Kapitel 1
„Hey, guck mal, wer da nicht mitkommt!“
„Nun komm schon, Mama!“
„Wartet nur ihr zwei Wirbelwinde!“ Wie jeden Tag hielten die Zwillinge ihre Mutter auf Trab. Fast schon war es Alltag, dass die Königin ihren Sohn und ihre Tochter, beide sechs Jahre, am Waldrand in der Nähe des Schlosses jagen musste.
Königin Adiana musste kurz verschnaufen. Dabei sah sie dann zum Himmel und genoss das schöne Wetter. Die Sonne umspielte ihr schmales, aber zartes Gesicht. Die Königin hatte rote, schulterlange Haare, grüne Augen. Augen, die ihrem Mann schon vom ersten Augenblick an gefielen.
Ihr Königreich Heminaz war das wohl wunderbarste auf der Welt. Man fühlte sich wie im Himmel auf Erden. Das Volk konnte sich stets ohne große Schwierigkeiten selbst versorgen. Die Böden waren fruchtbar, die Wälder waren traumhaft. Überall herrschte schon seit vielen Jahren Frieden. Ohne Zweifel war dies ein Ort, an dem man immer glücklich sein konnte.
„Hey, nicht träumen!“ wurde sie von ihrem Sohn angesprungen. „Na warte, Kaleb!“ war ihre Antwort und sofort versuchte sie, lachend, den Prinzen einfangen.
Aber da hielten sie schon zwei kleine Mädchen-Hände an den Beinen fest, so dass sie auf die Wiese fiel. Die Prinzessin begann sie zu kitzeln. „Elonore,“ versuchte sie sich zu befreien, „Gnade!“
Aber da war auch schon ihr Bruder mit dabei und ihre Kinder ließen ihr keine Chance: „Gibst du auf, Mama?“
„Ja, bitte, ich gebe auf, ich gebe auf...!“ gab die Mutter schallend von sich. Sie war bereits völlig außer Atem. Daraufhin ließen die Kinder von ihr ab und legten sich neben sie. Adiana sah sich ihre beiden Kinder an und lächelte.
Kaleb, der etwas früher auf die Welt kam als seine Schwester, war schon immer ein Draufgänger. Für seine Mutter war klar, das er das von seinem Vater geerbt hat. Er hatte kurze, blaue Haare und braune Augen. Seine Schwester Elonore mochte es dagegen ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen zu binden. Die blauen Augen, die sich immer irgendwie mit einem Bergsee ähnelten, würden sicher mal jemanden schwach werden lassen, darin war sich die Königin sicher.
Die Geschwister standen wieder auf und rannten nun wieder, Hand in Hand durch die Gegend. Ihre Mutter musste aber nochmal etwas ausruhen.
Jedes mal, wenn sie die Beiden so herum tollen sah, freute sie sich und bekam ein Gefühl, als ob die Ganze Welt nur ein Traum wäre im Vergleich zu ihren Kindern. „Ach, meine zwei Sterne!“ flüsterte sie für sich selbst. Der Tag ihrer Geburt war für sie der Schönste in ihrem Leben. Sie weiß noch, wie ihre Kammerdienerin nach der Geburt die Babys in ihre Arme legte und wie ihr Mann, König Ryley, mit ihr zusammen die Kleinen beobachtete, wie sie die Welt schon damals aufmerksam beobachteten.
König Ryley, der sich zum momentanem Zeitpunkt mit den Amtsgeschäften befassen musste, war von sportlicher Figur und hatte lange, schwarze Haare und inzwischen einen Vollbart, den er bei der Hochzeit noch nicht trug. Adiana hatte ihn schon manches mal darum gebeten, ihn ab zu rasieren, aber meist neckte sie ihn nur damit. Sie liebte ihn noch immer wie am ersten Tag.
Der Prinz und die Prinzessin waren unzertrennlich und taten nie etwas alleine. Auch so manchen Schabernack, den man ihnen aber wegen ihrem zauberhaften Kinderlachen schnell verzieh. Stets waren sie füreinander da. Wenn der eine ein Problem oder Kummer hatte, half ihm der andere. So hatte sich Kaleb einmal das Knie aufgeschürft. Elonore riss sofort ein Stück ihres Hemds ab, das sie an hatte, und band es sofort darum, ohne zu beachten, dass sie selber verletzt war.
Oder einmal hatte eine Stoffpuppe von Elonore einen Riss. Und Kaleb nähte sie wieder zusammen-gemessen an der Tatsache, das er nur mal den Schneider dabei beobachtet hatte und seine Finger äußerst viele Stiche ertragen mussten.
Kurzum, es war unmöglich diese zwei Kinder in irgendeiner Weise zu trennen. Sie waren wie Pech und Schwefel.
Nun tobten die Kleinen zwischen den Wurzeln der Bäume am Waldrand hin und her. „Du bist!“ „Das stimmt nicht, du bist, Kaleb!“ Sie jagten sich und lachten dabei so viel, das man glaubte alles schlechte, was es auf dieser Welt nun mal gibt, würde nur dadurch verschlungen und vernichtet.
Die Königin macht sich nun doch etwas Sorgen und ging dem Lachen nach. Inzwischen stolperte aber Elonore und fiel hin. „Elonore, alles in Ordnung?“ fragte ihr stets beunruhigter Bruder.
Seine Schwester setzte sich auf: „Ja, ich denke schon.“ Zwar trugen sie im Moment ihre Freizeit-Kleidung, welche es ihnen ermöglichte so herum zu tollen, aber gegen Stürze schützte sie nicht.
Elonore wischte sich etwas Erde von ihrer gelben Lieblingshose und überprüfte, ob an ihrer roten Bluse auch nichts kaputt war. „Komm, ich helfe dir!“ sprach Kaleb und gab ihr seine Hand. Seine Schwester nutzte aber die Gelegenheit und zog ihn schnell zu sich auf den Boden.
Kaleb fiel nun mit seinem beigen Hemd zu Boden uns sah, wie etwas Erde auf seine Schwarze Wollhose kam. „Na warte!“ rief er daraufhin und schon kitzelten sich die Beiden gegenseitig. Ihr Lachen ertönte im ganzen Wald.
Auf einmal hörten sie ein lautes Schnaufen. Sie erschraken. Elonore fasste sich als erste wieder: „Was...was...war das?“
„Ich glaube es kam von dort.“ Leicht zitternd gingen sie auf einen kleinen Absturz zu. Gerade als sie runter sehen wollten, hörten sie wieder das Schnaufen, was sie so sehr erschrak, das sie um ein Haar runter gefallen wären, hätten sie sich nicht festgehalten.
Nun sahen sie, auf dem Boden liegend, vorsichtig hinunter, das heißt, sie lugten hinab und sahen, wie sich etwas, nein, zwei etwas auf dem Boden bewegte.
Sofort stiegen sie einen Abhang neben der Kante herunter und sahen sich den Ort genauer an. Überall war Laub und Dreck, und darunter war etwas. Sie wischten es weg und glaubten nicht was da sahen. Ihre kleinen Herzen standen für einen kurzen Moment still.
„Das...sind...das sind...ja....“ stotterte Kaleb, und seine Schwester rief es dann kurz und knapp aus:
„Einhörner!“
Oh ja. Da lagen in der Tat zwei kleine Einhorn-Fohlen, die offensichtlich verletzt waren. Sie hatten beide Kratzer am ganzen Körper, und waren nicht größer als eine Katze. Offenbar waren sie Geschwister und wurden mit ihrer Mutter von irgendetwas angegriffen, was dann mehr Interesse an der Mutter als den Fohlen hatte.
Die Stute war komplett weiß und hatte auch eine weiße Mähne, welche bis zur Hälfte ihres Rückens reichte, und das Horn auf ihrer Stirn war wie aus Gold. Der neben ihr liegende Hengst hatte Braunes Fell. Die Mähne war eher gelb. Auf seiner Stirn glänzte ein silbernes Horn.
Beide hatten rote Auge, deren Schimmer einen glauben ließ, dass es Rubine waren. Trotz ihrer Verletzungen erfasste ihre Schönheit die kleinen Thronfolger sofort. Es traf sie richtig. Sie waren verzaubert.
„Elonore! Kaleb! Wo seid ihr?“
„Wir sind hier Mama!“ erwiderte der Sohn. Die Königin kam nun auf ihre Kinder zu. Ihr blauer Rock und ihr weißes Hemd hatten demnach auch die dementsprechenden Spuren.
„Was macht ihr hier?“ Elonore zeigte nun auf die Fabelwesen. Die Königin musste sich erstmal fassen und atmete hektisch und laut. „Nie..nie hätte ich gedacht so was jemals zu sehen.“
Kaleb blutete das Herz: „Mama, bringen wir sie nach Hause. Wir müssen ihnen helfen.“
Ihre Mutter war erstmal alles andere als begeistert. „Aber...Kinder, sie gehören in den Wald. Und ich glaube nicht, dass wir ihnen helfen können. Vielleicht...sollten wir sie vom Jäger erschießen lassen. Ihr Leid muss beendet werden.“ Ihr tat es selbst Leid das sagen zu müssen, denn es war einer ihrer größten Träume, ein solches Geschöpf zu sehen.
Elonore lief nun auf sie zu, nahm ihre Hand, und blickte mit ihren nun leicht verweinten Augen an. „Bitte Mama, bitte. Ich will sie nicht hier liegen lassen.“ Adiana atmete nun durch. Das war mal wieder typisch für ihre Kinder. Ihr ganzes Leben lang brachten sie regelmäßig verletzte Vögel, Eichhörnchen und mehr in das Schloss. Sie waren tierlieb ohne gleichen.
Sie lächelte sie an. Diese Augen ihrer Tochter. Tja, das gesamte Volk war von ihr begeistert. Diesen Augen konnte man es einfach nicht antun. „Also gut. Nehmt sie schon mit, aber vorsichtig. Frage mich nur was euer Vater dazu sagen wird.“
Liebevoll lächelnd nahmen nun Kaleb den Hengst und Elonore die Stute. „Nun kommt, er macht sich bestimmt Sorgen.“
Kaleb sprach leise zum Hengst: „Keine Angst, bald geht es dir besser.“ Die Tiere hatten aber Angst, und sie schüttelten sich etwas, aber sie waren zu geschwächt, um sich wirklich wehren zu können. Und schon bald beruhigten sie sich. Adiana wunderte es nicht. Die Augen ihrer Kinder konnten jeden beruhigen.
Sie gingen nun in das Schloss. Das Schloss war aus weißen Marmor gebaut. Es hatte drei große Türme mit spitzen Dächern. Die Fenster waren mit goldenen Schleifen verziert. Sie traten in die Halle. Der Boden war mit polierten, bunten Platten bestückt, die jeden spiegelten, der darüber ging.
Sie kamen in über eine Hintertür zum Hof, wo die Stallungen waren. Dort kam gerade der Tierarzt, als die Königskinder sofort zu ihm kamen: „Doktor...Doktor, sehen sie, hier!“ Auch der Tierarzt stockte erstmal, als er die stolzen Tiere sah. Dann ordnete er an, sie in seinen kleinen Raum zu bringen.
„Sie haben viele Wunden. Ich weiß nicht ob es noch Hoffnung gibt. Vielleicht...“
„Nein, Doktor, nicht erschießen. Bitte, helfen sie ihnen.“ Elonores Augen blickten ihn so voller Sehnen an, dass er nicht anders konnte.
„Wir müssen die Wunden reinigen und verbinden. Die Verbände müssen täglich gewechselt werden.“
„Wir werden es machen.“ stellte Kaleb klar.
Somit kämpften die Kinder Tag für Tag und voller Sorge um das Leben der Fohlen. Sie wechselten die Verbände, reinigten die Wunden, und wechselten wieder die Verbände, und das ohne Unterlass. Das Königspaar war stolz auf ihre Kinder, denn sie erhielten durch dieses Erlebnis immer mehr Reife.
Drei Wochen lang bangten sie um das Leben der Einhörner. Dann, nach Ablauf dieser Zeit, war der Tierarzt froh, ihnen die Gute Nachricht zu überbringen: „Die Wunden sind verheilt, sie sind nun über den Berg. Das habt ihr gut gemacht.“
Kaleb und Elonore jubelten und umarmten sich vor Freude. Sie sprangen und hüpften. Ihre Eltern freuten sich für die Zwei.
Einen Tag später sprangen die zwei kleinen Einhörner im Gehege herum. Im Gegensatz zu den vielen anderen Tieren denen die Zwei geholfen hatten, waren sie zu klein, um wieder in die Wildnis entlassen zu werden, also behielten sie sie. „Wie sollen wir sie nennen?“ sprach Kaleb nun zu seiner Schwester, als sie die stolzen Tiere beobachteten. Die Schönheit der Wesen verzauberte jeden, der sie beobachtete. Auch Elonore, die fast nichts mehr sagen konnte.
„He, Schwesterherz!“
„Oh, Entschuldigung. Siehst du dieses goldene Horn auf ihrer Stirn? Es ist...als ob die Sonne aufgeht. Ich glaube, ich gebe ihr den Namen Eos. Was meinst du?“
„Ja, das klingt schön.“
„So, Bruderherz, jetzt gibst du aber dem Hengst einen Namen.“ Kaleb war zuerst geschockt, aber er besah sich das Horn des Hengstes. Es erinnerte ihn an den Glanz des Vollmondes.
„Chander!“
Elonore sah zu ihrem Bruder und dann auf das Tier. „Ja, das passt zu ihm.“
Vollkommen verträumt sahen die Kinder nun auf Chander und Eos. Ja, sie fühlten sich, als ob es nie eine Welt ohne ihre neuen Freunde gegeben hätte. Fast wirkten sie wie Engel auf den Prinzen und die Prinzessin. So wunderbare Geschöpfe-ja, dafür lohnte es sich zu leben. Um so etwas zu beobachten. Sie waren erfüllt von Frieden, der aber jäh gestört wurde.
„Elonore, Kaleb, kommt zum Abendessen!“
„Wir kommen Papa!“ war die gemeinsame Antwort.
Etwas widerwillig gingen sie nun zum großen Saal. Sie hätten die schönen Tiere gern noch etwas beobachtet.
Kapitel 2
Die Zeit kann nicht gestoppt werden. Sie läuft immer fort, ohne anzuhalten, ohne, dass man sie zurückdrehen kann. Für manchen ist das eine harte Lektion. Besonders, wenn man sieht, wie die eigenen Kinder, die gestern noch als kleine, aufgedrehte, sorgenlose Wesen durch die Welt tobten, heute nun größer, reifer, stärker, und auch weiser geworden sind.
Immer mehr, von Tag zu Tag, wurden Kaleb und Elonore größer, erwachsener. Und nicht nur sie. Auch ihre Einhörner wuchsen dank der wunderbaren Fürsorge durch ihre „Zieheltern“ immer mehr heran. Und dabei war ihre Schönheit und Anmut auch immer größer geworden, ja so groß, dass man sie nicht beschreiben konnte.
Die Geschwister hatten eine enge Bindung zu den Fabelwesen. Man konnte sagen, dass sie zusammen mit den Tieren eine Familie waren. Das erste, was sie nach dem Aufstehen taten, war, nach Chander und Eos zu sehen, ob es ihnen gut ginge, und das Letzte, bevor sie schlafen gingen, war ihnen eine gute Nacht zu wünschen.
Schon sehr bald begannen sie auf ihnen zu reiten. Das Zutrauen der Einhörner war schnell vorhanden. Ob es wegen der Rettung damals war, oder eben doch weil die Augen der Königskinder etwas besonderes ausstrahlten, vermochte niemand zu sagen. Es war ein Rätsel, denn eigentlich trauten Einhörner nie den Menschen und hielten sich von ihnen fern. Darum waren auch nur so wenige in der glücklichen Situation, eines zu Augen zu bekommen. Nur warum waren jetzt diese beiden Einhörner so eng verbunden mit den Königskindern?
Königin Adiana und König Ryley vermochten nicht diese Fragen zu beantworten, nur eines sahen sie: Die Begegnung, die nun mittlerweile 12 Jahre her war, hat ihre Kinder noch glücklicher gemacht. Aber nicht nur das erfreute sie. Auch waren sie stolz auf einen starken, entschlossenen Sohn und eine ebenso starke, gutherzige Tochter, die nun schon täglich auf ihren Einhörnern das Reiten trainierten.
Aber nicht nur das Reiten, auch den Schwertkampf übten sie immer wieder. Ja, auch die Prinzessin, obgleich das ihrem Vater erstmal überhaupt nicht gefiel. Nun, sie war seine Tochter und er hatte erst nicht den Glauben, sie könne darin gut sein. Jedoch hatte ihr Bruder nicht diesen Zweifel. Für ihn war es selbstverständlich, konnte er sich doch niemals vorstellen, irgendetwas ohne seine Schwester zu machen, dazu zählte nun mal das Training mit seinem Vater.
Anfangs, da waren sie 12 Jahre alt, brauchten sie noch den Vater und den Ausbilder der Schloss-Wachen um zu üben, aber schon sehr bald trainierten sie alleine. Dabei wurden sie immer besser. In einem Übungskampf mit der Wache, als sie 16 waren, hatte nicht einer eine Chance gegen sie. Selbst dem Kommandeur gelang es nicht sie zu überwinden. Und trotzdem waren sie nicht ganz perfekt, denn ihrem Vater waren sie auch jetzt noch nicht gewachsen.
Wieder mal war es ein schöner Tag und Kaleb und Elonore ritten nun entlang des Schlossgartens, Kaleb auf Chander, Elonore auf Eos.
Der Schlossgarten war an sich eine grüne Wiese, auf der einzelne verschiedene Bäume standen. Hier ein Ahorn, dort eine Buche, dann wieder eine Birke.
Sie ritten ohne Sattel. Denn das Vertrauen ihrer Gefährten war so groß, dass sie keine Sättel benötigten. Nur ein weiches Tuch legten sie stets auf den Rücken der Einhörner, damit sie sich nicht den Rücken aufschürften. Und einen Steigbügel, den sie extra von einem Sattel abgeschnitten und an diesem Tuch festgebunden haben. Während dem Reiten genossen sie den leichten Wind. Sie trugen die übliche Reitkleidung: Lederweste, haltbare Stiefel, eine Braune Lederhose.
Elonore atmete die Luft tief ein: „Hach, ein wunderbarer Tag. Perfekt zum Ausreiten, meinst du nicht?“
Kaleb konnte ihr das nur bestätigen. „Ja, man fühlt heute wirklich, dass man lebt.“
Jetzt musste er sich aber einen kleinen Seitenhieb erlauben: „Auch wenn er für dich nicht ganz so gut begann, als du dir den Tee über deinen Rock geleert hast.“ und er kicherte etwas dabei. Eleonore war etwas verärgert.
Beim Frühstück musste ausgerechnet als sie ihre Tasse anhob, ein Bote in den Saal kommen, was sie derart erschrak, dass sie den Tee ausleerte. Sie schämte sich etwas deswegen.
Aber sie hatte auch die passende Antwort: „Immerhin war das Training heute nicht so gut verlaufen für dich, oder Bruderherz?“ Nun war es an Kaleb etwas sauer zu sein, denn beim heutigen Schwert-Training hatte seine Schwester ihm äußerst schnell das Schwert aus der Hand geschlagen. Besonders ärgerte ihn das Gelächter der jungen Wachen darüber, wobei diese von ihrem Kommandeur zurecht gewiesen wurden: schließlich gelang es ihnen auch nicht, die Prinzessin auch nur zu bedrängen.
„Also dafür will ich jetzt eine Revanche.“ waren nun seine Worte. „Wie wärs, ein kleines Rennen bis zum Ausgang des Gartens?“
Elonore gab ihm ein verschmitztes Lächeln: „Gerne doch. Los Eos!“ Schon ritt die Prinzessin auf ihrer Stute los.
„Hey, wo bleibt denn der Start?“ rief Kaleb.
„Das war der Start!“ kam die lachende Antwort.
„Na warte. Los Chander, schnappen wir sie uns, hopp!“ Die Verfolgung begann. Chander war kein bisschen langsamer als seine Schwester und kam ihr schon bald näher.
Elonore registrierte dies als sie kurz nach hinten sah: „Komm schon mein Mädchen, sie können uns nicht schlagen!“ Eos wieherte kurz, als wollte sie sagen: „Genau!“
Trotzdem waren sie nun gleich auf. Und das Ziel kam immer näher. Immer weiter trieben sie nun ihre Reit-Tiere an.
Auf einmal aber überschätzte Kaleb sich, ging etwas in die Höhe und verlor das Gleichgewicht. Der Fall war alles andere als angenehm. Elonore ritt durch das breite Tor und rief: „Gewonnen!“
Chander, der immer auf seinen Gefährten achtete, trabte während dem zurück und stupste Kaleb, welcher sich nun inzwischen aufgerappelt hatte, mit seiner Nase an.
Elonore war nun neben ihm. „Nimms nicht so schwer, das nächste mal gewinnst du!“ sprach sie zu ihm und reichte ihm die Hand. Dieser aber lächelte kurz, zog und schon lag seine Schwester auf dem Hosenboden.
Kaleb lachte und auch die beiden Einhörner wieherten zum Vergnügen. „Hey, was sollte das?“
„Na, weißt du noch? Als wir die beiden gefunden haben. Da hast du mich auf den Boden gezogen.“ „Warte du...“ war die Antwort, und schon rangelten die Zwei als wären sie immer noch die Sechsjährigen Kinder von damals. Eos und Chander schien das zu amüsieren, denn sie hüpften etwas daneben und wieherten.
Nun aber war es Zeit nach Hause zu kommen. Elonore und Kaleb stiegen auf die Fabelwesen und begannen den Rückweg. Auf einmal hörten sie einen gewaltigen Knall. Erschrocken drehten sie sich um. Elonore rief aus: „Was war das?“
„Ich glaube es kam von da. Komm mit!“
Sofort ritten die Thronfolger in Richtung des Waldes. Angst erfüllte sie. Auch wenn sie nicht wussten was los war, irgendetwas bedrohliches war dort. Sie konnten es erahnen. Etwas, was was überhaupt nicht gut sein konnte.
„Hilfe! Hilfeeeee!“ Der Schrei flößte ihnen eine gewaltige Panik ein.
„Wir müssen uns beeilen!“ schrie Elonore panisch. Sie kamen dem Ort näher. Das fühlten sie. Schließlich kam ihnen ein schrecklicher Geruch entgegen.
„Bei allen....Oh Gott, was ist das?“ Kaleb hielt sich die Hand vor den Mund. Rauch zog auf. Der Gestank wurde schlimmer.
Schließlich kamen sie an. Ein Bauer lag auf dem Boden und über ihm drei schwarz gekleidete Gestalten. Der Boden um sie war verkohlt. Die Gestalten sahen auf dem ersten Blick aus wie Menschen. Auf den zweiten Blick aber war ihnen nichts menschliches anzusehen. Ihre Augen glühten gelb hervor, das Gesicht ähnelte das einer Echse. Schuppen übersäten ihre Arme. Ihre Beine
waren gekrümmt. Sie schienen die Größe von Menschen zu haben. In ihren Händen hielten sie leicht gebogene Schwerter. Gerade eben gingen sie auf den Bauern zu, dessen Haut fast komplett verbrannt war. Er war ohnmächtig.
„Sofort stehen bleiben! Lasst ihn in Ruhe!“ brüllte Kaleb, stieg von Chander und zog sein Schwert.
Die merkwürdigen Gestalten lachten. Das Lachen war furchtbar. Richtig blechern. Aus ihm war das pure Böse zu hören. Es jagte ihm kurz Angst ein. Zum ersten mal war er gelähmt vor Angst. Schon griff der erste Feind an, als Elonore ihn schon mit dem Schwert abwehrte.
Kaleb erwachte aus seiner kurzen Starre. Als er sah, wie seine Schwester gegen die Monster kämpfte, wollte er sie nur noch beschützen. Nun griff er zwei der Gegner an. Zusammen erwehrten sie sich nun der Feinde. Schlag um Schlag. Kaleb wandte alles an, was er von seinem Vater gelernt hatte. Er improvisierte. Er sprang, er drehte sich schnell, nutzte die Bäume als Deckung. Dabei versuchte er immer irgendwie zu Elonore zu blicken, die von ihrem Gegner zurückgedrängt wurde.
Elonore versuchte alles, aber mit jedem Schlag ihres Gegners passierte etwas, was zuvor nie passiert war: sie verlor ihre Zuversicht. Aufgeben wollte und konnte sie nicht. Nochmal griff sie an, aber ihr Feind stieß sie zurück Seine Kraft war einfach zu groß. Noch nie stand sie so einem Gegner gegenüber. Mit einem Schreckensschrei stürzte sie.
„Elonore!“ Kaleb stieß seine Gegner weg, rannte hin und verhinderte mit seinem Schwert noch gerade so den Hieb des dritten Feindes. „Lass meine Schwester in Ruhe, du Scheusal!“ Voller Wut schlug er nun auf die Gestalt ein. Aber schon kamen die anderen Zwei und Kaleb musste sich nun gegen drei Schwerter wehren. Das war einfach zu viel für ihn, so sehr er sich auch wehrte, er hatte keine Chance. War eine Waffe abgewehrt, kam schon die nächste auf ihn zu. Alle drei Klingen kamen auf ihn zu, er blockte sie mit seiner Waffe ab, aber schon fühlte er wie ihn seine Kraft verließ und er fiel durch den Druck neben seine Schwester. Wieder ertönte dieses Lachen.
Den Zwillingen schlug das Herz bis zum Hals. Eine gewaltige Kälte war in ihnen. Die Angst nahm ihnen alles. Ihnen liefen die Tränen aus den Augen. Die Königskinder dachten an ihr Ende. Sie nahmen sich bei den Händen, schlossen die Augen und wendeten sich ab als sie schon sahen wie diese Monster mit den Echsengesichtern ihre Schwerter hoben.
Auf einmal war ein Lärm zu hören-es war das Wiehern der Einhörner, die mit ihren Vorderhufen die Gegner traten und zurück drängten. „Was? Einhörner?“ rief einer der Drei. Schon schwangen Chander und Eos ihre Köpfe und ein Leuchten ging von ihren Hörnern aus. Zwei Lichter flogen auf die Monster zu und schleuderten sie zurück. „Hier können wir erstmal nichts mehr machen, verschwinden wir!“ rief die Vorderste Gestalt und mit einem grellen Blitz verschwanden sie.
Kaleb und Elonore weinten vor Erleichterung, umarmten sich fest: „Alles in Ordnung Elonore?“ „Ja!“ Sie mussten ihren Gefühlen freien Lauf lassen, als sie ihnen wohl vertraute große Nasen fühlten. „Eos!“ „Chander!“ Kurz tätschelten sie die Nasen. Dann sahen sie zum Bauern, der auf dem Boden lag. Schnell gingen sie zu ihm hin.
„Prinz...Prinz Kaleb....Prinzessin Elonore...meine Herren....“ stöhnte er hervor.
„Wir müssen ihn zum Arzt bringen Kaleb!“
„Es ist zu spät, Herrin! Mir...kann man nicht mehr helfen. Diese...Schriftrolle...sie waren hinter ihr...her.“ Krampfhaft hob der Bauer seinen Arm und öffnete seine Hand. Elonore nahm das Papier an sich.
