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Das Alter



Alltag. Der Begriff allen sagt alles: morgens früh geweckt werden, angezogen werden, nicht die Gelegenheit bekommen, sich im Spiegel anzuschauen und sich „Guten Morgen“ zu sagen, Frühstück bei der Ausgabe bekommen, das kleingeschnittene Brot mit Käse und Wurst essen, den Orangensaft oder den dünnen Kaffee trinken, dann zurück in sein Zimmer begleitet werden, bis ein Uhr allein mit seinen Gedanken gelassen werden, dann in den hauseigenen Garten gebracht werden, wo man Majong, Sudoku oder Schach mit den anderen Opas und Omas spielen kann, die Pfleger dauernd lauernd auf die Gelegenheit einen alten Sack zurück in das Haus zu führen, weil dieser einen Schwächeanfall bekommt. Nach dem Majong wieder ins Haus zum Mittag essen in die Kantine gebracht werden. Mh, es gibt also wieder kleingeschnittene Spaghetti mit Tomatensoße oder Käsesoße. Na da freut man sich drauf, auch wenn es das erst am Freitag gab. Zum Nachtisch Wackelpudding oder Früchtemuß. Und die ganze Zeit läuft ein langsamer Jazz im Radio. Bevor man sich versieht landet man bei der wöchentlichen Untersuchung beim Arzt. Augen, Check. Ohren, Check. Lunge, Check. Man wird in den Gemeinschaftsraum gebracht und schaut zusammen mit den anderen Fernsehen: Der Florian Silbereisen singt seine Lieder und alle Zuschauer im Fernsehen wippen und klatschen dazu. Auch hier klatschen ein paar. Wer möchte, kann auch ans Klavier oder die Gitarre, darf an der Staffelei malen oder lesen. Es gibt auch Sportprogramm. Um sieben Uhr wird man in sein Zimmer begleitet, wird umgezogen, gebadet und ins Bett gebracht. Und wenn ich das jetzt so sagen darf, ich hasse meinen Alltag. Schon seit ich hier bin in diesem Altenpflegeheim, oder umgangssprachlich Altenheim! Ich verfluche jeden Tag, an dem ich morgens in aller Herrgottsfrühe geweckt werde und dann den ganzen Tag lang von Pflegern verfolgt werde. Jeden Tag, an dem ich kleingeschnittene Gerichte essen muss, als hätte ich keine Zähne! Als hätte keiner von diesen alten Menschen hier Zähne! Ich hasse die Tage, wo man fast gezwungen wird Majong oder Schach oder Bingo zu spielen! Es gibt jede Woche einen Ausflug und ab und zu kommen Verwandte. So wenig Abwechslung ist hier zwar nicht, aber man verlangt von dir etwas zu tun, was du nicht wirklich willst. Keiner fragt nach, was ich will. Was ich wirklich will. Ich möchte grade nicht Schach oder Bingo spielen, ich möchte ins Kino gehen. Ich möchte Einkaufen fahren. Ich möchte alleine ohne Hilfe in den Garten gehen! Ich bin jetzt erst dreiundsiebzig und alle benehmen sich so, als wäre ich eine blinde, taube Neunzigjährige.
Alle glauben, dass siebzig schon sehr alt ist und man nichts mehr machen kann, weil das Kreuz nicht mehr mitmacht. Man wäre zu alt für Partys, man wäre langweilig. Man wäre langsam und höre nicht mehr richtig hin, und unsere Interessen lägen bei Bingo, Schach, Majong, Musikantenstadl und den Menschen auf der Straße nachschauen. Tauben füttern. Ich für meinen Teil mag all diese Tätigkeiten und Vorlieben. Aber mein zweiter Teil sagt, dass das alles Quatsch ist. Ich bin aufgeweckt und will Abwechslung. Ich kann genauso gut auf Tauben schießen wie Tauben füttern. Ich könnte diesen Silbereisen ehrlich gesagt erwürgen! Das, was er produziert ist keine Musik mehr, das ist die indirekte Aufforderung zum Selbstmord. Wie kann man nur so etwas singen wie „Links a Madl, rechts a Madl“? Der gehört eingesperrt! Ob ihr es glaubt oder nicht, ich bin Fan von Lady Gaga. Sie ist etwas abgedreht und hat einen eigenartigen Modegeschmack aber ihre Musik ist toll. Ich bin nicht so eingerostet wie andere Omas. Keiner will das akzeptieren, keiner von der jungen Generation. Da ist dieses Vorurteil geprägt, dass alle alten Leute langweilig sind. Mit uns kann man ja gar nichts machen. Da sage ich sofort und direkt: Wer will mit mir zum Heidepark Resort? Ich glaube, ihr versteht nicht viel von dem, was ich sage. Ihr habt den Grundgedanken geschnappt, aber noch nicht alles was ich sage. Ich hoffe ihr versteht was ich sagen will. Wir alten Leute sind auch nur Menschen, die vor langer Zeit jung waren, und wir wissen, wie ihr über uns denkt, denn so dachte ich auch mal über alte Leute. So denke ich heute auch noch. Aber wenn ich mich anschaue, stelle ich fest, dass ein paar von uns noch ganz interessant sein können.


