Schmerzen war auch sie nicht abgesichert.
Das Herz, welches nach Erfüllung rief, es würde sie nicht bekommen, so sagte es ihr Verstand. „Wenigstens,“ dachte sie sich, „habe ich verhindert, dass er hier runter springt. Und dafür gesorgt, seinem Leben einen kleinen Stoß zu geben.“
Das waren ihre Gedanken, als sie auf dem Dach des Fabrikgebäudes von vor ein paar Tagen stand. Der Wind trieb ein paar Blüten um ihr Gesicht. Sie schloss die Augen und hörte wieder diese wunderbare Musik der Natur, welche ihrem Herzen wenigstens ein bisschen gut tat.
Nun aber wurde es Zeit, nach Hause zu gehen. Ihre Eltern machten sich sicher schon Sorgen um sie. Und außerdem war sie für Almodovar hier ein leichtes Ziel.
„Finadira!“ Die ihr Bekannte männliche Stimme versetzte ihrem Herzen eine wohlige Wärme, und doch schmerzte sie. „Du willst doch nicht das tun, was ich vor ein paar Tagen wollte?“
„Nein,“ war die Antwort, „ich wollte nur ein bisschen in Erinnerungen schwelgen. Ich weiß, dass du mich nicht mehr sehen willst.“ Sie drehte sich um: „Ich hoffe, Florian, dass ein Leben jetzt die Wendung bekommen hat, die es verdient. Ich will dein Glück nicht mehr gefährden. Lebe wohl!“

Finadira ging an ihm Vorbei. Doch sollte sie nicht weit kommen. Florian schnappte sich ihre Hand, drehte sie zu sich um und umarmte sie fest. So fest, als ob er wüsste, sie würde in einer Sekunde verschwinden.
Finadira spürte mehr als nur eine Wärme. Eine gewaltige Hitze. „Wenn du jetzt gehst, stehst du meinem Glück im Weg!“ schluchzte er. Ihr Herz schlug unglaublich schnell, abertausende von Schmetterlingen schwirrten in ihr.
„Es tut mir Leid. Ich habe nie erkannt,wie wichtig du mir bist. Bitte verzeih mir, Finadira.“ Geschah das alles wirklich? War es nur ein Traum? Nein, diese festen Arme, die sie spürte, es war kein Traum.
Er löste sie etwas von sich, sah ihr in die Augen, strich sanft über ihre Lippe. Es kribbelte auf jedem einzelnen Millimeter, den er berührte: „Ich liebe dich!“
Florian kam auf sie zu mit seinem Gesicht. Finadira ließ es geschehen, schloss die Augen, spürte seinen Mund. Alles explodierte wie ein Feuerwerk in ihr, es tat so unglaublich gut. Es war so unbeschreiblich, so schön.
Als er den Kuss löste, atmete sie erst nur ungläubig, fasste sich kurz an die Lippen, dann antwortete sie: „Natürlich verzeihe ich jemandem, den ich über alles liebe!“
Florians Herz machte gewaltige Sprünge, als er das hörte. Er kuschelte sie an sich, genoss die Geborgenheit, das Kribbeln. Keine Sorgen mehr, nein,nie mehr, es gab nur noch sie Zwei. Die Zeit stand still. Nichts zählte mehr. Außer dieser unvergesslicher Moment.
„Herr, das Einhorn-Mädchen und der Träger des Lichtes..“
„Ich weiß es schon!“ antwortete aufgebracht Almodovar. „Aber das zählt auch nichts. Gehe gefälligst wieder. Wir müssen unsere gesamten Kräfte sammeln. Dann werden wir den Träger auslöschen, ebenso wie Iguazus Familie. Der Krieg wird bald beendet sein und wir werden die einzigen sein, die dann noch stehen.“
In der dunklen Höhle ließ der Diener nach einer Verbeugung Almodovar wieder allein. Dieser ging wieder in seine Meditations-Position und sprach leise: „Bald schon Iguazu, befördere ich dich in die Hölle. Aber zuerst sollst du noch etwas Leiden! Das wird dein Vorgeschmack!“

Kapitel 8

Was für eine wunderbare Wärme. War sie nur ein Traum? Sie konnte doch nur ein Traum sein, schließlich hatte er sie noch nie so sehr, so intensiv gespürt. Dieses Kribbeln, dieses Herzklopfen. Es tat so unglaublich gut.