„Ich weiß...nicht weshalb...aber es sollte bei euch...bleiben. Sie war...in dem Baum dort...“ „Danke!“ sagte Elonore. Sie wollte nicht sehen, wie ein Mensch stirbt, versuchte ihre Verbände, die sie immer mitnahm, um ihn zu wickeln. Doch der Bauer sah kurz in ihre Augen: „Meine Familie...bitte...helft ihnen...sie müssen....müssen...weiterkommen...le....leben.“
Kaleb nahm seine seine Hand: „Verlass dich auf uns!“
„Meine...Herren...danke.“ Mit diesen Worten schloss er die Augen.
Elonore weinte bitterlich. Kaleb sprach: „Ich weiß noch nicht, was diese Rolle beinhält. Aber ich weiß: du hast unserem Reich einen mächtigen Dienst erwiesen. Danke.“ Er musste diesen Moment, diesen Schrecken erst mal sacken lassen.
Kaleb nahm Elonore dann in die Arme. „Wir müssen nach Hause. Komm!“ Betrübt stiegen sie auf die Einhörner und machten sich auf den Nach Hause Weg.
Sie betraten den Thronsaal. König Ryley, an einem Tisch sitzend, sah sofort auf: „Kinder, was ist passiert?“ „Das ist eine lange Geschichte, Vater. Wir müssen unbedingt zum Rat, auch wenn sie gerade eine Sitzung haben! “ kam die Antwort von Kaleb.
Vor dem Rat erzählten nun Kaleb und Elonore was geschehen war. Die Mitglieder des Rates waren alle in Grüne-braune Kutten gekleidet und behielten ihre Kapuzen bei den Sitzungen stets auf. Ihre Sitzungen hielten sie in einem Saal ab, der durch und durch weiß war-ein Zeichen, dass nichts unreines hier hinein oder hinaus gelangen darf. Sie saßen stets im Kreis beisammen.
Der Vorsitzende, der sonst alles genau wusste, konnte sich keine Erklärung hierzu geben. „Fest steht, dass etwas unser Reich bedroht.“ sagte er nun. „Aber das Schicksal scheint hierbei seine Finger im Spiel zu haben. Sonst wärt ihr den Einhörnern nie begegnet, und sie hätten nicht ihre Kräfte eingesetzt um euch zu schützen. Einhörner wissen um die Machtgier mancher Menschen und halten sich deshalb von ihnen fern. Ich habe nie gehört, dass jemals ein Einhorn seine Macht zu Gunsten eines Menschen benutzte, denn die Macht darf nicht missbraucht werden. Gib mir bitte die Rolle, meine Herr.“
Kaleb übergab ihm die Schriftrolle und der Älteste öffnete sie: „Diese Schrift stammt aus einer längst vergangenen Zeit.“
„Ließ uns die Botschaft vor, Ältester. Du wirst sie als Einziger übersetzen können.“ befahl die Königin. „Ich übersetze:
Die Zeit ist gekommen,
wenn dieses ist gefunden.
Der Herr des Schreckens ist nun erschienen.
Jetzt ist die Prüfung,
für das Reich der Himmel, bekannt als Heminaz.
Beginnet eure Suche nach dem einzigen,
was es retten kann.
In zwei Teile einstmals zerbrochen,
um es vor Machtgier zu schützen.
Verbunden mit der größten Macht,
dem stärksten Licht,
zusammen geführt,
wird Das Medaillon der Sterne ihn bezwingen können.
Nur wer Rein im Herzen ist,
und immer vor der Einsamkeit,
selbst wenn er allein ist,
geschützt,
wird die Teile finden können.
Unmöglich ist es,
die Aufgabe halb zu erfüllen.
Zwei benötigt es,
um eins zu werden.
Das Medaillon der Sterne!“ auf ein mal schien dem Ältesten alles klar zu werden. „Jetzt weiß ich es
wieder!“
„Was?“ wollte Elonore nun wissen. „Eure Majestäten, Prinz, Prinzessin, kommt in einer Stunde in die Bibliothek.“
„Gut, aber vorher müssen wir der Familie des Bauern helfen.“ antwortete Kaleb.
Die Königskinder überbrachten schweren Herzens der Frau des Bauern die Nachricht und brachten dabei zwei ihrer Diener mit, welche sonst immer das Getreide für das Schloss anbauten.
„Sie werden euch helfen zu Beginn euren Hof weiter zu bebauen und euch lehren, wie ihr es alleine weitermachen könnt. Es tut mir so Leid.!“ redete Elonore zu ihnen.
Die Bäuerin weinte um den Verlust ihres Mannes, bedankte sich aber für die Hilfe. Elonore und Kaleb stiegen nun auf ihre Einhörner und begannen den Weg zum Schloss. Sie sahen zu Boden.
Die Prinzessin blickte zu ihrem Bruder: „Was uns wohl erwartet in der Bibliothek?“
„Ich weiß es nicht, Schwester. Aber ich weiß eins: Wenn etwas unser Land bedroht, werden wir es aufhalten. Ja?“
Kaleb reichte Elonore die Hand. Diese sah auf sein Gesicht und verspürte, dass sie es auf jeden Fall werden. Die Zuversicht war in ihr zurückgekehrt. „Ja, Kaleb, mit Sicherheit!“ Mit diesen Worten schlug sie ein. Schließlich waren sie vor der Tür der Bibliothek angekommen.
Kapitel 3
Kaleb und Elonore erreichten die Bibliothek des Schlosses. Die Tür zur Bibliothek war golden verziert. In der Mitte war das Zeichen von Heminaz: Eine Wolke, hinter der eine Rose zu sehen war.
Nervös traten sie nun ein. Hatte das Ereignis vorhin etwas damit zu tun? Was war überhaupt dieses
Medaillon der Sterne? Und hatte der Älteste vielleicht Recht mit seiner Aussage, die Begegnung mit den Einhörnern wäre Schicksal, ein Schicksal, welches diese Suche, die das Schriftstück beschrieb, beeinflusst? Fragen über Fragen. Hoffentlich können ein paar davon beantwortet werden.
Sie betraten zum ersten mal diesen Raum. Normalerweise halten sich hier nur die Ratsmitglieder und die Gelehrten auf. Überall waren Bücher und nochmal Bücher. Dicke, dünne, verstaubte, ja aber Tausende. So riesig war sie. Niemand könnte alle diese Bücher lesen. Sie wurden von Generation über Generation gesammelt.
Der Raum hatte einen roten Teppichboden, über ihm war ein riesiger Kronleuchter an der Decke. Riesige Fenster erhellten den Raum am Tag. „Kommt rein, hierher, an den großen Tisch!“ war die Stimme des Ältesten zu vernehmen. In der Mitte war der riesige, runder Tisch, an dem die Gelehrten Wissen austauschten und sich berieten.
So eben setzte sich der Älteste neben Ryley und Adiana und legte dabei ein dickes schwarzes Buch, auf dem ein starker Staubfilm war, auf die Tischplatte. Die Königskinder setzten sich nun neben ihn, ihre Eltern saßen zur anderen Seite.
Nun schlug der Älteste das Buch auf. Er suchte und suchte nach der richtigen Seite. Sowohl den Geschwistern wie auch dem Königspaar war die Nervosität, aber auch die Neugier deutlich anzusehen. Ryley und Kaleb schwitzten. Eine richtige Spannung lag in der Luft. Fast konnte man eine Stecknadel fallen hören.
„Ah, hier ist es.“ rief er nun aus. Alle sahen auf die Zeichnung-die Zeichnung, welche es zeigte, jenes Medaillon. Im Innern des kreisrunden Schmuckstücks war ein großer Stern mit vier Spitzen zu sehen, darum weitere vier, kleiner Sterne. Im großen Stern war das Zeichen von Heminaz, in den vier kleinen ein Mond, eine Sonne, der Nordstern, in Form einer Schneeflocke, und der Morgenstern, dargestellt durch eine aufgehende Sonne. Ohne Zweifel hatte dieses Medaillon etwas geheimnisvolles an sich. Etwas, was man nicht beschreiben konnte.
Der Älteste las genau den darunter stehenden Text. Dann erklärte er: „Es ist eine uralte Legende. Als das Königreich Heminaz gegründet wurde, wollte der erste König seiner Frau ein besonderes Geschenk machen. Denn er liebte sie mehr als alles andere. Also gab er ein besonderes Medaillon in Auftrag. Es sollte aus der heiligen Erde des Königreichs und den Kristallen der vier hellsten Himmelskörper bestehen. Somit erschufen die besten Goldschmiede und Künstler aus den Kristallen der Sonne, des Mondes, des Nord- und des Morgensterns und Heminazs Erde das Medaillon der Sterne.
Doch da es diese Kristalle enthielt, war es nicht nur das schönste aller Schmuckstücke, sondern es vereinte deren Licht und Macht. Nach Jahren des Friedens kam der Schrecken über das Land. Er verdunkelte das gesamte Königreich, ja die ganze Welt. Das Königspaar konnte ihn mit dem Medaillon vertreiben, aber nicht vernichten.
Viele Verbrecher sahen diese Macht und wollten sie für sich nutzen. Man konnte sie aber daran hindern. Den Gelehrten war klar, dass der Schrecken eines Tages zurückkehren würde. Um das Medaillon vor der Machtgier zu schützen, wurde es zerbrochen und beide Teile wurden durch Magie an unbekannten Orten versteckt.
Und diese Schriftrolle solle sich zeigen, wenn die Zeit gekommen ist. Dann, wenn der Schrecken die Macht über einen Menschen, der unrein im Herzen ist, die Macht erlangt und ihn kontrolliert, damit er Heminaz zerstört.“
Damit endete die Erzählung des Ratsvorsitzenden. Betroffen sah sich die Königsfamilie an. Tausende von Gedanken gingen ihnen durch den Kopf. Überlegungen, mögliche Zukunftsbilder, Fragen. Irrungen, Wirrungen.
Dann ergriff Kaleb das Wort: „Also waren diese Soldaten Krieger des Schreckens?“
„Ja, sie wollten anscheinend verhindern, dass wir es erfahren.“ war die Antwort des Ältesten.
„Ihr hattet Recht, Ältester. Ihr hattet Recht. Unsere Freundschaft mit den Einhörnern ist vom Schicksal bestimmt worden. Ohne sie wären wir jetzt tot. Es muss bestimmt gewesen sein.“sprach Elonore daraufhin.
Kaleb sah auf sie und gab ihr einen bestätigenden Blick. Dann sprangen sie beide auf und Kaleb wandte sich an seine Eltern: „Mutter, Vater, das ist unsere Aufgabe. Wir müssen die Teile finden und das Königreich retten.“
Erschrocken sahen sich Ryley und Adiana an. Die Königin wollte es nicht: „Nein. Nein. Nie und nimmer. Wir werden unsere Reiter losschicken. Es ist zu gefährlich. Ich will euch nicht verlieren. Bitte. Ihr seid unsere Kinder. Ich könnte es mir nie verzeihen.“
Angst erfüllte sie. Ihre Kinder waren das wichtigste für sie. Der Gedanke, sie wären auf dieser gefährlichen Reise, in höchster Gefahr, ließ sie nicht Atmen. Es war unerträglich
Auch Ryley wollte gerade etwas sagen, als Elonore eingriff: „Habt ihr den Spruch vergessen? Zwei benötigt es, um eins zu werden. Und es müssen welche sein, die auch, wenn sie alleine sind, nie einsam sind. Wir sind die Zwei. Wir sind nie einsam. Dank euch. Und weil wir uns haben. Und dank unserer Einhörner. Zusammen mit ihren Kräften können wir-nein, wir werden es schaffen.“
König Ryley wollte es aber nicht zulassen. „Verdammt, begreift ihr denn nicht? Ihr müsst gegen eine unglaublich dunkle Kraft antreten. Dass....“
Aber da legte der Älteste ihm seinen Arm auf die Schulter: „Eure Hoheit, sie haben Recht. Es war Schicksal, als sie den Einhörnern begegneten. Vergesst nicht, was sie für Kräfte haben. Große, magische Kräfte, mit denen sie eure Nachkommen beschützen. Erkennt ihr es denn nicht?“
Nun blickten die Eltern in die Augen ihrer Kinder-und es verschlug ihnen die Sprache, als sie diese Zuversicht sahen, diesen Glauben an sich selbst. Dieser Wille. Es gab ihnen ein Gefühl der Ruhe.
Kaleb sprach nochmal zu ihnen: „Mutter, Vater, wir sollen einstmals euer Zepter übernehmen. Also ist es auch unsere Pflicht, und unser Wille, das Land zu beschützen. Bitte, vertraut uns. Wir werden zurückkehren.“ Voller Selbstvertrauen sagte er diese Worte, welche ihm mehr als leicht über die Lippen kamen.
Diese Worte und der Blick des Prinzen und der Prinzessin, überzeugten schließlich das Königspaar. Nun war die Sorge vergessen, und sie tauschte mit Stolz. Stolz, solche Kinder zu haben. Kinder, die sich einer Verantwortung stellen, die kaum größer sein kann.
Aber der sie mit dieser Zuversicht entgegen traten. „ Nun gut,“ sagte Königin Adiana, „tut es. Geht und findet das Medaillon. Wir vertrauen euch. Aber bitte passt auf euch auf. Achtet auch auf eure Gefährten, sie werden euch brauchen.“
„Wir werden morgen aufbrechen!“ antwortete Kaleb und dann gingen sie in ihre Zimmer. Das Königspaar begab sich wieder in den Thronsaal.
Kaleb packte seine Sachen ein. Neben seiner Reitkleidung auch Schutzwesten für den Kampf. Außerdem ließ er sich aus der Schloss-Küche Nahrungsmittel bringen, nahm aber auch Geld mit. Als er dann nochmal alles überprüfte, fiel sein Blick auf noch einen Gegenstand.
Mit diesem Gegenstand waren so viele Erinnerungen an seine Kindheit verbunden, besonders mit seiner Schwester. Schöne Erinnerungen, die er immer in seinem Herzen trägt, sein gesamtes Leben lang. Er lächelte. Und wurde von einem Gefühl der Wärme und der Freude durchströmt. „Dies wird uns sicher helfen!“ waren seine Gedanken, als er ihn in seine Reittasche packte.
Dann sah er aus dem Fenster raus und blickte nochmal zu den Einhörnern, die wieder ein mal herum sprangen.
„So lange begleitet ihr uns schon. Und jetzt steht unsere härteste Prüfung bevor. Aber ich bin mir sicher: diese Prüfung wird uns stärken und unser Leben erfüllen. Zusammen mit euch wird das sicher ein aufregendes Abenteuer.“
Obwohl es eine schwere, wohl die schwerste aller Aufgaben war, freute er sich fast schon richtig darauf. Er legte sich in sein Bett und sah nochmal die Ereignisse des Tages vor seinen Augen. Die Kreaturen, den Bauern, das Bild des Medaillons. Dabei ging ihm durch den Kopf: „Was uns wohl ab Morgen erwartet? Ich weiß es nicht. Aber das macht es umso spannender. Es wird sicher aufregend.“ Langsam überkam ihn aber die Müdigkeit und er schlief ein.
Die ersten Sonnenstrahlen drangen in das Zimmer der Prinzessin, welche ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht zauberten. Trotzdem hielt sie ihre Augen geschlossen bis auf einmal ein lautes Geräusch sie aufschrecken ließ, auch wenn es ihr wohl vertraut war.
„Eos!“ sagte sie leicht lachend nach dem ersten Schrecken und mit klopfendem Herzen zu ihrer Gefährtin, welche ihren Kopf durch das geöffnete Fenster herein gesteckt und mit einem Wiehern Elonore aufgeweckt hatte, als wollte sie sagen: „Zeit zum aufstehen.“
Nun aber stieg das Mädchen aus dem Bett, kam auf das Tier zu und wurde da schon vom goldenen Horn berührt. Elonore umarmte und drückte kurz den Kopf der Einhornstute: „Ja, ich weiß. Ich hab dich auch sehr lieb.“
Sanft streichelte sie den Kopf und die Mähne, wobei sie ihre Augen geschlossen hielt, ebenso wie Eos, die beide diesen Moment genossen. Dann sah sie auf die Augen von Eos. So eine Ruhe hatte sie schon lange nicht mehr erfüllt. Man konnte einfach keine Angst und keinen Zweifel empfinden. Nicht, wenn man dieses Wesen an seiner Seite hatte, darin war sich Elonore sicher.
Nun aber war es Zeit sich auf die Reise vorzubereiten. Elonore zog sich ihre Reiter-Kleidung an und nahm ihr Schwert an sich. Dann sah sie nochmal aus dem Fenster und musste kurz lachen als sie bemerkte, dass auch Chander so eben Kaleb nicht gerade zimperlich aus dem Bett holte, ebenfalls durch ein lautes Wiehern. Elonore konnte klar hören, wie ihr Bruder vor Schreck aus dem Bett fiel.
„Los, aufstehen du Schlafmütze. Wir haben noch was vor!“
„Ja, ich weiß ja,“ kam die belustigte Antwort von Kaleb durch das Fenster, „bin gleich fertig.“
Tja, selbst an den ernstesten Tagen konnte man noch etwas Spaß haben. Elonore schloss ihr Fenster, nahm ihre Tasche, und ging vor das Schloss, wo bereits ihre Eltern und die Einhörner warteten.
Nur der Prinz fehlte noch, aber nach einer Weile kam er schon angerannt: „Da bin ich schon. Tut mir Leid, dass ihr warten musstet.“ Kaleb und Elonore legten die Taschen und die Tücher an die Einhörner. Dann umarmten sie ihre Eltern zum Abschied.
Ryley redete zu ihnen: „Vergesst bitte niemals, dass wir euch lieben. In Gedanken werden wir euch immer beistehen und immer bei euch sein. Haltet stets zusammen und vertraut auf euch. Dann könnt ihr es schaffen.“
Auch Adiana wandte sich an sie, nachdem die Thronfolger aufgestiegen waren: „Ich werde euch vermissen. Kommt wohlbehalten wieder zurück. Ihr seid die wunderbarsten Kinder, die man haben kann. Handelt bitte immer so, wie ihr es für richtig erachtet.“ Eine Träne rollte über ihr Gesicht.
„Das werden wir,“ versicherte Elonore, „wir werden Heminaz beschützen. Das verspreche ich.“
„Versprechen wir!“ wurde sie von ihrem Bruder ergänzt. „Ja, sicher Kaleb.“erwiderte sie mit einem Lächeln.
Ryley reichte beiden Zettel: „Auf diesen Zetteln stehen Hinweise auf merkwürdige Aktivitäten, die in den letzten Tagen gemeldet wurden. Vielleicht führen sie euch zu den Medaillon-Stücken. Bewahrt sie gut auf.“ Kaleb und Elonore nahmen sie an sich.
„Es wird Zeit. Lebt wohl!“ sagte nun Kaleb und dann ritten die beiden los.
Der König nahm seine Frau in seinen Arm und sie sahen ihren Kindern nach. „Jetzt sind sie auf sich alleine gestellt.“ sagte er voller Wehmut und Sorge. „Ich hoffe sie schaffen es.“
Adiana klammerte sich an ihn. Ihr Herz blutete. Es ist nicht einfach, wenn die Zeit gekommen ist, los zulassen, für keine Eltern. „Auch wenn ich nicht alle Sorgen um sie vergessen kann, so glaub ich doch, dass sie es schaffen.“ antwortete der König. „Komm, wir müssen jetzt wieder ins Schloss.“
Die Geschwister ritten nun den ersten Hinweisen auf den Zetteln nach. Aber sie wurden dabei beobachtet: „So ist das also. Jetzt versuchen nun diese zwei Nachkommen des Königshauses mich auf zuhalten. Aber das wird ihnen nicht gelingen. So eine Reise könnte sehr langweilig werden. Meine Soldaten sollten ihnen etwas Abwechslung geben. Es wird ihre letzte sein.“
Kapitel 4
„Der erste Hinweis besagt, dass in der Berggegend von Tepetl mehrere Überfälle stattgefunden haben. Von seltsamen Kreaturen.“ sagte Kaleb während dem Ritt. Elonore gefiel der Gedanke überhaupt nicht, wieder auf solche Monster zu treffen. Ihr schauderte es. Die Zuversicht, welche sie eben noch hatte, schwand.
Ihr Bruder bemerkte es sofort: „Elonore? Hast du Angst?“
Die Prinzessin wurde kurz aufgeschreckt
und verneinte sofort: „Nein, natürlich nicht.“ Die Wahrheit war aber eine andere. Sie empfand Angst. Eine Kälte wie selten zuvor, die fast alles in ihr erfasste. Und doch konnte sie es nicht zugeben. Sie durfte einfach nicht schwach wirken, nicht, wenn es um eine solche Aufgabe geht. Es darf nicht sein.
Plötzlich fühlte sie Kalebs Hand. Er kannte seine Schwester zu gut um zu wissen, dass sie niemals zugeben würde sich nicht gut zu fühlen. Genau das wollte er nicht. Elonore fühlte sich geborgen.
„Es ist gut, Schwesterherz. Ich habe Angst. Mehr, als du zu glauben wagst. Ich habe Angst, nicht mehr Mutter und Vater zu sehen. Angst auch, zu versagen. Aber sie ist immer wieder weg. Und weißt du warum?“ Einen fragenden Blick erhielt er nun von der Thronfolgerin.
„Ich sag es dir, Elonore.“ fuhr er fort. „Weil du da bist. Und ich weiß, du wirst immer da sein. Bitte sei dir sicher, ich werde auch immer für dich da sein.“ Da war es wieder, dieses wunderbare Gefühl, immer sicher zu sein. Elonore war dankbar für den besten Bruder, den man haben kann. Sie fühlte sich sicher. Eine Wärme durchströmte sie, welche ihr sagte: „Niemand kann euch aufhalten. Vergiss das nicht.“
„Ich frage mich, was ich ohne dich tun würde. Danke Kaleb.“
„Ich habe zu danken.“ Nun aber drängte sich etwas anderes auf, was Elonore auf der Seele brannte: „Was könnten diese Kreaturen nur wollen? Denkst du, sie suchen das Medaillon?“
„Vielleicht. Oder sie wollen verhindern, das irgendjemand etwas findet. Jedenfalls denk ich, dass sie zum Herren des Schreckens gehören. Wir werden es sehen.“
Der Weg nach Tepetl war sehr beschwerlich. Man musste einen bewaldeten Hügel hinter sich bringen. Tepetl war der wichtigste Wirtschaftszweig wenn es um Rohstoffe ging. Dort, in den Bergwerken wurden Bronze, Eisen und auch in einer Mine Gold abgebaut. Stets schufteten die Bergarbeiter unermüdlich, um alles aus den Bergen raus zu holen. Regelmäßig brachten die Königskinder auch selber Nahrung zu ihnen, meist Fleisch. Daher kannten sie viele der Arbeiter auch sehr gut, und verstanden sich immer gut mit ihnen.
„Wer wurde eigentlich überfallen Kaleb?“ wollte die Prinzessin wissen.
„Meistens Bergleute bevor sie in die Minen kamen, wenn ich das hier richtig lese.“
Somit war Elonore schnell klar, wo sie suchen mussten: „Also müssen wir die Minen nach Hinweisen durch schreiten.“
Kaleb bestätigte es: „Ja, aber wir müssen vorsichtig sein. Diese Kreaturen, was immer sie sind, werden uns sicher nicht einfach so vorbeilassen.“ Ihm ging es nicht gut bei dem Gedanken.
Aber er musste nur kurz auf Ihre Gefährten sehen. Chander und Eos erzeugten in beiden den Glauben, diese erste Prüfung zu bestehen. „Diesmal werden wir sie besiegen.“ redete Elonore sich und ihrem Bruder Mut zu. „Ja, es wird nicht anders sein.“
An einem unbekannten Ort ertönte eine schreckliche Stimme: „Ich denke es wird Zeit. Los,holt sie euch!“ Die Stimme war voller Hass, voller Zorn, voller Missgunst. Das Angesprochen Wesen nickte kurz im Dunkeln und machte sich von dannen.
Der Wald vor den Minen wirkte unheimlich. Überall war eine beunruhigende Stille zu spüren, die einem das Gefühl der Bedrohung gaben. Kaleb und Elonore war es überhaupt nicht gut. Langsam sahen sie die Bergwerke. Blitzend war etwas des geförderten Metallerzes zu sehen. Es erinnerte etwas an Schnee, der in der Sonne glitzert.
Immer näher kamen sie den Minen. Schließlich erreichten sie sie. Es war gespenstisch. Nirgends war irgendwer. Alles war wie ausgestorben. Absolute Stille, die einem eine Gänsehaut bereitete. Keine Geräusche, keine Menschen, kein Staub von Arbeiten, rein gar nichts. Kaleb sah überall aufmerksam hin. Denn von jeder Seite drohte Gefahr. Man suchte nach einem Hinweis. Irgendwo musste doch ein Anzeichen sein? Etwas, was anders ist?
Nur eines stand erstmal fest: die vielen Überfälle haben den Bergarbeitern ihre Arbeit mächtig unliebsam gemacht. Wen verwunderts, denn wer möchte schon bei der Arbeit, die er täglich verrichtete, ums Leben kommen. Keine angenehme Vorstellung.
Immer noch sahen sie sich um, als Chander plötzlich sich etwas auf bäumte und wieherte. Kaleb beruhigte ihn: „Ganz ruhig, mein Junge. Was ist denn, hast du was entdeckt?“
Auch Eos war nun nicht mehr länger ruhig. Elonore wusste erst nicht was zu tun ist, aber dann bemerkte sie, wie Eos Horn wohl in eine Richtung zeigte. Vor einer der Minen waren deutlich Spuren zu erkennen.
„Sieh mal, da vorne Kaleb.“
„Hmm, wir sollten uns das mal genauer ansehen. Komm mit!“
Langsam kamen sie nun auf die Spuren zu. Sie stiegen von den Einhörnern und untersuchten das auf dem Boden Abgedrückte. „Diese Spuren gehören keinem Tier, welches in Herminaz lebt.“ stellte Kaleb fest.
Etwas Unsicherheit stieg in seiner Schwester auf und sie meinte: „Dann müssen diese Wesen, von denen die Bergarbeiter angegriffen wurden, hier raus gekommen sein. Das kann nur heißen, dass hier, in dieser Mine, irgendetwas sein muss, was uns helfen kann. Wir müssen hier rein.“
Kaleb nickte und sie suchten nach Fackeln in ihren Taschen-hatten aber keine mitgenommen. „Na toll,“ sprach Kaleb frustriert, „und wie sollen wir jetzt Licht machen?“
Kaum hatte er das ausgesprochen, da leuchteten die Hörner von Chander und Eos viel heller, als jede Fackel es hätte sein können.
Der Prinz und die Prinzessin mussten daraufhin lachen, erfüllt von Freude und Dankbarkeit in ihren Herzen, und Elonore umarmte kurz Eos Kopf: „Oh, wenn wir euch nicht hätten.“
„Na dann komm, Schwesterherz, wollen wir doch mal sehen, was diese Mine für uns bereithält.“ Gemeinsam betraten sie nun die Höhle, begleitet von ihren Gefährten.
