Eve und Bobby sind seit drei Jahren ein Paar und haben den Plan umgesetzt, straffällig gewordene und aus schlechten Verhältnissen stammende Jugendliche aufzunehmen. Trotz der neuen Aufgabe sehnt sich Eve nach einem eigenen Kind, doch Bobby ist nicht bereit, eine Familie zu gründen und Eve weiß nicht, wie sie ihre Freundin überreden soll, diesen Schritt zu wagen. Überfordert und uneinsichtig zieht sich Bobby zurück. Statt mit Eve offen über ihre Gedanken und Gefühle zu reden, wendet sie sich mehr und mehr der geheimnisvollen Jenny zu, die eines Tages auftaucht und nur Probleme verursacht. Einmal mehr müssen sie um ihre Liebe kämpfen und am Ende wird sich zeigen, ob die beiden Frauen stark genug sind, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Copyright © 2018 Nathalie C. Kutscher – publiziert von telegonos-publishing
www.telegonos.de
(Haftungsausschluss und Verlagsadresse auf der website)
Cover: Kutscherdesign
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Danksagung:
Da es immer Menschen gibt, die einem Autor Hilfestellung geben, möchte ich mich an dieser Stelle bei einigen davon bedanken.
Als Erstes bei Thorsten, meinem Mann, der es mit meinen »kreativen« Launen aushält, der sich jeden Klappentext so lange anhören muss, bis er perfekt ist und der sich daran gewöhnt hat, mich mit all den liebgewonnenen Protagonisten zu teilen.
Danke an Emilia und ihrer tollen Gruppe, durch deren Motivation und Feedback Eve und Bobby zu einem zweiten Roman gekommen sind.
Danke an Angela, die ich zu medizinischen Fragen löchern durfte. Und zum Schluss danke ich Anna und ihrer Freundin Lien in Amerika, die mir bei der Recherche zur Gesetzeslage in Oklahoma geholfen haben.
Honeymoon in Oklahoma
»Mach’s gut, Dex.« Eve nahm den jungen Mann, der bepackt mit Taschen und einem Rucksack auf dem Hof der Bird Creek Ranch stand, in die Arme und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. »Ich bin verdammt stolz auf dich.«
»Du wirst ihn noch umbringen, wenn du ihn weiter so drückst«, sagte Bobby, die darauf wartete, dass Dexter endlich seinen Kram im Auto verstaute.
»Schon gut.« Eve schniefte und lächelte Dexter aufmunternd zu. »Wenn du irgendetwas brauchst, ruf uns an, okay? Ich wünsche dir alles Gute auf dem College, du packst das schon.«
Der junge Mann nickte, verabschiedete sich von den beiden Frauen und stieg zu Archie in den Wagen. Winkend sahen Eve und Bobby ihm nach, bis Eve theatralisch seufzte.
»Heul jetzt bloß nicht«, warnte Bobby. »Sie gehen irgendwann, es sind keine Kinder mehr.«
»Ich weiß. Und dennoch fällt es mir jedes Mal schwer, sie fortzulassen.« Eve war bedrückt, wenngleich sie sich für die jungen Leute freute, die sie betreut hatte und die jetzt bereit waren, in ein eigenes Leben zu starten.
Seit zweieinhalb Jahren lebte Eve auf Bird Creek und hatte gemeinsam mit Bobby das Projekt »Eddy« gegründet. Derzeit lebten sechs Jugendliche auf der Ranch und halfen bei der täglichen Arbeit, als Maßnahme zur Resozialisierung, denn einige von ihnen hatten bereits in Jugendhaft gesessen, andere kamen mit erhebliche Drogenproblemen, die sie mit therapeutischer Hilfe aber überwanden. Dexter war einer der Ersten gewesen, die vor zwei Jahren eingezogen waren. Seine Mutter war an einer Überdosis gestorben, der Vater saß im Gefängnis. Durch eine Sozialarbeiterin kam Dexter auf die Ranch, ansonsten wäre er vermutlich wie sein Vater geendet. Vom verschlossenen, verbitterten Sechzehnjährigen hatte er sich zu einem verantwortungsvollen jungen Mann entwickelt, der jetzt sogar auf dem Weg ins College war. Natürlich endete nicht jede Geschichte so erfolgreich, dennoch liebten die Frauen das, was sie taten und Eve neigte dazu, die jungen Menschen wie eine Glucke zu umsorgen.
»Ich kann gar nichts dafür«, sagte sie jetzt, als sie das Stroh im Pferdestall erneuerten. »Meine biologische Uhr tickt. Ich werde bald dreiunddreißig Jahre alt und ja, ich glaube, ich bin bereit für ein Baby.«
Bobby hielt in ihrer Bewegung inne und sah ihre Lebensgefährtin finster an.