Erwachsene



Alltag. Der Begriff allein sagt alles: Morgens früh aufstehen, verschlafen und verkatert vom Vorabend ins Bad trudeln, einen Blick in den Spiegel werfen, um festzustellen, dass man schlimmer aussieht als unsere Kanzlerin nach einem langen Arbeitstag, Zähne putzen, dann erst sein Frühstück bestehend aus Brötchen oder Frühstücksflocken herunterwürgen und danach schnell noch ein Hemd überstreifen, die Hose oder den Rock anziehen, die Damen wechseln schnell noch den Slip, die unbequemen Schuhe anziehen, seien es Absatzschuhe oder die übergroßen Lackschuhe der Herren und dann ab in das Auto oder auf das Fahrrad Richtung Arbeit. Im Büro angekommen, schleimt sich der ein oder andere bei dem Chef ein indem er ihm einen „wunderschönen und erfolgreichen Tag mit viel Optimismus“ wünscht, ihm ein Äpfelchen auf den Tisch legt oder einfach mal den Mund hält und seiner Arbeit nachgeht. Drittes stimmt den Vorgesetzten besser ein als ein Apfel oder schönes Gesülze des Schleimers Nummer 1. Denn nichts macht einen Chef fröhlicher als eine gut funktionierende Firma, die möglichst viel Geld verdient während die Mitarbeiter dabei nur für Pfennige bezahlt werden müssen.
Nachdem sich halt der eine oder andere Besagte Schleimer oder Nicht-Schleimer nun auf seinen Stuhl hinter den Schreibtisch gesetzt hat, kann der Alltag wie folgt weiter ablaufen: man arbeitet still in seinem Kämmerchen namens „Büro“ am Computer, isst um eins sein Mittag in der Kantine, läuft zum Büro zurück, arbeitet bis sechs, packt sein Köfferchen, schwingt sich auf das Fahrrad oder in das Auto und fährt nach Hause. Die Radfahrer gelangen bereit eine Stunde vor den Autofahrern zu Hause an. Er stellt sein Rad in den Keller, die Garage oder in den Flur, begrüßt Frau und Kinder, isst zu Abend, schaut die Tagesschau, ließt im Bett ein Buch und schläft mit Licht und Buch in der Hand ein, um den Dienstag auch so geschmeidig zu überleben.
Der Autofahrer jedoch erduldet den Stau, in dem er seit einer halben Stunde steht, schwitzend, Jazz oder 80er-Jahremusik hörend, hupend und fluchend, um dann eine Stunde nach seinem Kollegen, dem Radfahrer, das Haus zu betreten, schimpfend und raufend, genervt vom Lärm der Autos auf der Autobahn. Der Lebensgefährte nimmt mit Verständnis das Gejammere seines oder seiner Gattin oder Gatten hin. Beide essen das Abendessen. Für die Tagesschau ist der Arbeitende zu spät nach Haus gekommen, also legt er sich direkt in das Bett um ohne zu lesen sofort erschöpft einzuschlafen.
