Mahomet
Sopir, Scherif von Mekka
Omar, Heerführer unter Mahomet
Seide, Mahomets Sklave
Palmire, Mahomets Sklavin
Phanor, Senator von Mekka
Bürger von Mekka
Muselmänner
Der Schauplatz ist in Mekka.
Erster Auftritt
Sopir. Phanor.
Sopir
Was? Ich! Vor falschen Wundern niederknien?
Dem Gaukelspiele des Betrügers opfern?
In Mekka den verehren, den ich einst verbannt?
Nein, straft, gerechte Götter! straft Sopiren,
Wenn ich, mit diesen freien, reinen Händen,
Dem Aufruhr schmeichle, den Betrug begrüße!
Phanor
Wir ehren deinen väterlichen Eifer,
Des heiligen Senats erhabner Scherif!
Doch dieser Eifer, dieser Widerstand
Reizt nur den Sieger, statt ihn zu ermüden.
Wenn du denselben Mahomet vor Zeiten,
Durch der Gesetze Kraft, darnieder hieltest,
Und eines Bürgerkrieges furchtbarn Brand,
In seinen ersten Funken, weise tilgtest,
Da war er noch ein Bürger und erschien
Als Schwärmer, Ordnungsstörer, Aufruhrstifter;
Heut ist er Fürst, er triumphiert, er herrscht.
Aus Mekka musst' er als Betrüger flüchten,
Medina nahm ihn als Propheten auf,
Ja, dreißig Nationen beten ihn
Und die Verbrechen an, die wir verwünschen.
Was sag ich! Selbst in diesen Mauern schleicht
Das Gift des Wahnes. Ein verirrtes Volk,
Berauscht von trübem Feuereifer, gibt
Gewicht den falschen Wundern, breitet
Parteigeist aus und reget innern Sturm.
Man fürchtet und man wünscht sein Heer, man glaubt
Ein Schreckensgott begeistre, treibe, führe
Unwiderstehlich ihn von Sieg zu Sieg.
Zwar sind mit dir die echten Bürger eins;
Doch ihre Zahl ist kleiner als du denkst.
Wo schmeichelt sich die Heuchelei nicht ein?
Und Schwärmerei, die ihren Vorteil kennt?
Zu Neuerungen Lust, ein falscher Eifer, Furcht
Zerstören Mekkas auferregten Kreis,
Und dieses Volk, das du so lange Zeit beglückt
Ruft seinen Vater an und fordert Frieden.
Sopir
Mit dem Verräter Frieden! O du feiges Volk!
Von ihm erwarte nur der Knechtschaft Jammer.
Tragt feierlich ihn her, bedient ihn kniend,
Den Götzen, dessen Last euch bald erdrückt.
Doch ich bewahr' ihm einen ew'gen Hass,
Mein tief verwundet Herz, nie kann es heilen.
Und er nährt gleiche Rache gegen mich.
Mein Weib und meine Kinder mordet er,
Bis in sein Lager trug ich Schwert und Tod,
Sein eigner Sohn fiel, Opfer meiner Wut.
Nein! Nein! Der Hass glüht ewig zwischen uns,
Und keine Zeit kann dieses Feuer löschen.
Phanor
Verbirg die Glut, sie brenne heimlich fort;
Dem Ganzen opfre deiner Seele Schmerzen.
Rächst du die deinen, wenn er diese Stadt
Mit Feuer und mit Schwert verheerend straft?
Verlorst du Sohn und Tochter, Gattin, Bruder;
Den Staat bedenke, der gehört dir an.
Sopir
Dem Staate bringt die Furchtsamkeit Verderben.
Phanor
Auch Starrsinn bringt ihn seinem Falle nah.
Sopir
So fallen wir! wenn's sein muss.
Phanor
Diese Kühnheit
Setzt uns dem Schiffbruch aus, so nah dem Hafen.
Du siehst, der Himmel gab in deine Hand
Ein Mittel den Tyrannen zu bezähmen.
Palmire, seines Lagers holder Zögling,
Die in den letzten Schlachten du geraubt,
Ist als ein Friedensengel uns erschienen,
Der seine Siegerwut besänft'gen soll.
Schon forderte sein Herold sie zurück.
Sopir
Und diese gäb' ich dem Barbaren wieder?
Du wolltest, dass mit solchem edlen Schatz
Die Räuberhände sich bereicherten?
Wie? Da er uns mit Schwert und Trug bekämpft,
Soll Unschuld sich um seine Gunst bewerben?
Und Schönheit seine tolle Wut belohnen?
Mein graues Haar trifft der Verdacht wohl nicht,
Dass ich in ihr das holde Weib begehre;
Denn jugendliche Glut erregt nicht mehr
Mein traurig Herz, erdrückt von Zeit und Jammer.
Doch sei es, dass vom Alter selbst die Schönheit
Ein unwillkürlich stilles Opfer fodre!
Mag ich vielleicht, dem eigne Kinder fehlen,
In ihr das längst Verlorne wieder sehen!
Ich weiß nicht, welcher Hang zu ihr mich zieht,
Die Öde mancher Jahre wieder füllt.
Sei's Schwäche, sei's Vernunft, nicht ohne Schaudern
Säh' ich sie in des Lügenkünstlers Hand.
O möchte sie sich meinen Wünschen fügen,
Und heimlich diesen Schutzort lieb gewinnen!
O dass ihr Herz, für meine Wohltat fühlbar,
Ihn, den ich hassen muss, verwünschen möchte!