»Habe ich vielleicht auch noch ein Wörtchen mitzureden bei deiner Familienplanung? Du weißt, dass ich keine Kinder möchte.«
»Ja, das hast du damals mal erwähnt. Aber ich dachte, jetzt, wo wir schon so lange zusammen sind, hätte sich deine Meinung geändert.«
»Hat sie nicht!« Ärgerlich stieß Bobby die Heugabel ins Stroh. »Es ist perfekt, genau so, wie es ist. Wir können tun und lassen, was wir wollen, ausgehen, Sex haben - das alles geht nicht so spontan, wenn wir ein Baby haben.«
»Tja, und wann tun wir diese Dinge?«, gab Eve schnippisch zurück. »Wann waren wir das letzte Mal aus, Bobby? Und Sex ... hatten wir den nicht erst neulich? Am Neujahrstag? Oh warte, das ist vier Wochen her.«
Bobby warf ihr einen beleidigten Blick zu. Sie fühlte sich nach wie vor zu Eve hingezogen und liebte sie, wie sie noch nie einen Menschen geliebt hatte. Aber dieses pausenlose Geplapper über ein Baby ließ Bobbys Libido schwinden. Warum wollte Eve alles kaputtmachen? Sie hatten ein so schönes, harmonisches Leben oder redete sie sich das nur ein? Für Bobby stand fest, dass sie keine Kinder wollte, und entweder Eve fand sich damit ab, oder ließ es bleiben und musste dann für sich die Konsequenz daraus ziehen.
»Willst du Sex haben? Wir können sofort miteinander schlafen, hier, auf der Stelle«, giftete sie provokant und knöpfte bereits ihre Jacke auf.
»Du spinnst doch«, entgegnete Eve. »So war das gar nicht gemeint. Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass wir längst nicht mehr so spontan sind, wie du es dir einredest. Außerdem geht es nicht immer nur um dich.« Eve belud eine Schubkarre mit altem Stroh und fuhr damit aus dem Stall. Bobby blieb seufzend zurück. Sie musste ganz schnell etwas unternehmen, um ihre Beziehung wieder auf Vordermann zu bringen. Irgendwie reichte zurzeit der kleinste Funke, um aus einer Lappalie einen Streit zu provozieren.
Während Eve das alte Stroh hinter dem Stall entsorgte, schlenderten zwei der Jugendlichen lässig an ihr vorbei und hoben kurz die Hände zum Gruß. Wehmütig schaute Eve ihnen nach, bis sie in den Arbeiterunterkünften verschwunden waren. Sie wusste, warum Bobby sich so gegen das Thema Kinder sperrte. Auch sie war einst eine von diesen Kids gewesen, die alleingelassen auf der Straße lebte und Eltern hatte, die es nicht interessierte, dass sie existierte. Aber Bobby war erwachsen und diese Zeit lag ewig lange hinter ihr. Sie musste doch wissen, welch großartiger und liebenswerter Mensch sie war. Eve war sich aber durchaus bewusst, dass sie das Thema nicht weiter vertiefen durfte, denn je mehr sie auf Bobby einredete, desto mehr verschloss sie sich. Es würde sich sicherlich irgendwann alles von selbst regeln. Sie wollte Bobby auf keinen Fall verlieren, also würde sie warten.
»Eve«, rief jemand ihren Namen und holte sie damit zurück in die Realität. »Doktor Connor ist da.«
Sie nickte, stellte die Schubkarre beiseite und lief auf den Hof. »Danke, Mayla«, sagte sie zu dem dunkelhäutigen Mädchen, welches sie gerufen hatte. »Möchtest du zusehen? Doktor Connor und ich werden jetzt ein Kalb auf die Welt bringen.«
Mayla zog große Augen, unterdrückte einen Würgereiz und lief kopfschüttelnd davon. Eve lachte aus vollster Kehle und begrüßte Matt, der soeben aus seinem Wagen stieg. Es gab eine Zeit, da war er in sie verliebt gewesen und war schwer enttäuscht, als sie sich für Bobby entschieden hatte, weil sie feststellte, dass sie sich zu Frauen hingezogen fühlte. Doch das war Vergangenheit. Mittlerweile waren sie gute Freunde und hin und wieder half Eve ihm in der Praxis aus oder - so wie heute - bei komplizierten oder für sie ungewohnten Eingriffe.
»Na, verschreckst du die Kids? Ich dachte eigentlich, ihr zieht mir hier Nachwuchstierärzte heran«, lachte er und drückte sie kurz an sich.
»Verwöhnte Stadtkinder.« Sie zwinkerte ihm zu. »Die wissen einfach nicht, was gut ist.«
»Wie sieht es aus? Hast du zwischendurch nach Ellen gesehen?«, erkundigte er sich nach dem trächtigen Rind, während er seine Tasche nahm und ihr in den Stall folgte.
»Ja. Sie hat Wehen, aber es tut sich nichts. Das Kalb dreht sich nicht und sie ist mittlerweile so schwach, dass sie es nicht mehr alleine schafft.«
»Dann wollen wir mal sehen, was wir für die werdende Mutter tun können«, antwortete Matt. »Ist bei euch alles in Ordnung?«
»Ja, aber sicher.« Eve lächelte. Warum sollte sie ihre Freunde mit ihren Problemen belasten? »Und bei dir? Wie läuft es mit ... wie hieß sie noch?«
»Kerry. Es läuft ganz toll. Sie ist eine wunderbare Frau, ihr solltet sie kennenlernen«, schwärmte Matt, während er Ellens Bauch abtastete und sie untersuchte. »Wir brauchen den Geburtshelfer, es sollte jetzt schnell gehen, sonst ist das Kalb in Gefahr.«
Eve reichte ihm den gewünschten Gegenstand, eine Art Flaschenzug, mit dem das Kalb bei jeder Wehe ein Stück herausgezogen wurde. Routiniert ging er ans Werk, während er sich weiter mit Eve über seine neue Freundin unterhielt.
