Es war im Sommer 1840; die Sonne stieg aus den dunklen Schatten der Niederungen empor, die das östliche Ufer des Mississippi bilden. Der Spottvogel schaukelte sich in den Tulpenbäumen der Gärten, und Scharen von munter flatternden Seidenschwänzen berauschten sich an den lockenden Beeren des Chinabaumes. Mächtige schneeweiße Reiher segelten mit langsamem Flügelschlag dicht über die Oberfläche des Stromes hin oder standen in ernster Beschauung auf einem im Wasser liegenden Baumstamm, das Erscheinen eines kleinen Fisches abzuwarten. Die Natur feierte ihren Sabbat – nicht so der Mensch.
Auf der Straße, die am Mississippi hin zwischen dem hochaufgeworfenen Schutzdamm und den Pflanzungen liegt, wanderte, aus den Atchafalaya-Ansiedlungen herunterkommend, ein Zug Negersklaven – Männer, Frauen und Kinder – in doppelter Reihe und von einem mit Stieren bespannten Wagen gefolgt, der das Gepäck der Schwarzen führte. Zwar waren diese nicht gefesselt, nicht einmal mit Stricken aneinander gebunden; aber zu jeder Seite des Zuges ritten zwei mit geladenen Doppelflinten bewaffnete Aufseher, und auch der Führer der Karawane trug nicht allein Büchse und Messer, sondern auch noch zwei gewaltige Sattelpistolen im Gürtel.
Die Neger schienen diese ernste Umgebung aber wenig zu beachten; lachend und singend schritten sie nebeneinander her und vertrieben sich die Zeit mit Erzählungen und Possen.
War es Gleichgültigkeit gegen das Gewohnte, das ihnen bevorstand, war es der leichte, dieser Rasse überhaupt eigene Sinn, der sie nur mehr den frohen, arbeitsfreien Augenblick erfassen ließ; was kümmerte sie die Zukunft – sie waren Sklaven. Kein Plan, den sie selber fassen, kein Ziel, dem sie selber zustreben konnten, nützte ihnen etwas; aber der Moment war der ihre, und der durfte nicht ungenützt, ungenossen vorübergehen – er kehrte ihnen nie wieder, und morgen vielleicht schon krümmten sie sich aufs Neue unter der Peitsche des herzlosen Wächters.
Je höher indessen die Sonne stieg, desto lebhafter wurde es auch auf der Fahrstraße, und häufig sahen sich die Neger von Kreolen und amerikanischen Ansiedlern auf ihren kleinen feurigen Mustangs überholt, die einige Worte mit dem Führer wechselten, die Sklaven einen Augenblick musterten, an sich vorbei defilieren ließen und dann mit verhängtem Zügel, dem Laufe des Stromes folgend, auf das Gerichtshaus von Pointe-Coupé zusprengten. Dort hatte sich indessen der größte Teil der Pflanzer aus dem ganzen Parish versammelt, um der Versteigerung des „beweglichen“ und „unbeglichen“ Eigentums eines erst kürzlich am great bend verstorbenen Franzosen beizuwohnen, und der Verkauf begann bald darauf unter den üblichen Formalitäten mit der Pflanzung, den Gebäuden und dem „wilden Lande“ des Verblichenen. Indessen langten auch die Sklaven, einunddreißig an der Zahl, am Ort ihrer Bestimmung an und wurden von den Aufsehern teils einzeln, teils in Familien zur Besichtigung aufgestellt.
Die leichtsinnige Fröhlichkeit der Neger hatte sich jetzt verloren; die ernste Bedeutung der nächsten Stunde, die über ihr künftiges Schicksal entscheiden musste, schien sich ihnen aufzudrängen und man hörte unter den Unglücklichen nur dann und wann ein leises Flüstern. Mit ängstlicher Scheu flogen ihre Blicke von einem zum andern der sie prüfend betrachtenden Käufer, um im Voraus aus den Mienen zu lesen, welches Los ihrer harrte, wenn dieser oder jener sie erstehen sollte.
Endlich hob der Sheriff das Zeichen zum Beginnen, und ein kräftiger Neger mit breiten, gutmütigen Gesichtszügen und wahrhaft herkulischen Armen ward zuerst vorgeführt; ihm folgte ein junges, kränklich aussehendes Weib mit hohlen Augen und eingefallenen Wangen, die ein Kind an der Hand führte und einen Säugling auf dem Arm trug.
„Nero“, las der Richter aus dem Auktionsverzeichnis ab. „Nero, männlicher Sklave, fünfunddreißig Jahre alt, von kräftigem Körperbau und gesunder Leibesbeschaffenheit, seines Handwerks ein Schmied, weiß auch besonders gut mit der Axt umzugehen; Maria, seine Frau, achtzehn Jahre alt, vorzüglich, brauchbar im Baumwollenfeld; Scipio, Kind der beiden, drei Jahre alt – Säugling weiblichen Geschlechts.“
„Verkauft Ihr nicht den Mann allein, Richter?“, rief ein Pflanzer aus Felicianna Parish; „die Frau sieht verdammt dünn aus!“
Die Unglückliche presste ihr Kind an die Brust und schaute mit ängstlichem Blick im Kreise umher, und der Mann griff nach ihrer Hand, als fürchtete er, von ihr gerissen zu werden.
„Nein“, erwiderte der Richter, „die Familien
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 26.05.2013
ISBN: 978-3-7309-2958-2
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