Ein junger Italiener und ein französischer Arzt sind in einem Urwalddorf Ecuadors gestrandet und langweilen sich fürchterlich. Als sie sehen, wie ein Indianer die Waren bei einem Händler mit purem Gold bezahlt, beschließen sie, sich auf die Suche nach selbigem zu begeben.
Das hätten sie nicht tun sollen!
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Im Norden des Staates Ecuador, etwa unter ein Grad nördlicher Breite, also ziemlich genau unter der Linie leben die Cayapas, ein so schöner, prachtvoller Menschenschlag, wie man ihn sich auf der Welt nur denken kann.
Das sind die Leute, welche die Fabel zunichte machen, aus Asien habe sich ein Stamm Israels nach Afrika gezogen und sei dort von der Sonne schwarz gebrannt. Unmittelbar unter der Linie, bis zum flachen Seeufer hinab haben sie ihre Heimat, und ihre Haut ist dabei viel weißer als die eines der Sonne ausgesetzten Bauern in unseren deutschen Landen. Kaum kann man sie leicht bronzefarbig nennen, und nur das lange, schwarze, straffe Haar, das allen amerikanischen Indianern eigen ist, unterscheidet sie von den Bewohnern der schönen Südsee-Inseln Tahiti und Eimeo, mit denen sie aber die schlanke Gestalt und die edlen, vollkommen kaukasischen Züge gemeinsam haben.
Ihre Tracht ist einfach genug; sie tragen nur kurze Beinkleider, die ihnen kaum bis zum Knie reichen und um die Hüfte mit einer Schnur zusammengehalten werden, und nur die Frauen gehen in buntgefärbte Baumwollstoffe gekleidet, die sie aus selbstgezogener Baumwolle noch in altdeutscher Weise mit der Spindel spinnen und dann weben, oder auch von den Weißen für ihre Arbeit – oder auch für Goldstaub – eintauschen.
Die Cayapas-Indianer sind außerdem die geschicktesten Holzarbeiter an der ganzen Westküste Amerikas, und ihre auf das Vortrefflichste ausgehöhlten Kanus sind überall berühmt und werden teuer bezahlt.
Aber nicht nur Kanus, auch Gitarren verfertigen sie, zum Verkauf für die Ecuadorianer, aus einem einzigen Stück Holz so sauber, leicht und dünn, dass man an dieser Arbeit seine Freude hat.
Außerdem sind sie kühne Fischer, die sich mit ihren leichten Booten weit hinaus in die See wagen und den Schwert- und Sägefisch mit Harpune und Lanze erlegen. Allerdings haben sie in dieser Breite keine wirklichen Stürme zu fürchten, denn unter der Linie erhebt sich der Wind nie zu einem Orkan.
Ihr Hauptaufenthalt ist am Rio Cayapas, der sich in den Santiago ergießt und mit diesem durch die sogenannte Tola-Mündung in das Stille Meer hineinströmt. Dort in den Hügeln und Bergen liegen ihre Wohnungen, und zu gewissen Jahreszeiten kommen dann selbst die Bergbewohner zu dem Strand der Tola, um dort zu fischen oder Austern zu sammeln und einzusalzen, und wo sie sich einer Weile dieser Beschäftigung hingeben, liegen ganze Berge von Austernschalen am Ufer aufgehäuft.
Ihre Kanufahrten dehnen sie aber, wie gesagt, nicht bloß auf die stillen Binnenwasser der Tola-Mündungen aus, die sich durch den Taja-Arm bis nach dem Pailon und fast bis nach dem Mirafluss erstrecken, sondern sie fahren keck in die See hinaus bis Tumaco nordwärts und südlich bis zum Rio Fuerde, Esmeraldas, ja selbst bis Guayaquil hinauf, um dort ihre Erzeugnisse, Pflanzendecken, Gewebe, Holzarbeiten, getrocknete Fische, Kakaobohnen und auch selbst Gold zu verkaufen und Waren und Schmuck dabei einzutauschen. Ihre Frauen rudern dabei das Boot und der indianische Herr lehnt behaglich hinten am Steuer und bestimmt seinen Gang. Ja, landet er an irgendeinem Platz, so dürfen die Frauen das Kanu nicht verlassen. Sie bleiben als Wache zurück, und der Cayapas geht indessen zur Stadt oder ins Dorf hinauf, schließt seine Handel ab und kehrt mit den eingehandelten Waren zurück, um sich wieder einzuschiffen.