»Ich hätte euch schon längst zu mir eingeladen, aber du weißt ja, wie klein meine Junggesellenbude ist.«
»Dann kommt doch heute Abend zum Essen zu uns«, schlug Eve vor. Ihr war im Moment egal, was Bobby dazu sagte, sie brauchte Gesellschaft. »Ich koche uns was Gutes und du kannst mit Kerry angeben.«
»Klingt nach einem guten Plan«, ächzte er. »So Ellen, noch einmal. Uuuund geschafft.« Das Kalb glitt zu Boden und Eve rubbelte es direkt kräftig mit Stroh ab, damit der Kreislauf angeregt wurde. Bald darauf übernahm die Mutter aber ihre Aufgabe und das Kalb war wohlauf. »Willkommen auf der Welt, junger Mann«, sagte Matt und klopfte dem kleinen Bullen leicht gegen die Flanken. »Heute Abend also. Ich mach noch meinen Rundgang und dann hole ich Kerry von der Arbeit ab.«
»Sehr gut.« Lächelnd verließ Eve den Stall. Sie musste mit Bobby reden. Ein ausgewachsener Streit war das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte.
Beth hackte den Gemüsegarten, um schon bald neue Pflanzen auszusäen. Für Eve war es eine Umstellung gewesen, das Klima in Oklahoma war ihr fremd. In Chicago gab es Eiseskälte und Schnee, hier sanken die Temperaturen selbst im Januar meist nicht unter 8 Grad. Auf der anderen Seite war das sehr praktisch, denn so konnten sie das ganze Jahr über Gemüse anbauen, zusätzlich hatten sie sich aber ein Gewächshaus geleistet, damit sie auch bei kühleren Temperaturen frisches Sommergemüse ernten konnten. Aber heute musste Eve nichts ernten, außer ein paar frische Kräuter, die sowieso immer in der Küche standen. Beth und sie hatten im Herbst eingekocht und das würde für die nächsten zwei Jahre reichen. Für den Abend mit Matt und Kerry brauchte sie also im Grunde nur etwas aufwärmen.
Die Frauen hielten ein kurzes Schwätzchen. Die Haushälterin hatte ihre heimliche Beziehung zu Archie, dem Mechaniker, endlich zugegeben und mittlerweile lebten sie auch zusammen in Beths gemütlichen Apartment über der Garage. Durch die vielen Jugendlichen war es den beiden Senioren möglich, sich zwischendurch ein paar Tage freizunehmen und zu entspannen. Darauf war Eve sehr bedacht, denn sie wollte die zwei schonen.
»Hast du Bobby gesehen?«, fragte Eve zum Abschluss ihres Gespräches.
»Sie ist vor etwa einer Stunde ins Haus gegangen. Ist alles gut bei euch?«, wollte Beth besorgt wissen.
»Ja doch.« Eve erzwang sich ein Lächeln. »Kein Grund zur Besorgnis. Sie ist eben Bobby und ich bin Eve. Wir wussten doch alle, dass es nicht leicht werden würde, oder?« Sie zwinkerte Beth zu und lief ins Haus.
Bisher hatten sie alle Streitigkeiten beigelegt, warum sollte es diesmal anders sein?
»Bobby«, rief Eve, als sie die Treppen ins Obergeschoss hochhechtete, wo sich ihr gemeinsames Schlafzimmer befand. »Bobby?« Niemand antwortete. Eve öffnete die Türe zum Bad und fand dort - Bobby, die sich laut zeternd abwendete und Eve fast die Türe vor der Nase zugeknallt hätte. »Was machst du hier?«, fragte Eve amüsiert, als sie ihre Freundin dabei erwischte, wie diese mit heruntergelassener Hose ihre Beine rasierte.
»Verschwinde, du neugieriges Etwas« wetterte Bobby und schrie im selben Moment auf. »Scheiße, jetzt habe ich mich geschnitten.«
Eve schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht aufzulachen.
»Was machst du hier?«, wiederholte sie glucksend ihre Frage.
»Wonach sieht es denn aus?«, gab Bobby ärgerlich zurück, doch als sie Eves vor Lachen bebende Schultern sah, ließ sie den Rasierer sinken und lachte ebenfalls. »Es sollte eine Überraschung werden. Ich wollte einfach mal etwas Neues ausprobieren und mich komplett ... na, du weißt schon.«
»Ach ja? Lass mich das machen, sonst schneidest du dich noch mehr.«
»Nein«, quietschte Bobby und es war das erste Mal, dass Eve sah, wie sie errötete.