Es war stockfinster. Niemand befand sich in der Mine. Überall waren vereinzelt Wagen mit Erzen sichtbar, die auf den Schienen standen. Es war unheimlich. Jeder Schritt hallte durch die gesamte Höhle.
Kaleb und Elonore sahen sich überall um, begleitet von den Einhörnern, welche ihnen Licht gaben.
Suche nach einem Hinweis. Ungewissheit. Angst. Zweifel. Das alles war nun in ihnen. Ihnen war mulmig zu Mute. Die Stille, nur durch die Schritte unterbrochen und den Atem der Thronfolger, ließ einen fast nicht mehr atmen. Es schnürte einem den Hals zu. Die Luft war schrecklich trocken und staubig.
Zu staubig für Elonore. Sie musste husten. Kaleb hielt sie im Arm, als sie sich krümmte. „Alles wieder in Ordnung?“
„Ja...es geht wieder.“ stöhnte sie als Antwort hervor. Sie konnten ihren Weg fortsetzten.
Sie gingen so eben durch eine Art Links-Kurve, als Elonore sich plötzlich umdrehte mit angstvoll
aufgerissenen Augen umdrehte. „Hast du eben was gehört?“ fragte sie ihren Bruder.
„Was denn?“ erwiderte dieser.
Elonore atmete tief durch und sprach mit zitternder Stimme: „Irgendwas stimmt hier überhaupt nicht. Wir müssen aufpassen.“
Weiter gingen sie ihres Weges. Schritt für Schritt. Chander und Eos folgten ihnen ruhig. Aber auf einmal schüttelten sie sich. Sie wieherten, wurden unruhig. Hatten sie etwa die Nähe des Medaillons gespürt, oder eines Hinweises? Erschrocken und ohne jeden Rat sahen die Königskinder auf die Einhörner. Ihnen war es Bange. Sie sahen sich um.
Auf einmal schlug etwas nach Kaleb, er konnte noch gerade so ausweichen. Dieses Etwas steckte tief in der Wand. Kaleb sah voller Angstschweiß nach vorne. Vor dem Prinzen und der Prinzessin standen drei gewaltige Kreaturen.
Sie hatten wie die vom ersten Angriff einen Echsenkörper und Echsengesichter, aber sie waren anders. Ihre Schultern waren unglaublich breit, und sie hatten keine Schwerter-stattdessen waren ihre Krallen unglaublich lang und hart. Und scharf, denn die erste von ihnen hatte ja nun eine Kralle in die Wand gerammt. Sie zog sie raus. Scharf sahen nun die Monster die Zwillinge an.
Sie zogen ihre Schwerter. Die Kreaturen griffen an. Die Thronfolger verteidigten sich mit ihren Waffen und gingen zum Gegenangriff über. Die Einhörner versuchten irgendwie Licht für sie aufrecht zu erhalten.
Kaleb griff zwei Gegner an. Er versuchte ihnen bei zu kommen. Schlug immer wieder. Doch wenn man sich praktisch vier Klingen erwehren muss, wird man frustriert. Kaleb schwitzte vor Angst und Anstrengung. Er warf ihnen alles entgegen, was er hatte. Was ihm aber noch mehr, während er weiter kämpfte, in den Gedanken war, war das Unwissen um seine Schwester.
Aber diese Gedanken waren nur kurz. Denn die Echsenmänner ließen ihm keine Ruhe. Ihn verließ die Kraft und die Zuversicht. Zweifel kamen auf, die ihn lähmten. Wieder ein Schlag, und Kaleb wurde an eine Wand gedrückt. Er wusste nicht, wie weit er nun schon von Elonore entfernt war.
Er versuchte sein Feinde weg zu drängen. Die Krallen schlugen auf ihn, er wehrte sie mit dem Schwert ab, drückte gegen die Krallen, wie er es konnte.
Nun kamen ihm die Worte seiner Mutter in den Sinn: „Kommt wohlbehalten zurück. Ihr seid die wunderbarsten Kinder, die man haben kann.!“
„Ich muss es schaffen!“ waren seine Gedanken, als er die Krallen weg drückte. Als die Monster erneut schlugen, wich er aus, rollte sich nach vorne ab. Der Schlag des einen Monsters traf somit statt Kaleb den anderen Feind, der so laut aufschrie, dass man glauben könnte, eine ganze Armee schrie auf. Kaleb nutzte den Moment und stieß sein Schwert dem anderen in die Brust. Dieser fiel auf die Erde.
Kaleb atmete tief durch. Es war überstanden-jedenfalls für ihn. Erleichterung machte sich in ihm breit. Das schwache Licht wurde stärker. Chander hatte, so gut wie es ging, ihm weiter Licht gespendet. Plötzlich kam Kaleb ein Gedanke in den Kopf, den er sofort aus rief: „Elonore!“
Er bekam ein kaltes Gefühl in der Magengegend. Seine Schwester war das einzige was nun zählte. Ihr durfte einfach nichts geschehen. Er steckte sein Schwert ein und ging zu seinem Gefährten.
„Chander, schnell, bring mich zu deiner Schwester.“ Chander schien zu nicken und sie machten sich, so schnell es in der engen Höhle ging, auf den Weg.
Elonore wurde immer weiter von der Letzten Kreatur zurückgedrängt. In ihr war Furcht, Furcht, die sie eigentlich nie empfand. Die Schläge des Monsters nahmen kein Ende. Und Eos konnte ihr nicht helfen, denn sie waren schon weit weg,. Nur das Licht des Horns war noch zu sehen.
Der griff um das Schwert wurde schwächer, sie verkrampfte. Fast weinte sie schon, als sie erkannte, wir unwahrscheinlich es nun war zu überleben. Sie wollte schon aufgeben. Was hatte es denn noch für einen Sinn. Sie war zu schwach. Es hatte keinen Sinn. Sie ging kurz auf die Knie
Nun hörte sie aber etwas: es war Eos, sie wieherte so laut wie noch nie. Aber was sie eher berührte war: Sie glaubte eine Menschliche Stimme des Einhorns zu hören, welche ihr Mut zu sprach. Elonore fühlte ein Licht in sich, voller Wärme. „Was habe ich mir nur gedacht?“ ging ihr durch den Kopf, als sie zurück schlug. „Es gibt viel zu viele Menschen, die auf mich zählen. Wie kann ich sie da nur enttäuschen wollen? Nein, Nein, niemals. Es kann nicht geschehen.“
Die Prinzessin versuchte nun, ihren Feind irgendwie einzuengen. Jeder Hieb ihres Schwertes gab ihr nun Mut. Doch die Kreatur schlug nun auf sie ein und konnte ihre Deckung öffnen. Es stach nun. Elonore wich knapp aus, nur einige Millimeter fehlten. Dann hob sie das Schwert und schlug von der Seite.
Der Oberkörper des Echsenmannes wankte und fiel nach vorne. Der untere Teil löste sich von ihm und fiel in die andere Richtung. Elonore atmete hektisch durch. Anschließend brach sie in Tränen aus und ging auf die Knie. Sie hatte die Todesangst verdrängt, aber nun kam sie in ihr hoch. Es war einfach nur noch furchtbar. Besonders der Gedanke, dass es so weiter gehen würde, die gesamte Suche lang.
Inzwischen hatte Eos den Kampfplatz erreicht und stupste von hinten mit der Nase liebevoll Elonore an der Wange an. Sie legte sanft ihre Hand auf die Nase des Einhorns. Auch wenn diese Berührung kurz die Angst dämpfte, musste sie doch immer noch weiter weinen. Es ging nicht anders. Es musste jetzt alles raus. Irgendwie tat es ihr auch gut.
„Elonore! Elonore! Alles in Ordnung?“
„Ich bin hier Kaleb!“ Langsam näherten sich Kaleb und Chander. Kaleb sah auf seine Schwester und bemerkte, dass sie weinte.
„Was ist passiert?“ Er hatte Angst, dass ihr was zugestoßen sei. Elonore erzählte ihm nun vom Kampf.
„Du hast ihn also besiegt. Aber,... etwas stimmt doch nicht?“
„Schaff ich das, Kaleb? Kann ich das alles? Immer wieder kämpfen? Immer wieder um mein Leben fürchten? Ich glaube nicht, dass ich dass durchhalte. Ich bin dir keine Hilfe, du musstest wieder gegen zwei Gegner kämpfen. Ich bin dir nur ein Hindernis.“
Sie ließ ein paar Tränen fallen. Plötzlich fühlte sie einen harten Schlag auf der Wange. Sie brannte. Elonore fühlte mit der Hand und sah geschockt zu Kaleb, der ihr eine kräftige Ohrfeige verpasst hatte.
„Was sollte das jetzt?“ fragte sie ärgerlich.
„Ich habe getan, was sonst unsere Mutter getan hätte. Was soll das? Bist du wirklich meine Schwester, wenn du aufgibst? Ich will das nie mehr hören, hast du verstanden? Elonore, du hast mehr Kraft, als die meisten Männer die ich kenne. Wir haben gemeinsam schon so viel geschafft. Ich wär ohne dich nicht hier. Und sie...“ und er zeigt auf die Einhörner, „sie wären auch nicht hier. Bitte Elonore, sei wieder meine Schwester.“
Die Prinzessin hörte auf zu weinen. Stattdessen erfüllte sie das Glücklich sein. Es durchströmte sie. Es durchflutete sie regelrecht, als ob neue Energie in sie floss. Zuerst ließ sie es nur fließen. Dann sprang sie auf und umarmte ihren Bruder. Kaleb war froh, dass sie nun wieder so war, wie er sie kannte. Ihm fiel nicht ein Stein, nein, ihm fiel ein Gebirge vom Herzen. Er glaubte, sich nun wieder bewegen zu können.
Elonore sah ihm in die Augen: „Danke, Bruder.“
„Gern geschehen, Schwester. Los, wir müssen nun den Hinweis finden.“ Sie folgten nun wieder den Einhörnern. In ihnen war nun eine mächtige Ruhe.
Zweifel? Niemals. Ungewissheit? Wie denn, sie wussten dass sie es schaffen würden.
Die Einhörner blieben auf einmal stehen. Ihre Hörner erleuchteten jetzt nochmal so hell. Den Königskinder fuhr nun Verwunderung, aber auch Verzauberung in die Glieder. Dieses helle Licht hatte eine Wirkung wie sonst nur der Sonnenaufgang nach einem schweren Gewitter.
Ihr Blick ging zu einer Wand, vor der die Einhörner standen. Zwei Bilder zeigten sich. Das erste war ein Bild des Medaillons, aber geteilt in seine zwei Hälften. Darunter war ein Doppelpfeil. Auf der einen Seite war das Zeichen für Osten, auf der anderen das für den Westen.
Kaleb grübelte nach und sagte schließlich: „Anscheinend befinden sich die beiden Teile in gegensätzlichen Richtungen von hier aus gesehen. Das entspricht in etwa den weiteren Hinweisen über merkwürdige Ereignisse in den Gebieten in diesen Richtungen.“ Er atmete tief durch, da ihm selber nicht gefiel, was er nun sprechen musste: „Wir müssen wohl jetzt getrennt suchen.“
Elonore durchzog ein Kälteschauer als sie diese Worte vernahm. Es war für sie unvorstellbar, irgendetwas ohne ihren Bruder zu tun. Sie waren bisher immer zusammen. „Das kann ich nicht, Kaleb. Das kann ich einfach nicht, ich kann dich nicht alleine lassen.“
„Komm, wir gehen erstmal raus hier.“
Gemeinsam mit den Einhörnern verließen sie nun die Mine und setzten sich an einen Ahorn-Baum in der Nähe des Eingangs. Sie waren erstmal ratlos, das heißt, an sich nur Elonore. Diese Gedanken, ihrem Bruder bei dieser wichtigen Aufgabe nicht helfen zu können, ließ sie kaum atmen. Sie verhakte ihre Finger ineinander, versuchte irgendwie eine andere Lösung zu finden, aber die gab es nicht. Kaleb hatte recht. Aber kann sie das?
Kaleb war ebenso im Zweifel, als er die Blätter des Baumes beobachtete. Es war ein herrlich, sonniger Tag, welcher jeden Gedanken an den Ernst der Situation kurz vergessen ließ. Aber das alles konnte nicht darüber hinwegtäuschen, es war eine schlimme Situation für die Zwillinge. Für den Prinzen stellte sich die Frage, wie er sich und seiner Schwester Mut machen könnte.
Da fiel es ihm wieder ein, er hatte es doch Mitgenommen. Schnell ging er zu seiner Reittasche, welche er vor der Mine hatte liegen lassen, öffnete eine Seitenlasche und holte es heraus. Dann ging er zu Elonore zurück. „Weißt du es noch?“
Er zeigte es ihr, und Elonore musste kurz weinen. „Du hast es tatsächlich mitgenommen?“
Das Puzzle hatten die Königskinder gemeinsam gelöst, als sie sieben Jahre alt waren. Es bestand aus 100 Teilen und war dick genug, um es zusammengesetzt in einer Tasche tragen zu können. Den ganzen Tag hatten sie damals mit dem Puzzle verbracht, und dabei sind sie nochmal enger aneinander gewachsen.
Kaleb setzte sich nun wieder neben Elonore und zeigte sich und ihr das Puzzle. Sie hatten es damals zum Geburtstag bekommen und zeigte ein Einhorn, ohne zweifel weil sie ja kurz zuvor ihren Einhörnern begegnet waren.
Elonore fühlte wieder etwas Hoffnung, als sie das Puzzle sah. „Lass uns eines versprechen.“ redete nun der Königssohn, während er das Puzzle in zwei Teile teilte. „Wir werden das Medaillon ebenso
vervollständigen wie wir das Puzzle wieder zusammen bringen. Versprichst du das?“
Elonore nahm einen Teil des Puzzles. „Ja, ich verspreche es.“
Elenore und Kaleb setzten die Sitztücher auf den Rücken von Eos und Chander, dann gab Kaleb seiner Schwester den Zettel mit den Hinweisen für das Gebiet, in das sie reiten würde. Kaleb sah ihr nochmal in die Augen.
Tränen des Abschieds flossen. Aber irgendetwas sagte den beiden, dass sie sich wieder sehen würden. Noch einmal umarmten sie sich und ihnen war, als ob die Kraft des einen in den anderen fließen würde. „Pass auf dich auf, Schwesterherz.“
„Du auch, Bruder.“ Sie stiegen auf ihre Gefährten.
„Lebe wohl!“
„Leb wohl!“ Auch die Einhorn-Geschwister berührten sich mit ihren Hörnern zum Abschied. Dann ritten sie in verschiedene Richtungen los.
„Diese verdammten Versager. Auf nichts kann man sich verlassen.“ schrie wieder an jenem unbekanntem Ort die Stimme, voller Hass, Wut und Zorn. „Nun ja, diesmal sind sie entkommen. Aber das Spiel hat gerade erst begonnen. Jetzt werden sie unsere ganze Macht kennen lernen. Es war ihr größter Fehler, nun getrennte Wege zu gehen. Das wird ein Spaß.“ Dann ertönte ein dunkles Lachen, in dem nur Dunkelheit steckte. Die Zukunft verhieß nichts Gutes.
Kapitel 5
Elonore ritt in Richtung der Sumpfgegend Fanja. In der Nähe gab es fruchtbaren Boden, weshalb sich dort einige Bauern angesiedelt haben. Elonore besah sich im Ritt nochmal den Zettel: „Mehrere
Tiere haben sich seltsam verhalten. Sie legten völlig unnatürliche Verhaltensweisen an den Tag, in der Nähe des Zentrums der Sumpflandschaft. Auch sind manche ungewöhnlich gewachsen.“
In Elonores Kopf schwirrten nun die vielen Fragen, die sich eine alle auf ein mal stellten, und sie verrückt machten: „Ein Hinweis? Das Medaillon selber? Oder der Feind? Bedrohung?“
In ihrem Kopf dröhnte es, es machte sie verrückt, aber sie versuchte krampfhaft, sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie fasste die Zügel fester. Eos trabte und konnte nicht schneller, denn das Gelände war sehr uneben. Überall waren kleine Steine, Erhebungen und größere, abgebrochene Äste. Kurz, eine Gegend in der die wenigsten wirklich gerne reiten.
Doch Elonore und Eos war es nicht möglich die Gegend auszusuchen. Die Zeit drängte, man wusste nicht wann der Schrecken zuschlagen würde, und ob er selber das Medaillon wollte. Deswegen lastete auch eine gewaltige Last auf ihr.
Als sie die Gegend, ein kleines Waldstück, an sich vorüberziehen sah, kam ihr der Gedanke, wie eigenartig sie sich doch fühlte: immerhin war sie sehr stolz darauf, ihrer Heimat, ihrem Land, und ihrer Familie, ihrer Mutter, Ihrem Vater, ihrem Bruder, und irgendwie auch Eos, dem Königreich so einen Dienst erfüllen zu können.
Aber es war eben auch eine unglaublich mächtige Verantwortung. Wenn sie es nicht schafft, ist wahrscheinlich alles verloren. Dann werden alle sterben, oder zumindest nicht mehr wirklich ein Leben haben. Wenn alles im Dunkeln versinkt, wie es damals nicht gelungen war. Das war eine Last, die niemand sich vorstellen konnte. War der kleinste Fehler bereits das aus? Hatte sie diesen vielleicht schon begangen, ohne es zu wissen?
Bei diesen Gedanken glaubte die Prinzessin, dass auf ihr das Gewicht des gesamten Heimatschlosses lag. Fast glaubte sie nicht mehr atmen zu können. Sie vergaß den Wald, sie vergaß, dass sie auf Eos war. Ihr lief der Schweiß von der Stirn.
Eos Wiehern löste sie aus diesem Nichts und brachte sie wieder dazu, sich um zu sehen. Denn in ihr war auch die Angst vor einem Angriff der Feinde. Sie erwartete sie jeden Moment, aber es war, abgesehen vom Blätter rauschen verursacht durch den Wind, unerträglich ruhig. Fast erhoffte man sich irgendeinen Schrei, eine Brüllen, nur damit diese Anspannung aufhörte.
Auf einmal zischte etwas an Elonore vorbei. Sie erschrak fürchterlich. Ihr Herz blieb stehen. Eos erhob sich kurz. Die Prinzessin sah nach diesem Objekt. Es war ein Pfeil, der in einem Baum feststeckte. Schnell guckte sie hinter sich und sah drei behaarte Gestalten. Sie sahen wie Wolfsmenschen aus. Neben ihnen sah sie eine Art Säbelzahntiger, mit unglaublich muskulösen Nacken.
Elonore hatte nur noch einen Gedanken: Flucht. Nur weg von hier. „Leg los, mein Mädchen!“ rief sie Eos zu und ritt los. Die Wolfsmenschen stiegen auf die Riesenkatzen und verfolgten sie.
Elonore hatte nun überhaupt keine Gedanken mehr. Sie wollte nur fliehen. Panik erfasste sie. Denken konnte sie überhaupt nicht. Die Thronfolgerin hatte sich nach unten gebeugt. Immer wieder hörte sie Pfeile vorbei fliegen, und dann kam auch noch das Gebrüll der Katzen hinzu. Ein Gebrüll, welches lauter klang als jede Explosion, und umso mehr Bedrohung und Gefahr bedeutet.
Die Angst, die Kälte, sie breiteten sich immer mehr in ihr aus.
Dann hörte sie ein schweres Stampfen und sah zur Seite. Einer der Tiger war nun neben ihnen und der Wolfsmensch legte so eben seinen Bogen an. Elonore versuchte sich zu konzentrieren, achtete auf jede Bewegung. Sie vertraute Eos den richtigen Weg zu nehmen. Der Schuss kam. Die Prinzessin duckte sich und hörte den Pfeil vorbei zischen. Wieder sah sie den Wolfsmenschen nach einem Pfeil greifen. Elonore fasste den Mut der Verzweiflung und lenkte Eos gegen den Feind und stieß in die Seite.
Zwar verlor dieser den Bogen, aber er verfolgte sie weiter mit riesigen Sprüngen. Ein weiterer Sprung und schon war er vor dem Einhorn gelandet. Dieses bäumte sich auf und Elenore fuhr der Schock in den Körper und sie zog Eos zur Seite. Sie setzte die Flucht fort. Ihre Verfolger sprangen nun nochmal und die Riesenkatze erwischte Eos kurz mit seinen Krallen in der Flanke. Das Einhorn wieherte kurz vor Schmerz und rannte dann aber weiter.
„Verdammt,“ dachte die Thronfolgerin sich, „Ich muss doch was machen können.“ Da sah sie eine kleine Grube von weitem, und sie handelte instinktiv. Direkt vor der Grube zog sie die Zügel, und Eos schlug einen Haken. Der Tiger war dazu nicht fähig, rutschte, als er versuchte zu bremsen, weg und fiel in die Grube.
Elonore fiel eine gewaltige Last vom Herzen. Aber sie wurde immer noch von zwei Monstern verfolgt, weshalb dieses Gefühl nur kurz war. Sie sah nach hinten und musste voller Panik feststellen, dass die Verfolger immer näher kamen. Sofort sah sie wieder nach vorn und schrie: „Schneller Eos, schneller!“
Eos versuchte alles, wich aus, sprang über Hindernisse. Von links und rechts näherten sich die Säbelzahntiger. Eos sprang über einen kleinen Vorsprung. Als so eben die Tiger auf das Einhorn springen und es töten wollten, sprangen sie aber über Kreuz und prallten in der Luft aufeinander.
Elonore hatte das alles nicht bemerkt, dafür war ihre Panik viel zu mächtig. Es blockierte jedes logische Denkvermögen und jede Umsicht. Somit erkannte sie einen dicken Ast zu spät. Sie sah nur noch einen dicken Balken auf sich zu kommen, spürte einen harten Schlag und dann wurde es ihr schwarz vor Augen.
Eos bremste ab und ging zu ihrer Gefährtin zurück. Sie bemerkte, dass Elonore noch atmete und sie nicht mehr verfolgt wurden. Dann aber wurden der Schmerz und die Erschöpfung zu viel für die Stute und sie brach neben der Prinzessin zusammen.
„Hier drüben ist etwas!“ Ein junger Mann, gekleidet wie ein Bauer, hatte so eben irgend etwas bemerkt an einer Waldlichtung.
„Da hinten, Herr!“ Der Knecht wollte mit dem Bauer, in dessen Dienst er schon seit vielen Jahren war, eigentlich nur Brennholz sammeln, als er einen Schatten bemerkt hatte.
Er hatte schwarze, Schulter lange Haare, grüne Augen und war normal groß. Sein Gesicht war eher schmal. Er trug eine Weste aus Schafswolle, darunter ein festes Hemd aus dickem, grauen Stoff. Seine Hose war aus Leder.
„Colet, bleib hier!“ rief der Bauer hinterher, aber irgend was bewegte die angesprochene Person dazu, dem Schatten entgegen zu gehen. Er wusste selber nicht was, er wusste selber nicht weshalb, aber es war ihm, als ob eine Stimme ihm befahl, dort hin zu eilen, als ob es das wichtigste überhaupt wäre.
Endlich kam er dort an, und ihm stockte der Atem, denn er sah ein Mädchen mit einem blonden Pferdeschwanz. Sein Herz blieb kurz stehen. Sie war am Kopf verletzt, und doch sah sie faszinierend aus. So friedlich, als ob sie die Figur eines schönen Gemäldes wäre. Er brauchte erst eine gewisse Zeit bis er zur Seite blicken wollte, als der Bauer, ein etwas dicklicher Mann mit der selben Art von Kleidung, schon neben ihm stand.
„Seht nur Herr, dieses Mädchen, sie ist verletzt. Wir müssen ihr helfen.“ Der Bauer hatte aber erstmal wo anders hingesehen, denn das Geschöpf, was dort lag, erfüllte ihn mit Verwunderung, Freude, und doch etwas Furcht und Verwirrung, was ihn alles hin und her riss.
„Hast du eigentlich bemerkt, dass da ein Einhorn liegt?“ fragte er nun seinen Knecht. Dieser schaute nun zur Seite und sah das weiße Fabelwesen. „Ich hätte nie gedacht, jemals eins zu sehen. Sieh nur, wie schön es ist.“
„Es ist auch verletzt, wir müssen ihnen helfen, Herr. Bitte.“ Den Knecht verwunderte es selbst, dass er einem der wohl schönsten Geschöpfe, die es gibt, kaum Beachtung schenkte, oder zumindest es nicht als etwas besonderes betrachtete, und das, wo er doch immer davon geträumt hatte eines zu sehen. Der Bauer zögerte zu erst, aber als er das flehende Gesicht seines Knechtes, der für ihn mehr als nur das war, sah, rannte er so schnell konnte nun zu seinem Wagen, gezogen von zwei schwarzen Pferden, und brachte ihn zur Stelle.
In der Zwischenzeit hatte sich Colet nieder gekniet und betrachtete das Mädchen. Er wusste nicht weshalb, aber sie erzeugte in ihm eine Ruhe wie noch nie. Er wischte eine Sträne ihres Haares zur Seite und überlegte sich, wer es sein konnte. Auf ein mal vergaß er alles.
„Colet, nicht träumen, hilf mir lieber sie auf den Wagen zu bringen.“ holte ihn sein Herr wieder in die Welt. Colet stand nun auf und fasste unter die Arme von ihr. War es noch leicht bei dem Mädchen, gestaltete es sich schon schwieriger das Einhorn auf den Wagen zu hieven. Man kam nur immer ein bisschen voran. Schließlich aber war auch das völlig bewusstlose Einhorn auf dem Wagen, neben dem Mädchen, und sie begannen den Weg zum Hof.
Ganz langsam öffnete die Prinzessin von Herminaz ihre Augen. Sie bemerkte, wie etwas feuchtes sich auf ihrer Stirn breit machte und immer wieder auf sie traf. Außerdem fühlte sich ihr Kopf an als ob tausend kleine Pferde immer wieder gegen die Schädeldecke traten. Jedenfalls ergab sich langsam, wenn auch erst verschwommen, ein Bild vor ihr.
Auf ein mal war die Feuchte nicht mehr zu spüren. Sie bemerkte nur noch das Tuch, welches um ihren Kopf gewickelt war. Langsam erkannte sie ein Gesicht. Das Gesicht eines Mannes.
Dieser sah sie nun freundlich an: „Schön, dass ihr nun wieder unter den Lebenden seid. Wie fühlt ihr euch?“
Elonore fasste sich an den Kopf, der wohl gleich explodierte, so sehr brummte er. „Wo bin ich? Und wer seid ihr?“fragte sie nun immer noch völlig erschöpft.
„Mein Name ist Colet. Ich bin der Knecht auf dem Bauernhof hier. Ihr befindet euch am Rand von Fanja.“
„Fanja!“ Auf ein mal sprang Elonore auf.
„Was tut ihr da?“ wollte er wissen, aber Elonore musste nun so schnell wie möglich wissen, wo ihre Gefährtin ist.
Sie hatte Angst um sie, sie vergaß alle Schmerzen. „Wo ist Eos? Was habt ihr mit ihr gemacht?“ „Wie? Was meint ihr?“ Colet war völlig perplex und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
„Wo ist sie?“ schrie sie nun und ergriff den jungen Mann.