Den Esmeraldas hinauf ruderte heute wieder ein großes, rot und blau bemaltes, weitbauchiges Kanu mit einer Cayapas-Familie darin, einem Indianer, seiner Frau und zwei jungen Mädchen, seinen Schwestern, welche die Ruder führten; und nicht leicht war es bei niederem Wasser, mit eben einsetzender Flut die Barre an der Mündung des sehr breiten Stromes zu passieren. Von großer Brandung war nichts zu spüren, aber eine solche Masse ästiges und knorriges Holz war darin festgeschwemmt, dass nicht einmal ein Schoner hätte bis an die etwas weiter oben am Flussufer liegende Stadt hinanlaufen können, auch Boote und Kanus vorsichtig zwischen dem Gewirr von Zweigen, abgebrochenen und halb versandeten Äst hindurchfahren mussten,
Das aber bot dem Kanu des Indianers natürlich keine Schwierigkeit. Der Cayapas kannte auch wohl schon von früher her die enge Passage dieser Einfahrt, und bald glitt das schlanke Boot wieder in tieferem, ruhigerem Wasser mit der eintretenden Flut den Strom hinauf und dessen linkem, hohem und lehmigem Ufer zu, wo es der Indianer zwischen eine Anzahl von Walfischbooten, Kähnen und anderen, ziemlich roh ausgehauenen Fahrzeugen ähnlicher Art mit dem Bug auflaufen ließ. Er bekümmerte sich auch weiter gar nicht darum, ergriff ein paar kleine Pakete, die vorn im Boot lagen, und stieg die Uferbank langsam hinauf, während die Frauen daran gingen, unten, gleich an der Landung, ein kleines Feuer anzuzünden und sich einige Fische und ein paar grüne, noch unreife Bananen, sogenannte Platanos, zu rösten.
Esmeraldas – das heißt die neue Stadt, denn die alte liegt an dem nämlichen Ufer etwas weiter stromauf und kann höchstens ein Dorf genannt werden, obgleich sie von Weißen seit den alten spanischen Zeiten bewohnt ist – führt ebenfalls nur den Namen einer Stadt, wie sich ein Bach, der zwölf Eimer Wasser enthält, einen Strom nennen könnte.
Dicht am Ufer des Stromes ist eine Lichtung in den Urwald hineingehauen, der aber schon unmittelbar hinter den Häusern wieder seine grüne Mauer um die „Ansiedlung“ zieht, und auf diesem Platze stehen vielleicht einige sechzig Häuser – alle auf Pfählen, wie es in diesem Landstrich Sitte ist, mit leichten luftigen Bambus- oder Schilfwänden und Blattdächern. Was bedurfte es hier auch großen Baumaterials, um eine Wohnung auszurichten? Schutz gegen niederströmenden Regen und die brennende Sonne, das war alles. Die Seitenwände dagegen mussten der kühlen Seebrise geöffnet bleiben, und Weiße wie auch eingeborene Mestizen errichteten ihre Häuser alle in der nämlichen Weise.
Nur die Kaufleute hatten ihre Läden mit Rücksicht auf die Bequemlichkeit der Käufer zu ebener Erde, und ihre Warenlager bestanden auch aus festen Lehmmauern – schon der Nachbarschaft wegen. Sie lagen übrigens alle am Flussufer, die Front dem breiten Strom zugekehrt, weil sich hier ja auch der Verkehr der ganzen Welt abspielte.
Übrigens hatte der Platz keineswegs einen tropischen Charakter, denn nicht eine einzige Palme war zu sehen, obgleich gerade hier Kokospalmen ganz vortrefflich gediehen wären. Keine Banane zitterte mit ihren breiten Blättern im Winde, keine Chirimoya war angepflanzt, nicht einmal ein Papayabaum, der sonst wie Unkraut wuchert. Die Plantagen lagen alle mehr drinnen im Walde oder den Fluss hinauf, und hier in der Stadt hatte es niemand für nötig gehalten, sich seine Heimat ein klein wenig freundlicher herzurichten und Frucht und Schatten gebende Bäume um sein Haus zu pflanzen. Ja, ganze Schonerladungen mit solchen Früchten, die hier den nämlichen Boden, das nämliche Gedeihen fanden, kamen von der benachbarten kleinen Insel Tumaco herüber und wurden gut verkauft, und trotzdem rührte das faule Volk in Esmeralda keine Hand.
Was brauchten diese Bewohner der Tropen auch zu ihrem Leben! Die Weißen lagen den ganzen Tag in ihrer Hängematte im Verkaufslokal, sich kaum die Mühe nehmend, aufzustehen, wenn wirklich einmal ein Käufer den Laden betrat; die Eingeborenen, eine Mischlingsrasse von Indianern, Negern und Weißen, legte sich eine Plantage an – ein kleines Stück Feld, das sie mit Bananen bepflanzten, und das gab ihnen mit den paar Fischen, die sie gelegentlich fingen, genügenden Unterhalt – sie verlangten eben nicht mehr.