»Okay, ich dachte ja nur. Weißt du, ich habe damit Erfahrung, schließlich rasierte ich zu meiner praktizierenden Zeit sehr viele Tiere. Ich habe ein Händchen dafür.«
»Könntest du jetzt bitte gehen, Eve?« Bobby verdrehte genervt die Augen. »Wenn du das machst, fühle ich mich wie eine Katze, die du gleich ... Nein, stopp. Verschwinde einfach, okay!«
Lachend verließ Eve das Bad, steckte aber noch mal den Kopf zur Türe hinein.
»Es ginge einfacher, wenn du die Enthaarungscreme benutzt, die in meinem Kulturbeutel steckt.«
Mit Bobbys Gezeter im Ohr, lief Eve wieder ins Untergeschoss, wo sie fröhlich pfeifend die passenden Einmachgläser aus der Vorratskammer heraussuchte. Bobby hatte sich also als Überraschung für sie blank rasiert? Sie kicherte. Ausgerechnet Bobby, die zwar gepflegt war, aber auf solchen Mädchenkram normalerweise gar nicht stand. Diese Geste - wenngleich sie unnötig war - bedeutete Eve sehr viel und sie wusste, dass sie geliebt wurde. Als Bobby in der Küche auftauchte und so tat, als sei nicht geschehen, konnte Eve nicht anders, als sie damit aufzuziehen.
»Und? Darf ich mich heute Abend auf samtweiche Haut freuen?«
»Wenn du weiterhin so neugierig bist, mit Sicherheit nicht«, brummte Bobby, doch Eve ging auf sie zu und küsste sie lang und innig.
»Wegen mir musstest du das nicht tun. Ich hätte so oder so mit dir Sex gehabt.«
»Ach, wirklich? Ohne mich zu fragen?« Bobby spielte die Entrüstete, hatte ihre Hände aber bereits fest um Eves Po geklammert.
»Wozu muss ich fragen? Ich weiß doch, dass du mir einfach nicht widerstehen kannst.« Eve hob provozierend die Brauen. »Oder irre ich mich, Miss Hale?«
»Hätte ich mich sonst glattrasiert wie ein Babyarsch?« Bobby schob eine Hand unter Eves Bluse. »Sie sind die Schärfste aller Tierärztinnen, Doktor Deearing. Lass uns nach oben gehen, ja?«
Eve stöhnte auf, als Bobby ihre Brust berührte. Da war sie, die Leidenschaft, die sie früher verband. Wie sehr hatte sie das vermisst und wie sehr wollte sie dies wiederhaben. Wenn es bedeutete, auf ein Baby zu verzichten, um Bobby zu behalten, dann würde sie es tun. Sie wollte diese Frau nicht verlieren.
»Ich würde nichts lieber als das tun«, erwiderte sie mit rauer Stimme. »Aber ich habe Matt und seine neue Freundin zum Essen eingeladen. Werd nicht sauer«, sagte sie schnell, als Bobby sie enttäuscht ansah. »Wir brauchen mal wieder etwas Ablenkung. Es wird bestimmt schön werden und danach darfst du mit mir machen, was du willst.«
»Ich mag keine fremden Leute«, schmollte Bobby und verzog die Lippen wie ein kleines Kind.
»Ich weiß, Schatz, ich weiß.« Eve tätschelte Bobby die Wange, zog ihre Bluse zurecht und wandte sich dem Herd zu. »Was hältst du von Ratatouille mit selbstgebackenem Brot und als Nachtisch Creme Brulee?«
»Mmh«, machte Bobby. »Egal, was du kochst, es schmeckt doch immer. Brauchst du mich, oder kann ich mir irgendeine andere Arbeit suchen?« Sie grinste verschlagen.
»Du hättest das Esszimmer herrichten können, aber lass nur.« Eve seufzte gekünstelt. »Ich bin dein Heimchen hinterm Herd. Im Grunde bist du ein richtiger Macho, nur mit Brüsten.«
»Mit sehr schönen Brüsten.« Bobby wackelte mit ihrem Vorbau, sodass Eve laut auflachte. »Verschwinde jetzt, sonst teile ich dich zum Staubputzen ein.«
Das ließ Bobby sich nicht zweimal sagen und verließ schleunigst das Haus. Alles was mit Hausarbeit zu tun hatte, war ihr zutiefst zuwider. Sie hatte es auch nie gelernt. In ihrer Jugend fehlte die weibliche Bezugsperson, denn auch wenn Beth sich sehr um sie bemüht hatte, war ihr Eddy immer näher gewesen. Sie hatte ihr halbes Leben mit Männern verbracht, benahm sich auch oft als solcher. Eve hatte schon ganz recht, sie war ein Macho mit Brüsten. Wie sollte sich eine Frau wie sie um ein Baby kümmern? Wenn Bobby darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie im Leben noch kein Baby auf dem Arm gehalten hatte. Wenn die Arbeiter mit ihren Frauen mal zu Besuch kamen und ihren Nachwuchs mitbrachten, zog sich Bobby stets gekonnt aus der Affäre. Warum sah Eve denn nicht ein, dass sie einfach nicht die richtige Frau war, um Mutter zu spielen? Die Jugendlichen, die sich jetzt ständig hier tummelten, waren schon Herausforderung genug - jedenfalls was Bobby betraf. Diese pubertierenden Monster, die zuweilen so stur und nervtötend sein konnten, dass Bobby schon oft fast der Kragen geplatzt war. Wie schaffte Eve das nur? Sie war der Fels in der Brandung, es gab scheinbar nichts, was sie aus der Ruhe bringen konnte. Sie schmiss zusammen mit Beth den Haushalt, half den schulpflichtigen Kids bei den Hausaufgaben, lernte mit ihnen, hatte für alle großen und kleinen Probleme ein offenes Ohr und so ganz nebenbei vertrat sie Matt hin und wieder in der Praxis.