Dieser hatte plötzlich das Gefühl als ob gar nichts mehr funktionieren würde. „Ähm...wenn ihr das Einhorn meint...es ist im Stall und...“
Die Prinzessin rannte sofort aus dem Zimmer, eilte wie sie nur konnte ins Freie und beachtete dabei gar nicht, dass sie nur ein leichtes weißes Gewand trug. Ihr einziger furchtbare Gedanke war, dass Eos etwas passiert sein könnte. Dass man sie nun mit ihrer Macht missbrauchen will. „Halt, wartet, ihr seid noch zu schwach!“ rief der Mann hinterher, aber das interessierte sie nicht. Der Weg, obwohl so kurz, schien unendlich.
Endlich kam sie am Stall an, öffnete die Tür und sah sich dann überall um. Sie suchte nach dem goldenen Licht des Einhorns. Doch sie konnte es nicht erkennen. Sie irrte durch den Stall, wo zwar Pferde waren, aber keine Spur von Eos. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Atem ging schnell, sie glaubte nicht mehr atmen zu können.
Da hörte sie das vertraute Wiehern. Das könnte sie überall ausmachen. Schlagartig drehte sie sich um und sah nun ihre Freundin, welche sich so eben in einer Pferdebox erhob und etwas Langsam, aber doch munter auf Elonore zu bewegte. Elonore musste weinen, ging auf Eos zu und umarmte das Haupt des stolzen Tieres. „Eos. Ich hatte schon...“ Sie konnte nichts mehr weiter sagen, sondern weinte nur noch vor Freude. Alles war nun wieder in Ordnung. Am liebsten wäre sie nun nie wieder von ihr weg gegangen.
„Was macht ihr hier?“ vernahm sie nun wieder die Stimme dieses Mannes. Nun löste sie sich von Eos, die, wie sie erst jetzt bemerkte, einen riesigen Verband um ihr Flanke hatte. Elonore drehte sich nun um und sah in die Augen von Colet, die etwas ausstrahlten, was sie nicht erklären konnte.
Elonore wurde etwas rot: „Verzeiht mir, ich hätte mich nicht so verhal...“ Ihr wurde schwindelig und sie sank nieder. Colet fing sie auf und trug sie wieder in Richtung des Zimmers. Dabei musst er sich eingestehen, dass es ihn eiskalt und doch höllisch heiß durchlief.
Ein unglaubliches Kribbeln war in ihm. Es war irgendwie angenehm, und doch nicht wohltuend. Sein Herz schlug und schien von jedem gehört zu werden. Der Bauer, welcher gerade vorbei kam, bemerkte ihn und konnte sich angesichts des Gesichts seines Knechtes nicht ein breites Grinsen verkneifen.
Colet legte die Prinzessin nun wieder vorsichtig ins Bett. „Danke!“ sagte Elonore nun zu ihm.
„Ist gern geschehen. Euch bedeutet das Einhorn sehr viel, nicht wahr?“ erwiderte er.
„Ja, denn ich lebe mit ihr nun schon seit 12 Jahren.“ Elonore sah nun etwas lächelnd auf Colet. „Wer seid ihr?“
Colet wunderte sich selbst, dass er die Frage erst jetzt stellte. „Ich heiße Elonore.“
„Elonore? Oh...mein Gott!“Zuerst war der junge Mann gelähmt, der Schock, wen er da ins Haus geholt hatte wirkte durch ihn voll und ganz, dann aber fiel er sofort auf die Knie: „Eure Hoheit, bitte verzeiht mir, ich habe euch nicht gleich erkannt!“
Die Prinzessin konnte nicht anders als zu lachen, was Colet aufblicken ließ. Sie fand es richtig niedlich, wie er jetzt etwas schweißgebadet vor ihr war und etwas zitterte. Er fürchtete dagegen, sie würde ihn nun auslachen.
Anschließend beruhigte sie ihn: „Bitte macht euch keine Vorwürfe. Es ist doch alles gut-bis auf dies Kopfschmerzen die mich ganz schön niederschlagen.“
Colet lächelte nun auch etwas, stand auf und setzte sich nun aufs Bett: „Prinzessin, wie kommt es nur, dass ein Einhorn mit euch lebt? Ich weiß, diese Geschöpfe halten sich normalerweise so weit wie möglich von den Menschen fern. Und was macht ihr eigentlich hier?“
Elonore erzählte ihm nun alles haargenau. Wie sie damals mit ihrem Bruder den Einhörnern begegneten, wie sie den Bauer fanden, wie sie das Medaillon suchten. Colet hörte genau zu.
„Das Medaillon der Sterne also.“ sagte er nachdem Elonore fertig war. „Ich dachte immer, das wäre nur eine Legende.“
„Tja, aber es existiert, und ich muss es finden. So schnell wie möglich. Ich muss deshalb meine Suche fortsetzen.“ sagte sie und wollte aufstehen, aber wieder überkam sie der Schwindel.
„Eure Hoheit!“ redete Colet nun auf sie ein, und das voller Sorge um sie. „Es hat keinen Sinn. Ihr seid geschwächt und immer noch verletzt. Bitte. Auch Eos Wunde muss erst verheilen. So könnt ihr die Suche nicht fortsetzen. Bleibt hier!“
Energisch drückte Colet nun Elonore regelrecht wieder aufs Bett. Elonore musste sich eingestehen, dass er Recht hatte. In diesem Zustand wär sie nur eine leichte Beute für die Feinde. Ein bisschen wunderte sie sich darüber, wie sehr der Knecht sie nun aufforderte, sich auszuruhen.
Inzwischen war es Abend geworden und Colet brachte ihr etwas Brot und Fleisch zum Abendessen. Danach war es Zeit zum Schlafen. „Gute Nacht Prinzessin.“
„Gute Nacht, Colet. Und Danke.“
„Danke? Wofür?“
„Dass ihr mir und Eos geholfen habt.“
„Gern geschehen.“ drückte Colet hervor und verließ den Raum.
Elonore legte sich hin, aber sie konnte einfach nicht schlafen. Diese Person beschäftigte sie wie noch nie jemand sie beschäftigt hat. Wie sehr er sie doch darum bat, gesund zu werden, bevor sie wieder auf die Reise ging. In ihr war etwas, was sie noch nie fühlte. Eine Wärme, die sie richtig erfreute, und die sie noch nie hatte. Dazu dieses Kribbeln in ihr. Als wenn etwas in ihrem Magen unaufhörlich krabbelte.
„Oh, guten Morgen eure Hoheit!“
„Guten Morgen, Colet.“ Colet war gerade dabei den Stall aus zu misten, als Elonore hinein trat, um nach Eos zu sehen. Inzwischen waren zwei Tage vergangen und sowohl Eos als auch Elonore hatten sich nun sehr gut erholt. Elonore ging zu Eos, umarmte sie kurz, gab ihr etwas Futter und nahm ihr die Verbände ab. Von der Wunde war nichts mehr zu sehen, was an den Heilkräutern lag, die Colet verwendet hatte. Diese wirkten auch bei den Pferden immer gut weshalb er hoffte, sie auch bei Eos anwenden zu können, was sich auch als richtig her raus stellte.
Dann ging sie zu Colet.
„Euch scheint die Arbeit hier große Freude zu bereiten. Weshalb?“ Elonore konnte sich nicht vorstellen, dass es für jemand angenehm ist, im Dienste von jemandem zu stehen. Sie besah ihn sich, als er sich nun für eine Pause hinsetzte und ein Brot her raus nahm. Sie setzte sich neben ihn und verstand immer noch nicht. Sie war richtig fasziniert von ihm, und immer wieder verzauberte etwas sie, wenn sie ihn sah.
Colet begann zu erzählen: „Mein Eltern starben als ich fünf Jahre alt war. Sie wurden von einer Flut erfasst. Ich wäre selber da hineingeraten, wenn sie mich nicht weg gestoßen hätten, dabei wurden sie selbst mitgerissen. Ich kauerte einen Tag lang herum.
Dann hat mich mein Herr gefunden und mich aufgezogen. Er ist für mich wie ein Vater. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, ihn mit der Arbeit hier alleine zu lassen.“
Elonore verstand nun. Sie bewunderte ihn dafür, dass er das alles überstanden hatte. Sie hätte sich nie vorstellen können, ohne ihre Eltern und ihren Bruder zu leben. Bei dieser Vorstellung konnte sie nicht atmen. Sie würde in so einem Fall sterben wollen. „
Ich denke, ich werde morgen wieder auf meine Suche gehen. Wollt ihr mich begleiten?“ Elonore hoffte inständig ein Ja zu hören, aber Colet schüttelte den Kopf.
„Ich wäre euch keine Hilfe, Prinzessin. Und es ist auch nicht richtig, denn ihr seid die Thronfolgerin, ich bin nur ein Bauernknecht. Außerdem ist es euch bestimmt, das Medaillon zu finden, nicht mir.“ Colet merkte erst, nachdem er den Satz ausgesprochen hatte, wie sehr es ihm weh tat, so was zu sagen. Irgendwie war in ihm ein Krieg.
Elonore tat es auch weh. Sie versuchte den Rest des Tages noch mal alles, um ihn zu überzeugen, aber Colet sagte immer wieder das Selbe. Doch in ihm kämpfte etwas. Es kam ihm so vor, als ob der Verstand und sein Herz eine Schlacht um ihn führten.
Elonore ging an diesem Abend nur schwer fällig ins Bett. Ihr gingen immer wieder die Ablehnungen von Colet durch den Kopf. Es erzeugte eine schlimme Trauer in ihr. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Schließlich fing sie an zu weinen und ging somit erst spät und betrübt in den Schlaf.
Am nächsten Morgen half Colet der Prinzessin beim einpacken. Er gab ihr etwas Proviant mit, legte das Sitztuch auf Eos Rücken bereit. Er war genau so wie Elonore sehr betrübt dabei. Beiden erging es nicht gut bei dem Gedanken, sich zu verabschieden. Immer noch kämpfte es in Colet.
Colet half ihr auf Eos Rücken.
Elonore wandte sich ihm zu: „Nochmal Danke für alles, was ihr für mich getan habt. Das werde ich euch nie vergessen, Colet. Ich wünsche euch alles gute auf dieser Welt.“
Colet erwiderte: „Es war mir eine Ehre, eure Hoheit. Ich wünsche euch und eurem Bruder viel Glück und Erfolg auf eurer Suche.“
Sie gaben sich zum Abschied die Hand.„Danke. Lebt wohl!“
„Lebt wohl, Prinzessin!“
Elonore ritt nun mit Eos davon. Colet sah ihr nach bis sie verschwand. Einen riesigen Verlust fühlte er in sich. Es war, als ob man ihm sein Leben weggerissen hatte. Da fühlte er eine Hand auf seiner Schulter.
„Eine wunderschöne Frau, meinst du nicht auch?“ sagte nun der Bauer zu ihm.
„Aber unerreichbar.“ war Colets Antwort.
„Unerreichbar? Weshalb denn?“
Colet wurde rot: Nun ja...also...“
„Lass es Colet, ich weiß Bescheid. Ich habe es bereits erkannt, als wir sie gefunden haben. Warum reitest du ihr nicht nach?“
Colets Vernunft sagte ihm weiterhin nein: „Sie ist die Prinzessin, ich bin nur ein Knecht. Es ist unmöglich bei ihr zu sein. Das ist mir nicht erlaubt.“
„Ich habe es an ihr und an dir gesehen, Colet. Euren Herzen ist das egal.“ In Colet wurde die Stimme seines Herzens, die ihm riet: „Nun geh schon, lass sie nicht weglaufen, folge ihr!“ immer lauter und immer stärker.
„Ich kann auch nicht alleine lassen Herr.“ sprach er nun.
„Du vergisst, dass du nicht meine einziger Helfer bist. Außerdem liebe ich dich wie meinen Sohn. Und für einen Vater kommt die Zeit, in der er seinen Sohn los lässt, damit dieser glücklich ist. Ich weiß: du brauchst sie. Und ich weiß auch, das sie dich braucht, sonst wird sie es nicht schaffen. Du darfst dir eines der Pferde aussuchen und mitnehmen, das ist mein Abschiedsgeschenk.“
Colet empfand nun eine Freude, wie er sie noch nie spürte. Er umarmte seinen Herren und war glücklich. Das Schicksal meinte es gut mit ihm, als er dem Bauern vor so vielen Jahren begegnete: „Danke für alles...Vater. Ich werde dich niemals vergessen. Du wirst immer in meinem Herzen sein.“
„Und du auch...mein Sohn. Und nun geh schon zu ihr. Beeile dich!“ Colet wusste nun, dass es richtig war. Dass es das wichtigste war, was er zu tun hatte. Er rannte nun mit einem Lächeln auf den Lippen zu den Ställen, wählte sich ein Pferd, bestieg es und ritt so schnell er nun konnte in die Richtung, in die er Elonore hat reiten sehen. Eine riesige positive Energie durchströmte ihn und trieb ihn an.
Kapitel 6
Elonore kam nun immer tiefer in den kleinen Wald, in dessen Inneren, wie sie wusste, die Sümpfe waren. Genau dort glaubte sie das Medaillon, besser gesagt eine Hälfte davon, zu finden. Es war wieder diese schreckliche Stille. Eine Ruhe, die jeden in den Wahnsinn trieb.
Hier und da war ein Vogel zu hören, aber auch das lenkte Elonore einfach nicht von ihren Gedanken ab, die immer noch um Colet kreisten. Es war ihr, als ob ein Teil von ihr selbst, ein Teil ihres Seins, verloren gegangen sei. Sie nahm nur das Nötigste von ihrer Umgebung war. Eigentlich war sie nicht dort. Sie war wo anders. An einem Ort, den es nicht gibt, den niemand sehen oder beschreiben kann. Irgendwie war nichts mehr so, wie es einstmals gewesen ist.
Colet kam so eben am Rande des Waldes an. Tausende Gedanken schwirrten nun in seinem Kopf. Wo ist sie hingegangen? Ist ihr was passiert? Kann ich ihr helfen? Er konnte erst mal keinen klaren Gedanken fassen. Das Herz von Colet schlug heftig.
Minutenlang irrte er nur im Äußeren Teil des Waldes, bis sein Kopf endlich wieder etwas klares sagte: „Wenn sie das Medaillon sucht, und das tut sie, dann wird sie zu den Sümpfen geritten sein.“
So schnell er jetzt nur konnte und es bei dem Gelände, voller Steine und Stöcke, möglich war, ritt er nun eben zu jenem Ort hin.
„Mach sie diesmal fertig oder du wirst es bereuen!“ sagte die dunkle Person wieder am nicht bekannten Ort.
Elonore kam nun in eine immer feuchtere Gegend. Die Bäume wurden weniger, dafür die Büsche immer mehr. Auch steigerte sich die Dunkelheit mehr und mehr. Der Boden war nun immer weicher, Eos fiel es inzwischen alles andere als leicht voran zu kommen. Das Einhorn sank immer wieder ein und benötigte Kraft den Fuß raus zu bekommen. Der Prinzessin war es unwohl zu Mute, am liebsten wäre sie nun auf irgend einem Staatsakt, so stressig diese auch waren, aber dort war immerhin keine Bedrückende Ruhe, keine ungewisse Stille, was man keinem Menschen gönnte, dem ärgsten Feind nicht.
Etwas flog am Kopf der Prinzessin vorbei und sie erschrak, ihr Herz schlug kurz nicht mehr. Sie erkannte, dass es eine Libelle war, aber mindestens einen halben Meter lang. „Ich komme der Medaillon-Hälfte immer näher.“ stellte sie somit in ihren Gedanken fest. „Laut dem Hinweis haben sich Tiere vergrößert. Das kann vom Medaillon kommen. Ach, es muss daher kommen.“
Ihr Herz und ihr Verstand schienen ihr zu deuten, sie ist auf dem richtigen Weg. Auch Eos nickte nun etwas. Elonore hielt kurz die Puzzle-Hälfte fest, welche sie in ihrer Westentasche hatte. „Ich werde es schaffen, Bruder. Das verspreche ich.“
Eos blieb auf ein mal stehen. Elonore war verwundert. Sie stieg ab. Könnte vielleicht... „Eos, ist die Medaillon-Hälfte hier?“ Wiehernd nickte Eos. Nun sah sich die Prinzessin um, ihre Hand immer am Griff ihres Schwertes. Wachsam darauf achtend, ob ein Feind auftauchen würde. In ihr war es kalt. Anscheinend war es Eos nicht möglich, die genaue Stelle zu beschreiben, Elonore war sich klar, dass nur sie es finden konnte. Sie sah auf den Boden, auf die Sträucher. Ihre Füße sanken mit jedem Schritt ein, sie musste viel Kraft einsetzen. Jedes Geräusch schreckte sie auf, sie achtete auf jedes Detail. Um das Medaillon zu finden, ließ die Prinzessin ihr Herz sprechen. Sie vertraute ihrer inneren Stimme und schloss ihre Augen. Ihre Gefühle sollten sie nun leiten. Keine Zweifel waren in ihr, selten war sie sich so sicher. Ob Eos ihr dieses Selbstvertrauen gab? Oder hatte sie es doch schon immer in sich und Elonore hatte es nur nicht erkannt? Sie tat Schritte, mit geschlossenen Augen. Sie fühlte wie sie dem Medaillon-Stück immer näher kam.
Elonore hielt inne und öffnete die Augen. Sie ging auf die Knie. „Hier! Genau hier!“ sagte nun die Stimme ihres Herzens. Elonore fing an zu graben, voller Hektik mit ihren Händen, kämpfte sie sich durch den tiefen, feuchten Boden. Ihre Finger verkrampften, ihre Hände taten ihr weh, ihr Atem ging kurz und hektisch, sie warf jeden Brocken weg von sich. Ihr Gesicht, ihre Weste wurden schmutzig.
Da war Eos Wiehern zu hören, laut und voller Angst. Elonore sah zuerst zu Eos, die ein paar Meter neben ihr stand, dann hinter sich. Und ihr stockte der Atem, zwei der Muskulösen Echsen-Gestalten
mit den Riesen-Krallen rannten auf sie zu. Schnell zog Elonore ihr Schwert, als schon die erste Gestalt vor sie sprang und zu schlug. Elonore rollte sich zur Seite und stand auf, die Echse zog ihre Kralle raus. Elonore dachte nur an Flucht, aber da stand die andere Echse vor ihr und griff an.
Elonore verteidigte sich mit dem Schwert. Das Monster schlug, einmal, zweimal, Elonore brauchte viel Kraft, fühlte gewaltigen Druck auf den Armen, hatte Angst. Es kam wieder ein Schlag und Elonore wich nach unten aus-und vernahm zu ihrer Verwunderung einen lauten Schrei einer Echsen-Gestalt.
Diese war von der Kralle seines Kameraden erwischt worden. Wieder ein mal war das Schicksal auf Elonores Seite. Aber schon wurde sie erneut angegriffen. Sie schlug zurück, drehte sich, wich aus, schlug wieder. Aber nun ging ihre Kraft aus. Eos sprang ihr zur Hilfe, aber die Echse schlug und stieß die Stute zur Seite. Eos stürzte. „Eos!“ schrie die Thronfolgerin.
Das Monster schlug nun wieder und schleuderte Elonore weg, als diese ihr Schwert zur Abwehr nutzte. Nun kam es Schritt für Schritt auf sie zu. Elonore versuchte aufzustehen, aber ihre Kraft war nicht da. Das Monster holte aus-da sprang etwas dazwischen und hielt die Klauen der Kreatur auf.
Elonore konnte nicht glauben, wen sie da sah. Ihr Herz und ihr Seelenleben schwankten zwischen gewaltigen Schock und einer unbeschreiblichen Freude. „Colet!“
„Prinzessin,“ keuchte dieser nun hervor, während er gegen die Klauen drückte, „beeilt euch, holt das Medaillon.“
Elonore konnte zuerst gar nichts tun, sie war gelähmt. Dann aber rannte sie los, instinktiv wieder an die Stelle, wo sie zuletzt gegraben hatte. Sie kniete sich nieder und grub nun wieder, nun aber umso mehr motiviert. Sie wollte nicht nur für Kaleb, für Heminaz das Medaillon finden-sie wollte es nun auch für Colet finden. Dieses Gefühl erzeugte in ihr eine riesige Hitze, es setzte neu Kräfte in ihr frei. Sie glaubte tiefer zu graben als es jede Schaufel hätte tun können.
Colet hatte inzwischen sein Messer gezogen und wich den Schlägen immer wieder aus. Er wollte nicht aufgeben, obwohl er wusste, dass er keine Chance hatte gegen diese Kreatur. Aber jeder Gedanke an Elonore stärkte ihn. Er rollte sich unter einem Schlag durch und stach zu. Das Monster schrie fürchterlich auf und griff wieder an, aber wieder entkam Colet. Die Wut des Monsters steigerte sich mit jedem Misserfolg.
Elonore grub und grub. Aber sie stieß nicht auf das Medaillon. Sie zweifelte: Hatte sie sich doch geirrt? War das Medaillon vielleicht doch ganz wo anders? War er nun da, der eine Fehler, der alles vernichtete, zerstörte, wofür sie gekämpft hatte? Nein, das konnte nicht sein, sie darf einfach nicht aufgeben, es muss hier sein. Sie grub weiter.
Plötzlich fühlte die Prinzessin einen Schmerz an ihrem Fingerknöchel. An irgendetwas hatte sie sich angestoßen. „Wunderbar,“ dachte sie sich, „jetzt ist da auch noch ein Stein im Weg.“ Sie nahm das Objekt und wollte es weg werfen, aber...
„Moment mal, das...ist doch kein Stein!“ Dieses Ding war kalt, und-es war metallisch. Konnte es etwa...schnell wischte sie den Dreck weg. Immer mehr goldener Glanz kam zum Vorschein. Dann erkannte sie auch zwei kleine Sterne, in dem einen eine Sonne, in dem anderen eine Schneeflocke.
Stark leuchteten die dort befindlichen, kleinen Edelsteine, wie die zwei ersten Sterne, wenn sie am Abendhimmel auftauchen und die Dunkelheit durchbrechen.
Elonores Herz machte einen riesigen Hüpfer, sie lächelte. Sie erhielt einen richtigen Energie-Schub. Es war geschafft. Elonore hatte die erste Hälfte des Medaillons der Sterne gefunden. Die Aufgabe war nun zur Hälfte erfüllt. Sie dachte: „Ich habe es geschafft, Kaleb. Mutter, Vater, Eos: Ich habe die Hälfte des Medaillons gefunden.“
Am liebsten hätte sie nun los gejubelt, aber das laute Wiehern von Eos verhinderte es. Voller dunkler Vorahnung drehte sie sich um. Sie sah Colet, welcher immer mehr vom Monster bedrängt wurde, und Eos, die sich nun auch wieder dazu gesellt hatte. Verzweifelt kämpften das Einhorn und der Knecht gegen die unheimliche Gestalt, diese aber war wenig beeindruckt. Mit einem Stoß beförderte das Monster Eos zu Boden. Und dann trat es gegen Colet, der daraufhin Meter weit weg geschleudert wurde. „Eos!Colet!“ Voller Schreck musste nun Elonore mit an sehen, wie die Echsen-Gestalt nun Schritt für Schritt auf Colet zu kam. Colet war geschwächt, benommen. Das Herz der Prinzessin krampfte sich zusammen. Sie spürte, wie wichtig Colet für sie war. Nur noch zwei Schritte. Elonore zog ihr Schwert.
Colet sah die Kreatur auf sich zu kommen. Aber Colet empfand, was für ihn selber nicht zu erklären war, keine Angst mehr. Mit seinem Leben hatte er abgeschlossen. Er war nur froh, dass er der Prinzessin helfen konnte auf dieser wichtigsten Mission, die es je gab.
„Danke, Elonore,“ ging durch seinen Kopf, „Danke, dass ich dich kennen lernen durfte. Danke, dass ich dir helfen konnte. Ich hoffe, du vergisst mich nicht.“ Seine Augen schließend erwartete Colet nun den aller letzten Schlag. „Es wird nur kurz sein, ich werde keine Schmerzen fühlen. Ich bereue nichts!“
Ein Schrei war zu hören-vom Monster. Colet öffnete seine Augen und war völlig perplex. In der Seite des Echsen-Soldaten steckte Elonores Schwert. Mit allerletzter Verzweiflung und Kraft hatte die Prinzessin ihre Waffe in Richtung des Feindes geworfen. Elonore sah hin, atmete erleichtert tief durch als sie sah, dass die Waffe getroffen hatte. Nun aber siegte wieder die Erschöpfung, sie konnte sich nicht halten und sank auf ihre Knie.
Eos versuchte immer noch krampfhaft sich wieder auf ihre Beine zu bringen. Im ersten Moment völlig geschockt, überrascht und gelähmt war Colet. Es war also doch nicht seine Ende. Nachdem er ein paar Sekunden, die ihm aber wie eine Ewigkeit, ja wie Stunden vor kamen, verstreichen ließ um das zu verarbeiten, rappelte er sich so schnell wie möglich auf, sprang vor und stieß das Schwert noch tiefer in den Feind. Das Monster schrie erneut unglaublich beängstigend. Colet aber interessierte das gar nicht mehr, mit jeder Faser seines Körpers riss er nun das Schwert noch zur Seite, schlitzte die Kreatur so nochmal richtig auf. Diese ging daraufhin leblos zu Boden. Erschöpft, erleichtert, aber auch froh atmete Colet aus und legte sich hin.
Elonore fiel die Last eines gesamten Berges vom Herzen. In ihr war das Gefühl, so eben nochmal ein neues Leben begonnen zu haben. Sie stand, das Medaillon in der Hand, auf und ging als erstes zu Eos und umarmte, vor lauter Glück weinend, ihre Gefährtin. „Eos...wir haben es geschafft.“ schluchzte sie.
Eos schmiegte sich an sie und schien ihr zu sagen: „Ja, das haben wir.“ Nach einiger Zeit half sie dem Einhorn auf die Beine, dann eilte sie zu Colet, welcher zwar unverletzt schien, aber völlig erschöpft laut schnaufte. Sie sah ihn an.
„Colet, alles mit dir in Ordnung?“
„Mir gings...schon mal besser, aber es ist alles gut soweit. Habt ihr es?“ brachte er stöhnend hervor. „Ja, ich hab es!“ erwiderte die Prinzessin und zeigte die Medaillon-Hälfte hervor, bevor sie sie in ihre Westentasche einsteckte. „Ohne dich hätte ich es nie geschafft. Danke!“
Colet lächelte sie an: „Ich wusste, dass ihr es schafft, Prinzessin. Ihr seid es würdig, unserem Land zu helfen und es zu führen.“
Elonore verlor sich aber nun in den braunen Augen des ehemaligen Bauern-Knechtes. Das Herz der Prinzessin schlug schneller als der Galopp eines jeden Pferdes. In ihr schwirrten tausende, nein, aba Millionen von Schmetterlingen. Sie spürte die gewaltigste und wohltuendste Wärme, die sie je gefühlt hatte. Leise flüsterte sie: „Hör endlich auf mich so zu nennen. Für dich bin ich einfach nur Elonore.“ Sie schloss ihre Augen und küsste ihn sanft.
Colet erwiderte den Kuss. Er wurde immer leidenschaftlicher. Die zwei umarmten sich fest, rollten sich zur Seite. Eos sah hinüber zu einem Gebüsch.