Der Cayapas ging langsam die Straße hinauf, an verschiedenen Kaufläden vorüber, er war hier schon bekannt, und trat endlich in ein niederes, langes, weißes Gebäude hinein, das genau so aussah, als ob es Proben von allen nur erdenkbaren Gegenständen enthielte, die in der Welt vorkommen und von irgendeinem menschlichen Wesen zu irgendeinem Zweck benutzt werden könnten.
Auf niederen hölzernen Unterlagen, um nicht mit dem Boden und dem darauf hinkriechenden Ungeziefer in Berührung zu kommen, standen halb offene Säcke mit Kakaobohnen, Mais, Reis, Kaffee, Mehl und anderen Dingen; daneben lagen Stangen Blei und ein paar Säcke mit Schrot – dann aufgeschichtet, in grobe Leinwand eingeschlagen, Klumpen und Rollen von Kautschuk, wie sie die Eingeborenen zum Verkauf aus dem Innern bringen.
Dicht daneben war Material für sogenannte Panamahüte aufgeschichtet, und an den Wänden hingen Ketten, Taue, Blöcke usw., was zum Seegebrauch etwa dienen konnte. Selbst ein paar kleine Anker und ein paar alte Schiffskanonen lagen in der einen Ecke.
Am Buntesten waren aber die Regale selber ausgestattet: fertige Matrosen- und gewöhnliche Hemden, bunte Kattune, Zeug zu Moskitonetzen, und dabei Zigarrenkisten, Tabak in Blättern, Schrauben, Schlösser, Messer und Gabeln, Strohhüte, Ledertaschen, Blech- und Eisentöpfe, Glasperlen, unechter Schmuck, Zwirn, Band, Branntwein, Wein, Schuhe und Stiefel, englische Ale und Porter in Flaschen, kurz, ein so buntes Gemisch von Dingen, wie es eben nur ein solcher überseeischer Laden zusammenwürfeln kann.
Der Eigentümer lag oder saß vielmehr dabei in seiner Hängematte, denn in Ecuador werden diese Hamakas so aufgehangen, dass die beiden Enden ziemlich dicht zusammenkommen und weit eher eine Art Lehnstuhl als ein Bett darstellen. Es schläft auch nachts niemand darin, sondern alles bedient sich dazu nur feststehender Betten.
Noch befanden sich zwei andere Leute im Laden, ein junger Italiener und ein französischer Arzt, beide aber der spanischen Sprache mächtig, die mitsammen auf ein paar zusammengerückten Seidenkissen Domino spielten. Sie wandten auch nach dem eben eintretenden Indianer kaum den Kopf, und nur der Händler selber, der ihn erkannte, nickte ihm zu und sagte freundlich:
„Ah, Cayapas, bist du auch wieder einmal nach Esmeraldas gekommen? Was bringst du?“
„Quien sabe“, sagte der Bursche in der wunderlichen Sprechart der ganzen Westküste, „wer weiß es, ein bisschen von allem, Gummi, Kakaobohnen, Rindendecken, Hutstroh.“
„So? Hast du kein Gold? Das liegt doch da oben in euren Bergen herum.“
„Si, poquito“, nickte der Indianer, „ein klein wenig – es gibt nicht viel, und man muss lange arbeiten, wenn man etwas finden will.“
„Ja“, lachte der Ecuadorianer, indem er sich von seiner Hängematte erhob, „das sagt ihr Schlauköpfe immer, damit euch keiner auf die Sprünge kommen soll. – Na, was hast du denn? Zeige mal her, mein Bursche!“
Gold war natürlich das Objekt, was die Händler von den Indianern am liebsten kauften, denn sie machten den größten Gewinn dabei. Erstlich zahlten sie ihnen für die Unze nur sechzehn, ja oft nur fünfzehn ecuadorianische Dollar, die etwa denselben Wert wie ein preußischer Taler hatten, und dann führten sie auch – in gar nicht so seltenen Fällen – noch besondere Gewichte für diesen Zweck, durch die sich ein doppelter Nutzen herausstellte. Mit der Sünde, einen solchen armen Teufel zu betrügen, fanden sie sich leicht ab, wenn sie nur nicht dabei erwischt wurden.