Der größte Wunsch Florians war es, dass, wenn er seine Augen öffnen würde, sich her raus stellt, es wäre kein Traum. Ganz langsam öffnete er seine Augenlider.
Er lächelte. Fast flossen seine Tränen vor Glück. Die junge Frau, welche er in seinem Arm hielt und mit dem Gesicht ihm zugewandt immer noch schlief, war real. Sie war kein Traum, sie lag hier, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Ein Lächeln, so unbeschreiblich, so schön. Für Florian ging erneut die Sonne auf. Sanft strich er mit seinem Finger über ihren Rücken, über ihre Arme. Ihre Haut war so unglaublich weich. Wie konnte man da, bei diesem Glücksgefühl, jemals aufhören zu lächeln?
Eigentlich kaum zu glauben, sie hatten eine wunderbare Nacht verbracht, aber in Florians Schuppen, und auch noch auf einer großen Decke die hier lag, selber nur mit zwei Decken bedeckt. Aber in diesem Moment war es einfach nur egal.
Finadira entgingen diese Liebkosungen nicht mehr. Langsam bewegte sie sich etwas, streckte sich ein wenig bis sie endlich die Augen aufschlug, damit Florian wieder auf dieses wunderbare Blau sehen konnte.
„Guten Morgen!“ flüsterte er leise und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Nase. Finadira schmiegte sich an ihn.
„Den wünsche ich dir auch!“ Ihre Hände suchten sich für ein paar Sekunden, ehe sie sich ineinander verhakten. Still beobachteten sie es. Einfache Momente, welche etwas für einen weltbewegendes hatten, wenn man verliebt war.
Irgendwie musste es das sein, das wahre Glück, nachdem jeder sucht, und welches nicht jeder findet. Wenn man den Herzschlag des anderen spürt, weiß, es ist wie der meine.
Florian küsste Finadiras Haar und sagte dann: „Ich weiß, laut der Etikette müsste ich dich jetzt fragen ob du Lust auf ein Frühstück hast, nur kannst du dir ja denken, dass es da bei mir ein paar Schwierigkeiten gibt.“
Kurz sahen sie sich an. Dann lachten sie. Und die junge Frau antwortete schließlich: „Dann lass uns einfach noch etwas hier liegen. Lass es uns genießen. Das ist besser als jedes Frühstück.“
Florian küsste ihre Hand. Sie hatte Recht. Wenn man in so einem Moment war, gab es keine anderen Empfindungen. Nur den Wunsch, den Moment auf die Ewigkeit zu ziehen.
Langsam wurde es Mittag, und jetzt wurde es doch so langsam Zeit, auf zu stehen. Langsam erhoben sie sich und zogen sich an.
„Kjara, es ist bald so weit.“ sprach Iguazu zu seiner Frau.
