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Es war einmal vor langer, langer Zeit in einem Land weit, weit entfernt von hier, da lebte zurückgezogen im Grauen Wald ein kleiner Zwerg namens Fido. Im Gegensatz zu den anderen Zwergen, die fast ihr ganzes Leben in den Bergwerken verbrachten, um ihre unermesslichen Schätze noch weiter zu mehren, lag Fido diese Arbeit überhaupt nicht. Er mochte es nicht, den ganzen Tag tief unter der Erde nach Erzen und Edelsteinen zu graben. Aber am meisten störte ihn die Selbstsucht der anderen Zwerge. Nie gäben sie freiwillig etwas von ihren Schätzen her, nur um jemand anderem zu helfen oder gar eine Freude zu machen. Fido war da anders. Schon sehr früh hatte er erkannt, wie gerne er sich auf der Erdoberfläche aufhielt und ganz besonders in seinem über alles geliebten Grauen Wald. Er fand hier ebenfalls allerhand Schätze, die seine Fantasie beflügelten und ihm so halfen, wunderschöne und einmalige Holzfiguren zu schnitzen. An seiner Kunst konnte niemand sich messen. Aber er wollte damit keinen Reichtum anhäufen. Nein, er nutzte seine besondere Gabe dazu, anderen ein wenig Glück zu schenken. Denn kaufen konnte man seine kleinen Meisterwerke nicht. Eigentlich wusste auch niemand so recht, wo Fido zu finden war. Er war immer derjenige, der diejenigen fand, die seiner Hilfe bedurften und das war auch gut so. Schließlich wollte Fido ja auch nicht, dass mit seinen Figuren Schabernack getrieben wurde oder gar Schlimmeres. Und so lebte er in seinem kleinen Häuschen, welches versteckt unter der Wurzel einer alten und mächtigen Eiche lag, glücklich und zufrieden.

Inzwischen hatte sich die Kunde vom Zwerg, der einem das Glück schenken konnte, nicht nur im nahe gelegenen Dorf wie ein Lauffeuer verbreitet. Nein, man sprach inzwischen im gesamten Land von Fido.

So erfuhr auch der König eines Tages von ihm. Augenblicklich breitete sich ein kleiner Funken neuer Hoffnung in ihm aus. Denn seine Gemahlin und er wünschten sich bereits seit vielen Jahren ein eigenes Kind, aber immer war ihnen ihr größter Wunsch verwehrt geblieben. Über die Jahre wurde seine geliebte Königin immer trauriger und trauriger, bis sie schließlich nur noch ein Schatten ihrer selbst war. Er wollte, nein, er konnte das nicht länger mit ansehen. Nicht, wenn er vielleicht endlich eine Möglichkeit gefunden hatte, wie er ihr helfen konnte, endlich wieder glücklich zu sein.

Schnell machte er sich auf den Weg, um nach dem Zwerg zu suchen. Als er endlich den Ort erreicht hatte, zu dem ihn die Erzählungen der Leute geführt hatten, wusste er zum Anfang nicht, wie er es anstellen sollte, dass der Zwerg ihm half. Schließlich war er der König und jeder in seinem Land ging davon aus, dass es einem König einfach gut gehen musste - dass ein König keine Sorgen, Ängste oder Nöte kannte. Aber auch ein König war nur ein Mensch und so hatte auch er mit solchen Dingen zu ringen.

Mühsam schlug er sich durch das dichte Unterholz des Grauen Waldes, nicht wissend, ob er in die richtige Richtung ging oder nicht. Doch kurz bevor die Dämmerung der Dunkelheit der Nacht wich, sah er zwischen zwei Bäumen vor sich eine große Eiche aufragen. So einen mächtigen Baum hatte er noch nie gesehen. Und unten aus seiner Wurzel stiegen leise ein paar Rauchschwaden auf. Erst als er dichter herantrat konnte er das winzige Häuschen erkennen, dass durch die riesigen Wurzeln geschützt und wohl versteckt stand. Etwas unsicher blieb er davor stehen.

In einem kleinen Fenster des Häuschens konnte er einen Lichtschein erkennen. Kurz darauf wurde die kleine Tür geöffnet und ein Zwerg, nicht größer als ein Kleinkind, trat heraus. Er begrüßte den König freundlich und fragte, wer er wäre und was er von ihm wolle.

Erst wollte der König ihm sagen, wen er vor sich hatte. Er wollte dem Zwerg einfach befehlen, ihm das Glück zu geben und dann wieder nach Hause zurückkehren. Aber dann, als er Fido ins Gesicht schaute und seine freundlichen und gütigen Augen sah, entschied er sich anders. Er erzählte ihm nur davon, dass seine Gemahlin und er sich schon immer ein eigenes Kind gewünscht hatten und das dies ihnen trotz all der langen Jahre des Hoffens nie vergönnt worden war. Der König berichtete weiter, wie er von Fido erfahren hatte und sich sogleich auf den Weg zu ihm begab, um ihn um seine Hilfe, um ein klein bisschen Glück für seine geliebte Frau zu bitten, da er sie endlich wieder lachen und glücklich sehen wollte.