„Erst wollen wir aber den anderen Handel abmachen“, sagte der Indianer ruhig, denn er kannte seine Leute und hatte schon mehrmals zu seinem Schaden erfahren, dass der andere Handel den Weißen sehr gleichgültig sei, wenn sie nur vorher das Gold in Sicherheit wussten. „Könnt Ihr die Sachen gebrauchen, sonst gehe ich lieber woanders hin – Señor Basque hier nebenan ist ein freundlicher Mann.“
„Lass dich nicht mit dem ein, Cayapas, wenn ich dir raten soll“, sagte der Händler leise zu dem Indianer, denn er wollte nicht gern, dass der Doktor, der ein Landsmann von jenem französischen Händler Basque war, etwas davon hören sollte. „Dort bist du verraten und verkauft, das ist ein Fremder, der nur in das Land gekommen ist, um hier so viel Geld wie möglich zusammenzuschlagen, und nachher setzt er sich auf ein Schiff und fährt fort, niemand weiß wohin. Die Landeskinder sind immer die zuverlässigsten Leute.“
„Quien sabe“, lachte der Indianer gutmütig. „Also wollt Ihr die Sachen?“
„Hole sie nur; caramba!“, sagte der Ecuadorianer. „Wir haben ja bisher immer unsere Geschäfte zusammen abgemacht und werden doch auch diesmal einig werden.“
Der Cayapas nickte, und sich umdrehend schritt er wieder zum Flussufer hinab, bis er sein Kanu anrufen konnte, stieß einen eigentümlichen, langgezogenen Schrei aus und gab dann den aufhorchenden Frauen seine Befehle – die mitgebrachten Waren nämlich zu ihm heraufzutragen, ein Arbeit, mit der er sich selber unmöglich befassen konnte.
Die beiden jungen Mädchen, ganz reizende Wesen mit fast weißer Haut, aber glänzend schwarzen Augen und ebensolchen Haaren, kamen auch bald darauf mit ihrer Last angekeucht und folgten dem Cayapas, der sie am Ufer erwartete und ihnen langsam, aber mit leeren Händen voranschritt, bis sie das Lagerhaus der Ecuadorianers erreichten. Dort legten sie ihre Waren nieder, ohne den Blick auch nur zu einem der Anwesenden aufzuschlagen, und eilten rasch zu dem Kanu zurück, um eine zweite Ladung heraufzuschaffen.
„Alle Wetter!“, rief der junge Italiener, von seinem Dominospiel aufsehend. „Das waren ja ein paar verteufelt hübsche Mädchen. Wo sind die her, Saltando?“
„Von den Cayapas“, erwiderte der Händler. „Aber von denen lasst die Hände. Mit der Art ist nichts zu machen, und die Indianer selber, so ruhig und gemütlich sie aussehen, sind verdammt schnell mit dem Messer bei der Hand!“
„Caramba! Was für ein feines Gesicht die eine Kleine hatte!“, sagte der Doktor. „Das konnte doch keine Indianerin sein, amigo? Sie war ja vollkommen weiß.“
„Doch nicht ganz“, sagte kopfschüttelnd der Ecuadorianer, „ein bisschen gelb oder kupferbraun ist immer mit eingemischt; aber merkwürdig licht sehen sie in der Tat aus und haben ordentlich rote Backen. Es ist aber scheues Volk, und wenn man sie nur anredet, machen sie schon ein Gesicht, als ob man ihnen wunder etwas zuleide getan hätte.“
„Und wohin sind sie jetzt?“
„Sie holen noch Waren aus dem Kanu, werden aber gleich wieder oben sein.“
Es dauerte auch wirklich nicht lange, so kamen die beiden jungen Mädchen mit einer zweiten Last an; aber sie betraten diesmal gar nicht den inneren Raum, in dem sie die fremden Männer bemerkt hatten, sondern legten, was sie trugen, vor der Tür ab und liefen dann wie flüchtige Rehe hinab zum Kanu, um die dritte und letzte Ladung herbeizuschleppen.
„Wenn Sie ein bisschen galant wären, Torquato“, lachte der französische Doktor seinen Gefährten an, „so böten Sie den jungen Damen Ihre Hilfe an.“
„In der Hitze?“, stöhnte der Italiener. „Ich danke schön; und dass Sie nachher wieder Gelegenheit bekämen, sich über mich lustig zu machen, nicht wahr? Nein, kommen Sie, Doktor, mit den Mädchen ist nichts anzufangen, lassen Sie uns lieber unser Spiel beenden, wir haben so noch die entscheidende Partie. Saltando, geben Sie uns unterdessen eine Flasche Ale; der Doktor wird sie doch wieder bezahlen müssen.“
„Veremos, Señor“, sagte dieser, indem er sich auf der Seifenkiste niederließ, „ich habe so eine Ahnung, dass ich heute nicht in die Tasche zu greifen brauche.“
Der Cayapas begann jetzt seinen Handel mit dem Ecuadorianer und zeigte sich auch gar nicht so ungeschickt im Rechnen, wie der Weiße vielleicht gewünscht hätte, kam auch einige Male bei sehr niedrigen Angeboten des Händlers wieder auf Señor Basque zurück, der immer höhere Preise gezahlt hätte, bis endlich das Geschäft geordnet, das heißt, eine bestimmte Summe festgesetzt war, für die sich der Indianer dann wieder Waren mit in seine Heimat nahm, wo er, wie es schien, ebenfalls eine Art von Geschäft betrieb.