Sie ging auf ihn zu. Ihr Blick war flehend. „Bist du sicher, dass sie das vor hat?“
Iguazu sah zu Boden: „Absolut. Ich habe ihren Entschluss gespürt, und angesichts ihrer Fähigkeiten wird sie ihn finden. Ich hoffe nur, Florian wird bei ihr sein.“
Kjara musste kurz lächeln: „Heute morgen, als ich aufgewacht bin, da habe ich es gespürt, wie glücklich sie ist. In diesen Moment bin ich froh, wie sehr wir mit den für uns wichtigsten Menschen verbunden sind, sodass es uns möglich ist, ihre Gefühle zu spüren. Aber wenn es auch heißt, zu erfahren, was sie vor hat-bist du wirklich sicher?“
Gerade eben kam Endira ins Wohnzimmer und hörte sofort zu. Igauzu brauchte die gesamte Familie. Also wandte er sich nun an beide: „Ich habe auch ihre Freude gespürt. Aber auch ihre Entschlossenheit. Sie hat einen Entschluss gefasst, und zwar einen, der ihr unglaublich wichtig ist. Es gibt keinen Zweifel.“
Iguazu legte seine Hände auf die Schultern der beiden vor ihm: „Sie braucht uns. Auch wenn sie es wahrscheinlich nicht will. Es dauert nicht mehr lange, bis die Energie sich frei setzt, zu dem Zeitpunkt, an dem es richtig ist.
Aber bis dahin werden wir Almodovar aufhalten müssen. Ich weiß, ich verlange viel von euch. Ich möchte euch nichts vor machen: wir werden durch die Hölle gehen. Er wird uns seine gesamten Kräfte entgegensetzen, nicht zu vergessen dessen Diener.
Die Schmerzen, die wir erleiden müssen, werden unaussprechlich. Aber es ist unsere Aufgabe. Finadira und Florian werden es ohne unsere Hilfe nicht schaffen.“
Fest umarmte er seine Frau und seine Tochter. Die Wärme, die sie dabei empfanden, tat unglaublich gut. Sie war so tröstend, und vertreib alle Angst.
Endira weinte etwas und sprach: „Vater, ich will dir sagen, ich bin froh, bei euch aufgewachsen zu sein. Ich will dir gerne sagen, dass ich jemanden besonderen gefunden habe. Und ich will für diesen helfen, den Krieg zu beenden.“
Verwundert sah Iguazu auf seine Tochter. Am liebsten hätte er sie gleich gefragt, wer das sein soll, aber es gab jetzt wichtigeres.
Eine Mischung aus gewaltiger Angst und Zuversicht durchströmte die gesamte Familie. Kälte und wärme, Zweifel und Sicherheit, so was konnte durchaus quälend werden. Iguazu sah auf das Gesicht von Kjara und Endira, dann sprach er: „Es wird Zeit.“
Seufzend sah Finadira in den Wald hinein. Sie hatte Florian darum gebeten, mit ihr hier her zu gehen. Hier her, wo sie ihm gezeigt hatte, was für eine Künstlerin die Natur ist.
„Seid wir an diesen Ort gekommen sind, siehst du betrübt aus. Was hast du?“ fragte Florian, als er seine Liebste von hinten umarmte und sie auf die Wange küsste. Finadira nahm seinen Arm und genoss die Wärme.
Dann redete sie: „Ich muss dir was sagen. Ich will den Krieg heute beenden.“ Geschockt drehte Florian sie um. Unglauben war in seinen Augen. Hatte er richtig gehört?
„Willst du etwa wirklich alleine gegen diesen Almodovar antreten?“
„Ja!“ war die Antwort. „Und ich will es alleine tun. Ich will nicht mehr, dass dein Leben bedroht ist, aber das wird es sein so lange er existiert.
Ich habe seine Gegenwart gespürt. Ich weiß wo er ist. Und nun muss ich es einfach tun.“
Gerade als sie sich um wandte, ertönte eine fordernde Stimme: „Ich komme mit dir.“
„Nein!“ Finadira sah ihn an, ihr Herz schlug schnell, war voller Sorge und fühlte sich so an, als ob ein Felsen daran hing. „Ich will dich nicht verlieren!“
Florian packte sie an den Armen, sah ihr in die Augen: „Ich bin der Energieträger, es heißt, nur meine Energie kann ihn vernichten, richtig? Also muss ich mitkommen.“
Weinend ging Finadira in seine Arme: „Ich habe Angst. Nicht um mich, um dich. Bitte, ich will dich nicht verlieren!“
Florian spürte ihre Angst. Und auch er hatte Angst, aber das wunderbare Leuchten, dass sich in ihm befand, dank ihr, gab ihm Kraft. Er spürte es. „Du wirst mich nicht verlieren. Wenn du sterben musst, will ich mit dir sterben.“
Finadira schloss ihre Augen und genoss die Geborgenheit Florians. Nach einiger Zeit flüsterte sie: „Du gibst wohl nicht auf, oder?“
„Genau so wenig wie du vor ein paar Tagen.“ antwortete er. Bei diesen Worten lachte sie kurz. Dann lösten sie sich voneinander.