Bobby dachte an die Zeit zurück, als Eve auf Bird Creek aufgetaucht war. Ein Stadtmädchen, mit Feenstaub im Hirn und einem winzigen, rosafarbenen Auto. Damals hätte Bobby nie gedacht, dass Eve es länger als ein paar Monate auf der Ranch aushalten würde, doch wider Erwarten war es so, als hätte Eve im Leben nie etwas anderes getan. Ihre Pfunde waren gepurzelt, nicht wahnsinnig viel, aber doch so, dass man es merkte. Sie war insgesamt viel agiler, hatte reiten gelernt und ihren Mini Cooper gegen einen Dodge RAM getauscht - wenn schon, denn schon. Zum Glück gab es dieses Modell nicht in Rosa, sonst hätte Bobby sich wahrscheinlich schreiend aus dem Staub gemacht. Überhaupt schien es, als sei die pinke Phase vorbei. Eve war erwachsen und zu einer Frau geworden, die wusste, was sie wollte.
»Selnik, Cooper - mitkommen«, rief Bobby, als sie zwei der Jungs erspähte, die lässig an der Scheunenwand lehnten und rauchten. Als sie die beiden erreicht hatte, nahm sie ihnen die Kippen aus den Mündern, lief damit zu einem Strohhaufen und warf die Zigaretten dort hinein. Es begann zu qualmen, glühte und beim nächsten Windstoß begann es zu zündeln.
»Wie oft habe ich euch gesagt, ihr sollt in der Nähe der Scheunen nicht rauchen?«, brüllte sie. »Seht zu, dass ihr das Feuer löscht, beim nächsten Mal fliegt ihr raus!«
Die beiden Missetäter nahmen die Beine in die Hand, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen, was Bobby mit Genugtuung beobachtete. Vielleicht wäre ich doch keine so schlechte Mutter?, überlegte sie, doch als sie bemerkte, dass sich das Feuer ausbreitete, verwarf sie diesen Gedanken.
»Mist, verdammter!«, fluchte sie und eilte zur Hilfe.
»Was ist denn hier los«, rief Archie von Weitem, der die Misere ebenfalls gesehen hatte.
»Bobby hat unsere Zigaretten ins Stroh geworfen«, verteidigte sich Cooper, woraufhin er sich einen strafenden Blick von Bobby einhandelte.
»Ich wollte ihnen eine Lektion erteilen«, sagte sie, während sie einen Schlauch abgerollt hatte und das Feuer erfolgreich löschte. »Geht in eure Zimmer, für heute habt ihr genug angerichtet.«
»Aber ...«, wagte Cooper einen Einspruch, doch Bobbys zorniger Blick brachte ihn zum Schweigen. Betreten dackelten die Übeltäter davon.
»Was sollte das?«, fragte Archie, als sie alleine waren. »Irgendwas stimmt mit dir in letzter Zeit ganz und gar nicht.«
Bobby hustete, bevor sie eine Antwort geben konnte. Der dicke, schwarze Qualm lag schwer in der Luft und brannte in Lunge und Augen.
»Lass uns woanders hingehen«, krächzte sie.
Sie begaben sich in Archies Werkstatt, wo er Bobby ein kaltes Bier reichte, welches sie dankbar an die Lippen setzte und einen kräftigen Schluck nahm.
»Setz dich«, forderte der Alte. »Also, was sollte das?«
»Ich wollte ihnen nur klarmachen, dass sie nicht in der Nähe der Scheunen rauchen sollen, weil Stroh schnell Feuer fängt und dadurch die Tiere in Gefahr geraten. Ich dachte, es sei eine gute Idee, nun, das war es wohl nicht. Diese Bälger sind so dumm und haben nur Blödsinn im Kopf.« Sie trank wieder einen Schluck. »Im Grunde ist das alles Eves Schuld. Sie und ihr Gerede von Kindern. Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich dieses Erziehungsgen auch in mir trage. Aber mir ist jetzt noch klarer als vorher, dass ich niemals eine verantwortungsvolle Mutter sein kann.«
»Ach Mädchen.« Archie schüttelte den Kopf. »Du warst genauso, als du damals hier ankamst. Ich habe oft zu Eddy gesagt, dich mitzubringen, war vielleicht die dümmste Idee, die er je hatte. Du warst störrisch wie ein Esel, hattest immer ein Widerwort parat und neigtest dazu, dich selbst zu überschätzen. Wenn ich es mir recht überlege, hast du dich nicht wirklich verändert.« Er lachte verhalten. »Ich kenne aber niemanden, der so viel Verantwortung trägt wie du. Die Ranch wäre längst pleite, wenn du nicht wärst. Merkst du eigentlich, was du leistest, Bobby? Du bist keine Eve, der pausenlos die Sonne aus dem Hintern scheint und der alles zugeflogen kommt. Du musst hart arbeiten und du hast immer wieder bewiesen, dass du es kannst! Ich bin davon überzeugt, dass du und Eve ganz wunderbare Mütter werdet. Du solltest nur darauf verzichten, irgendwas in Brand zu stecken.«
Bobby knibbelte in Gedanken versunken das Etikett der Bierflasche ab.
