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"Guten Tag, Sie wünschen?"
Verwirrt schaute der weißbärtige Mann im langen, weißen Gewand auf das schwarzhaarige Geschöpf, das sich da vor seiner Nase aufgebaut hatte.
"Sind Sie denn angemeldet? Haben Sie eine Zugangsberechtigung erhalten?"
Die Frau schüttelte den Kopf, dass die dunklen Haare flogen.
"Nein, ich wurde nicht eingeladen. Und eine Zugangsberechtigung hab ich auch nicht."
Der alte Mann wiegte bedächtig das von wirrem weißem Haar gekrönte Haupt.
"Na, tut mir leid, dann kann ich Sie auch nicht reinlassen. Die Regeln sind streng, da könnte ja jeder kommen."
"Ich bin aber nicht jeder. Außerdem will ich ja auch gar nicht bleiben. Ich suche nur jemanden. Und wenn ich ihn gefunden habe, dann gehen wir wieder, versprochen."
Entsetzt kam die Antwort: "Nein, das geht aber gar nicht! Sie können doch nicht einfach hier Einlass verlangen, um eines unserer Mitglieder zu entführen!"
"Von Entführung kann hier gar nicht die Rede sein. Ich will doch niemanden zwingen! Nee, nee, der geht schon freiwillig mit, das hat er versprochen."
Neugier regte sich in dem alten Herrn: "Versprochen? Ja, wer würde denn so etwas versprechen? Das macht doch gar keinen Sinn! Erst gibt man sich ewig Mühe, um hier eingelassen zu werden und dann verspricht man, dass man nicht bleibt? Das kann ich nicht glauben!"
Die Frau wirkte leicht genervt.
"Nun, guter Mann, da haben Sie mich wohl falsch verstanden. Tatsächlich ging es in dem Versprechen nicht um die Mitgliedschaft in Ihrem exlusiven Club, sondern um eine Partnerschaft. So wie ein Eheversprechen, in etwa."
"Aber der Text lautet doch: bis dass der Tod Euch scheidet ..."
"Jaja, die Version für Anfänger. Bei uns hieß das für immer. Auf ewig und immer," wurde er rüde unterbrochen, "und für immer heißt für immer, nicht bis mir vielleicht der Tod oder ähnliches dazwischenkommt. Bis in alle Ewigkeit, jawohl."
"Ja und wieso ist er dann hier?"
"Ich weiß ja gar nicht genau, ob er hier ist, ich vermute es nur stark. In der Hölle ist er jedenfalls nicht, da war ich zuerst, mit Zugangsberechtigung. Da war er aber nicht, also bin ich wieder gegangen ..."
"Sie sind wieder gegangen? Aus der Hölle?"
Der alte Mann wirkte erschüttert.
"Was hat denn der Teufel dazu gesagt?"
"Ach, der wollte genauso diskutieren wie Sie. Aber schlußendlich musste er einsehen, dass ein Versprechen ein Versprechen ist. Punkt. Dann bin ich von der Hölle in den Hades gegangen, man weiß ja nie, außerdem lag´s auf dem Weg. Der Fährmann wollte auch diskutieren, das scheint bei Euch so eine Art Berufskrankheit zu sein. Da war er aber auch nicht. Im Zwielicht: nichts. Zwischen den Welten: nichts. Wenn er hier auch nicht ist, muss ich ins Paradies - das würd ich gern vermeiden, nicht dass so ein Gotteskrieger mich noch für eine seiner siebenundsiebzig Jungfrauen hält. Also, mein Freund, würden Sie jetzt mal bitte das goldene Gatter da aufsperren? Oder haben Sie hier sowas wie eine Aufruffunktion? Sie haben doch auch bestimmt eine Liste, da können Sie doch mal nachschauen, ob er da ist. Sparen Sie uns den ganzen Ärger und blättern Sie ein bißchen, ja? Seien Sie ein lieber Heiliger!"
Kopfschüttelnd stand der alte Mann da, in den Äonen seines Dienstes war ihm so etwas noch nicht untergekommen.