Ja, das ist ein Alltag im großen Berufsleben der Erwachsenen, die zu ignorant für die Schönheit ihres Alltages sind. Denn wer wacht schon auf und freut sich über den Kater, den er noch vom Vorabend hat? Wer mag schon den Schleimer Nummer 1 auf der Arbeit? Welcher normale Mensch stellt sich freiwillig in den Stau und ist glücklich bei dem Gedanken für die Tagesschau zu spät zu kommen? Man könnte es sich doch so vorstellen: Der Kater erinnert einen an die Party vom Vorabend. Wie man mit der Freundin oder dem Freund sich an die Bar gesetzt hat und einen in den Tee bekam. Dass man dann zu der Musik abgefeiert hat und so viel Spaß hatte. Taumelnd und halb tot, aber immer noch bei bester Laune tappte man durch die Straßen nach Hause. Für diese Erinnerung lohnt sich doch der Kater. Den Schleimer betrachtet man dann mit einem Grinsen und denkt sich, dass man froh ist, nicht so einer zu sein, da man ja weiß, wie alle über einen denken würden, wenn man ein Schleimer wäre. Den Stau überbrückt man mit dem Jazz oder den 80er-Jahrehits aus dem Radio. Man singt mit und nickt mit dem Kopf. Da vergeht die Zeit wie im Flug. Schon vergisst man, dass man doch die letzte Ausfahrt hätte nehmen können und ärgert sich nicht bei dem Gedanken an die gesparte Zeit, hätte man doch diese eine Ausfahrt genommen. Und wozu gibt es Zeitung? Der Fernseher kann doch auch mal Pause machen. Und abends nach einer warmen Dusche die Zeitung zu lesen, während man im Bett liegt, ist viel schöner als auf der Couch zu hocken und den Bildern im TV zuzuschauen.
Aber wie ich schon sagte, die Erwachsenen sind zu ignorant, um die Schönheit und die Lebensfreude des Alltages zu entdecken. Sie sehen alles so schwarz. Sie wollen keine Schönheit sehen. Sie denken nur an das Schlechte und Unangenehme, damit sie ihre Kinder vor dem Berufsleben warnen können. „Es ist so grau, die Welt, in der wir leben. Du stehst mit Schmerzen und Kopfweh auf, dann trudelst du zur Arbeit und vegetierst in deinem Büro so lange, bis du Feierabend hast. Und dann stehst du im Stau und das einzige, was du denkst ist 'Warum habe ich die letzte Abfahrt nicht genommen?'. Und wenn du dann endlich mal zuhause bist, hast du noch die Nachrichten und die Wettervorhersage verpasst“. Das ist ein typischer Satz, den ein Arbeitender seinem Nachwuchs eintrichtert. Abschreckend, oder etwa nicht? Und was das Kind dann denkt ist vorhersehbar. Allerdings gibt es zwei Möglichkeiten.
Möglichkeit 1: Das Kind ist trotz der Warnungen seiner Eltern begeistert über das Erwachsensein und kann es kaum erwarten, selbst arbeiten zu gehen.
Möglichkeit 2: Das Kind macht große Augen und berücksichtigt die Warnung seiner Eltern bei seiner späteren Berufswahl, um diesem Stress zu entfliehen.
Ich gebe allen berufstätigen Erwachsenen ein paar Tipps.
1. Seid freundlich, egal was kommt. Ein gutes Umfeld macht den Tag entspannter.
2. Nehmt das Fahrrad oder lauft, damit ihr im Auto nicht schwitzt und ihr auch nicht im Stau steht. Solltet ihr jedoch das Auto brauchen, kauft euch einen Navi, der euch über Umleitungen führt. So umgeht ihr Staus.
3. Sei nicht so streng bei der Arbeit. Ihr solltet natürlich schon arbeiten, aber nehmt es lockerer. Das macht gute Laune: macht euch leise Musik an, macht kleine Pausen um euch zu entspannen.
Ob diese Tipps funktionieren, kann ich nicht sagen. Mich machen sie fröhlich, aber dass muss jeder für sich entscheiden.