»Ich liebe sie wirklich«, sagte sie leise. »Aber manchmal wird mir das alles zu viel. Früher war ich mit Eddy auf den Weiden, habe mich ums Vieh gekümmert und wenn wir abends nach Hause kamen, hatte Beth etwas für uns gekocht und das war’s. Ich habe mir nie Gedanken gemacht, wie hart Beth schuftet, um uns alle zu versorgen, und das war gut so. Jeder hatte seine Aufgaben. Jetzt mit Eve bekomme ich alles mit, weil wir uns natürlich über alles unterhalten. Sie fragt mich, was ich gerne essen möchte, bespricht mit mir, wenn sie ein Möbelstück verrückt und legt mir meine frisch gebügelte Wäsche raus. Und neuerdings immer dieses Gerede von Kindern. Ich meine, haben wir nicht schon jetzt Kinder genug hier? Was will sie noch, Archie?«
»Eine Familie gründen«, erwiderte Archie schlicht. »Das, was sich normale Menschen wünschen.«
»Normal.« Bobby lachte bitter auf. »Wir leben in einem der bibeltreusten Staaten überhaupt als lesbisches Paar. Wie viel Normalität ist das wohl für die gottgläubigen Christen?«
»Na ja, immerhin dürft ihr heiraten, wenn ihr das wolltet. Du hast doch gewusst, worauf du dich einlässt und Eve hat es auch. Und dennoch lebt ihr zusammen und mal ganz im Ernst, welche Schwierigkeiten musstet ihr bisher überwinden? Gar keine, nur die, die in deinem Kopf sind.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte Bobby mit Tränen in den Augen.
Sie war ein Mensch, der seine Probleme alleine löste. Emotionen und Gefühlsduselei waren ihr weitestgehend fremd gewesen. Bobby hatte nie in Erwägung gezogen, eine feste Bindung einzugehen, weder wollte sie sich von einem anderen Menschen abhängig machen, noch dafür die Verantwortung übernehmen. Es war alles gut so gewesen, wie es war. Sie hatte lockere Affären und musste niemanden Rechenschaft ablegen. Doch dann war Eve in ihr Leben getreten, und hatte Bobbys Gefühle völlig auf den Kopf gestellt. Am Anfang hatte sie noch gedacht, dass sich die Beziehung irgendwann von selbst erledigen würde, aber Eve war geblieben und Bobby fühlte sich wohl damit. Sie hatte die Verbundenheit mit einem anderen Menschen genossen und wollte nicht, dass dies irgendwann endete. Aber von Zeit zu Zeit quälte sie eine nagende Stimme in ihrem Inneren. Bobby hatte Angst, sich selber zu verlieren. Sie war ruhiger geworden, hatte sich Eve angepasst, und nun wollte Eve den nächsten Schritt wagen und aus ihrer herrlich unkomplizierten Beziehung etwas richtig Kompliziertes machen. Bobby sträubte sich mit jeder Faser ihres Körpers dagegen, denn ihre irrationale Angst, eine ebenso schlechte Mutter zu werden, wie es ihre eigene gewesen war, lähmte sie. Aber mit Eve darüber zu reden kam nicht infrage. Sie würde es nicht verstehen, im Gegenteil. Sie würde mit ihrer positiven und manchmal penetrant fröhlichen Art alles versuchen, um Bobby vom Gegenteil zu überzeugen.
.
Eve deckte pfeifend den Tisch im Wohn/Esszimmer ein. Bei ihrer großen Renovierungsaktion - als sie damals einzog - verbannte sie die abgenutzte braune Cordcouch und die dunklen, schweren Möbel und verwandelte den Raum in eine freundliche Wohlfühloase. Durch die Fensterfront, mit Zugang zum Wintergarten und dem angrenzenden Garten dahinter, schien nun endlich Sonnenlicht. Vorher blockierten dicke Vorhänge die Sicht. Da Eve nicht immer mit den Arbeitern in der Küche essen, sondern hin und wieder etwas Privatsphäre mit Bobby wollte, hatte sie das Zimmer kurzerhand aufgeteilt. Nun fügte sich eine hellblaue Wohnlandschaft in eine Nische, daneben Kiefernholzregale mit Eves geliebten Büchern, eingerahmt von zwei Bergpalmen. Davor ein Tisch, ebenfalls aus hellem Kiefernholz und einem TV-Schrank. Auf der gegenüberliegenden Seite war Platz für einen Esszimmertisch und einem Buffetschrank, in dem das alte Geschirr von Eves Großeltern stand. Feines, weißes Porzellan, das Eve nur zu besonderen Anlässen rausholte. So wie heute. Sie wollte, dass alles perfekt war. Irgendwie hatte sie das Gefühl, Matts neue Freundin beeindrucken zu müssen und zu zeigen, dass auch sie als Landmenschen durchaus kultiviert waren.