„Und nun das Gold, Cayapas, wie viel hast du diesmal mitgebracht? Das letzte Mal war es kaum der Mühe wert und ich habe Schaden daran gehabt.“
„Schaden?“, lächelte der Indianer, indem er an seinen Hosengurt griff und dort einen Riemen aufschnallte. „Du hütest dich schon, amigo, dass du keinen Schaden hast – aber diesmal ist es mehr. Unser ganzes Dorf hat zusammengelegt, und ich soll ihnen dafür verschiedene Waren zurückbringen: Salz, Brot, Tabak, Angelschnüre, Perlen und Stoffe – du musst viel hergeben, wenn du alles haben willst.“
„Caramba!“, rief der Händler, selber erstaunt, als der Indianer einen langen, dünnen Lederbeutel von seiner Hüfte ablöste, in dem sich nahe an zwei Pfund grobkörniges Gold befanden. „Ich glaube wahrhaftig, ihr kehrt das bei euch nur so auf der Straße zusammen. Sehen Sie einmal hier, Doktor! Sie, Don Torquato, betrachten Sie sich einmal dies Goldnest, das der Bursche in einem alten schmutzigen Lederbeutel herumträgt.“
„Der Doktor bezahlt!“, rief der junge Italiener lachend, indem er von seinem Sitz aufsprang. „He, Doktor, hab ich es Euch nicht gleich gesagt?“
„Caracho, es ist doch ein niederträchtiges Pech, das ich habe!“, brummte der Franzose, indem er seufzend in die Tasche griff. „Jetzt acht Tage hintereinander immer dieselbe Geschichte. Was habt Ihr da, Saltando?“
„Was Euch fehlt“, lachte dieser. „Oro.“
„Alle Teufel!“, riefen die beiden Fremden erstaunt aus, als sie den Schatz vor sich ausgebreitet sahen, den der Händler jetzt auf ein Stück Papier geschüttet hatte. „Wo kommt das viele Gold denn her?“
„Vom Rio Cayapas.“
„Und das hat der Indianer mitgebracht?“
Dieser nickte, verwandte aber kein Auge von dem Händler, der jetzt das Gold erst durcheinander wühlte und zwischen den Fingern durchlaufen ließ, und dann einen Teil davon in seine vorgeholte Waage schüttete, da diese nicht groß genug war, um das Ganze zu fassen.
Das Geschäft wurde aber auch beendet, und der Cayapas ging jetzt daran, sich die Waren auszusuchen, die er mit hinauf in die Berge nehmen wollte, eine etwas langweilige Verhandlung, der sich die beiden Europäer nicht bemüßigt sahen, beizuwohnen. Sie hatten ihr Ale ausgetrunken und schlenderten langsam an der Schattenseite der Häuser der Stadt entlang und waren dabei so in ihre eigenen Gedanken vertieft, dass sie anscheinend gar nicht bemerkten, wie sie die Häuser hinter sich ließen, bis sie sich plötzlich, dem Pfad am Strom hinauf folgend, vor dem dichten Ast- und Blattgewirr des Urwaldes fanden und nun in der Tat nicht weiter konnten.
Beide hatten einander erst in Esmeraldas kennen gelernt und waren aus zwei ganz verschiedenen Himmelsrichtungen zusammengetroffen, der Doktor von San Fransisco, der Italiener von Lima kommend. Der junge Italiener lebte nur allein seinem Vergnügen; er schien reichlich mit Geld versehen zu sein, während der französische Doktor alles Mögliche in dem fremden Land hervorsuchte, um sich seinen Lebensunterhalt damit zu erwerben. Er praktizierte ein wenig, hatte aber nicht viele Patienten, auch sehr geringen Nutzen dabei, und schien dagegen viel mehr Zeit auf das Sammeln von Naturalien zu verwenden, die er wohl später gut zu verwerten hoffte,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
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Tag der Veröffentlichung: 22.07.2013
ISBN: 978-3-7309-3820-1
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