Teenager



Alltag. Der Begriff allein sagt alles: morgens bereits um sechs aufstehen, verschlafen in den Spiegel schauen, auf die Toilette gehen, dann sich anziehen, zum Frühstück die Frühstücksflocken oder das Brötchen herunterwürgen, als Mädchen übertrieben viel Make-up um die Augen schmieren, als Junge sich die langen Haare zurückgelen, das Handy schnappen, die Kopfhörer an den MP3-Player anschließen und mit Techno im Ohr zur Schule fahren. Bereits um acht in den Bänken hängen und dem Gefasel des Lehrers “aufmerksam“ folgen und bis zur Pause durchhalten. Und am Ende der sechsten oder achten Stunde sich auf das Rad schwingen und mit Freunden nach Hause radeln. Dort angekommen etwas essen, sei es Pizza oder Nudeln, die die Mutter am Vortag für einen gekocht hat, dann nach oben ins Zimmer setzten und Hausaufgaben erledigen. Und sobald die Eltern von ihrem stressigen Arbeitstag und dem stundenlangem im Stau stehen Heim kommen, beginnt der Stress für einen. Die Hausarbeiten müssen erledigt werden, die Noten in der Schule verschlechtern sich, habe man denn nicht genug gelernt? Und da die Nerven vom langen Schultag und den Hausaufgaben schon gereizt sind, antwortet man mit Geschrei und knallenden Türen. Hat man sich anschließend beruhigt, indem man die Musikboxen auf “laut“ gestellt hat und dazu abchillt, oder man am PC ein paar Freunde bei Facebook anschreibt und sich die Sorgen mitteilt, isst man doch noch zusammen mit Geschwistern und Eltern das Abendbrot. Die Eltern meckern über die verpasste Tagesschau, die Geschwister plappern ihren gesamten Tag nach und teilen so ihre unwichtigsten Erlebnisse mit und man selbst schmiert sich Nutella auf sein Brot und nickt einfach über das ganze Zeug, dass die Schwester ihrer Freundin erzählt hat und nun auch der Familie mitteilt. Nicht, dass es einen überhaupt interessiert, ob die Freundin doch noch morgen die Sammelfiguren von Hunden und Katzen mitbringt oder nicht. Oder ob Thomas doch süßer wäre als Christoph aus der Parallelklasse und man ihn deshalb einen Liebesbrief schreiben müsse. Die Schwester fragt ja nicht nach, ob es einen interessiert. Sie redet und redet und redet und... bis zum Punkt, wo man den gesamten Inhalt des Liebesbriefs erdichtet hat und die Mutter das Essen beendet und ihre Tochter, die so wunderbar von Thomas geschwärmt hat, ins Bett schickt. Ein alternatives und besseres Ende des Abendessens ist ja, wenn die Freundin oder der Freund anruft, um dann mit einem bis um zehn telefoniert. So wird man nicht nur vor den tödlichen Waffen der Schwester namens Worte gerettet, sondern auch vor dem Abdecken des Tisches. Man beendet das Telefonat mit den Worten „Check die Wurst, Alda“, „ Ok tschüh“ oder „Wir telen“ und legt auf. Auch wenn man bereits um zehn im Bett sein sollte, geht man erst eine halbe Stunde später ins Bett und ließt dann noch bis halb zwölf.
Für Sportler, Reiter und Soziale sieht der Alltag nach der Schule anders aus. Der Sportler kommt nach Hause, isst seine Pizza, packt seine Tasche für den Sportclub und radelt zum Verein. Von fünf bis acht spielt er Fußball, macht Athletik oder macht Cheerleading. Wenn er dann um halb acht wiederkommt, ist er zu erschöpft um sich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren, ruft also einen Freund an und lässt sich die Lösungen vorsagen. Um neun Uhr holt er sich einen Snack und kehrt in sein Zimmer zurück, um am Computer bei Facebook über seinen Tag zu berichten und irgendwelche Nichtigkeiten an die Pinnwand zu schreiben. Ist es schließlich spät genug um ins Bett zu gehen tut er dies ohne zu zögern, da er sehr erschöpft von Schule, Sport und Hausaufgaben vorgesagt bekommen ist. Er ließt noch in seinem Buch und schläft bereits um halb elf ein.
Der Reiter isst auch zu Mittag. Dann geht er mit Helm, Gerte und Reitstiefeln zum Reiterhof, sucht nach seinem Pferd und macht zunächst den Stall sauber. Er räumt die Pferdeäpfel und das stinkende Stroh aus, um es gegen das neue frische Stroh zu ersetzen. Das Pferd wird mit der Bürste gekämmt, die Mähne wird geflochten und die Hufe gesäubert. Ist das arme Tier dann geputzt und gepflegt genug, dass der Reiter sich traut, sich auf es zu setzten, ohne zu befürchten, dreckig zu werden, sattelt er sein Pferd und reitet mit ihm in dem Matsch der Koppel. Er zwingt das Tier über eine Konstruktion aus Stangen zu springen, dann über eine Pappmauer, über einen kleinen Teich um schließlich wieder zurück in den Stall zu reiten. Und ist das Wetter mal nicht sonnig und trocken, sondern regnerisch und kalt, muss das Tier dennoch über die Hindernisse in den Matsch springen. Es ist schon fast Tierquälerei dem Pferd so etwas anzutun. Fragt sich denn niemand, ob es überhaupt springen WILL? Möchte es denn Schleifchen und geflochtene Strähnchen in der Mähne haben? Will es in die mit Stroh ausgelegte Box zurück? Schließlich ist der Stall nicht beheizt. Dann steht das Ross in einem kalten, nassen, modrigen Stall und kann nur deprimiert aus dem kleinen Fenster in den Regen schauen.