Glücklich und sich umarmend lagen die beiden nun nackt, auf einer Decke liegend und von einer Decke bedeckt aneinander. Sie streichelten sich. „Was machst du eigentlich hier, Colet?“
Colet erwiderte: „Mein Herr hat mich aus meinem Dienst entlassen. Er hat mir gesagt, ich soll dir folgen . Ich konnte einfach nicht mehr ohne dich leben. Prinzessin von Heminaz, ich habe dich vom ersten Moment an geliebt. Ich will nie wieder von dir getrennt sein. Nie wieder.“
Elonore glaubte zu schweben. Sie schmiegte sich an ihn. Alle Sorgen, alle Ängste, alle Zweifel, all das war nun vergessen, für immer. Sie hatte nun das größte Glück gefunden.
„Ich liebe dich auch. Vom ersten Augenblick an. Für immer.“ Sie reichten sich die Hände und schlossen ihre Augen, um diesen Moment zu genießen. Ihre Herzen schlugen im Einklang.
Eos unterbrach mit einem Wiehern nun diese Stille. Beide lachten.
„Ja, ich weiß, Eos, es wird Zeit. Wir müssen zurück!“ Sie standen auf und zogen sich an. Elonore besah nochmal die eine Hälfte des Medaillons. Sie sahen sich dann nochmal in die Augen, und sagten sich alleine durch diese Blicke, dass sie sich liebten und nun für immer beisammen sein würden. Dann stieg Elonore auf Eos und Colet auf sein Pferd, welches er geholt hatte während Elonore sich angezogen hatte.
„Alles können wir schaffen, so lange wir die Liebe haben. Das habt ihr uns immer wieder gesagt, Mutter, Vater, ihr hattet mit jedem Wort Recht. Ich fühle, dass ich alles schaffen kann. Nein, dass ich es werde, mit meinem Bruder und mit Colet. Kaleb, ich weiß nicht wo du gerade bist, aber sei dir sicher, wir schaffen es. Niemand hält uns auf. Absolut niemand.“
„Verdammt, Verdammt, Verdammt. Jetzt reicht es. Anscheinend muss ich nun noch schärfere Geschütze auffahren. Dann werde ich eben sie selbst nun zu ihren größten Feinden machen.“ Am Unbekannten Ort war dieser Schrei zu vernehmen. Der Hass war ungemein größer geworden.
Kapitel 7
Kaleb befand sich auf den Weg in die Anbaugebiete von Genim. Laut dem Hinweis auf seinem Zettel hatten sich in letzter Zeit viele Pflanzen zu unglaublichen Formen entwickelt. Im Gegensatz zu Fanja, wohin Elonore geritten war, befanden sich hier vor allem Getreide und Tierfarmen. In Fanja war der Obstanbau vorherrschend. Die Pflanzen hätten immer merkwürdiges Aussehen, manche wären mutiert und einmal hatte sich sogar eine in ein Monster verwandelt.
Diese Geschichten konnten einfach nur in Zusammenhang mit seiner Suche sein. Kaleb besah sich seinen Weg. Er führte an einem kleinen Wald vorbei. Das Rauschen der Blätter und die Farben der Blumen erzeugten eine wunderbar friedliche Atmosphäre. Kaleb verlor wenigstens etwas von der Anspannung, welche ihn bisher die ganze Zeit erfasst hatte. Man konnte sich hier durchaus wohl fühlen.
Aber so sehr es einen auch beruhigte, so froh er auch war, dass Chander immer an seiner Seite sein würde, seine Schwester fehlte ihm doch sehr. Er hätte nie gedacht, wie schrecklich die Einsamkeit sein kann. Man glaubte nichts mehr zu haben, man fühlte eine unglaubliche Leere in sich, daran konnte jeder Blick auf seine Puzzle-Hälfte, zu dem er von seinen Gedanken an Elonore gezwungen wurde, nichts ändern. Auch, wenn es jedes mal ein Lächeln auf seine Lippen zauberte und er es kurz vergaß, es war eben schwer. Kaleb glaubte schon es wäre beinahe unmöglich.
Er sah sich um und betrachtete den Wald links, und die angrenzende Wiese rechts von ihm. „Daran sieht man wieder, was für Schönheiten alleine die Natur erschaffen kann, und niemals vom Menschen!“ waren seine faszinierten Gedanken bei diesem Anblick. Man musste einfach der Natur und dem Herren dafür danken, all diese Dinge sehen zu können. Von einem wunderbarem Gefühl der Ruhe und Gelassenheit durchströmt wollte er diese Momente kurz genießen, ehe er sich wieder voll und ganz seiner Aufgabe widmete und wieder wachsam und entschlossen seinen Weg auf Chander fortsetzte. Er klopfte kurz an den Kopf des Einhorn-Hengstes: „Danke Chander, dass du immer bei mir warst und immer mit mir gehen wirst!“ Chander wieherte kurz. Kaleb war der ganzen Welt für den einen Moment dankbar, vor zwölf Jahren, als er Chander fand zusammen mit seiner Schwester Eos. Die Erinnerung daran ließ ihn etwas strahlen, aber nur für Sekunden, dann war sein Kopf wieder bei seiner Aufgabe.
Auf ein mal hörte Kaleb eine Melodie. Die Melodie einer Flöte, sie musste aus der Nähe kommen. Aber er war nicht in der Lage irgendwelche Gedanken zu fassen. Der Grund? Diese Melodie, diese Musik war das schönste und Atem beraubendste, was der Prinz je gehört hatte. Man hatte das Gefühl mit jedem Ton der Flöte dem Himmel näher zu kommen. Kaleb hielt an und genoss erstmal die Musik.
Sein Körper wurde in jeder Faser von den wohl klingenden Geräuschen durchströmt. Es war wie, als ob er in einem Fluss treibt mit Wasser, welches ihm Kraft gab, als ob man jenen Fluss in der Wüste gefunden hat nach tagelangem Marsch. Kaleb war sich sicher, so was hat was bedeutendes.
Nun kam aber die Neugier in ihm auf und er beschloss nun der Flöten-Melodie zu folgen. Wer konnte nur so etwas zu Stande bringen? Welche Person hatte nur die Möglichkeit, eine Melodie zu spielen, welche alleine,ohne jede Kerze oder Fackel Dunkelheit durchdrang? Es könnte ein Engel sein, vielleicht auch ein Vogel, dessen Gesang nur so wie eine Flöte klang. Oder es würde ihnen wieder ein Wesen begegnen, dass selten war, vielleicht auch gar nicht bekannt ist. Was auch immer es ist, er wollte es einfach herausfinden.
Anscheinend wollte die Musik, dass ihr Ursprung gefunden wird. Die Töne schienen mit Kaleb und Chander zu sprechen, ihnen den richtigen Weg zu sagen. Die beiden ließen sich in die Musik fallen und wurden praktisch von ihr bewegt. Sie merkten, nun wird sich vieles ändern.
Eine Lichtung kam und Kaleb bemerkte im Schatten eines Ahorns zu erst ein braunes Pferd-und dann daneben, weiterhin die Flöte spielend, ein Mädchen. Er schätzte sie auf etwa 16 Jahre. Ihre braunen Haare gingen ihr bis kurz vor ihren Ellenbogen. Sie trug eine weiße Bluse, dazu einen roten Rock. Ihre Flöte war weiß. Auch wenn sie wie eine Blockflöte aus sah, wusste Kaleb vom ersten Moment an, diese Flöte ist nicht normal, diese Flöte ist einzigartig. Er beobachtete das Mädchen, welches die Augen geschlossen hatte und sich voll ganz dem Spiel ihrer Melodie hingab. Ihre Finger schienen wie Tänzer über das Instrument zu gleiten. Sie hüpften wie ein Tänzer, sie glitten wie ein Tänzer. Jeder wäre wohl fasziniert von dieser Spielweise.
„Ein Mensch kann eigentlich nicht zu so etwas fähig sein, so eine Melodie zu erschaffen und zu spielen.“ flüsterte der Königssohn zu Chander. „Dieses Wesen ist sicher zu höherem bestimmt!“
Selbst die Vögel, welche sich neben ihr niedergelassen hatten, hatten aufgehört zu singen, als wäre eine Schande, etwas unehrenhaftes, etwas unerhörtes, überhaupt diese Musik begleiten zu wollen, als stünde es niemandem zu und wäre es bei der Todesstrafe verboten.
Kaleb erkannte nun, dass die Melodie nun zum Ende kam. So langsam kamen die letzten Motive.
Dann spielte sie den letzten Ton. Dieser ließ den Prinzen nochmal in ein ganz anderes Land eintauchen. Jetzt aber war sie zu Ende. Ganz langsam hob das Mädchen nun ihr Gesicht und gab ihren Blick auf zwei blaue Augen frei. Als sie Kaleb sah, erschrak sie kurz: „Oh, verzeiht, anscheinend hab ich euch gar nicht gesehen. Ich hoffe, ich habe euch nicht gestört.“
Kaleb musste kurz lächeln und gab zurück: „Oh nein, ganz bestimmt nicht, eure Musik kann niemanden stören, sie bringt statt dessen den reinen Frieden in die Herzen aller Wesen von Heminaz.“ Das Mädchen wurde etwas rot, blickte verlegen zu Boden und antwortete: „Danke!“ Kaleb beobachtete das Mädchen und erkannte, wie sehr sie doch durch diese Röte noch anziehender wirkte.
Jetzt sah sie auf das Tier, und erkannte nun, worauf Kaleb ritt: „Ein...braunes...Einhorn...Moment, ich kenne nur....Oh mein Gott!“ Ihr Herz raste und sie schämte sich auf einmal, hatte das Gefühl die Welt in Gefahr gebracht zu haben. Sofort ging sie vom Baumstamm runter, auf dem sie gesessen hatte, ging auf die Knie und sprach „Eure Hoheit, Prinz Kaleb, bitte seid gnädig zu mir, ich habe euch nicht gleich erkannt.“
Kaleb hatte solche Situationen schon öfters erlebt und er war nie froh, wenn jemand sich unterwarf. Jeder Bewohner von Heminaz wurde von ihm als Freund geachtet. Für ihn stand niemand unter ihm. Er stieg von Chander, nahm ihre Hand um ihr auf zu helfen und beruhigte sie: „Bitte, ihr seid nicht meine Sklavin. Ich habe für meine Zukunft für mich den Entschluss gefasst, wenn ich und meine Schwester den Thron erben, für euch zu regieren, nicht über euch. Obgleich ich ehrlich zugeben muss, mir scheint es jeden Tag unmöglich, denn ich habe Zweifel daran dies zu schaffen. Bitte nennt mir euren Namen.“
Das Mädchen sah nun auf und antwortete, immer noch etwas unsicher: „Ähm...man nennt mich bei dem Namen Trescha.“
„Seid mir gegrüßt. Trescha-ein schöner Name.“ Trescha wurde wieder etwas verlegen. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, vom Thronfolger von Heminaz ein solches Kompliment zu bekommen.
Dann aber wollte sie wissen: „Eure Hoheit, was macht ihr hier?“
Kaleb hatte schnell Vertrauen zu ihr gefunden und antwortete: „Ich suche nach etwas legendärem, dem Medaillon der Sterne. Ich vermute, dass sich hier in der Gegend eine Hälfte befindet. Habt ihr vielleicht etwas merkwürdiges bemerkt?“
Trescha musste verneinen: „Es tut mir Leid, aber ich habe hier gar nichts gefunden oder gesehen, was euch helfen könnte, allerdings bin ich auch gerade erst hier angekommen.“
Kaleb gefiel irgendwie alles an dem Mädchen. Ihre Musik hatte ihn verzaubert, auch war ihr Aussehen eines, das gefiel, und schließlich wäre er ja sowieso alleine auf seiner Suche bis er Elonore wieder trifft, weshalb er sie sehr gerne an seiner Seite hätte. „Wollt ihr mich auf meiner Suche begleiten?“
Trescha war ganz bestimmt nicht abgeneigt. Kaleb erschien ihr sehr freundlich. Nicht zu vergessen, dass sie nun schon viele Jahre keine Begleitung hatte. „Ja, sehr gerne.“ Der Prinz half der Musikerin auf, dann stieg Trescha auf ihr Pferd und Kaleb auf´Chander.
So ritten sie dann einige Zeit nebeneinander. Kaleb fiel aber auf ein mal ein, warum er das Medaillon suchte, und ihn packte ein schlechtes Gewissen: „Ich muss euch was sagen, ich suche das Medaillon nicht aus Spaß, sondern weil es um das Schicksal von Heminaz geht.“ Kaleb erzählte Trescha nun den Grund für die Suche.
Nachdem er geendigt hatte, sagte er noch: „Es ist also sehr gefährlich. Wenn ihr also nicht wollt, geht besser wieder auf eigene Reisen.“ Trescha musste kurz schlucken, und ihr Kopf schien zu sagen: „Flieh!“ Aber etwas in ihrem Herzen stellte sich dagegen und sagte ihm: „Geh mit! Oder du bereust es den Rest deines Lebens. Hier ist dein größte Möglichkeit.“
Also antwortete sie: „Ich werde euch helfen. Ich lebe schließlich auch hier in Heminaz, mir bedeutet unser Reich ebenso viel wie euch.“ Kaleb wollte sich nicht eingestehen, dass eine Freude in ihm war, als er das vernahm, größer als sein schlechtes Gewissen, weil Trescha ohne Zweifel in Gefahr geriet.
„Es gibt noch eine andere Hälfte, nach dieser sucht Elonore. Sie ist sehr stark, ich bin mir sicher, sie wird es schaffen, wir wollen an den Minen von Tepetl das Medaillon zusammen führen-ebenso wie dieses Puzzle, dass wir einstmals zusammen gesetzt haben.“ Bei diesen Worten nahm er seine Puzzle-Hälfte her raus und betrachtete sie.
Trescha sah dies und erlag einer kleinen Trübung in ihrem Seelenleben. „Also...Elonore scheint euch ja sehr wichtig zu sein.“
„Selbstverständlich, sie ist ja schließlich meine Schwester.“
„Oh!“ entfuhr es der Musikerin kurz, ehe es ihr wieder einfiel: Prinzessin Elonore. „Ja, natürlich, hab ich das doch tatsächlich vergessen. Oh je, jetzt sehe ich aber nicht so gut aus.“ Trescha lief jetzt knallrot an. Sie schämte sich nun dafür. Wie konnte man aber auch vergessen wer die Prinzessin ist.
„Was habt ihr denn geglaubt, wer sie ist?“
„Nun ja...also...“ Jetzt wünschte sie sich gerade zu im Boden zu versinken nach dieser Frage des Thronfolgers. „also ich dachte zuerst, dass..nun...“
Kaleb verstand jetzt und musste lachen: „Oh nein, nein, da gab es noch niemanden für mich.“ Für die Musikerin war dies Feststellung aber noch etwas anderes als peinlich, sie war auch irgendwie schön. Weshalb? Nun, ihr war es nicht erklärlich.
Kaleb unterhielt sich weiter etwas mit ihr: „Wie lebt ihr eigentlich? Wo sind eure Eltern?“
„Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Meinen Vater verlor ich bei einem Überfall durch Räuber vor zwei Jahren. Die Flöte war das einzige was mir blieb, zusammen mit meinem Pferd.“
Kaleb schämte sich jetzt. „Verzeiht, das habe ich nicht gewusst.“
Sie widersprach: „Ist schon in Ordnung, ihr könnt nichts dafür.“
„Wie habt ihr dann überlebt?“
Trescha fuhr nun also fort mit ihrer Geschichte: „Ich bin durch das Land gereist, stets ohne Ziel, habe Flöte gespielt. Meist für ein paar Münzen auf Festen und Marktplätzen. Manchmal hat auch ein Wirt mich darum gebeten, bei ihm zu spielen, und bekomme dafür eine Mahlzeit und darf auch eine Nacht bei ihm übernachten. Öfters kommt mir Hass und Ausgrenzung entgegen. Ich glaube, seit dem Tod meines Vaters weiß ich nicht mehr, was Liebe ist.“
Kaleb kamen, als sie dies sagte, nun Worte in den Sinn. Worte, die ihm sein Vater einst gesagt hatte:
„Glaub ihr es wäre gut zu wissen, was Liebe ist? Denkt ihr, es wäre gut, die genaue Formel zu kennen, wie die Rechenaufgaben?“
Trescha sah verwundert auf: „Wie meint ihr das?“
Für den Prinzen gab es darauf nur eine Antwort: „Mein Vater hat es mir erzählt, und ich habe es ihm immer geglaubt: Er sagte mir, wenn jemand ganz genau erklären könnte, wie die Liebe ist und wie man sie lebt, wäre sie nicht mehr die größte Macht auf Erden. Niemand kann die Liebe erklären. Und darum, so sagte mir mein Vater, ist sie so gewaltig.“
Trescha war verwirrt. Hatte er Recht? Ist es so mit der Liebe? Eigentlich wurde nun in ihr wieder klar, dass es wirklich so war. Sie hatte ja selber immer wieder sich die Frage gestellt, wie die Liebe ist und doch keine Antwort gefunden. Und auch ihr Vater, dem sie selber mal die Frage stellte, hat ihr gesagt: „Oh Trescha, wenn ich dir die Liebe erklären könnte, wäre ich nie einer so wunderbaren Person wie deiner Mutter begegnet und so glücklich mit ihr gewesen.“
Nun, niemand erklärt sie, niemand kann sie einfach so nehmen und geben. Wir erkennen sie, aber mehr auch nicht. Das wurde Trescha bewusst, während sie mit Kaleb immer mehr in die Nähe des Zentrums der merkwürdigen Aktivitäten kamen. Hier hatten sich, so der Hinweis, besonders viele Pflanzen verändert.
Der Unbekannte Ort. Immer noch war er nichts als Dunkelheit. „Schön, mein lieber Prinz. Bist ja ein richtiger Dichter. Nun aber wirst du lernen müssen, dass dein Vater sich irrt: Liebe ist nichts gegen den Hass und die Dunkelheit.“ Die Person, dieser Jemand, hob nun einen Holz-Käfig an mit einem kleinen Wesen, was man nicht erkennen konnte, und gab diesen einem ebenso dunklen Geschöpf: „Sorge dafür dass mein kleines Spielzeug das tut, wofür ich es erschaffen habe. Oder du wirst dir wünschen tot zu sein, weil ich dir die schlimmsten Schmerzen überhaupt zufügen werde. Qualen, schlimmer als alles andere. Also versage besser nicht.“ Der Angesprochene verbeugte sein Haupt und zog sich zurück.
Kapitel 8
Kaleb war nun zusammen mit Trescha in Richtung der Wiesen von Genim unterwegs. Vieles schlechte, was in ihm einst gewesen ist, wurde nun durch die Anwesenheit der Musikerin ins Nichts verbannt.
Besonders erfreute es ihn jedes mal, wenn Trescha ihre Flöte nahm und spielte. Das vertrieb ihnen immer etwas die Zeit und ließ Schwierigkeiten und Probleme vergessen. Immer noch glaubte Kaleb jedes mal zu schweben, wenn er die Melodien von ihr hörte.
Langsam ging die Sonne unter und die Gegend verdunkelte sich. „Lasst uns hier ein Lager aufschlagen und morgen unseren Weg fortsetzen.“ schlug Kaleb vor.
„Ja, ihr habt wohl Recht.“ pflichtete Trescha bei. Also stiegen sie ab.
Während Kaleb nun nach Feuerholz suchte, holte Trescha alle ihre Vorräte, welche sie im Moment hatte, hervor. Sie beschäftigte sich aber auch in Gedanken sehr mit Kaleb, wie er mit ihr sprach, wie bescheiden er war. Es war ihr eine Freude, mit ihm zu wandern. Und sicher konnte diese Suche nach dem Medaillon etwas in ihrem Leben bewegen, denn so sehr es ihr auch gefiel Musik zu machen, wollte sie doch endlich dieses Dasein als umherziehende Musikerin gerne beenden. Es konnte schließlich keinen besseren Anfang geben.
Endlich kam Kaleb nun wieder zurück und trug dabei einen größeren Stoß mit Holz. Er legte ihn nieder, machte einen Haufen, wobei er die dünneren Zweige nach außen legte, und begann dann mit der bekannten Stöckchen-Methode es an zu zünden.
Trescha faszinierte der geschickte Umgang von Kaleb mit dem Holz. „Ihr habt anscheinend Talent dafür.“ meinte sie mit einem Lächeln.
Kaleb sah auf ihr Lächeln, was ihn kurz erstarren ließ. Ein Kribbeln begann nun langsam in seiner Magengegend, was einerseits ihm Unwohl war, irgendwie aber auch gut tat.
Er errötete und sagte nun: „Nun ja, also....hat unser Vater mir mal gezeigt.“
„Euer Vater? Er kann das als König? Ich meine...er muss so was wissen?“ Kaleb lachte etwas darüber wie Trescha sich versuchte zu entschuldigen für die Äußerung, ob sein Vater es kann.
Er versuchte sie zu beschwichtigen: „Keine Angst, das macht doch nichts. Er war immer davon überzeugt, dass wir es doch ein mal gebrauchen könnten und deswegen solche Dinge in Büchern nachgelesen.“
„D....Danke.“ Trescha wäre fast am liebsten im Boden versunken, war jetzt aber froh. Der Prinz war anscheinend auch nicht übermäßig stolz.
Das Feuer brannte nun und die beiden hatten sich im Schneidersitz ans Feuer gesetzt. Trescha spielte wieder etwas auf ihrer Flöte und Kaleb besah sich das Puzzle und war mit seinen Gedanken einerseits bei seiner Schwester, andererseits aber war er nun wieder durch ihre Flöte gefesselt. Trescha, nachdem sie das Spiel beendet hatte, sah sich nun Kaleb an, beobachtete jeden Gesichtszug, jede Augenbewegung, all das erzeugte eine Freude und eine Wohltat in ihm.
„Eure Schwester ist euch wirklich sehr wichtig. Ich bewundere euch für diese Treue. Wie habt ihr denn das Puzzle zusammengesetzt?“
„Nun,“ antwortete Kaleb mit einem Lächeln, „als man es uns geschenkt hat, meinten einige dass wir es nicht schaffen können, waren ja 100 Teile. Und ehrlich gesagt, wir hatten auch unsere Zweifel, so kompliziert wie sie aussahen und nachdem wir erst zehn zusammen hatten nach zwei Stunden. Aber wir wollten allen zeigen, dass wir es können, also haben wir einfach weitergemacht, meist ich ein Teil, dann meine Schwester. Bis wir es schließlich schafften. Deshalb haben wir es auch immer zusammen gelassen, und werden es gemeinsam mit dem Medaillon wieder zusammen führen.“
Trescha hörte zu, aber doch war es ihr egal, es genügte ihr ihn reden zu hören. Alles stärkte sie.
Als das euer langsam aus ging, legten sie ihre Schlafdecken aus.
„Ihr braucht euch keine Sorgen machen, Chander wird Wache halten. Oder Chander?“ Das Einhorn nickte wiehernd und Kaleb umarmte kurz dessen Kopf mit einem Lächeln. „Also dann,“ sprach er und sah kurz in Treschas Augen, was einen wunderbaren, wohlig warmen Schauer erzeugte, „ich wünsche euch eine Gute Nacht.“
„Ich euch auch!“ antwortete Trescha, welche ebenso diesen Schauer empfand. Mit einem Lächeln auf den Lippen schliefen beide ein.
Sanft wurde Kaleb von den ersten Strahlen der Sonne geweckt. Es erzeugte ein Lächeln auf seinen Lippen und er erkannte den warmen Strom, der durch seinen Körper floss und ihm unglaublich gut tat, ja, ihm richtige Lebenskraft einflößte.
Er hörte so eben wie Trescha ebenso nun wieder ihre Lebensgeister erhielt und ihre Augen öffnete. Erst jetzt erkannten die beiden, dass sie sich in der Nacht unmerklich die Hände gereicht hatten, was ihnen beiden anscheinend diesen erholsamen Schlaf gegeben hatte.
Sofort zogen sie ihre Hände weg, und Kaleb fing an zu stottern: „Oh...Äh....Ja also....Verzeihung...das....war....nun....“ Von Trescha war praktisch das selbe zu hören. Beide erröteten und hatten erstmal den Willen, den Erdboden zu öffnen und sich zu verkriechen. Dann aber mussten sie aber herzlich über die Situation lachen und vergaßen jedes peinliche und schlechte Gefühl.
Nun mussten sie aber die Suche fortsetzten, also packten sie alle Sachen ein, legten ihr Reitgeschirr, soweit man es jedenfalls bei Kaleb bezeichnen konnte, stiegen auf und ritten nun weiter. Die aufgehende Sonne verwandelte das Gras und die vereinzelten Bäume durch die Tautropfen in Gold-jedenfalls dem Anschein nach. „So schön kann doch nur die reinste Natur sein!“ Gleichzeitig sagten sie es, was sie wieder etwas lachen ließ.
Langsam kamen immer mehr Bäume zum Vorschein. Kaleb war sich nun unsicher. Die Hinweise bezogen sich nur auf die Gegend, aber diese war nicht klein. Plötzlich zitterte er, denn er fühlte Angst: Angst, nicht weiter zu kommen, Angst, zu versagen, seine Schwester im Stich zu lassen. Trescha bemerkte es und fragte: „Alles in Ordnung?“ aber Kaleb war zu keiner Äußerung fähig, sondern stürzte nun vom Einhorn. Treschas Herz krampfte sich zusammen, sie stieg vom Pferd und kniete neben dem nun zitternden Prinzen. Die Musikerin suchte instinktiv Kalebs Körper ab, jedoch fand sie nichts.
Chander, der sofort nach seinem Gefährten sah, schien zu spüren was los war, denn er wieherte und bewegte seinen Kopf scheinbar in eine bestimmte Richtung. Trescha wünschte sich in diesem Augenblick, selber ein Einhorn zu sein, dann könnte sie Chander verstehen. Selten, eigentlich noch nie hatte sie so viel Sorge um einen Menschen empfunden seit dem Tod ihres Vaters wie um Kaleb.
Chander war jetzt ganz nah und sie bemerkte die Spitze des in seinem Silber glitzernden Horns. Doch zuerst war sie nur damit beschäftigt, was Kaleb im Moment passierte.
Kaleb hatte keinen Blick mehr für die Natur. Er sah ganz andere Dinge: Seine Schwester, seine Eltern, die Einhörner und Trescha, wie sie gegen irgend etwas kämpfen. Er weiß nicht was. Aber er spürt Bedrohung, Dunkelheit und Hass.
Sah, wie sie alle gegen einen gewaltigen Schatten kämpften, der Blitze schleuderte, dabei ein Schwert in seiner Hand hielt. Immer wieder griffen sie es an, aber es zeigte keine Regung, keine Wirkung, als existierten sie alle nicht.
Kaleb wollte zu ihnen rennen, aber er konnte sich keinen Zentimeter bewegen, etwas machte aus ihm eine lebende Statue. Somit bemerkte er, das nun erst sein Vater, dann seine Mutter durch dieses Schwert auf ein mal durchbohrt wurden. Wie in Trance erlebte er das nun. Elonore sprang zu ihren Eltern um sie zu schützen, als auch schon ein Blitz sie in Flammen aufgehen lies. Das Feuer blendete, als ob man in die Sonne selbst blickte. Kaleb wollte weinen, doch selbst das war ihm nicht möglich.