Sie hielt ihm ihre Hand entgegen: „Dann eben zusammen. Lass es uns beenden.“
Florian nahm ihre Hand und zusammen gingen sie nun dem Kampf entgegen. Mit jedem Schritt wurde die Angst immer kleiner.
Finadira wurde von Florian angesehen, und der dachte sich: „Vor ein paar Tagen wäre ich lieber im Sumpf ertrunken, und jetzt mache ich das hier. Es hat sich so viel verändert, und das in nur wenigen Tagen. Ich muss verrückt sein.“
Und als er wieder dieses wunderbare Gefühl und sein Herz spürte, wurde ihm klar: „Ja, ich bin vollkommen verrückt-verrückt, weil ich verliebt bin.“
Auf ein mal stoppte Finadira: „Was tut ihr hier?“ In diesem Moment sah auch schon Florian, der zuerst nicht begriff was geschah, wie Finadiras Familie vor sie trat: „Wir bleiben stets an deiner Seite, Finadira. Denkst du, wir lassen dich allein?“ erwiderte Iguazu.
Finadira hatte aber um ihre Familie die gleiche Sorge wie um Florian, auch wenn es etwas anders war. „Ich will das nicht!“
Da sprang Endira nach vorne und flüsterte ihr ins Ohr: „Soll ich ihnen erzählen dass du an der Tür damals gelogen hast?“ Dabei piekte sie ihre Schwester etwas, so dass diese anfangen musste zu lachen: „Na, was ist? Können wir jetzt helfen?“
Finadira ging schon der Atem aus: „Ja, schon gut, du gibst so wie so nicht auf. Bist eben doch manchmal ein echter Sturkopf.“
Sie sah dann lächelnd zu ihren Eltern: „Ihr habt meinen Entschluss gespürt, richtig?“
„Natürlich, du bist schließlich unsere Tochter.“ sagte Kjara.
„Gespürt?“ fragte Florian.
„Nun,“ kam die Antwort Finadiras, „wir spüren die Gefühle unsere liebsten Menschen, Florian. Ein kleines Talent, dass uns vergönnt ist.“
Worauf Florian meinte: „Sei so nett und kläre mich doch bitte über alle Talente auf wenn das hier vorbei ist. Wäre Praktisch für unsere Zukunft.“
Vor Glück über das Wort Unsere lachend schlug sie etwas scherzhaft gegen ihn und antwortete: „Ja, das werde ich machen. Am besten ich schreibe dir gleich morgen eine Liste, ok?“
„Ok.“sagte Florian und schon ging wieder das Gelächter los der beiden.
Iguazu lächelte. Auch in der größten Not, in der ernstesten Situation, konnten sie alle Lachen. Konnte es ein besseres Zeichen geben? Nein, das konnte es nicht.
Somit gingen sie jetzt gemeinsam. „Wo hast du ihn gespürt, Finadira? Ich denke doch, das du ihn gespürt hast?“ wollte Iguazu nun wissen.
Finadira konzentrierte sich genau auf die Quelle der Dunkelheit. Sie spürte sie, sie kamen ihr näher. Es war so kalt, dieses Gefühl. So schrecklich kalt. Sie spürte Hass, Zorn, Einsamkeit.