Hat der Reiter genug vom Reiten, tritt er wieder den Heimweg an und lässt das arme deprimiert aus dem Fenster der unbeheizten Scheune guckende gepflegte Pferd zurück und denkt an die Tagesschau, die seine Eltern wieder verpassen werden. Da es auf der Koppel kalt, war duscht sich der Reiter mit warmen Wasser ab. Er isst zu Abend und setzt sich an den PC um mit seinem Freund, dem Sportler, bei Facebook zu unterhalten. Am Ende des Tages legt er sich erschöpft ins Bett und lernt schnell noch für den nächsten Schultag. Totmüde schläft er wie der Sportler um elf ein.
Der Soziale isst wie der Sportler und der Reiter seine Pizza zum Mittag. Er ist allerdings eine Sie. Daher isst SIE wie der Sportler und der Reiter IHRE Pizza zu Mittag. Sie greift sich das Telefon und telefoniert mit ihrer besten Freundin, um sich in zehn Minuten mit ihr zu treffen. Sie fährt zum verabredeten Ort (in diesem Falle zu einer Kanalbrücke, wo sie sich immer mit ihrer besten Freundin trifft) und setzt sich auf die andere Seite des Brückengeländers an die Kante. Sie wirft solange kleine Steinchen in das Wasser, bis ihre Freundin auf einem Fahrrad auftaucht und sich neben sie setzt. Zusammen fahren sie durch den Wald, entlang einer langen Straße und quatschen über den Sinn des Lebens. Die Freundin ist der Meinung, dass das Leben zu lang alt sei und zu kurz jung. Man wäre doch nur bis Mitte zwanzig noch jung genug für Partys, wilde Beziehungen und anderes. Dass dreißig die Zeit wäre, wo man einen Job sucht und Karriere macht, danach Kinder bekommt und in Ruhe alt wird. Und dass mit sechzig das Leben fast vorbei wäre. Man gehe in Rente, sitze mit anderen alten Frauen und Männern zusammen und spiele Bingo, sitze im Park und füttere Enten und warte auf den Tod.
Die Freundinnen begegnen verschiedenen Leuten, die sie kennen, halten an und reden mit ihnen. Zusammen gehen sie Eis essen, kaufen sich etwas zu Knabbern beim Supermarkt und setzten sich zurück an ihre Brücke, wo sie sich immer treffen und sich immer verabschieden. Sie sitzen dort, werfen Steinchen ins Wasser, essen die Süßigkeiten und reden. Sie reden über Vertrauliches, über Jungs, über Schule und alte Erinnerungen. Wie zwei alte Damen beim Kaffee reden sie über alte Erinnerungen. Sie lachen viel. Und so vergeht die Zeit. Mit Lachen und alten Geschichten. Es kommt ihnen so vor, als wäre es erst sechs, dabei sagt das Handy bereits acht Uhr. Die Soziale und die Freundin machen ihre Verabschiedung. Beide lachen über ihre dämliche Art sich zu verabschieden. Dann trennen sich ihre Wege. Beide fahren nach Hause. Die Soziale beschließt sich auch morgen wieder mit jemandem zu treffen. Zu Hause angekommen isst sie mit ihren Eltern und ihren Geschwistern zu Abend. Die Eltern reden über die verpasste Tagesschau, die Schwester über ihren Tag und wie anstrengend er doch war. Nach dem Essen räumt sie brav den Tisch ab, räumt die Spülmaschine aus und ein und setzt sich an den Computer um anderen bei Facebook ihren Tag mitzuteilen. Sie legt sich um zehn ins Bett und ließt ihre Bücher bis elf. Zusammen schläft sie mit dem Sportler und dem Reiter ein.