Nun kreuzten die Einhörner ihre Hörner und ließen ein Licht erstrahlen, welches Kaleb angenehm durchströmte. Aber schon brach es ab, denn beiden Einhörnern wurden die Köpfe abgeschlagen. Kaleb öffnete den Mund um zu schreien, doch nichts verließ ihn. Der Schatten kam auf ihn zu, während die Kälte in seinem Körper immer größer wurde.
Trescha erkannte so eben einen dicken, schwarzen Haken, der tief in Kalebs Brust steckte. Dieser Dorn, praktisch wie eine Kralle eines Raubvogels, bohrte sich durch das Hemd von Kaleb, hinterließ aber keinerlei Blut.
Trescha griff danach, doch er widersetzte sich. Sie ließ eine Träne fallen, wollte nicht aufgeben, war wütend auf sich selbst, hörte Kalebs stammeln, sah sein zittern, all das hinterließ in ihr eine Stimme: „Ich muss ihm helfen, ich kann einfach nicht aufgeben, Ich will nicht mehr leben, wenn er so leiden muss.“
Somit nahm sie erneut den Dorn in ihre Hand und zog, und zog, fühlte ein stetiges Anwachsen ihrer Kraft. Es fiel ihr immer leichter. Dann-ein Ruck. Sie atmete auf. In ihrer Hand betrachtete sie nun diesen Dorn, den sie kannte, wie Trescha beim zweiten Blick erkannte.
Erst mal aber sah sie auf Kaleb, dessen Zittern aufhörte. Langsam sah sie auf alles an Kaleb, wie er langsam aufstand, sein Körper sich zu ihr bewegte. Jede weitere Sekunde, die sie das sah, fühlte sie nun diese gewaltige Freude, welche sie nicht kannte.
Kaleb sah nun auf sie: „Was ist passiert?“
„Ihr wurdet von einer seltenen Blume getroffen. Sie verströmt durch diesen Dorn im Körper ein Gift, welches euch eure schlimmsten Albträume vor Augen führt. Ich kenne sie, mein Vater hat sie mir einstmals beschrieben. Man wird von diesem Samen getroffen, und fühlt keinen Schmerz.“ Kaleb konnte es nicht beschreiben, was ihn durchströmte. Warm und Kalt, schön und kribbelnd. „Ihr habt mich gerettet. Ich weiß nicht wie...“
Er stockte, weil er in Treschas Augen sah und ihn ein Schauer durchlief. Nun hatte er keine Kontrolle über sich und konnte nicht die Macht erklären, die ihn Trescha näher brachte.
Ein Schrei durchbrach die Stille. Kaleb zuckte zusammen und sah, ebenso wie Trescha, nun zur Seite, wo ein Wald anfing. Langsam schritt nun die Quelle dieses Schreis mit tiefen, dumpfen lauten Schritten in ihre Richtung.
Kaleb wurde nun wütend. Er kannte dieses Wesen, es war wieder eine muskulöse Echse mit der Riesenkralle. Sein Wut war so gewaltig, eine Kraft, da er glaubte nun das größte Glück erst mal verloren zu haben. Aber es war auch etwas anderes in ihm. Kraft und Wille, jemanden zu beschützen. Und es war nicht seine Schwester oder Chander, sein langjähriger Gefährte-es war Trescha.
Kaleb zog sein Schwert: „Verschwindet hier! Geht! Ihr seid hier nicht sicher.“ Trescha wollte aber nicht gehen. Ihr Kopf wollte es nicht zugeben, aber ihr Herz hing an ihm wie noch nie an jemandem.
„Nein!“ schrie sie voller Angst um ihn: „Ich bleib bei euch.“
„Keine Widerrede!“ rief Kaleb als Antwort: „Auf Befehl des Prinzen: Bringt euch in Sicherheit!“ Kaleb war nun nicht mehr der Sinn für Diskussionen, jetzt musste er kämpfen.
Trescha sah kurz seine Augen und erkannte, dass sie keine Chance gegen ihn hatte.
„Na gut, ich gehe-aber bitte überlebt.“ Selten hatte sie so viel Angst um einen Menschen. Plötzlich wäre ein Leben ohne ihn sinnlos.
„Ich verspreche es!“ rief Kaleb und rannte nun auf den Feind zu. Trescha stieg auf ihr Pferd und ritt davon.
Beruhigt, dass Trescha nun in Sicherheit war, schlug er nun zu ersten Mal auf die Echsengestalt ein. Diese wehrte ihn mit der Kralle ab. Kaleb war erfüllt von Kraft, durchströmt vom sicheren Glauben, es zu schaffen. Sein Schwert und die Kralle trafen nun immer und immer wieder aufeinander. Kaleb spürte seine Überlegenheit gegen das Monster. Er drängte es immer weiter zurück. Selten hatte er sich so stark gefühlt.
Chander half dem Prinzen und stieß nun auch dazu. Die Echse schien gar keine Kraft zu haben. Fast kam es einem so vor, als ob man hier gegen eine Puppe kämpfte. „Das geht irgendwie zu einfach. Hier stimmt was nicht.“ kamen nun seine misstrauischen Gedanken. Kaum waren diese zu Ende, sprang schon etwas auf ihn zu.
Trescha hörte nicht auf an Kaleb zu denken. „Kann er das Monster töten? Ich weiß nicht was ich tun soll.“ Die Stille an dem Ort, einer Wiese ohne Bäume, schien sie zu beruhigen-oder doch nicht? Der Musikerin konnten einfach keine guten Gedanken finden-nicht, wenn dieser Mensch in Gefahr ist.
Schließlich wollte sie nicht mehr. Sie spürte, dass er sie braucht. Sie fühlte es einfach. Es ging nicht mehr, sie ritt nun wieder in Richtung des Ortes, den sie verlassen hatte. Voller Angst, voller Sorge.
Endlich, es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, erreichte sie wieder ihren Ausgangspunkt. Und ihr Atem blieb stehen, ihr Herz setzte aus, als sie den Schrei vernahm, den der Prinz ausstieß. Eine Art übergroßer Ratte, so groß wie eine Katze, biss sich tief in Kalebs Arm. „Kaleb!“ Es war das erste Mal, dass sie ihn nur beim Vornamen nannte.
Kaleb, für den der Schmerz, der sich durch seinen Körper zog, fast unerträglich war und ihn sehr behinderte, schleuderte mit letzter Kraft die Ratte von sich und zerteilte sie mit dem Schwert. Die Echse schien durch ihr Gesicht zu sagen: „Hier ist alles erledigt!“ drehte sich um und wollte gerade gehen, aber Chander war mit einem lauten wiehern vor ihn gesprungen und stieß sein Horn in die Brust, so dass sie einen Schrei los ließ und auf den Boden fiel.
Trescha, welche das alles beobachtet hat, fühlte sich nun erleichtert. Sie stieg ab. Alles in ihr spürte das Glück, für das man lebt und kämpft. Gerade wollte sie auf Kaleb zu laufen, aber dieser schlug auf ein mal mit seinem Schwert nach Chander.
Das Einhorn sprang geschockt zur Seite, doch Kaleb schlug nun nochmal und traf diesmal. Zum Glück war es nur das Horn, aber es reichte und Chander stürzte. Trescha stand nur noch da, und durch sie zog eine Lähmung wie nie zuvor, als Kaleb sich zu ihr umdrehte. Ihr Blick fiel auf die kältesten, völlig schwarzen Augen, ohne jeden Ausdruck von Gefühlen. Unbewegt und ohne sonstige Regung ging er nun auf sie zu.
„Prinz Kaleb, was ist mit euch? Bitte, kommt zu euch, erkennt ihr nicht, etwas kontrolliert euch.“ Aber Kaleb vernahm nichts. Stattdessen packte er ihren Hals und schleuderte sie zur Seite. Trescha fühlte seinen, ihre Luft abschnürenden Griff, durchgeführt von kalten Händen. Danach den harten Boden. Schmerzen eines harten Aufpralls, aber der Schmerz in ihrem Herzen war umso schlimmer.
Chander konnte nicht aufstehen, so sehr der Einhorn-Hengst es auch versuchte, es ging nicht, der vorige Angriff hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Kaleb kam Schritt für schritt auf Trescha vor, packte sie schließlich am Hals, hob sie hoch und stieß sie gegen einen Baum.
Angst und Verzweiflung flossen durch sie, als ihr die Luft aus ging, als sie sah, wie dieser Mensch, der eindeutig nicht mehr Kaleb war, nun sein Schwert nun nach hinten hob. „Ich muss es sagen, bevor es zu spät ist. Sonst hab ich keinen Frieden.“ dachte sie sich. Mit letzter Kraft stöhnte sie hervor: „Ich....li......liebe...dich.“ Sie schloss ihre Augen und hörte, wie die Luft surrte durch die Schlagbewegung-und das Surren erstarb.
Sie öffnete die Augen, als sie wieder atmen konnte, erwartete ein Licht, oder wo man auch hinkommt,wenn das Leben zu Ende geht. Doch was sie sehen sollte, war Kalebs Schwert, welches im Baum direkt neben ihrem Kopf steckte., und wie sich Kalebs Hand von ihrem Hals löste. Die Tränen, die sie durch ihre Angst vergoss, stoppten kurz.
„Was...hast du...gesagt?“ vernahm sie Kalebs Stimme. Aus Tränen der Verzweiflung wurden Tränen des Glücks.
„Ich liebe dich!“ Kaleb ließ das Schwert fallen, seine Augen bekamen wieder den Blick eines fühlenden Menschen-eines Menschen, der Liebe empfand. Er schloss seine Augen und küsste Trescha.
Diese glaubte zuerst zu träumen, dann aber umarmte sie ihn, umklammerte den Prinzen, zog ihn fest an sich und ließ sich fallen in diesen Moment, der nur ihnen gehörte. Hitze, Freude, Lachen, durchströmte sie beide. Nur langsam lösten sie sich voneinander.
„Ich liebe dich, Trescha. Seit ich den ersten Ton deiner Flöte vernahm. Ich liebe deine Musik, ich liebe deine Augen, ich liebe deine Haare. Es tut mir Leid. Wie soll ich das alles wieder gut machen?“
Trescha spürte sein schlechtes Gewissen, das ihn etwas Verzweiflung zufügte. Genau das wollte sie nicht. Nachdem sie in seine Augen gesehen hatte, wo sie diese Verzweiflung gelesen hatte, umarmte sie ihn und flüsterte in sein Ohr, während sie wie auch er ihre Augen schloss: „Bleib einfach nur bei mir. Verlass mich nie wieder. Sei mein Vater, mein Bruder, Meine Mutter-sei meine Familie.“
„Das werde ich.“ erwiderte der Thronfolger. „Ich verspreche es dir.“
Kaleb öffnete seine Augen und sah, wie aus der Kerbe seines Schwertes im Baum etwas glänzte. Sofort reagierte er, nahm sein Schwert, schlug auf die Stelle ein, nachdem er Trescha zur Seite genommen hatte, so das mehr von diesem goldenen Glanz frei wurde, der ihn mit stärke erfüllte.
Er zog es raus, erkannte zwei Sterne, in dem einen eine Aufgehende Sonne, in dem anderen der Mond. „Die Medailloon-Hälfte!“ flüsterte er sanft zu Trescha, welche in seinem Arm war.
„Du hast es geschafft, mein Prinz!“ sagte Trescha, die sich an ihn schmiegte. Kaleb fühlte ihre Wärme, ihre Liebe, die ihn stärkte.
„Nein, wir haben es geschafft. Ohne dich wäre es mir nie gelungen. Ich liebe dich!“ In Gedanken sagte er: „schon bald werden wir uns wieder sehen, Elonore. Unsere Aufgabe wird bald erfüllt sein.“ Er sah in Treschas Augen und wieder küssten sie sich.
Chander, der nun inzwischen aufgestanden war, wieherte und unterbrach diesen Moment. Das Paar sah zu ihm und lachte. „Ja, Mein Freund, jetzt müssen wir den nächsten Weg einschlagen. Komm mit mir, meine Liebste. Du sollst meine Schwester kennen lernen. Sie wird dir gefallen.“
„Daran hab ich keine Zweifel.“
Kaleb bestieg Chander und Trescha ihr Pferd. Kaleb steckte das Medaillon, das anscheinend nur durch seine Existenz alles beschützen konnte, in seine Tasche und ritt nun an Treschas Seite in Richtung der Berggegend.
„Ihr denkt ihr werdet nun gewinnen, aber noch geht der Krieg weiter. Ich werde euch vernichten.“ Am unbekannten Ort blieb zwar die Wut, aber auch der Hass, der Ihn stärker machte.
Kapitel 9
Elonore und Colet befanden sich nun seit einem Tag auf dem Rückweg in die Berggegend von Tepetl. Es war ohne Zweifel ein langer Weg, aber seit die Beiden sich getroffen hatten, zählte das alles nun nicht mehr.
Elonore fühlte sich nun lebendiger als je zuvor. Niemals hätte sie gedacht, dass das Leben so schön sein kann. Wie ging das nur? Wie? Die Prinzessin hatte alles andere als kleine Sorgen. Das Medaillon musste so schnell wie möglich zusammengeführt werden, sonst stünde Herminazs Ende bevor, dazu wusste sie schließlich nicht, wie das Schicksal ihres Bruders war. Ob er die andere Hälfte gefunden hat, wie es ihm geht. Und doch ist sie glücklich und sorgenlos.
Weil Colet nun in ihrem Leben war. Sicher, Eos wird immer ihre beste Freundin sein und ohne ihren Bruder wird sie niemals leben wollen. Aber Colet hatte sie nun ihr Herz geschenkt. Jedes mal, wenn sie sich ansahen, lächelten sie sich zu. Immer kam in ihnen das Kribbeln, die vielen Flügelschläge der Schmetterlinge.
Colet sprach zu ihr: „Du hast mir meine Seele gerettet. Ich weiß nun, weshalb man leben sollte. Danke, meine Prinzessin.“ Elonore wurde etwas rot, aber das Glück über diese Worte war größer als die Verlegenheit.
„Ich frage mich, wie Kaleb auf dich reagieren wird. Ich bin sicher, dass er sich für mich freut, denn er kennt mich, und wir teilen unser Leben. Ich bin sicher, er wird dich mögen.“
Colet, der sich etwas geschmeichelt fühlte, erwiderte: „Nun, da ich ihn kenne, kann ich dir nur sagen, er ist ein guter Mensch. Eben wie du. Das weiß jeder hier im Königreich. Wie ihr zu den Einhörnern gekommen seid, weiß schließlich jeder.“
Elonore erinnerte sich nun nochmal an diesen Tag. Als sie die Einhörner fanden. All diese Bilder erschienen vor ihrem Auge. Sie lächelte und streichelte nun den Kopf von Eos. Das Einhorn schmiegte sich etwas an die Hand der Thronfolgerin und genoss es offensichtlich. „Das war einer der schönsten Tage für uns beide, nicht wahr Eos?“
Ein lautes Wiehern eröffnete ihr ein Ja.
Colet lachte etwas. Elonore sah verwundert zu ihm, und die fragenden Augen, welche Colet noch mehr entzückten, verlangten nun eine Erklärung: „Ich finde es einfach schön, Elonore. Diese Freundschaft ist unglaublich. Aber noch unglaublicher bist du. Ich liebe dich.“
Er reichte ihr die Hand. Elonore nahm diese und erwiderte: „Ich liebe dich auch.“
Langsam kamen sie den Minen, wo sie sich treffen wollten, näher. Elonore erkannte nun die ersten Bäume, welche sie zuletzt sah, als sie mit ihrem Bruder zum ersten Mal hier her kam. Manchmal glaubte sie ihre Spuren dieses Ereignisses zu erkennen.
Auf ein mal kamen Bilder: sie wusste selber nicht, woher und weshalb, aber jedenfalls erkannte sie wieder die Höhle. Es war ihr Kampf. Ihr Kampf gegen diese Echse. Elonore konnte plötzlich nicht mehr ruhig atmen, etwas schien ihren Hals zu zu ziehen. Sie fasste sich an den Kopf.
„Elonore, alles in Ordnung?“ Elonores Liebsten fuhr der Schreck in die Glieder, als er seine Liebste
in dieser Situation sah. Schnell hielt er an, animierte auch Eos zum Anhalten, und nahm Elonore von Eos und in seine Arme. Wie sie plötzlich so geschockt da war, das konnte er einfach nicht ertragen.
Kaum fand Elonore sich in seinen Armen, verschwand wieder alles Schlechte. „Jetzt wieder. Dank dir.“ Die gewaltige Hitze in ihr war wieder da, und sie fühlte sich wie im Himmel. Sie schloss ihre Augen und küsste ihn. Sie genoss diesen Moment, seine Lippen zu fühlen, seine Wärme und Nähe
zu erfahren.
Nachdem sie sich gelöst hatten, ein Moment, der ihnen wie Stunden vor kam, bemerkte Elonore eine steinige Wand. Als sie genauer hin sah, erkannte sie die Mine. Sie waren angekommen. „Wir sind da!“ redete Elonore. Sie führten Eos und Colets Pferd hin zu der Höhle, in die die Zwillinge damals getreten waren. Elonore sah überall nach Chander und ihrem Bruder, aber sie sah ihn nirgends.
„Anscheinend müssen wir noch etwas warten. Komm, setzen wir uns und essen etwas.“ Colet war erst zu keiner Antwort fähig, da er sich in ihren Augen verloren hatte.
„Ich liebe dich!“ dachte er sich.
„Colet?“ Erst jetzt erwachte Colet aus seiner Trance: „Ähm...entschuldige. Ja, lass uns was Essen.“ Nach einem kurzen Moment der Stille mussten beide lachen.
Somit aßen sie nun zusammen. Dabei genossen sie jeden Moment, jeden Augenblick, als wäre es der Letzte in ihrem Leben. So viel Glück empfinden zu dürfen war es Wert zu leben.
Während sie gemeinsam aßen, hielt der eine stets die Hand des Anderen. Elonore sah aber auch die Augen ihres Einhorns, und in den Augen von Eos erkannte sie deren Worte: „Ich freue mich für dich.“ Dieser Blick ließ das Lächeln der Prinzessin noch mehr erstrahlen, es war, wie der Sonnenaufgang. Colet sah dies, und es bannte ihn noch mehr als bisher.
Plötzlich aber erstarb Elonores Lächeln. Sie sah, wie Eos plötzlich in den Wald blickte. Zuerst aber hatte sie den Glauben und die Hoffnung, ihren Bruder wieder zu sehen. „Ist es Kaleb?“ rief sie zum Einhorn. Aber Eos musste mit dem Kopf schütteln.
Elonore erfasste Angst, aber es war nicht die Angst um ihr Leben, sondern um Colets Leben. Auch ein Gefühl, welches sie bisher immer nur für ihren Bruder empfand. „Colet, verschwinde, du bist hier in Gefahr!“ flüsterte sie.
Aber Colet wollte es nicht: „Ich habe dich erst vor ein paar Tagen kennen und lieben gelernt. Ich verlasse dich niemals. Wenn du Schmerzen hast, will ich sie für dich erleiden. Und wenn dein Leben endet, soll meines enden. Ich helfe dir.“
Colet nahm Elonores Hand und zog sein Messer. Elonore erschauerte und fühlte eine Strömung, die sie stärkte. Auf ein mal spürte sie eine Kraft, die ihr vor kam, als ob sie das Licht der Sonne in sich trug.
„Ja, du hast Recht Colet. Wir werden gemeinsam kämpfen.“ Elonore zog ihr Schwert.
Langsam kam ein, nein, zwei Schatten auf sie zu. Immer weiter, und die lauten Stampfer waren waren Elonore erstmal bekannt. „Schon wieder diese Echsen.“ sprach sie. Aber sie irrte.
Denn dies waren keine Echsen. Sie waren umso schrecklicher. Es waren gewaltige Wolfsmenschen.
Muskulös, die Gesichter des Wolfes, bewaffnet mit Streitäxten, deren Klingen die Größe von Wagenrädern annähernd erreichten. Elonore und Colet schauderte es. Laut brüllten nun die Feinde.
„Colet, geh zu Eos, sie wird dich beschützen. Kämpft gemeinsam gegen einen, ich nehme den anderen.“
„Aber...“ Colet wollte Elonore nicht alleine lassen. Der Gedanke daran ließ ihn nicht atmen.
Aber die Prinzessin drehte sich um, gab Colet einen Kuss auf die Wange und sagte: „Dies ist ein Befehl der Prinzessin. Geh endlich!“ Colet war zuerst gelähmt durch diesen Kuss, der wieder diese Hitze in ihn versetzte. Dann merkte er aber auch, dass seine Liebste das Richtige gesagt hatte.
Er verbeugte sich, sprach: „Wie ihr wünscht, Prinzessin!“ und lief nun in Richtung von Eos.
Sofort wollten beide Wolfsmenschen ihm folgen, aber Elonore griff mit allem Mut, der ihr durch diese Liebe gegeben wurde, den Vorderen an und lenkte ihn von Colet ab.
Colet hatte so eben Eos erreicht, und keine Sekunde zu früh, denn schon war der andere Wolfsmensch bei ihnen. Colet war zuerst bange, aber dann griff er mit seinem Messer an. Der Gegner wich aus uns schlug mit seinem Schwert, aber Eos wehrte ihn mit ihrem Horn ab.
Elonore schwang ihr Schwert über ihrem Kopf und hob auf den Feind ein. Der Wolfsmensch wehrte ab und griff nun seinerseits an. Ein Schwertkampf, dessen Laute den gesamten Wald erbeben ließ. Elonore hatte Selbstvertrauen wie noch nie. Ihr Geist war stark, ihr Herz schien mächtig. Und doch war ihr Körper in Bedrängnis, denn dieses Monster war noch stärker als die Echsen-Soldaten. Jeder Schlag, egal ob von oben oder von der Seite, kam ihr vor, als ob sie gegen Stein schlug. So kräftig war diese Schreckensgestalt. Aber nachgeben, das kam für sie nicht in Frage.
Colet stach zu, der Gegner wich aus, er stach, wieder wich er aus. Dann kam der Gegenangriff. Schnell rollte er sich unter dem Schlag ab. Schon griff Eos mit ihrem Horn an und verfehlte den Wolfsmenschen nur knapp. Colet kam nun wieder zu ihr und sprach: „Der wird uns nicht klein kriegen, was?“ Eos nickte. Colet konnte durch diesen Kampf auch verhindern, dass sein Pferd in Gefahr geriet. Immer wieder sah er Elonores Gesicht, spürte ihre Gegenwart und erhielt dadurch so viel Energie, wie es sich niemand vorstellen kann.
Elonore bedrängte so langsam den Wolfsmenschen und erreichte dadurch, immer näher zu Colet und Eos zu kommen. Es war für sie immer deutlicher, wie sie mehr und mehr Kraft verspürte. Doch kaum waren sie nicht mehr all zu weit entfernt, brüllten die Feinde, und ein schwarzes Licht umgab sie kurz. „Jetzt werdet ihr sterben!“ sagte die Person am unbekannten Ort voller Zufriedenheit , aber vor allem voller Gefühlskälte.
Elonore und Colet fuhr auf einmal etwas lähmendes in die Glieder. Sie erkannten zwar keine äußerlichen Veränderungen, aber sie fühlten eine dunkle Macht, welche sie noch nie verspürten. Sie war voller Hass, voller Zorn, und das schlimmste daran: sie stärkte die Feinde.
Nun kamen die Gegner auf sie zu, und ihre Schläge kamen plötzlich schneller und stärker. Eos glaubte, als sie zum ersten mal abwehrte, dass ein Berg auf sie zu sprang. Colet kam ins Schwitzen, fast sah er nicht, wie sein Gegner plötzlich hin und her rannte, aber es schien eher, als ob er ohne jede Bewegung von Ort zu Ort sprang.
Colet sah den Wolfsmenschen plötzlich vor Eos stehen. Ohne weiter zu denken und mit zu bekommen, was er tat, sprang er und stieß Eos zur Seite. Da fühlte er schon einen Schmerz, der sich durch seinen gesamten Arm zog. Das Schwert der Kreatur hatte in an der Schulter getroffen, die er sich nun hielt. Eos verhinderte mit einem Stoß ihres Horns, dass der Wolfsmensch dem Liebsten ihrer Gefährtin den Gnadenstoß versetzte.
„Colet!Eos!“ Elonore hatte eben ihren Feind etwas weg gestoßen und sah neben sich die bedrohliche Situation für die beiden. Sie fühlte die Angst um den Liebsten und das Fabelwesen. Sofort sprang sie dazu, während Eos durch einen Schlag stolperte. Die Prinzessin hielt ihr Schwert vor sich, um den nächsten Schlag zu blocken. Der Schlag vibrierte durch ihren kompletten Arm und sie fiel. Schnell wollte sie aufstehen, aber schon stieß das Monster sie erneut zu Boden. Dann ging es zu Colet, der sich immer noch die verletzte Schulter hielt.
„Nein, bitte nicht. Töte mich und lass ihn gehen!“ schrie sie mit Tränen in den Augen. Dass sie selber so eben von dem anderen Wolfsmenschen bedroht wurde, erschien ihr unwichtig. Nur die große Gefahr für den, den sie über alles liebte sah sie. Ihre Hoffnung erstarb. „Wenigstens werden wir uns gleich wieder sehen! Es tut mir Leid, ich war nicht stark genug.“ waren ihre Gedanken, als sie mit ihrem Leben schon abgeschlossen hatte.
Da hörte sie den Tritt eines Einhorn-Hufs. Sie glaubte, es wäre Eos, aber als sie hinsah, war es nicht
die weiße Stute, die Colet vor dem Tod bewahrte-sondern ein brauner Hengst mit einem silbernen Horn: Chander, Eos Bruder. Und vor ihr sprang bereits Kaleb hervor und versetzte dem Gegner einen Tritt.
„Kaleb!“ Die Tränen der Verzweiflung versiegten.
„Hallo Schwesterherz, hast du mich vermisst?“
Elonore erfuhr einen mächtigen Impuls, der ihr schlagartig alle Kraft zurückgab.
Sofort griff sie ihr Schwert wieder fester, stand auf und unterstützte nun ihren Bruder. „Du kannst vielleicht Fragen stellen.“
Elonore wollte eigentlich nun wieder kämpfen, aber da fiel ihr Colet ein. Sofort sah sich um, in ihr war nun mal jetzt diese gewaltige Sorge. Umso größer war die Erleichterung, als sie Chander und Eos sah, welche den anderen Gegner in Schach hielten. Und sie sah, wie ein ihr unbekanntes Mädchen Colet nun weg zog. Wer war das nur?
„Hey, nicht träumen!“ wurde sie nun von der eindeutig anstrengend klingenden Stimme Kalebs wieder in die Welt geholt. Sofort wollte sie nun zeigen, wozu sie fähig ist.
Sie griff nun den Wolfsmenschen an, schlug auf dessen Schwert ein. „Ich sag dir was, Bruder, dieses Ding werde ich zuerst besiegen.“
„Davon träumst du wohl.“
Deutlicher war ihre Zuversicht wohl nicht zu erkennen. Das verwunderte auch Colet und Trescha. „Kaum zu fassen, was für ein Vertrauen in sich selbst.“ sprach Colet, immer noch seine Wunde haltend.