„Hier entlang!“ Alle folgten dem Einhornmädchen. Bei jedem war die Anspannung zu erkennen. Sie wussten alle, dass an diesem Tag der Krieg, der versteckt nun über tausend Jahre gedauert hat, sein Ende finden würde.
Schließlich erblickten sie eine Felsenwand. Finadira konzentrierte sich, schloss ihre Augen. Ein Leuchten erschien, und schon zeigte sich der Eingang einer Höhle. Florian wunderte sich erst, aber dann fiel ihm ja ein, mit wem er hier unterwegs war.
„Finadira!“ sagte Iguazu empört und leicht enttäuscht vor Sorge.
„Ich weiß Vater!“ war ihre Antwort. Wieder hatte sie ihre Kräfte benutzt, ohne sich zu verwandeln. Aber sie sah erst mal keine andere Möglichkeit, wegen der ständigen Angst, dass sie ein Mensch, der nichts von ihnen wusste, beobachtet.
Sie traten immer weiter in die Höhle. Hier und da flackerten ein paar Fackeln. Ihre Schatten spielten
unheimliche Spiele durch dieses Flackern und formten verschiedene Gestalten, welche nicht immer wirklich nett aussahen. Ihre Schritte hallten durch das gesamte Versteck.
Überall hingen vereinzelt Wurzeln von Bäumen von der Decke. Der Gang ließ nur einen Weg zu, dem die Fünf folgten, immer darauf bedacht, von Almodovars Dienerschaft angegriffen zu werden.
Sie kamen in deinen großen Raum.
Er war dunkel, nur ein wenig Licht aus dem Gang schien hinein. Aber man konnte nicht wirklich was erkennen.
„Kompliment, Einhorn-Mädchen. Du hast mein Versteck also wirklich gespürt. Von Iguazus Tochter konnte man auch so was erwarten.“ Die Stimme klang so dunkel und hämisch. Es jagte einem einen Schauer über den Rücken.
„Wo bist du Almodovar?“ rief die sich umsehende Finadira. Auf ein mal flammten Fackeln auf. Ein schwarzer Thron erschien in dem Raum. Auf diesem saß Almodovar zurück gelehnt, lässig, die Beine auf der Stuhllehne.
Um ihn herum standen seine Diener, wie immer ohne Ausdruck in ihrem Gesicht, und sahen auf sie herab. Dann traten sie vor.
Abfällig befahl Almodovar: „Macht mit dem Rest der Familie was ihr wollt. Das Mädchen und der Träger gehören mir.“ Sofort stießen seine Diener mit einer gewaltigen Druckwelle Iguazu, Endira und Kjara weg von den anderen.
Die Familie verwandelte sich in Einhörner und nahm den Kampf auf. Almodovar ging nun auf das Paar zu. „Der Krieg wird heute enden, Almodovar.“ sprach Finadira.
Dieser antwortete: „Oh, daran habe ich keine Zweifel. Und am Ende wird die Dunkelheit regieren.“
„Du weißt dass die Dunkelheit nur existiert so lange es das Licht gibt.“ erwiderte sie. „Du vernichtest dich damit nur selbst!“
„Halt dein vorlautes Maul!“ schrie der Herr der Schatten erbost und schleuderte Finadira mit einer Rauchsäule nach hinten. „FINADIRA!“ Florian rannte sofort zu der Frau, die er liebte.
Almodovar ging auf die beiden zu, während die Familie weiter mit den Dienern kämpfte.
Endira trat einen Diener weg von sich, Iguazu erzeugte mit seinem Horn ein Licht und hielt mit gesenktem Kopf damit zwei von sich. Kjara erzeugte einen Lichtstrahl und schleuderte einen gegen die Wand.
„Die Dunkelheit,“ sprach nun Almodovar, „immer haben die Menschen sie als etwas schreckliches angesehen, etwas, das nicht existieren dürfte. Stets haben sie sich von ihm ferngehalten.