Das ist der Alltag eines Teenagers. Aufstehen, Schule, Hobbys, schlafen. Die meisten Erwachsenen beneiden sie um ihre Jugend. So frisch, so neugierig, so schwach und dennoch so stark. Bewundernswerte Miniaturen von einem selbst, die groß und größer werden. Einige größer als andere. Einige bleiben klein. Erwachsene sehen sich manchmal in einem Teenager. Sie sehen ihnen ähnlich oder verhalten sich wie sie. Dann sagen sie: „Ja, so war ich auch mal. Dumm und unwissend, nichts ahnend von der Welt. Kein Kind mehr aber auch nicht reif genug um als Erwachsener durchzugehen. Ich habe auch Fehler und Dummheiten gemacht. Und das ist doch das Schöne an der Jugend.“ Aber wenn dann ihr Nachwuchs auch einen solchen Fehler macht, dann heißt es, dass man dumm wäre. „Wie konntest du nur so etwas tun! Zu meiner Zeit hat es so etwas nicht gegeben“ Der Teenie sagt dann: „Aber wir sind nicht mehr in deiner Zeit! Das ist unsere Zeit!“, und der Erwachsene ist noch wütender. Er ist halt zu ignorant um andere zu verstehen. Die Erwachsenen verstehen die Jugend nicht, die Jugend versteht die Erwachsenen nicht. So ist das halt. Auch wenn ein Erwachsener mal ein Jugendlicher war und eigentlich wissen müsste, wie man sich in einer solche Situation als Teenie fühlt, beharrt er auf der eigenen Meinung und sagt, dass es so etwas nicht gegeben hat zu seiner Zeit. Es ist ein schlechtes Argument. Aber er will sein Kind nur erziehen. Ob es ihm gelingt, ist eine andere Frage.



Kind



Ich habe meine alten Aufzeichnungen aus der Grundschule angesehen und versuche in diesem Teil der Geschichte den Schreibstil zu imitieren. Das bedeutet: viele Grammatik- und Rechtschreibfehler. Ich vertausche absichtlich Zeitformen oder Erzählformen ( vom Ich-Erzähler zum Er-Erzähler, dann wieder zurück und wieder vertauscht.) Es mag etwas schwerer zu verstehen sein, wirkt jedoch etwas realer, so als hätte tatsächlich ein Drittklässler diesen Teil verfasst.



Alltag. Der Begriff allein sagt alles: man steht früh auf, schaut in den kleinen Spiegel und freut sich auf den heutigen Tag, die Mutter kommt und zieht einem die blaue Jeans und das T-Shirt an, man kämmt sich die Haare, geht runter Frühstück essen, ein Brot mit Nutella oder bunte Frühstücksflocken, dann geht man sich die Zähne putzen. Das Gefühl wieder einen wunderbaren und entdeckerischen Tag zu erleben geht durch den ganzen Körper, vom Kopf bis zu den Zehen, durch die kleinen Ärmchen und Beinchen bis in die Fingerspitzen. Es ist ein angenehmes Kribbeln. Schnell noch gucken, ob die Tasche gepackt ist. Alle Bücher sind drin. Also das Essensgeld einpacken und losmarschieren, ab in die Schule. Es gibt keine Staus, keine hupenden Autos und keine allzu große Hektik auf dem Weg in die Schule. Man versteht langsam, warum seine Eltern in einen Vorort gezogen sind und nicht in der Stadt geblieben sind. Aber man sieht so wenig spannende Sachen, da wird man auf dem Schulweg zum Selbstunterhalter und läuft rückwärts in die Schule. Oder wie die Schwester es so toll sagt, man wird zum kleinen unreifer Pisser, der nix besseres zu tun hat, als rückwärts in die Schule zu laufen. Und vielleicht sieht man ja meine Freunde auf dem Schuleweg. Oder heißt das doch Schulweg? Egal. Ich frage mich manchmal, wieso Schwesterchen mich immer kleiner Pisser nennt. Ich meine, ein Pisser, so sagt Mami, ist echt eckelhaft, und ich bin kein Pisser, „Schatz, du bist kein Pisser, du bist auch kein Idiot oder kleiner Futzi oder so. Du bist ein süßes kleines Kind, DASS NICHT SO WULKÄR IST WIE SEINE SCHWESTER! UND DU, JUNGE DAME. GEHST JETZT IN DEIN ZIMMER UND TUST DEN KRAM FÜR SCHULE! Mein Gott! Als ob die Arbeit nicht schon genug Stress wäre. Ok, Schatz, vergiss alles, was du grad gehört hast und iss den Spinat.