"Sagen Sie mal, junge Frau, warum sollten Sie eigentlich in die Hölle? Haben Sie kein gottgefälliges Leben geführt?"
"Weiß nicht, ich hatte keine Gelegenheit, darüber mit Gott zu sprechen."
"Ja, aber, aber Sie müssen doch wissen, was Sie verbrochen haben ..." stammelte der Weißhaarige.
"So ganz genau, dass ich sagen könnte: Genau da hab ich´s verbockt? Nö. Ich hab nach meinen Regeln gelebt und an die hab ich mich gehalten. Die gingen wohl mit Ihren Geboten nicht so ganz konform."
Die Frau grinste breit.
"Ich beschwer mich nicht. War ganz lustig da unten in Teufelshausen, schön warm, gute Musiker, alle guten Schriftsteller - da hat man immer Gesprächspartner. Und wenn einem langweilig wird, guckt man sich die geplagten Seelen der Typen an, die man nie leiden konnte. Daraus könnte man eine prima Touristenattraktion machen: besuchen sie die Hölle und sehen sie George Double U beim gebraten werden zu."
Die Erinnerung brachte sie zum kichern.
"Darüber kommt man noch nicht mal nach dem Tod hinweg, die Schadenfreude bleibt. Und nun seien Sie so gut und schicken mir meinen Liebsten, dann verziehen wir uns. Wir haben noch die Ewigkeit vor uns, da darf man keine Zeit verplempern!"
"Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen. Wenn Ihr Mann hier Einlass gefunden hat und Sie nicht, dann soll es wohl nicht sein."
Ein bißchen mulmig wurde ihm schon, als die grünen Augen der Frau ihn plötzlich zornig anblitzten.
"Das liegt wohl nicht in Ihrem Ermessen, guter Mann. Sie können meinen Liebsten hier nicht gegen seinen Willen festhalten, das ist Freiheitsberaubung! Sowas ist strafbar! Außerdem sollten Sie doch wohl nicht versuchen, einen anständigen Menschen an der Erfüllung eines Versprechens zu hindern, oder? Das dürfte wohl gegen Ihre Regeln sein. Rufen Sie bitte den Geschäftsführer!"
"Den Geschäftsführer?"
Der alte Mann erbleichte.
"Sie erwarten doch wohl nicht wirklich von mir, dass ich Gott, den Herrn, wegen so einer Lappalie belästige?"
"Eine Lappalie? Geht´s Ihnen noch gut? Die ewige Liebe, eine Lappalie? Liebe ist doch das, was Ihre Konsorten auf Erden immer predigen. Und da leben sie schon dran vorbei! Geht´s hier etwa genauso zu wie auf Erden?"
Die Frau wurde sichtlich zornig.
"Wenn Sie jetzt nicht sofort tun, was ich sage, dann wird das Konsequenzen haben! Ich mache das hier Erlebte publik! Ich ziehe Ihrer Organisation den Boden unter den Füßen weg und beschwere mich an höchster Stelle! Über Sie persönlich!"
"Nana, junge Frau, beruhigen Sie sich. Setzen Sie sich erst mal und trinken Sie in Ruhe ein Tässchen Manna. Ich werd mal sehen, was sich machen lässt. Wo wollen Sie denn überhaupt hin, wenn Sie Ihren Geliebten gefunden haben?"
"Erstmal Walhalla, ordentlich was essen und ein bißchen Party machen. Dann schauen wir mal weiter."

Kopfschüttelnd und ein bißchen frustriert wandert der alte Mann von dannen, während die Frau vor dem Himmelstore sitzt, mit übereinandergeschlagenen Beinen, an ihrem Tässchen Manna nippend und ganz sicher ist, dass ihrem Willen entsprochen wird. Auch Petrus ist eben nur ein Mann.

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Tag der Veröffentlichung: 27.03.2009

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