Damit ist jetzt Schluss. Alle meine Vorgänger haben es still akzeptiert. Ich werde es nicht akzeptieren.“
Erneut schleuderte er eine Rauchsäule. Finadira stieß Florian zur Seite und wurde erneut erfasst. Es schmerzte sehr, aber sie dachte daran, was ihr nun wichtig war. Es war vor allem Florian.
Sie verwandelte sich und nahm den Kampf auf. Almodovar wich ihrem ersten Stoß aus, dann dem nächsten. Immer wieder schwang Finadira ihren Kopf, erzeugte Lichtspeere, doch Almodovar musste nur seine Hand heben, um es ab zu wehren.
Dann schlug erneut seine Stunde. Er sprach Worte, welche Florian nicht verstand, aber angesichts der ängstlichen Gesichter der Einhörner wohl schrecklich waren. Ein Feuer erschien und traf Finadira mit voller Wucht.
Florians Herz krampfte sich angesichts der Windungen des Einhorn-Mädchens, die eindeutig auf starkes Leid hinwiesen. Als das Feuer erlosch, hatte Finadira überall schwarze Spuren an ihrem Körper. Einige Wunden waren offen, doch sie stand, wenn auch verkrampft.
Almodovar sah kurz zum Kampf seiner Diener mit der Familie. Wobei, ein Kampf war es nicht mehr, denn die Einhorn-Familie hatte so eben auch den letzten Diener zu Boden gebracht.
„Wenn du etwas gut erledigt haben willst, mach es selber!“ sprach Almodovar und erhob seine Hand. Im nächsten Moment entstand eine Rauchwand. Kaum versuchten die Einhörner durch zu kommen, erschienen Flammen und verbrannten sie fürchterlich.
Finadira konnte es nicht ertragen: „Mutter, Vater, Endira!“
„Kümmere dich nicht um uns!“ rief Iguazu. „Du musst Florian beschützen, koste es was es wolle!“
Almodovar hatte nur ein schwaches Lächeln dafür übrig, drehte sich wieder zu ihr: „Ich könnte dich gleich hier und jetzt töten. Aber wo bleibt denn da der Spaß!“
Das weiße, verletzte Einhorn ahnte nichts gutes. Er hob seine linke Hand: Vorher will ich dich noch etwas Leiden sehen!“
Diesmal erschien eher ein Speer aus Rauch und schon flog er auf den völlig gelähmt stehenden Florian zu.
„Nein!“ Noch ehe Florian begriff was geschah, traf der Speer schon Finadira, welche dazwischen gesprungen war. Ein lautes Wiehern war von ihr zu hören, als ihr Körper gegen eine Wand geschleudert wurde.
Ein klägliches Wiehern ertönte von Finadiras Familie. Jedes Mitglied beobachtete das Geschehen mit angstvoll aufgerissenen Augen.
Aus dem Einhorn-Körper wurde wieder der Körper einer Frau. Völlig reglos lag die Frau nun da. Erst war er in wie in Trance, dann aber wurde es in seinem Inneren unglaublich kalt. Er sprang neben Finadiras Körper.
Tränen flossen aus seinen Augen. „Verlasse mich nicht!“ schluchzte er. Der Puls, er prüfte ihn. Ganz, ganz schwach fühlte er feine Schläge. Im Stillen betete er: „Danke, Gott, ich danke dir!“
Dann aber entflammte etwas in ihm.
Ein unglaubliches Feuer. Wut auf Almodovar, und der Wille, Finadira zu beschützen. Er schrie, rannte auf den dunklen Herren zu, holte zum Schlag aus-welcher in Almodovars Hand endete. Dieser grinste nur amüsiert, drückte zu.
„Wie amüsant, er will sich rächen, ein einfacher Mensch. Du wärst nur eine Bedrohung, wenn du deine Energie nutzen könntest.“ Florian glaubte, seine Hand stecke in einem Schraubstock, die Schmerzen waren unerträglich.