„Ja, das stimmt. Im schwersten Kampf machen sie eine Wette.“ erwiderte Trescha. „Kommt, die Einhörner kümmern sich um den anderen Feind. Ich versorge eure Wunde.“ Schnell half sie nun Colet auf und brachte ihn zu den Pferden.
Kaleb und Elonore kämpften gemeinsam gegen die Kreatur und spürten wie sie ihr immer mehr zusetzten. Jeder Schlag gab ihnen neu Stärke. Nun standen sie neben ihr, Kaleb links, Elonore rechts. Kurz nickte Elonore Kaleb zu. Als das Monster dann Kaleb angriff, wich dieser kurz aus und versetzte ihm mit dem Knauf seines Schwertes einen Schlag gegen die Hüfte, so dass es gegen einen Baum stieß. Taumelnd kam es nun wieder auf ihn zu.
Aber es hatte immer noch Kraft und und schwang nun sein Schwert um ihn zu töten. Jedoch hatte Elonore den Moment der Unachtsamkeit genutzt und schlug das Schwert aus dessen Hand. Dann stieß sie ihr Schwert in die Seite des Ungeheuers. Zeitgleich mit dem Schwert von Kaleb, der es in den Bauch des Wolfsmenschen rammte. Das Monster schrie auf und fiel zu Boden.
„Unentschieden!“ keuchte Kaleb nun seiner Schwester entgegen. Kurz darauf mussten sie lachen. So viel Glück und Freude konnte man eben nur bei der Familie empfinden.
Sie umarmten einander.
Es war ihnen in diesem Moment, als ob Jahre vergangen wären. Sie gehörten eben seit ihrer Geburt zusammen. „Du hast mir gefehlt, Bruder.“
„Du mir auch.“
Sie hörten den zweiten Gegner schreien und erkannten an der Art des Schreis, dass dieser wütend war. Sie sahen auch warum. Er kam den Einhörnern nicht mal nahe, so schnell und geschickt sprangen sie um ihn her. „Ich denke sie erlegen ihn beide von vorne.“ sagte Elonore.
Ihr Bruder, der sich an einen Baum lehnte, hatte eine andere Meinung: „Sie planen einen Angriff von vorne und von hinten.“
Eos versetzte dem Wolfsmenschen nun einen Tritt. Der Gegner taumelte nach hinten-genau in das silberne Horn des Einhorn-Hengstes. Schnell stieß die Stute von vorne zu, und der Feind ging zu Boden.
„Scheint als hätte ich Recht gehabt.“ meinte Kaleb zu seiner Schwester. Diese sah etwas abfällig auf ihn, was aber eher zum Spaß gemeint war. Nochmal umarmten sie einander und dann gingen sie zu den Pferden und Einhörnern, wo Trescha und Colet waren. Trescha verband so eben Colets Wunde.
„Willst du uns nicht bekannt machen?“ fragte nun Kaleb seine Schwester.
Elonore musste etwas lachen: „Natürlich. Darf ich dir Colet vorstellen?“
Colet setzte sich unter Schmerzen auf: „Eure Hoheit, es freut mich euch kennen zu lernen!“ und gab ihm mit leicht verzerrtem Gesicht die Hand.
„Ein besonderer Mensch für dich, nicht wahr Elonore? Es freut mich euch kennen zu lernen Colet. Danke, dass ihr bei meiner Schwester wart und sie beschützt habt.“ Elonore errötete leicht.
„Jetzt bist du aber dran Bruderherz. Wer verwirrt dir denn da den Kopf?“
Jetzt wurde Kaleb etwas rot: „Nun...also, das ist Trescha. Die beste Musikerin die du in Herminaz finden kannst.“ Elonore nahm Treschas Hand.
Trescha wollte sich verbeugen, aber Elonore meinte: „Hier ist kein Ball und kein Schloss. Hier seid ihr gleich mit uns. Also Trescha, das ist Colet.“ Trescha und Colet gaben sich nun auch die Hand, wozu sie bisher keine Gelegenheit hatten.
„Nun, Trescha, ihr seid Musikerin. Dann würde ich sagen, ihr spielt etwas heute Abend, wenn wir beim Feuer sitzen. Dann können wir uns erzählen, was so alles passiert ist.“
Somit saßen sie nun zusammen beim Lagerfeuer und Trescha ließ alle Liebe, die sie hatte, in ihre Flöte fließen. Jeder einzelne glaubte Gott nahe zu sein. „Du hattest Recht, sie ist die Beste!“ sagte Elonore, nachdem Trescha geendigt hatte.
„Ach, Schwester, es wird Zeit zusammen zu fügen, was zusammen gehört.“ sprach Kaleb und holte seine Medaillon und Puzzle-Hälfte heraus. Elonore lächelte und holte ebenso ihre Hälften hervor. Zuerst setzten sie das Puzzle zusammen. Es war ein Augenblick des gewaltigsten Glücks für die Zwillinge.
Dann nahmen sie Medaillon-Hälften. Sie zitterten voller Spannung. Was würde geschehen? Der Moment schien nicht vergehen zu wollen. Langsam kamen die Stücke aufeinander zu. Dann waren die Hälften zusammen-nichts geschah. Kein Leuchten, keine Blitze. Sie fügten sich nicht mal zusammen.
„Warum?“ fragte Elonore verzweifelt. War alles umsonst? War das Medaillon doch nicht so mächtig? Da kamen die Einhörner und legten ihre Köpfe zu ihren Gefährten. Kaleb bekam einen wohligen Schauer, der durch seinen gesamten Körper floss, ebenso Elonore. Sie lächelten sich an.
„Der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen.“ sagte Elonore nun. „Eos, ihr könnt uns doch sicher zum Heeren des Schreckens führen, nicht wahr?“ wandte sie sich an ihre Gefährtin. Eos nickte. Kaleb und Elonore wussten ebenso wie Colet und Trescha, dass es nun zur letzten Schlacht kommen würde.
„Trescha, Colet, es liegt uns fern, dass ihr in Gefahr kommt.“ sprach der Prinz.
„Wir wollen euch nicht zwingen, mit uns zu kommen.“
„Ich werde dich nie wieder verlassen. Du bist meine Familie. Ich liebe dich, und ich werde dir immer beistehen.“ Mit diesen Worten nahm Trescha nun Kalebs Hand. Kaleb spürte die Liebe, die Hitze, die Energie.
„Und was mich betrifft,“ sagte nun Colet, „auch ich werde immer an der Seite der Prinzessin sein. Weil ich dich über alles Liebe, Elonore. Sei dir sicher, dass du immer auf mich zählen kannst. Dass ich mit jeder Faser meines Lebens deines beschützen werde.“
Er legte seinen Arm um Elonores Schulter und sah ihr in die Augen. Ein Blick, der ihr mehr sagte als alles andere. Elonore meinte, in einer anderen Welt zu sein.
Aus dieser wurde sie nun von ihrem Bruder geholt: „Also dann. Gemeinsam werden wir Herminaz von dieser Bedrohung befreien. Ich habe mich noch nie so stark gefühlt, weil ich dich habe Trescha. Weil ich dich habe, Elonore, weil ich Chander habe und meine Schwester euch, Colet, und Eos. Morgen wird der längste Tag unseres Lebens. Und der längste Tag für den Feind. Zusammen werden wir das Licht bewahren. Zusammen!“
Und er nahm Treschas Hand und streckte beide Hände nach vorne. „Zusammen!“ antwortete diese und lächelte Kalebs kurz an, ehe sie zu den anderen beiden sah.
„Zusammen!“ Elonore legte ihre Hand dazu.
„Zusammen!“ sprach nun auch Colet und legte seine Hand dazu. Die Einhörner und auch die Pferde wieherten kurz, als ob sie zustimmen wollten.
Der dunkle, unbekannte Ort war mehr und mehr von Hass erfüllt. Jeden Tag schien die Macht der Hölle auf ihn überzugehen. „Kommt nur. He, zusammen. Ihr werdet merken wie schwach die Liebe ist. Nichts kann mich aufhalten und nichts wird mich aufhalten. Nicht mal das Medaillon.“
Kapitel 10
Langsam ging die Sonne auf. Die Geschwister und ihre Liebsten waren unter braunen Decken eingewickelt und schliefen. Jeder träumte von einer wunderbaren Zukunft. Eine Zukunft voller Frieden und Liebe.
Elonore wurde nun aber von einem sehr warmen und auch nicht wirklich leisem Atemzug geweckt. Allerdings kannte sie diese auch gut genug. Somit kam ein Lächeln auf ihre Lippen und sie berührte, noch mit geschlossenen Augen sanft die Stirn der Einhorn-Stute, welche sich auch etwas anschmiegte.
„Ja, Ja, Eos, ich stehe schon auf. Dass ihr Einhörner aber auch immer so früh auf den Beinen seid.“ Etwas schlaftrunken stand Elonore nun auf und sah wie auch Chander nun Kaleb weckte. Dann noch ganz kurz im Fluss waschen und schließlich stiegen sie auf die Pferde und Einhörner.
„Also dann, Chander,“ sagte Kaleb nun zu seinem Freund, „zeig uns mit deiner Schwester den Weg. Lass uns gemeinsam den Schrecken endgültig vernichten und den Frieden sichern. Dann können wir endlich nach Hause.“
Chander und Eos gingen vor raus und ihre Hörner leuchteten so hell wie der Sonnenaufgang. Es schien ein richtiger Lichtstrahl von ihnen auszugehen, der in eine Richtung zeigte. Alle spürten eine Energie. Es war, als ob etwas anderes als Blut durch ihre Körper ging und ihnen zuflüsterte, dass sie alles schaffen konnten. Ein wunderbares Gefühl.
Sie kamen im Trab vor ran. Langsam, ganz langsam, wurde die Gegend immer düsterer. Die Bäume wurden kahler und kahler, die Gegend immer weniger fruchtbar. Auf dem Boden wuchsen Meter um Meter immer weniger Pflanzen, bis schließlich gar keine mehr zu sehen waren.
Kaleb und den anderen wurde es richtig kalt im Inneren. In der Luft, im Boden, im Himmel, der sich auch, und das am Tag, immer schwärzer färbte, war es möglich Hass, Furcht, Neid und Missgunst zu fühlen.
Elonore klammerte sich richtig an Eos. „Ich wüsste nicht, was mit mir los wäre, wenn du nicht bei mir wärst, Eos. So vieles haben wir zusammen erlebt. Immer warst du bei mir. Danke!“
Das waren ihre Gedanken. Eos wieherte kurz, als ob sie diese Gedanken gelesen hatte. Vielleicht hat sie das auch? Wahrscheinlich. So gute Freunde, wie es die Einhörner zusammen mit den Königskindern waren, für diese sind Gedanken des anderen irgendwie doch ein offenes Buch.
„Seht, da vorne!“ Colet hatte irgendetwas einige Meter vor ihnen entdeckt. In der Dunkelheit kam nun langsam eine Wand auf sie zu. Ob sie eine Farbe hatte, konnte man aufgrund dessen auch nicht wirklich erkennen. „Reiten wir der Wand entlang.“ meinte nun Trescha.
Also bewegten sie sich entlang dieser Wand, die etwas mysteriöses an sich hatte. Sie sah wie eine normale Mauer aus, und doch war keinem der Vier das Material bekannt. Kurz fasste Colet voller Neugier die Mauer an, als er einen gewaltigen Kälteschock spürte und die Hand sofort wieder weg zog: „Verdammt, diese Mauer ist so kalt dass es weh tut.“
„Kaleb, kannst du es spüren?“ fragte Elonore ihren Bruder.
„Wenn du das Gefühl von absoluter Gefühlskälte, Freudelosigkeit und Nichts meinst: Ja, ich kann es spüren. So viel Hass, so viel Wut, sie durchfließt selbst diese Mauer. Hier leben zu müssen erscheint mir als ein unerträgliches Leid. Hass hält nur gefangen, Liebe befreit-weißt du noch, das hat Mutter uns mal gesagt.“
Elonore erinnerte sich: „Ja, das hat sie. Ein Glück, dass wir sie hatten. Somit waren wir immer frei.“
Endlich erreichten sie den Eingang. Langsam traten sie in den Vorhof einer Festung. An sich sah sie aus wie jede Andere. Sie hatte zwei Türme mit spitzen Dächern und eine großes Tor, das mit einem Gatter versperrt wurde.
Und doch spürte man eine Bedrohung. Eine Gefahr, die man nicht beschreiben konnte, aber von der man doch wusste, dass sie absolut alles vernichten könnte.
Elonore rüttelte verzweifelt an dem Gatter, aber es gab keine Schwachstelle. Nichts, das nachgab, nichts, das einen Fehler zeigte. „Wie sollen wir hier nur rein kommen?“
Da leuchteten wieder die Hörner von Eos und Chander, wieder mit einem beruhigenden Licht. Das Tor öffnete sich von selbst. Sie traten ein und jeder Gedanke war eine Frage: Was wird sie hier erwarten? Können sie es schaffen?
Jeder Schritt bedeutete Überwindung. Die Stille, welche sich in der gesamten Umgebung befand, war unerträglich. In ihr lag Gefahr, Gefühlslosigkeit-und Leere. „Seid auf der Hut. Überall könnten Feinde lauern.“ warnte Kaleb seine Begleiter.
Stets die Hand am Schwert, setzten sie ihren Weg, nachdem sie von den Tieren gestiegen waren, fort, die Pferde und Einhörner als Begleitung. Langsam erreichten sie die Türe, von außen betrachtet zwar aus Holz, aber auch hier war etwas vollkommen anderes zu erfühlen.
Elonore ging vor ran und fasste an den runden Griff der Tür. Jeden überraschte es, wie leicht es ihnen fiel, die Tür zu öffnen und die Festung zu betreten.
Nur wenig Licht fiel durch die Fenster in die Halle. Es hingen ein paar wenige gebogene Schwerter an der Wand zur Dekoration, wobei es in diesem wirklich finsteren Räumen wohl nicht wirklich Dekoration benötigt. Der Boden reflektierte überhaupt kein Licht. Ob er überhaupt etwas zu zeigen hatte, war somit zweifelhaft.
Jeder Lufthauch, jedes Geräusch schreckte sie fürchterlich auf. Nur das vertraute Klappern der Einhorn-Hufe scheuchte niemanden auf. Die Pferde hatten sich geweigert die Festung zu betreten. Eos und Chanders leises Atmen wirkte wenigstens etwas beruhigend.
Aber diese Ruhe war mit einem Schlag vorbei. Ein kurzer Schreckensschrei von Trescha ließ alle in Richtung der großen Treppe sehen. Trescha war so eben einem Schwert ausgewichen, und der Besitzer dieses Schwertes war einer der gewaltigen, muskulösen Wolfsmenschen. Der Schreck fuhr allen in die Glieder. Noch mehr, als sie erkannten, dass noch drei weitere ins schwache Licht traten.
Kaleb erfasste jetzt die Sorge um Trescha und Colet-den Mann, den seine Schwester liebte. Er wusste, der Verlust der beiden wäre für die Zwillinge genau so unerträglich wie der Verlust der Einhörner.
„Colet, Trescha, schnell, bringt euch in Sicherheit. Wir werden uns zusammen mit Chander und Eos um diese übergroßen Schaf-Fresser kümmern.“
„Aber...“ warf Trescha ein.
„GEHT!“ Nach dieser entschlossen Aufforderung schienen sie nun wirklich sich in Sicherheit zu bringen.
Elonore griff nun gemeinsam mit Eos zwei der Kreaturen an. Kaleb kam auf die anderen zu und unterstützte Chander: „Komm, zeigen wir ihnen wozu die Thronfolger von Herminaz fähig sind, Schwesterherz!“
Somit begann der Kampf. Klinge kreuzte Klinge, Horn wehrte eine Klinge ab. Es war eine richtige Schlacht, und dabei waren es nur acht Kämpfer. Aber es erschien den Zwillingen so. Nicht bereit auf zu geben, schwangen sie ihre Waffen und wandten alles an, was sie in ihrem langjährigen Training gelernt hatten.
Improvisieren, den Gegner täuschen. Aber irgendwie schien das nichts zu bringen, die Feinde blockten jeden Versuch ab, sie auch nur einen Zentimeter nach hinten zu drängen. Stattdessen spürten sie wieder die Kräfte dieser Monster, die nicht nur die Körper der Geschwister, sondern scheinbar die gesamte Festung erschütterten.
Colet und Trescha sahen diesem Kampf voller Angst zu-Angst, um die für die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Umso mehr tat es ihren Herzen sehen, deren Unterlegenheit zu sehen. Auch, wie die Einhörner zwar den Feind in Schach halten können mit Hilfe von Tritten, ihrer Gewandtheit und den Stößen ihrer Hörner, aber einen Vorteil zogen sie nicht daraus. Trescha fing schon an zu weinen an der Wand, an der sie sich versteckten: „Ich kann das nicht, ich kann Kaleb einfach nicht alleine lassen. Ich liebe ihn so sehr!“
Auch Colet Herz zog sich zusammen: „Elonore...du bist das wichtigste für mich. Wie kannst du nur denken, dass ich dich alleine kämpfen lasse. Oh, du bist so....“
Colets Blick fiel auf zwei, über Kreuz hängende Schwerter an der Wand. Sofort, er wusste selber nicht weshalb und wie, griff er nach dem ersten Schwert, warf Trescha, die ihn völlig geschockt und überrascht an sah, das Zweite zu: „Mir ist egal, was sie sagen. Es geht um ihr Leben. Willst du Kaleb verlieren? Ich will Elonore jedenfalls den Rest meines Lebens in meinen Armen halten können.“
Trescha bekam jetzt ein Gefühl des Willens, und sie glaubte, den Teufel selber besiegen zu können. Ihre Tränen versiegten: „Ja, Kaleb muss wissen, dass er mehr als sein Einhorn und seine Schwester hat. Und wenn ich sterbe. Lieber bin ich tot, als das Herminaz im Dunkeln verschwindet und seinen Thronfolger verliert.“ Sie begaben sich nun in Richtung des Kampfes.
Kaleb und Elonore kämpften weiterhin zusammen mit den Einhörnern gegen die vier Monster. Und immer noch blieben sie diesen Feinden unterlegen, ja sie glaubten zu fühlen, dass sie immer stärker wurden. Langsam verließ sie der Mut und der Glaube, und genau das stärkte die vier Wolfsmenschen.
So eben wurde Elonore von ihrem Gegner an eine Wand gestoßen. Eine Träne von erster Verzweiflung bahnte sich jetzt ihren Weg, so wenig sie es auch wollte. Jetzt griff der Feind wieder an-da kreuzte eine weitere Klinge die der Kreatur. Elonore war überrascht und sah an der Klinge entlang-dann entfuhr ihr ein kleiner Schrei, gemischt mit Überraschung, Verwunderung und doch etwas Freude: „Colet!“
Der Knecht schlug nun nochmal gegen den Feind und stieß ihn zur Seite. Dann stellte er sich neben die Prinzessin: „Elonore, ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben. Ich bin bei dir und bleibe immer bei dir. Lass uns kämpfen!“
Elonore durchströmte wieder diese wunderbare Hitze, und aller Zweifel, alle Furcht und Verzweiflung verschwanden im Nichts. Zusammen bedrängten sie nun, unterstützt von Eos, Zwei der Wolfsmenschen mehr und mehr. Diesmal wurden sie mit jedem Augenblick stärker. Immer weiter mussten die Monster zurückweichen.
Kaleb erkannte aus dem Augenwinkel die Gefahr für Chander. Denn dieser erfuhr durch einen Schlag dessen Gegners einen unbequemen Stoß gegen die Wand. Kaleb reagierte sofort, versetzte seinem Feind einen kräftigen Tritt, sodass dieser fiel und Kaleb in Richtung des Hengstes eilte. Große Furcht besaß er um seinen Gefährten. Da wurde der Angriff des Wolfsmensch durch Trescha mit einer Schwertklinge gestoppt: „Kaleb, bezwinge dieses Etwas hinter dir. Ich werde es mit Chander schaffen den hier zu vernichten. Ich bin immer für dich da!“
Kaleb war kurz gerührt von dieser Hilfe Treschas. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so viel für mich tun würdest. Ich liebe dich, Trescha!“ dachte er in diesem Moment. Dann schenkte er seine gesamte Aufmerksamkeit dem Wolfsmenschen, welcher sich so eben wieder erhob: „Komm schon, du Fellknäuel. Du hast gegen mich keine Chance. Weißt du warum? Weil ich verliebt bin, und niemand jemanden bezwingen kann, den das durchströmt, was mich durchströmt. Eine Energie, die du nie fühlen wirst. Du gehörst mir!“
Weiter ging die Schlacht, es wurde deutlich, dass die Krieger des Schreckens immer weniger erstreiten und kämpfen konnten. Denn sie waren nicht nur in der Unterzahl: Nein, sie mussten auch noch gegen Feinde kämpfen, denen eine gewaltige Kraft geschenkt worden war, die man sich auch nur vorstellen konnte.
Immer weiter wurden sie in eine kleine Gruppe zusammengedrängt. Unmerklich war es den Thronfolgern mit ihren Begleitern gelungen, sie zu umkreisen. Aber noch waren sie nicht geschlagen.
Mit einem gewaltigen Brüllen, von dem man annehmen konnte, es würde den nächsten Wald vernichten, schlugen sie nochmal zurück. Aber schnell gelang es Kaleb zwei von ihnen die Waffen aus der Hand zu schlagen.
Und im selben Moment, gestärkt durch diese deutliche Überlegenheit, stießen schon Elonore, Colet und Trescha zu. Ein riesiger, lauter Schrei, gleich einem Donnergrollen, entfloh den getroffen Feinden und sie stürzten zu Boden. Kaleb wich einem weiteren Angriff des Letzten aus und köpfte schließlich diesen. Der Körper fiel zu Boden, der Kopf flog Meter weit davon in die Dunkelheit.
Es war zu Ende. Die Schlacht hatte ein Ende, der Kampf hatte ein Ende. Aber erst begriff es niemand von den Vieren, die sich erst mal auf den Untergrund sinken ließen. Eine Stimmung des ersten Unglaubens lag in der Luft.
Elonore fand als erstes wieder die Worte: „Haben...haben...haben wir sie eben wirklich besiegt?“ Kaleb begann vor Erleichterung und Freude zu lächeln und hauchte hervor: „Ja. Wir haben es geschafft, sie sind bezwungen.“ Er ergriff Treschas Hand und küsste sie leicht: „Danke Trescha!“
„Elonore...“
„Colet...“ Die Prinzessin und ihr Liebster sahen sich in die Augen und küssten sich danach. Jeder Einzelne meinte nun alles zu bestehen und alles zu können. Es gab nun kein Unmöglich mehr, nirgends lag ein Undenkbar in der Luft, außer einem: es war undenkbar, dass sie jetzt noch jemand aufhalten könnte.
Ein unsichtbares Licht erstrahlte in jedem von ihnen-auch in den Einhörnern, die sich mit ihren Köpfen an ihre Gefährten geschmiegt hatten. Einige, unendlich erscheinende Sekunden genossen sie dieses Gefühl, bis der Prinz fest stellte: „Es wird Zeit unseren Weg fort zu setzen.“
Nun standen alle auf und wollten nun das Ende dieser Mission erreichen, koste es was es wollte. Kaleb betrat nun instinktiv die erste Stufe der Treppe nach oben, als auch schon ein eiskalter Blitz ihn durch fuhr, ausgelöst durch das unruhige und panische Wiehern der Einhörner.
Elonore war verwirrt und völlig durcheinander. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr erfassen und schrie voller Angst, die sich in Form einer gewaltigen Kälte in ihr ausbreitete: „Eos, was ist los? Ist hier irgendwas? Eos, was...“
Ohne, das irgendjemand noch hätte was tun können, standen die Fabelwesen schon vor den Menschen und verpassten ihnen einen Tritt mit den Vorderhufen. Einen kurzen Schmerz spürten die Thronfolger und wurden nach hinten gedrückt, so schnell, dass auch Trescha und Colet nicht mehr reagieren konnten und nach hinten stürzten.
„Ahhh...Chander was soll das, was ist nur in dich gefahren?“ schrie der Prinz völlig verwundert und die Schmerzen des Aufpralls auf den Boden, welcher einem Schlag mit einem Stein gleich kam, fühlend. Die Antwort kam schneller als sie es sich erwünscht hatten.
Die weiterhin panisch wiehernden Fabelwesen wurden auf einmal von einer schwarzen Hülle erfasst, welche ihnen sichtbar Schmerzen zufügte und immer größer und größer wurde. Blitze umzingelten die Hülle.
Als sie diese bemerkten, wurde Kaleb und Elonore immer kälter ums Herz. Es schlug immer schneller vor Angst und drohte zu zerspringen: „EOOOS!“ „CHAAANDER!“
Sie rannten auf die nun sich verfinsterte Hülle zu, doch erfasste sie ein Blitz, der ihnen ein unaussprechliches Brennen bereitete, sie auf die Erde warf und es ihnen unmöglich machte, sich zu bewegen.
Das laute Wiehern ihrer Gefährten wurde nun vom unerträglichen Geräusch der Blitze übertönt, die Schwärze machte jeden Blick auf sie unmöglich. Schließlich verschwand mit einem gewaltigen Sturm die Hülle mit samt den Einhörnern.
Im nächsten Moment vernahmen sie eine laute Stimme, welche schrecklicher klang als alles andere auf der Welt, denn in ihr war keinerlei Gefühlsregung zu vernehmen. Sie veränderte sich nicht im Tonfall und in der Tonhöhe und strahlte das pure dunkle aus: „Hört zu: wenn ihr eure Einhörner lebend wiedersehen wollt, dann übergebt ihr mir in einer Stunde im Vorhof der Festung die Medaillon-Hälften. Andernfalls werden sie den schlimmsten Qualen der Hölle ausgesetzt und ihr werdet weit aus größere Qualen erleiden und sterben.“
Kapitel 11
Stille. Absolute Stille erfüllte nun den Raum, nachdem die Stimme verklungen war und nun ein Prinz, eine Prinzessin, ein ehemaliger Knecht und eine Musikerin in der finsteren Halle zurückblieben-ohne die Einhörner.
Kaleb und Elonore brauchten erst mal einige Zeit bis es ihnen bewusst wurde, was eben geschehen ist: Ihre Gefährten, welche sie schon zwölf Jahre lang begleiteten, waren fort, Gefangene des Herrn des Schreckens, ihres Feindes.
Elonore brach auf ihren Knien zusammen und fing an zu weinen, und Kaleb fasste sich an den Kopf, in welchem tausende von Gedanken herumschwirrten, und welche alle nur bei einem endeten: Verzweiflung. Wie sollten sie es nur ohne die Einhörner schaffen? Dabei ging es weniger um deren Kräfte, sondern um ihre Freundschaft.
Colet ging nun auf Elonore zu: „Elonore...“ Aber als er ihr seine Hand auf die Schulter legen wollte, stieß sie sie weg. Es tat ihm unglaublich weh, sie so zu sehen. All ihr Leid, all ihr Schmerz. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt.