Bobby steckte den Kopf zur Türe hinein und lächelte, als sie Eve in ihrem Element sah.
»Zu viel?«, fragte Eve skeptisch, als sie Bobbys Anwesenheit bemerkte.
»Nein, es ist perfekt.« Sie trat an Eve heran und nahm sie von hinten in die Arme. »Du machst es immer perfekt.«
Eve schmiegte sich an ihre Freundin, doch anstatt sich zu entspannen, stieg ihr ein Geruch in die Nase. Sie schnüffelte und drehte sich zu Bobby herum.
»Warum riechst du nach Rauch?«
»Witzige Geschichte.« Bobby lachte verschämt. »Ich muss aber jetzt duschen.«
»Halt! Was ist passiert?« Eve setzte ein strenges Gesicht auf.
»Die Kurzfassung: Ich habe zwei der Jungs beim Rauchen erwischt, wollte ihnen klarmachen, dass das gefährlich wird, wenn das Stroh Feuer fängt und habe ihre Kippen weggeworfen.« Das war natürlich nicht die ganze Wahrheit und Eve roch den Braten - im wahrsten Sinne des Wortes.
»Das Stroh hat Feuer gefangen, oder?«, fragte sie, woraufhin Bobby zerknirscht nickte. »Warum machst du nur immer solche Sachen?« Eve seufzte. »Seid ihr alle in Ordnung?«
»Ja, es ist nichts passiert. Ich konnte doch nicht wissen, dass diese Trottel sich zu dumm anstellen, einen brennenden Strohballen zu löschen«, verteidigte sich Bobby. »Für Kinder lauern einfach überall Gefahren, siehst du das nicht? Wir leben auf einer Ranch, da kann immer was passieren. Hier ist es ein kleines Feuer, da ist es ein Pferd, das durchgeht. Alles gefährlich.«
»Du denkst also, es ist gefährlicher, ein Kind auf dem Land großzuziehen, als in der Stadt? In Chicago? Oder New York? Zwischen all den Verrückten?«
Bobby ließ die Schultern hängen. Natürlich hatte Eve recht, aber zeigte der heutige Vorfall denn nicht deutlich, dass sie einfach nicht in der Lage war, sich um ein Kind zu kümmern? Diese Jungs waren in Teeangeralter, was würde sie wohl mit einem hilflosen Baby tun? Es irgendwo vergessen, wahrscheinlich. Ihr fehlte einfach der Mutterinstinkt.
»Darf ich jetzt duschen gehen?«, fragte sie kleinlaut und Eve machte eine scheuchende Handbewegung.
Als Bobby den Raum verlassen hatte, ließ sich Eve seufzend auf einem der Stühle nieder. Egal, wie sie es drehte und wendete, Bobby wollte von diesem Thema einfach nichts hören.
»Vielleicht ist es wirklich besser so«, murmelte sie. Eve wusste selbst nicht genau, warum sie im Moment so versessen auf ein Kind war. Ihr Leben war perfekt, es gab nichts, was sie hätte ändern wollen. Sie hatte doch von Anfang an gewusst, dass es für sie beide nicht einfach werden würde, eine Familie zu gründen. Sie waren eben nicht das amerikanische Durchschnittspaar, sondern zwei Frauen, die in einer lesbischen Beziehung lebten. Sie hätte es ja anders haben können ... Eve schüttelte den Gedanken ab. Sie wollte es nichts anders, sie war mit genau dem Menschen zusammen, den sie aus vollstem Herzen liebte und das war alles, was zählte. Sie würde auch in ein paar Jahren noch jung genug für ein Kind sein, vielleicht hatte Bobby bis dahin ihre Meinung geändert. Den kleinen, stechenden Punkt in ihrem Inneren ignorierend, erhob sie sich und widmete sich wieder der Arbeit. Kommt Zeit, kommt Rat. Bobby zu etwas zwingen zu wollen war ein sinnloses Unterfangen, also hieß es abwarten.
»Du schaust jetzt schon zum zehnten Mal in den Spiegel«, meinte Bobby amüsiert, während sie den Wein entkorkte. »Du siehst toll aus und sofern du Matts Flamme nicht anmachen willst, kann es dir doch egal sein, was sie über dich denkt.«
»Ich mach das nicht wegen Kerry«, gab Eve unwirsch zurück.