All dies hörte sich Fido schweigend an. Als der König mit seiner Erzählung geendet hatte, bat Fido ihn Platz zunehmen und machte sich sogleich an die Arbeit. Erst am Morgen hatte er ein wunderschönes Stück Baumstamm im Wald gefunden. Ihm war sogleich klar gewesen, dass dieses Holz für eine ganz besondere Arbeit gedacht war. In Windeseile fuhr Fido mit seinem kleinen Messer über das Holz. Immer und immer wieder. Und endlich war er fertig. Ohne den König anzuschauen, nahm Fido seine Arbeit mit ins Haus, nur um bereits wenige Augenblicke später, nun aber mit einem Bündel auf den Armen, wieder herauszutreten.

Der König war sehr erstaunt, was Fido ihm da wohl bringen mochte, aber als er ihm dann das Bündel in die Arme legte und sein Blick darauf fiel, verschlug es ihm den Atem. In seinen Armen lag ein wunderschönes Baby. Zwar war es aus Holz geschnitzt und keinesfalls ein echtes Kind, aber vom ersten Moment an verliebte er sich in die kleine Holzpuppe. Er dachte bei sich, dass, wenn es ihm schon so ginge, diese kleine wunderschöne Babypuppe seiner Frau auch wieder ein wenig Freude schenken konnte. Er wusste gar nicht, wie er Fido danken sollte, denn Geld und Reichtümer begehrte der kleine Zwerg nicht. Das einzige, was er ihm versprechen sollte, war, dass er zeitlebens niemanden jemals den Weg zu seinem zu Hause verraten sollte. Denn der König war bisher der Einzige, der jemals den Weg zu ihm gefunden hatte und dass sollte auch so bleiben.

Fido betrachtete den König und das Holzbaby vor sich. Er war überrascht, dass dieser ihm immer noch nicht verraten hatte, dass er der König dieses Landes war, sondern seine Bitte als ganz gewöhnlicher Mann an ihn herangetragen hatte. Dieser Mann war seiner Hilfe wirklich würdig und so schritt Fido abermals auf ihn zu und strich der kleinen Holzpuppe in den Armen des Königs dreimal über ihr zierliches Köpfchen. Dann blickte er dem König in die Augen und sprach zu ihm: "Dies ist das Glück, dass ich euch schenken kann. Sorgt gut dafür, dann wird es euch immer Freude bereiten." Mit diesen Worten drehte Fido sich um und kehrte in sein Häuschen zurück.

Der König, nun überglücklich, endlich die lang ersehnte Hilfe für seine geliebte Gemahlin in Armen zu halten, ritt so schnell er konnte zurück zum Schloss. Als er den großen Saal betrat, saß die Königin auf ihrem Thron und sah aus, als ob die Last der ganzen Welt auf ihren schmalen Schultern lastete. Zwar spielten die Musikanten fröhlich Lieder und der Hofnarr machte seine Späße, aber nichts half, die Königin zu erfreuen.

Erst als er direkt vor ihr stand, bemerkte sie überhaupt seine Anwesenheit. Ihr Blick wanderte zu dem Bündel in seinen Armen. Als sie erkannte, was er mitgebracht hatte, stand sie auf und überbrückte die kurze Distanz zwischen ihnen. Vorsichtig nahm sie die kleine Puppe in ihre Armen und wiegte sie, als ob es ein richtiges Baby wär. Das erste Mal seit schier unendlich langer Zeit war ein Lächeln im Gesicht der Königin zu sehen. Sie sah ihren Gemahl an und ihr Blick war voller Leben, Liebe und Dankbarkeit. Leise stahlen sich ein paar Tränen aus ihren Augen fort. Aber es waren nicht länger Tränen der Trauer, sondern der Freude. Und drei dieser Tränen fielen genau auf das kleine Gesichtchen der Puppe in ihren Armen. Als die letzte Träne das Holz erreicht hatte, fing die Puppe an zu strahlen. Dieses Licht war so gleißend hell, dass alle Anwesenden ihre Augen schließen mussten, um nicht geblendet zu werden. Kurz darauf verschwand es wieder, so schnell, wie es gekommen war. Der König und die Königen öffneten im selben Augenblick die Augen. Sie blickten hinab auf das kleine Bündel und wollte ihren Augen nicht trauen. Das was die Königin in ihren Armen hielt, konnte einfach nicht möglich sein. Doch der Zwerg hatte Recht behalten. Er hatte ihnen das größte Glück auf Erden geschenkt, denn aus der Holzpuppe war ein richtiges Baby geworden. Eine wunderschöne kleine Prinzessin. Ab diesem Tag achtete das Königspaar gut auf ihr kleines Mädchen, auf das lang ersehnte Glück, das ihnen nach so vielen Jahren nun doch noch zuteil wurde.

Und so lebten sie von nun an glücklich und zufrieden, bis an ihr Lebensende.


*** Ende ***

Impressum

Texte: Jessica P. (Ayaluna)
Bildmaterialien: http://www.zeno.org/Bildpostkarten
Tag der Veröffentlichung: 18.01.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine kleine Klara, die es liebt mit mir die verschiedensten Geschichten zu erfinden. Ich hab dich lieb, mein kleiner Sonnenschein!

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