Kaleb nahm seine Medaillon-Hälfte hervor. So viele Möglichkeiten malte er sich plötzlich aus. Was würde geschehen, wenn er sich weigert? Was geschieht, wenn sie kämpfen? Wie soll er aber kämpfen gegen den Herrn des Schreckens, wenn die Einhörner nicht da sind, und das Medaillon sich nicht zusammen fügen ließ.
„Es ist vorbei-wir haben versagt!“ Als Colet und Trescha das hörten, trauten sie ihren Ohren nicht. Elonore dagegen teilte die Verzweiflung ihres Bruders: „Ich fürchte, du hast Recht. Ohne das Medaillon und ohne Chander und Eos, wie sollen wir da kämpfen? Geben wir ihm die Medaillon-Stücke, dann können wir sie wenigstens noch ein mal sehen, bevor es zu Ende geht.“
es existierte nur noch Leere in ihnen. Wahrscheinlich begriffen sie nicht mal, was sie sagten und was es für Folgen hätte, wenn sie tun sollten.
Colet wollte sie aufmuntern: „Ihr habt euch bis hierher durchgekämpft, ihr habt die Hälften gefunden, ihr seid hier, wo der Schrecken ist. Ihr könnt und dürft nicht aufgeben, ihr müsst weiter kämpfen.“
Dann wandte er sich an Elonore: „Elonore, ich liebe dich! Ich will nicht dass alles jetzt so plötzlich endet. Bitte!“ Aber die Prinzessin vernahm nichts mehr. Sie war in ihrer eigenen Welt gefangen, in der nichts weiteres mehr eindringen konnte.
Trescha besah sich den Prinzen, und ihr Herz blutete. Sie sah den Menschen, den sie am meisten liebte, mehr als alles auf der auf der Welt, wie er jeden Glauben und anscheinend auch Lebenswillen verloren hatte. Sie wollte ihm helfen. Und da fiel ihr ein, wie.
Langsam holte sie sie aus ihrer kleinen Tasche in ihrem Rock, betrachtete sie. Dann setzte sie die Flöte an und spielte die wohl wichtigste Melodie, welche sie jemals in ihrem Leben erzeugt hat. Alles, was sie hatte, floss nun in ihr Instrument ein. Sie wusste nicht wirklich was sie spielte, aber sie wusste, es war genau das richtige, was sie spielte.
Kurz glaubte man, dass alle Dunkelheit verschwunden war. Die Musik war schöner, als Trescha sie jemals gespielt hatte. Es war eine Musik voller Liebe und Zuneigung, voller Freundschaft und Hoffnung.
Kaleb vernahm die Musik und wieder durch floss sie seinen gesamten Körper. Wärme erzeugte sich in ihm. Und ein Blick auf seine Schwester machte ihm klar, dass sie wie auch er eine Stimme vernahm: „Vergesst nicht, was euch hier her geführt hat. Eure Liebe zu euren Eltern. Eure Liebe zu euren Begleitern, und eure Freundschaft zu den Einhörnern, und euer Zusammenhalt untereinander.
Hierher seid ihr gekommen. So viele zählen auf euch und glauben an euch. Würden sie es, wenn sie nicht wüssten, dass ihr mit jeder Schwierigkeit fertig werden könnt, dass ihr jede Krise überwinden könnt? Die Zeit ist gekommen. Steht auf!“
Die Thronfolger hatten jetzt keine Verzweiflung mehr, keine Leere, sondern ein Licht, das ihnen Kraft gab. „Oh Elonore, wie konnten wir nur solche Gedanken erfassen, wo wir doch wissen, dass wir alles erreichen können.“
„Du hast Recht, Bruder. Wenn Chander und Eos hier wären, würden sie uns wahrscheinlich einen Tritt verpassen, wenn sie so was hören würden.“ Kaleb wandte sich nun Trescha zu: „Danke Trescha. Ich wusste, deine Musik ist zu Großem bestimmt. Willst du mit mir gemeinsam in diesen Kampf gehen?“
Trescha kamen vor Freude die Tränen in die Augen, und sie umarmte ihn: „Natürlich. Ich will immer an deiner Seite sein, egal wo, egal wann.“
„Prinzessin,“ fragte nun Colet als er Elonores Arm nahm, „erlaubt ihr mir, auch ebenso zu helfen?“ Für die Prinzessin war es nicht lange zu Überlegen: „Das war doch keine Frage oder? Natürlich will ich es und erlaube es.“ Kurz küssten sie sich, dann begaben sie sich zum Tor. Es waren noch zehn Minuten bis zum Ende der Frist.
Sie traten durch das Tor und betraten nun den Hof. Ganz langsam betraten sie ihn. Die Anspannung war jedem ins Gesicht geschrieben. Noch fünf Minuten. Dieb Zeit stand scheinbar still. Angst, Unsicherheit, die Suche nach Unterstützung. Bangend stellte sich Trescha neben Kaleb.
Immer mehr wollte man die Zeit beschleunigen, aber das war nicht möglich. So ist nun mal die Zeit, niemand kann sie beherrschen. Sie läuft unbeeinflusst in ihrem Tempo, nie schneller, nie langsamer, Sekunde für Sekunde, Minute für Minute, Stunde für Stunde. Gerade in dieser Situation
war sie umso gnadenloser.
Noch eine Minute. Alles wurde genau beobachtet. Jeder sah sich um, forschte nach den Zeichen für die Ankunft des Schreckens, besser gesagt der Person, in der er wohnte. Kälte in jeder Person, in jedem Stein, Erdkrümel.
Langsam wehte ein Wind. Erst war es nur ein kleines Lüftchen, welches dafür reichte, die Haare der Vier zu bewegen. Dann aber wurde er immer schneller, lauter und stärker. Trescha erfasste Kalebs Hand und drückte sie kräftig.
Sie spürten die Bedrohung. Ein Blitz zuckte. Langsam erblickten sie wieder eine Art Kammer, ähnlich dieser, welche die Einhörner gefangen nahm. „Habt ihr nun eine Entscheidung getroffen?“vernahmen sie die Stimme von vorher.
Langsam erkannten sie einen Schatten in der Kammer. Aber der Sturm blies ihnen so direkt ins Gesicht und die Augen, dass sie ihre Arme vor sich hielten um es zu schützen, so sehr einschneidend war er, dass er richtige Schmerzen verursachte.
Der Schatten wurde immer klarer, die Kammer löste sich langsam auf. Seine Arme erst vor sich gekreuzt wie ein Pharao, öffnete sie die Person vor ihnen und landete auf dem Boden. Der Herr des Schreckens, der ohne Zweifel vor ihnen stand, war gut über zwei Meter groß. Er war sehr muskulös und hatte zwar ein schmales Gesicht, aber die Schwärze seiner Augen zeugten von all dem Nichts, der Leere und dem Hass, was in ihm war.
Er trug eine schwarze Rüstung mit einem dunklen Umhang, an welcher Dornen angebracht waren. Sein Haar war Rabenschwarz und ging bis zu seinen Schultern. Die Thronfolger können sich nicht erinnern, jemals ein Wesen so sehr erfüllt von Dunkelheit und bösem gesehen zu haben.
„Also, ich warte auf eure Antwort.“ Kaleb war kurz bange, aber ihm wurde noch mehr bewusst, weshalb er hier war.
Er sah zu Elonore, nickte ihr zu und zog ebenso wie sie sein Schwert: „Ich bin nicht hier her gekommen um einfach so alles aufzugeben was ich erreicht habe und was mir wichtig ist. Du bekommst das Medaillon nur über unsere Leichen.“
Ihr Gegenüber zeigte keinerlei Gefühlsregung. Überhaupt keine Reaktion, außer, dass er ebenso sein Schwert zog. Dessen Klinge sah so aus wie bei den meisten anderen Schwertern, aber der Griff war eine wie eine Drachenklaue geschmiedet. „Diesen Wunsch kann ich euch erfüllen. Eure Stunde hat geschlagen. Aber zuerst...“
Mit einem Wink schleuderte er Trescha und Colet einige Meter nach hinten. Sie knallten gegen eine Mauer. Dann erzeugte der Feind eine Wand, sodass sie nun Gefangene waren. Elonore erfasste entsetzten und Angst um Colet: „Was soll das? Sie haben nichts damit zu tun?“
„Was das soll? Soweit ich weiß ist das hier doch eure Mission. Also wenn dass eure Mission ist, dann könnt ihr auch alleine kämpfen. Sie sollen sehen, wie langsam aber sicher euer Leben beendet wird.“
Nun trat er auf sie zu, Kaleb und Elonore wichen zur Seite und beobachteten ihn und seine schwarzen Augen, in denen man nichts sehen konnte. Sie umkreisten sich. „Ich hatte euch gewarnt und euch eine Chance gegeben. Ihr wärt unter meiner Herrschaft als meine Leute am Leben geblieben, ich hätte euch die Einhörner als solche zurückgegeben. Es ist eure Schuld!“
Kaleb sah es anders: „Wir waren nie Gefangene des Hasses wie du es bist. Und wir werden es nie werden. Wenn wir unseren Eltern und Freunden diesem Schicksal überlassen würden, hätten wir die größte Sünde überhaupt begangen. Und das wird nie geschehen!“
Nun griffen sie an. Abwechselnd schwangen sie die Schwerter gegen das des Gegners. Dieser drehte sich unglaublich schnell und wehrte sie jedes mal ohne Probleme ab. Die Thronfolger gingen etwas weg von ihm und attackierten dann erneut.
Der Herr des Schreckens stieß Elonore von sich und kämpfte dann mit Kaleb. Der Prinz dachte daran was sein Gegenüber den Einhörnern angetan hatte. Und das gab ihm nochmal Wut, die er nun einsetzte in seinen Schlägen. Doch schien es, als ob der Gegner jeden Schlag voraus sah, ja, es sah aus als ob es ihn nicht annähernd anstrengte.
Kaleb wurde zur Seite gedrückt, als Elonore wieder bereit war und ihm gegenüber trat. Ein schlag in der Höhe, darauf in Richtung der Hüfte, dann wieder ein Schlag, doch der Herr des Schreckens machte aus diesen Angriffen einen eigenen Angriff und drückte die Prinzessin mehr und mehr zurück.
Elonore fühlte sich mehr und mehr hilflos gegenüber ihm. Dann fühlte sie einen Schmerz an ihrem linken Arm. Blitzschnell war ihr ein Schnitt zugefügt worden. Zum Glück war Kaleb da und verdrängte nun den gemeinsamen Feind.
Dieser sprach nun wieder zu ihnen: „Seht ihr? Ihr habt nicht den Hauch einer Chance. Gebt auf!“ „Niemals!“ war die laute Antwort Elonores, welche nun wieder zum Angriff überging. Erneut wehrte der Herr des Schreckens ab, doch hatte er anscheinend Kaleb vergessen, der ihm nun mit dem Knauf seines Schwertes einen Schlag gegen den Kopf zufügte.
Zwar schien dieser keinen Schmerz zu spüren, aber er fiel zumindest auf den Boden. „Jetzt, dass ist meine Chance dies zu beenden!“ dachte sich die Prinzessin und stach mit ihrem Schwert zu. Sie fühlte wie sie anscheinend versuchte in Granit zu stechen.
„Oh nein! Nein! Das ist nicht möglich!“ Sie drückte, wand, aber die Waffe bewegte sich nicht einen Millimeter vor ran.
„Der schrecken schützt mich!“ sprach nun der am Boden liegende, „keine Waffe kann mich verwunden.“
Dann packte er ihr Schwert und schleuderte sie hinter sich. Elonore wusste nicht wie ihr geschah und erkannte nichts, als sie gegen die Unsichtbare Wand flog, hinter der Colet und Trescha gefangen waren, und beim Aufprall einen heftigen Schmerz spürte und benommen zu Boden ging.
„Elonore!“ Kaleb wollte nun den Kopf des Gegners abschlagen, aber auch hier schien dessen Körper unnachgiebig.
„Anscheinend wollt ihr es nicht glauben, aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.“ Er zog an Kalebs Arm und gab ihm einen Stoß in den Rücken. Kaleb glaubte von einem Berg getroffen zu werden und flog nun ebenso auf die Wand zu. Er landete neben seiner Schwester.
Nun ging der Herr des Schreckens auf sie zu mit den Worten: „Ich hätte mehr von euch erwartet. Immerhin habt ihr beide Medaillon-Hälften gefunden und jeden meiner Versuche durch meine Diener euch zu töten zu nichte gemacht. Aber das zeigt eben nur wieder, wie schwach ihr Menschen seid. Ihr seid nichts!“
er kam Schritt auf Schritt näher und hielt sein Schwert bereit. Kaleb und Elonore waren schon kurz davor aufzugeben, denn wie sollten sie auch gegen so einen Gegner ankommen. Alles hatten sie versucht, die Einhörner waren wie ihre Liebsten gefangen. Es war hoffnungslos. Aber da....
„Steh auf! Bitte steh auf, Kaleb!“ Kaleb sah ins Gesicht von Trescha, welche sich zu ihm hinunter gebeugt hatte. „Ich glaube an dich! Ich liebe dich, hör nicht auf zu kämpfen.“
Elonore spürte Colets nähe. „Elonore, ich weiß, dass du es kannst. Besiege ihn.“
Dem Prinzen und der Prinzessin fuhr all das in sie hinein. Sie erfuhren die unglaubliche Hitze, welche sie schon fast vergessen hatten und die ihnen doch immer wieder gut tat und sie stärkte.
Dann plötzlich erschien ein Licht aus den Taschen der Beiden. Das Licht war warm und angenehm und hell. Ihr Feind wurde geblendet: „Was ist das?“ Verwundert suchten sie nach dem Grund für das Leuchten-es waren die Medaillon-Hälften, die nun golden glänzten wie der Sonnenaufgang.
Kaleb sah Elonore an: „Ist der Moment gekommen?“ „Es gibt nur eine Möglichkeit es raus zu finden.“ Langsam führten sie die Hälften des Medaillons zueinander. Das Licht wurde stärker und stärker.
Als die Hälften zusammen waren, entriss das Medaillon sich den Händen Kalebs und Elonores, drehte sich in der Luft schneller und schneller. Es leuchtete so hell, dass alle ihre Augen schließen mussten.
Als sie ihre Augen öffneten, sahen sie wie zwei goldene Schwerter in die Hände von Kaleb und Elonore schwebten. Das Licht, welches sie gesehen hatten, sie jetzt. Sie fühlten neue Kraft, eine gewaltige Energie.
Mit dieser neuen Kraft griffen sie nun wieder an. Auf ein mal spürten sie eine Stärke, von der sie nie glaubten, sie zu besitzen. Sie fühlten sich unbesiegbar und traten nun ihrem Feind mit neuem Selbstvertrauen entgegen.
Ihre neuen Schwerter trafen mit dem des Herren des Schreckens zusammen. Tatsächlich spürten sie, dass der Widerstand des Feindes diesmal nicht annähernd so groß war wie noch vorhin. Aber trotzdem bleib es ein harter Kampf.
Abwechselnd, wieder und wieder, schwangen sie ihre Waffen gegen ihn. Doch auch wenn sie bessere Waffen hatten, er war immer noch so schnell und wich weiterhin geschickt aus. Immer weiter ging der Kampf.
Langsam ging fühlte Kaleb, wie sich bei ihm die erste Erschöpfung sichtbar machte. Seine Gelenke schmerzten, die Luft ging ihm aus. Eigentlich hätte er durch atmen müssen, aber der Herr des Schreckens ließ ihm die Zeit dafür nicht.
Kaleb musste so eben das feindliche Schwert abwehren. Einem Impuls folgen trat er gegen dessen Schienbein. Sein Gegner geriet ins Taumeln. Elonore erwischte ihn daraufhin an der Schulter-und es floss Blut. Der Herr des Schreckens griff sich nun an die Schulter, sah sein Blut an, mit einem ungläubigen Gesicht.
Dann kam zum aller ersten Mal ein Gefühlsausdruck auf sein Gesicht-Wut. Wut, plötzlich nicht mehr unverwundbar zu sein. Und mit dieser Wut attackierte er Kaleb nun umso härter. Kaleb sah sich nun einem umso schwereren Gegner gegenüber. Elonore griff ein und kämpfte nun weiter mit ihrem Bruder.
„Glaubt ihr, nur weil ihr mich jetzt verwunden könnt könnt ihr mich auch besiegen?“ schrie der Gegner nun, als er Kaleb von sich weg gegen einen vertrockneten Baum und nun ausholte. Da steckte aber schon ein Schwert in seiner Hüfte.
„Hast du vergessen dass du gegen zwei kämpfst? Oder besser gesagt, gekämpft hast.“
Völlig geschockt und verwundert fiel der Herr des Schreckens zu Boden. Elonore zog ihr Schwert wieder aus der Hüfte. „Das...ist un...möglich. Niemand...kann mich bezwingen...Wer seid ihr?“ stieß er nun hervor.
Kaleb kam auf ihn zu und antwortete: „Wer wir sind? Wir sind die Thronfolger von Heminaz. Wir haben für die gekämpft, die wir lieben. Und wir sind froh sie zu haben. Ich habe meine Schwester, meine Eltern und Trescha.
Du tust mir nur Leid. So voller Hass, voller Dunkelheit. Du bist nur ein Gefangener. Gefangen in diesen Fesseln, im größten Leid dass es gibt. Ich hoffe, dass der Herr dir gnädig ist.“ Kaleb nahm sein Schwert und stieß es in den Heeren des Schreckens. Dieser ließ einen lauten Schrei von sich, wurde von einem Leuchten erhellt und sein Körper zersprang.
Im nächsten Moment entzogen sich die Schwerter den Händen, flogen aufeinander zu und bildeten
wieder das vollständige Medaillon der Sterne. Das Medaillon fiel Kaleb vor die Füße. Er bückte sich und hob es auf. Die Dunkelheit an diesem Ort verschwand und das Sonnenlicht ließ ihn erstrahlen.
Da schon umarmte ihn stürmisch seine Schwester: „Kaleb, wir haben es geschafft, wir haben es geschafft!“
Fest umarmte er sie: „Ja, das haben wir. Es ist vorbei-endlich.“ sie lösten sich voneinander und schon sahen sie Trescha und Colet auf sich zulaufen.
Kaleb nahm Trescha in die Luft und küsste sie dann. Trescha ließ vor Freude dann ihren Tränen freien Lauf. Kaleb fühlte sich geborgen, ebenso wie seine Schwester, die schnell und ganz eng von Colet gedrückt wurde.
„Ich wusste es, du kannst alles.“ sprach Colet zu ihr.
„Aber ohne dich hätte ich es nie geschafft.“ antwortete die Prinzessin und küsste ihn sanft.
Im nächsten Moment vernahmen sein ein ihnen sehr bekanntes Geräusch-ein Wiehern. Sie sahen zu einem kurzen Aufleuchten, aus dem die Einhörner traten. Sofort mussten sie Weinen. Selten hatten Kaleb und Elonore so viel Freude empfunden: „Chander!“ „Eos!“
Sofort rannten sie auf ihre Gefährten zu und hielten deren Köpfe fest. Sie schmiegten sich an die vermissten Fabelwesen. „Ich hab dich vermisst, Chander. Endlich hab ich dich wieder.“ Auch Elonore machte ihrer Freude Kunde und streichelte sanft die Stirn der Stute. „Kommt jetzt, es wird Zeit nach Hause zu gehen.“ holte Kaleb die Anderen aus all diesen Dingen. Colet und Trescha gingen zu ihren Pferden, und stiegen ebenso wie die Thronfolger auf, um die Heimreise anzutreten. Kaleb gab Elonore das Medaillon: „Damit man sich immer an den heutigen Tag erinnert.“ Elonore steckte es lächelnd ein.
Königin Adiana, die ihr rotes Kleid an hatte, starrte wie jeden Morgen seit der Abreise ihrer Kinder aus dem Fenster. Die Sorge um ihren Sohn und ihre Tochter ließ sie schon lange Zeit weder schlafen noch essen. König Ryley umarmte sie von hinten. Die Wärme tat ihr zwar etwas gut, aber es nahm ihr nicht diese Angst um das Leben der Zwillinge.
„Du solltest dich nicht kaputt machen.“ redete er mit seiner Frau. „Sie werden es schaffen. Glaub mir.“
Aber Adianas Antwort war: „Wie soll ich denn bitte einfach hier leben, wenn meine Sterne in Gefahr sind. Warum bin ich nicht mit ihnen gegangen?“
„Und das Königreich im Stich lassen? Adiana, wir haben eine Verantwortung, auch wenn sie uns manchmal schwer fällt.“ Er küsste sie sanft auf die Wange.
„Entschuldige. Es ist nur...“
„Ich weiß.“ unterbrach sie der König, gekleidet in seine blaue Uniform.. „Mir fehlen sie auch.“
In diesem Moment klopfte es an die Tür des Gemachs: „Herein!“ rief der König.
Ein Bote trat ein. „Eure Hoheit, vier Personen nähern sich dem Schloss.“
Adiana drehte sich um und sprach: „Anscheinend wider mal eine Gruppe Boten einem unserer Nachbarstaaten. Die Pflicht ruft.“
Gerade kam sie zur Tür, als der Bote noch sagte: „Übrigens, zwei von ihnen reiten auf Einhörnern.“ Sofort blieb Adiana stehen und war erst ein mal gelähmt. „Auf...auf Ein...hörnern?“
Zuerst war sie zu nichts mehr fähig, dann aber rannte sie nur noch so schnell sie konnte die Treppe runter und in Richtung des Schloss-Eingangs, so dass Ryley ihr nicht mal annähernd folgen konnte.
Hoffnung erfüllte sie, dass sie zurück sind.
„Öffnet sofort die Tore!“ wurde den Wachmännern sofort befohlen als sie ankam.
„Jawoll, euer Hoheit.“ sie öffneten die Tore. Adiana kam es wie eine Ewigkeit vor. Sie wollte Gewissheit haben.
Endlich war das Tor offen, und ihr Blick fiel auf einen 18-jährigen Jungen mit kurzen, blauen Haaren und auf ein ebenso altes Mädchen mit einem blonden Pferdeschwanz. Sofort hatte sie eine richtige Flut an Freudentränen in ihren Augen. Endlich.
„Kaleb! Elonore!“ Sie rannte auf ihre Kinder zu, welche ihr wiederum entgegen liefen. Fest umarmte sie die langen vermissten Nachkommen. „Ihr habt mir so gefehlt!“ Freude, Glück, wärme, Geborgenheit, Fröhlichkeit, all das erfüllte die Wiedervereinten.
„Mutter..“ flüsterten die Zwei.
„Werde ich etwa nicht begrüßt?“ vernahmen sie da die stimmen ihres Vaters.
„Vater..“ sagte nun Elonore und ließ sich ebenso wie ihr Bruder nun von ihm umarmen.
„Und wen habt ihr uns da mitgebracht?“ deutete Adiana nun auf Colet und Trescha.
„Das erklären wir euch heute Abend.“ war Elonores Antwort.
Somit saßen sie am Abend zu sechst am Kamin und berichteten über das Erlebte. Ihre Kämpfe, wie sie sich trennten, die Liebe fanden, und natürlich auch über ihren größten Sieg. Adiana und Ryley hörten aufmerksam zu.
„Tja, Elonore, ich wusste ja, dass deine blauen Augen mal jemanden in Verzückung bringen würden.“ sagte die Königin zu ihrer Tochter.
„Ja, sieht so aus!“ war deren Antwort und sie lehnte sich an Colet an.
„Und für dich Kaleb haben wir nun endlich jemanden der dich mal bändigt.“
„Mutter!“ antwortete dieser leicht entrüstet, aber letzten Endes lachten sie alle miteinander. Während Kaleb Treschas Hand hielt.
Am nächsten Morgen aber fragten sich die Königskinder, ob nun, wo alle Probleme beseitigt waren, es nicht besser wäre, die Einhörner frei zu lassen. Kaleb besprach sich mit Elonore: „Wenn sie wieder in die Welt hinaus wollen, sollten wir sie gehen lassen. Was denkst du?“
Elonore bejahte, auch wenn es ihr weh tat: „Wir können sie nicht hier behalten, gegen ihren Willen. Sie haben uns immer beigestanden und waren uns treu. Sie haben es sich verdient. Komm, wir holen sie aus den Ställen.“ Kaleb nickte ihr zu.
Also begaben sie sich zu den Ställen und holten die Einhörner in Richtung des Waldes, wo sie sie damals gefunden hatten. Der Weg schien ihnen zu kurz zu sein, unbarmherzig kurz. Am liebsten wären sie nie dahin gegangen, aber sie wussten, es war richtig was sie taten, auch wenn es ihnen Schmerzen bereitete.
Am Wald angekommen sprach nun Kaleb: „Ihr habt viel für uns getan. Ihr seid unsere Freunde und deshalb wollen wir euch nicht festhalten. Ihr dürft gehen.“ Kurz klopfte Kaleb nochmal den Kopf von Chander und drehte sich um, weil er den Abschied so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, es tat unglaublich weh.
Auch Elonore umarmte kurz den Kopf von Eos: „Danke für alles meine Kleine.“ Und drehte sich ebenso schnell um. Trescha und Colet hatten sie nichts gesagt, denn alle anderen schliefen noch und sie wollten das für sich hinter sich bringen. Nun wollten sie aber schnellst möglich zu ihnen hin, um Trost zu finden. Sie weinten. Doch Trost sollten sie nicht brauchen.
Elonore verspürte plötzlich Eos sanftes Fell ihres Kopfes. Sie drehte sich ungläubig um, als Eos ihren Kopf nun an sie schmiegte. „Eos...heißt das...du willst bleiben?“ Eos nickte. „Oh Eos!“ So stark wie noch nie nahm sie den Kopf der Stute.
Dieser Moment gehörte nun ihnen-bis sie Kalebs lachende Stimme hörte: „Ja, Ja, schon gut, wenn du bleiben willst, ich hab nichts dagegen.“ Elonore sah hinüber und sah wie Chander etwas scherzhaft seine Nase an Kaleb stupste. „Anscheinend will dein Bruder die selbe Entscheidung treffen.“
Überglücklich ritten sie nun wieder zurück zum Schloss. Was besseres konnte es gar nicht geben: Ihre langjährigen Gefährten würden immer bei ihnen bleiben-freiwillig. Das Medaillon der Sterne wurde, um ewig an diese Ereignisse zu erinnern, über das Landes-Wappen an Spitze des Schlosses angebracht.
Es dauerte nicht mehr lange bis das Königreich Heminaz eine glamouröse Doppelhochzeit erlebte, in der sich jeweils Kaleb und Trescha, Elonore und Colet das Ja-Wort gaben. Nach dem die Herrschaft von Ryley und Adiana zu Ende ging, führten die Zwillinge Seite an Seite Heminaz in einen wunderbare Zukunft zusammen mit ihren Liebsten. Und schon sehr bald stellte sich auch Nachwuchs ein, der sich ebenso schnell wie ihre Eltern mit Eos und Chander, welche zwar nicht unsterblich aber ohne Alter waren, an, und erlebten mit den Einhörnern ebenso viele, viele spannende und aufregende Abenteuer, über die man noch lange sprechen sollte.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Tag der Veröffentlichung: 02.07.2009
Alle Rechte vorbehalten