“ So ist das immer mit Schwesterchen und Mami. Die beiden lieben sich auf eine andere Weise, so sagt Papa das nach dem Mami fertiggeschrien hat. Aber ich war doch gerade beim Rückwärtslaufen-In-Die-Schule-Vielleicht-Treff-Ich-Ja-Meine-Freunde-Beschreiben. Alsoooo! Das mach ich halt beim in die Schule laufen, das Rückwärtslaufen in die Schule. Wir gehen ja alle in die Schule. Und die Lehrer sagen immer, dass alle Menschen gleich sind. Und dann schau ich mich um und sehe, dass ich nicht aussehe wie der eine da hinten mit der dicken Brille und der komischen Hose... aus Kort oder so ist die doch. Über den lachen alle und ich weiß nicht warum. Er ist doch ganz nett und lieb aber er schleimert sich bei der Lehrerin mit den blonden Haaren und den lippenstiftroten Lippen ein. Die ist toll. Und da erkenne ich, dass ich Gott sei Dank, nicht so einer bin wie der mit der Brille. Und ich schaue dann den großen Jungen neben mir rechts an. Der ist groß. Und schlank und hat so ein tolles Fahrrad. HALT! Das ist ein Vorurteil. Bei uns Drittklässlern geht es nicht immer um „Wer hat das beste Fahrrad“ sonder mehr darum, wer auch keine besten Hotweels hat oder so was. Sondern wer am weitesten Kürschkerne spuckt. Das machen wir in der Pause und der Große (er ist bereits einen Meter und sieben und dreißig hoch) schafft es immer die Kerne sooo weit zu spucken. Er hat auch einen Vorteil. Er ist riesig. Aber er hat eine Zahnspange und er hat auch ganz alte Kleider an. Zwar ist seine Kleidung von Nike oder Adidas aber die ist so hässlich und abgetragen. Und wenn ich ihn angucke bin ich genauso froh nicht er zu sein, wie ich froh bin, nicht der da mit der Brille zu sein, der sich einschleimert. Und da gebe ich den Lehrern immer Unrecht, weil ich nicht wie der und der bin. Wieso behaupten sie dann, dass wir alle gleich sind? Oder ist das wieder diese Erwachsenensprache. Ich beschreibe jetzt mal so eine Sache bei uns in der Klasse, die geht so. Alle Jungs hassen die Medchen. Ich weiß nicht genau wieso, aber alle hassen alle. Also die Medchen und die Jungen. Ne, das heißt ja Mädchen. Das war erst seit ein paar Wochen so. Da hat auf einmal der Hass angefangen. Davor haben wir uns im Klassenraum zu Sport das Sportzeug angezogen und jetzt verstecken sich die Mädchen und die Jungs gucken so komisch. Und dann hat ja ein Mädchen mit einer Flasche nach den Jungs geworfen. Dann hat es Geschrei gegeben und alle haben von der Klassenlehrerin so Erger bekommen, dass wir jetzt immer eine Klassengesprächsrunde mit der Lehrerin machen und sagen, dass wir sowas wie Frühreif oder so sind, dass die Jungs gerne nach Mädchen schauen.Und dann buhen wir sie aus. Aber ich glaube in Wahrheit gebe ich der Lehrerin recht. Ich meine, ist das normal, dass ich gerne zu einem der Mädchen herüberschaue und wenn sie guckt dann rot werde? Aber das sage ich keinem. Alle Jungs hassen ja die Mädchen und wenn dann ich komme und dann sage, dass ich immer nach dem Mädchen schaue, da hassen mich alle auch ganz sicher.
In den Pausen machen die Mädchen immer ganz komische Sachen. Die setzten sich einfach hin und reden. Oder sie wollen doch mit den Jungen Fußball oder Baskätball spielen. Aber das machen nur die großen Kinder von den fünften und sechsten Klassen. Unsere Mädchen spielen immer Spiele wie über ein Gummiband hüpfen und ein Lied dabei zu singen. Oder sie tuen so als ob sie auf einem Reiterhof Pferde reiten. Oder sie sitzen auf dem Klettergerüst und reden auch. Die Jungs von den oberen Klassen spielen wirklich mit den Mädchen Fußball und lachen dabei noch. Dann komme ich zu den anderen Jungs und frage sie, warum wir das nicht auch mit den Mädchen machen. „Weil die zickig sind. Und sie hassen uns und wir hassen sie und dabei bleibt es bis an das Lebensende.“ „Und was ist mit unseren Eltern? Die sind auch ein Mädchen und ein Junge und die mögen sich.“ „Die sind ja auch gruselig.“ „Meine Eltern sind nicht gruselig.“ „Dann ist das halt so eine Elternsache, die wir nicht verstehen dürfen.“ Und dann fangen wir an Fußball ohne Mädchen zu spielen. Oder wir hängen uns an die Metalltore und reden über Mädchen. Manchmal läuft das eine Mädchen, dass ich immer angucke vorbei und ich werde rot und die anderen fragen, warum wirst du rot und ich lasse mir eine Ausrede einfallen.