Dann warf er ihn auf Finadira zurück. „Du wirst die Energie niemals nutzen können!“ lachte Almodovar.
„Warum hast du meine Eltern getötet?“ zischte Florian voller Wut ihm zu.
„Deine Mutter war die Trägerin und somit eine Bedrohung für mich. Also musste sie sterben. Wie auch du nun sterben musst. Zusammen mit ihr!“
Die immer noch reglose Finadira wurde von Florian betrachtet. Sie musste viele schmerzen erlitten haben, und das. Um ihn zu schützen. Er weinte erneut. „Lasse sie leben und töte nur mich!“
Ein lautes, höhnisches Lachen war die Antwort: „Ich zeige keine Schwäche. Hier, zusammen sollt ihr Sterben, vor den Augen Iguazus.“
Iguazu liefen Tränen aus den Einhorn-Augen. Seine Tochter war in Gefahr, der Träger der Energie ebenso, und er konnte nichts dagegen tun.
Almodovar hob beide Hände, erzeugte ein gewaltiges Flammen-Rad und sah voller Hass auf Florian, der ihn von Angst erfüllt anblickte. „Bist du bereit? In der Hölle schüren sie bereits das Feuer für dich.“
Dann sah er zur Einhorn-Familie: „Keine Sorge, ihr werdet ihnen bereits sehr bald folgen.“ Florian sah wieder auf Finadira. „Ich werde sterben, aber ich will, dass du lebst. Ich liebe dich!“ flüsterte er, als er Finadiras Körper umklammerte und sich schützend auf sie legte.
„Menschen und ihre Gefühle. Darum gewinne ich!“ sprach Almodovar, dann schleuderte er die vielen Flammen auf das Paar. Iguazu, Endira und Kjara hätten am liebsten geschrien, aber das anscheinend Undenkbare, das hier geschah, ließ alles in ihnen verstummen.
In den Gedanken des Vaters spukte herum: „Nein, das kann nicht sein. Finadira, Florian. Es ist doch unmöglich...“ Er ließ seinen Kopf hängen. Nichts mehr war von den beiden zu sehen. Nur Flammen. „Der Krieg ist vorbei! Die Dunkelheit wird sich über die Welt heben!“
Almodovar ließ mit diesen Worten seiner Freude über den Triumph freien Lauf. Doch da erstrahlte ein helles Licht in den Flammen.
„Was ist das?“ schrie Almodovar voller Verwunderung und erster Angst. Das Licht vernichtete die Flammen. Florian stand da, unverletzt, Finadira auf seinem Arm. „Nein, das ist nicht möglich. Du und sie, ihr hättet zu Asche verbrannt sein müssen. Es sei denn...“ Almodovar sah mit überraschtem Blick auf das Bild.
Iguazu erkannte es sofort: „Die Energie des hellsten Lichts.“ Es erhellte alles, es erfüllte alle mit einer so unglaublichen Wärme, sie war so wohltuend. Florian spürte es, es durch floss ihn. Er hatte keine Angst mehr, um nichts. Er wusste auf ein mal, es würde alles gut werden.
Die Körper der Diener Almodovars zerfielen. Als sich die Energie immer weiter ausbreitete, fing Almodovar auf ein mal an zu lachen. Ein dunkles, verrücktes Lachen, das immer lauter wurde. Immer schriller, immer bedrohlicher, bis schließlich das helle Leuchten ihn erreichte, er spurlos verschwand und nur noch das Lachen etwas erschallte, und dann verstummte.
Florian ließ sich auf die Knie fallen. Die Energie war verschwunden. Die Einhorn Familie verwandelte sich wieder zu Menschen und kam auf ihn zu. Da begann sich Finadira zu regen: „Floria...an. Ich...Habe es...gefühlt. Du hast..die Energie freigesetzt!“
„Finadira!“ Florian weinte Freudentränen, als er sah wie sie erwachte. Wieder erfasste ihn diese Wärme. Sie tat so gut, sie stärkte ihn. „Ich liebe dich! Ich dachte, ich hätte dich verloren!“ Er schmiegte seinen Kopf an den ihren.