»Natürlich nicht.« Bobby lachte in sich hinein. »Wo kommt diese Kerry eigentlich her? Ich meine, wo hat Matt sie kennengelernt?«
»Keine Ahnung. Aber so, wie er von ihr schwärmt, scheint sie sehr nett zu sein. Du benimmst dich, ja? Keine dummen Lesbensprüche und keine versauten Ausdrücke«, mahnte Eve.
»Ich benehme mich immer.« Bobby wackelte mit den Augenbrauen, wurde aber ernst, als sie Eves finsteren Gesichtsausdruck sah. »Heiliges Ehrenwort, ich lasse nicht die vulgäre Lesbe heraushängen, ich werde eine vorbildliche Gastgeberin sein.« Sie hob zwei Finger zum Schwur und strich sich dann eine dunkle Locke aus dem Gesicht. »Haare sind auch gekämmt«, fügte sie unnötigerweise hinzu und deutete auf ihren Zopf.
Eve schüttelte lachend den Kopf. Bobby war auf so viele Arten ein Kindskopf, konnte aufbrausen wie ein wildgewordener Stier und im nächsten Moment lammfromm sein. Diese Mischung war es, die Eve so sehr liebte. Es wurde nie langweilig. Auch wenn ihre Beziehung etwas schwierig gestartet hatte und Eve sich nie hätte vorstellen können, mit Bobby auch nur annähernd so etwas wie eine Freundschaft zu führen, jetzt waren sie zwei Pole, die sich anzogen und wunderbar ergänzten. Eve mit ihrer fröhlichen und freundlichen Art nahm sehr viele Menschen für sich ein, weswegen sie sich auch mittlerweile um das Geschäftliche der Ranch kümmerte. Sie besaß ein natürliches Verhandlungsgeschick, weil sie sich kaum durch etwas aus der Ruhe bringen ließ. Ganz anders als Bobby, die potentielle Käufer schon vor die Türe gesetzt hatte, nur weil ihr das Eröffnungsangebot nicht gefiel.
Auf der anderen Seite war Bobby eine empfindsame Seele, was sie aber ungern zeigte. Mittlerweile verstand Eve ihre Partnerin, auch wenn sich diese zurückzog und ihre Probleme mit sich selbst ausmachte. Doch zuweilen gab es zwischen ihnen auch eine Kluft, etwas, was Bobby von Eve trennte und das Eve noch nicht sehen konnte.
Matts Wagen fuhr auf den Hof und die beiden Frauen standen wie zwei artige Kinder an Weihnachten in der Türe, um ihren Besuch zu begrüßen. Bobby kam sich lächerlich vor, so einen Aufstand zu betreiben. Es war nur Matt! Mit ihm hatte sie schon ordentliche Sauftouren hingelegt, also warum mussten sich heute benehmen, als seien sie aus einem Buch für gutes Benehmen in den Fifties gefallen? Sie fühlte sich wie eine biedere Hausfrau und fragte sich, ob Eve irgendwo Pantoffeln für ihre Gäste bereitstehen hatte. Sie warf Eve einen grinsenden Seitenblick zu, verkniff sich aber einen Kommentar, denn dieser Abend war aus irgendeinem Grund wichtig für ihre Freundin. Süß sah sie aus, in ihrem hellblauen Kleid, das wirklich irgendwie aussah, als hätte sie es direkt aus den fünfziger Jahren bestellt. Ihre Zopffrisur saß im Gegensatz zu Bobbys perfekt, ein zartes Make-up unterstrich Eves unaufdringliche Schönheit.
»Willkommen auf Bird Creek«, begrüßte Eve Kerry, die sich mit einem herzlichen Lächeln bedankte.
»Ja, willkommen«, sagte auch Bobby. »Bitte, treten Sie ein.« Sie kam sich total deplaziert vor, aber Eve wollte ein Vorzeige-Lesbenpaar, also sollte sie auch eins bekommen. »Matt.« Sie nickte dem Tierarzt zu, der offensichtlich sehr nervös war und zwischen den beiden Frauen fragend hin und herschaute.
Als Eve Kerry ins Wohnzimmer führte, nahm Matt Bobby zur Seite.
»Was macht ihr für einen Aufstand? Alles okay bei euch?«
»Ist dir aufgefallen, hm?« Sie lachte. »Eve hat sich aus irgendeinem Grund in den Kopf gesetzt, deine Freundin zu beeindrucken. Also, tada, sei beeindruckt!«
»Yeah«, machte Matt sarkastisch, sich durchs Haar fahrend. »Hast du ein Bier? Ich könnte jetzt echt eins gebrauchen.«
»Klar, auch wenn ich denke, für heute war Wein eingeplant.«
»Bobby ...«
»Schon gut.« Sie hob entschuldigend die Arme, ging in die Küche und kam mit zwei kalten Bieren zurück. »Cheers, auf dass wir diesen Abend durchstehen.«
Die rothaarige Kerry entpuppte sich tatsächlich als so herzlich, wie Matt sie beschrieben hatte. Ihr Wesen war ruhig
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Nathalie C. Kutscher
Bildmaterialien: Adobe Stockfotos
Tag der Veröffentlichung: 05.12.2018
ISBN: 978-3-7438-8836-4
Alle Rechte vorbehalten