Nach der Schule gehen alle nach Hause oder treffen sich mit Freunden. Ich gehe nicht raus. Ich mache erst Hausaufgaben. Schwesterlein kommt auch irgendwann nach Hause, nennt mich „Hi, kleiner Pisser“ und ich nehme es nicht ernst und sie fragt was es zu essen gibt. Dann sage ich, dass ich es nicht weiß. Dann sagt sie „Du bist so nutzlos. Los, mach Pfannkuchen, und wenn ich bis um halb drei keine bekomm' hab, schlag ich dir die Birne ein.“ Aber das macht sie eh nicht. Ich mache aber Pfannkuchen und sie kommt und umarmt mich und wir essen zusammen. Wir lachen. Wir erzählen von unserem Tag und ich zeige ihr meine Hausaufgaben. Sie geht alles durch und nennt mich „nutzloser, kleiner Pisser“ und geht mit mir zusammen die Fehler durch. Ich glaube „Pisser“ heißt so etwas wie Pullermann. Und sobald dann die Tür klingelt macht sie ihr böses Gesicht, schreit plötzlich herum, öffnet die Tür, lässt ihren Freund rein, den sie, IGITT!, mit einem dicken Kuss begrüßt. Dann fragt er, wieso sie so geschrien hat und sie sagt, ich wäre böse gewesen. Sie dreht sich und ihn um, sodass wir uns angucken und zwinkert, um darauf den berüchtigten und gefürchteten „Wehe du sagst ein Wort dazu“-Blick zu machen. Laut trampelnt und kichernd laufen dann beide in ihr Zimmer. Dann knallt die Tür und ich höre nichts mehr. Manchmal lausche ich an der Tür, dann höre ich nur so ein Schmazen und manchmal reden sie über irgendwelche komischen Sachen, die der andere dann mit „Du Perwerßling“ oder „Sowas sagt man doch nicht, hihihi.“ kommentiert. Und irgendwann geht sie dann mit ihrem Freund nach draußen zum Pferdehof um zu reiten. Was das Pferd wohl dazu sagt, bei diesem Regenwetter reiten zu gehen...
Und dann kommt Mami nach Hause. Das ist immer um sechs oder manchmal später, wenn sie zum Supermarkt geht oder im Verkehr stecken bleibt. Sie geht auch nochmal meine Hausaufgaben durch aber sie achtet nicht immer darauf sondern schaut nervös auf die Uhr, damit sie bald kochen kann, damit Papa und sie nicht die Nachrichten im Fernseher ferpassen. Schwesterchen kommt auch nach Hause und sieht glücklich aus. Dreckig und glücklich und nass vom Regen. Dann geht sie duschen. Und dann essen wir zu Abend und Papa regt sich auf, weil er die Tagesschau verpasst hat. Und dann kommt irgendwann auch meine andere Schwester nach Hause und erzählt von einem Liebesbrief und so einem Kerl namens Thomas und ich verstehe nicht, worüber sie redet. Da ruft plötzlich jemand das Telefon an und meine große Schwester hebt ab und verschwindet in ihr Zimmer. Wir alle, bis auch meine Telefonierende Schwester, decken den Tisch ab und machen uns alle bettfertig. Mami stellt sich bei Zähneputzen neben mich und singt das Zahnputz-Lied

Und wir put-zen unsre Bei-ßer-chen
rauf und runter, rauf und runter
das ma-chen wir gleich zwan-zig mal
1, 2, 3, 4
5, 6, 7, 8, …

Dann put-zen wir die Ba-cken-zähne
hin und her, hin und her,
das ma-chen wir gleich zwan-zig mal
1, 2, 3, 4,
5, 6, 7, 8, …

Ich gebe zu, ich bin etwas alt dafür aber ich finde das Lied lustig und außerdem mache ich dann etwas mit meiner Mutter. Das machen wir nicht oft, weil sie selbst sehr erschöpft abends ist. Ich gehe in mein Bett und Papa kommt hoch und ließt mir und meiner Schwester etwas vor. Es ist schon neun Uhr, deshalb liest er heute nur eine kurze Geschichte vor. Meine Schwester, die schon in der sechsten Klasse ist, hört aber auch zu. Aber meine ganz große Schwester, die mich immer Pisser nennt, die ist im Zimmer am Komputa und ist im Internät um da mit Freunden zu reden. Sie darf bis zehn Uhr wach bleiben. Das ist etwas ungerecht, finde ich, und meine Schwester auch. Aber weil ich müde werde schlafe ich auch schnell ein.
Und man schläft solange, bis die Schwester in das Zimmer der beiden Kinder kommt und sie weckt. Mutter ist auch schon wach und alles beginnt von vorne.

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Tag der Veröffentlichung: 18.09.2011

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