Sie kommt, in diesen Hallen mich zu sprechen,
Im Angesicht der Götter dieses Hauses.
Sie kommt! Ihr Antlitz, edler Unschuld Bild,
Lässt alle Reinheit ihres Herzens sehen.
(Phanor ab.)
Zweiter Auftritt
Sopir. Palmire.
Sopir
Wie segn' ich, edles Kind, das Glück des Kriegs,
Das dich, durch meinen Arm, zu uns geführt!
Nicht in Barbaren Hand bist du gefallen.
Ein jeder, so wie ich, ehrt dein Geschick,
Dein Alter, deiner Schönheit, deiner Jugend Reiz.
O sprich! Und blieb mir, in dem Sturm der Zeit,
Bei meinem Volke, noch so viel Gewalt,
Um deine stillen Wünsche zu befried'gen;
So will ich meine letzten Tage segnen.
Palmire
Zwei Monden schon genieß' ich deinen Schutz,
Erhabner Mann, und dulde mein Geschick,
Das du erleichterst und die Tränen stillest,
Die eine harte Prüfung mir entlockt.
Wohltät'ger Mann! Du öffnest mir den Mund;
Von dir erwart' ich meines Lebens Glück.
Wie Mahomet begehrt von meinen Banden mich
Befreit zu sehn, so wünsch' ich's auch. Entlass
Ein Mädchen, die des Krieges schwere Hand
nicht fühlen sollte. Sei, nach dem Propheten,
Mein zweiter Vater, dem ich alles danke.
Sopir
Du sehnst dich nach den Fesseln Mahomets,
Dem Lärm des Lagers, nach der Wüste Schrecknis.
Ein wandelnd Vaterland, reizt es so sehr?
Palmire
Dort ist mein Herz, dort ist mein Vaterland;
Mein erst Gefühl hat Mahomet gebildet,
Von seinen Frauen ward ich auferzogen,
In ihrer Wohnung, einem Heiligtum,
Wo diese Schar, verehret und geliebt
Von ihrem Herrn, in ruhigen Gebeten
Und still beschäftigt, sel'ge Zeiten lebt.
Der einz'ge Tag war mir ein Tag des Grauens,
An dem der Krieg in unsre Wohnung drang,
Und unsrer Helden Kraft nur kurze Zeit
Den Streichen eines raschen Feindes wich.
O Herr! Verzeihe meinen Schmerzgefühlen!
Du hältst mich hier; doch bin ich immer dort.
Sopir
Wohl, ich versteh'! Die Hoffnung nährest du,
Des stolzen Mannes Herz und Hand zu teilen.
Palmire
Herr, ich verehr' ihn, ja ich glaube, bebend,
In Mahomet den Schreckensgott zu sehen.
Zu solchem Bunde strebt mein Herz nicht auf,
Aus solcher Niedrigkeit zu solchem Glanz.
Sopir
Wer du auch seist, ist denn wohl er geboren,
Dich als Gemahl, als Herr dich zu besitzen?
Das Blut, aus dem du stammst, scheint mir bestimmt,
Dem frechen Araber Gesetz zu geben,
Der über Könige sich nun erhebt.
Palmire
Ich weiß von keinem Stolze der Geburt;
Nicht Vaterland, nicht Eltern kannt' ich je;
Mein Los von Jugend auf war Sklaverei.
Die Knechtschaft macht mich vielen andern gleich,
Und alles ist mir fremd, nur nicht mein Gott.
Sopir
Wie? dir ist alles fremd und dir gefällt
Ein solcher Zustand? Wie? du dienest einem Herrn
Und fühlst nach einem Vater keine Sehnsucht!
In meinem traurigen Palast allein
Und kinderlos, o fänd' ich solche Stütze!
Und wenn ich dir ein heiteres Geschick
Bereitet, wollt' ich in den letzten Stunden
Die Ungerechtigkeit des meinigen vergessen.
Doch ach! verhasst bin ich, mein Vaterland
Und mein Gesetz, dem eingenommnen Herzen.
Palmire
Wie kann ich dein sein, bin ich doch nicht mein!
Ungern, o güt'ger Mann, verlass' ich dich;
Doch Mahomet, er ist und bleibt mein Vater.
Sopir
Ein Vater, solch ein trügrisch Ungeheuer!
Palmire
Welch unerhörte Reden gegen den,
Der, als Prophet auf Erden angebetet,
Vom Himmel uns die heil'ge Botschaft bringt!
Sopir
O wie verblendet sind die Sterblichen,
Wenn sie ein falscher Heuchelwahn betäubt!
Auch mich verlässt hier alles, ihm Altäre,
Dem Frevler, zu errichten, den ich einst
Sein Richter schonte, der, ein Missetäter,
Von hier entfloh und Kronen sich erlog.
Palmire
Mich schaudert! Gott! Sollt' ich in meinem Leben
So freche Reden hören! und von dir!
Die Dankbarkeit, die Neigung räumte schon
Gewalt auf dieses Herz dir ein. Von dir
Vernehm' ich diese Läst'rung auf den Mann,
Der mich beschützt, mit Schrecken und mit Abscheu.
Sopir
Ach! in des Aberglaubens festen Banden
Verliert dein schönes Herz die Menschlichkeit.
Wie jede Knechtschaft, raubt auch diese dir
Den freien Blick das Würdige zu schätzen.
Du
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 05.12.2013
ISBN: 978-3-7309-6702-7
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