„So schnell wirst du mich nicht los!“ war ihre Antwort.
Florian sah in ihre Augen und streichelte ihr Gesicht: „Ich verstehe es jetzt, Finadira.“
Sie legte ihm ihre Hand auf die Wange: „Ich auch, Florian.“ Dann küssten sie sich.
Iguazu nahm seine Frau in den Arm. Endira ließ vor Freude für Ihre Schwester ein paar Tränen fallen. „Die Energie des Hellsten Lichts wird frei gesetzt durch die größte Kraft auf Erden.“ sprach Iguazu. „Die Liebe.“

Zwei Wochen später wurde Andre aus dem Krankenhaus entlassen und zusammen spielten sie dann dem Clubbesitzer vor. Endira und Finadira warteten nun sehnsüchtig mit ihrer Familie bei sich, bis die beiden eintraten.
„Und?“ fragte Finadira.
„Wir haben es geschafft!“ antwortete Florian stolz. „Er hat uns engagiert für jeden Abend und stellt uns dafür kostenlose eine Unterkunft im Dach zur Verfügung.“
Sofort wurde Florian stürmisch von Finadira umarmt und geküsst. „Ich wusste dass du es schafft!“ flüsterte sie in sein Ohr.
„Aber nie ohne Dich!“ Als sie neben sich sahen, bemerkten sie völlig verwundert wie Endira und Andre sich küssten. Florian räußperte und schon unterbrachen sie den Kuss und sahen nun, ertappt, zu den Anderen und wurden etwas rot.
Florian ging nun auf die Zwei zu, stemmte seine Hände in die Hüften und mahnte: „Habt ihr uns was zu sagen, Andre?“
„Nun ja....“ stotterte Andre, „wie soll ich sagen...also...“ Kurz sahen sich Finadira und Florian an. Dann fingen sie auch schon aus vollem Herzen zu lachen. Ein wunderbares Lachen, in das auch der Rest der Familie einstimmte.
Eines wollte Florian noch wissen: „Was wird jetzt, wo der Krieg vorbei ist?“
Kjara gab ihm die Antwort: „Die Bewohner der Dunkelheit werden einen neuen Herren wählen, der das Gleichgewicht respektieren wird. Und wir können endlich wieder in Frieden mit den anderen Menschen leben, ohne unsere Gabe verheimlichen zu müssen. Alle Einhorn-Menschen auf der Welt.“
„Das freut mich. Dies alles.“ erwiderte Florian.

Finadira sah aus dem Fenster in ihrem neuen Heim. Zwei Arme umfassten sie. Florian gab ihr einen Kuss auf die Wange. Die Wärme umstrahlte sie beide. Sie schlossen die Augen, um es zu genießen.
Er flüsterte ihr ins Ohr: „Dank dir kenne ich einen Grund, zu leben.“
„Und dank dir weiß ich jetzt, wie schön es sein kann, nicht nur eine Beschützerin zu sein. Ich fühle mich so wohl.“ war die Antwort.
„Ich mich auch!“
Zusammen sahen sie, wie der Wind durch die Blüten der Bäume vor dem Fenster wehte. Es war ein wunderbarer Anblick. Und er passte zu ihrer Zukunft.
Sie war noch lange nicht perfekt. Aber sie hatten einen wichtigen Anfang gesetzt. Sie würden, wie sie es bisher getan haben, Schritt für Schritt gehen. Und jeder Schritt würde ihnen gut tun.
Aber vor allem war ihnen klar: So lange sie sich haben, und die Hand des einen in der Hand des anderen liegt, kann kein Stein, der ihnen in den Weg kommt, und sei er noch so groß sie aufhalten. Er würde nur zerbröseln, und sie werden ihren Weg gehen.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /