Die Menschen gewöhnen sich – und es ist das eine werkwürdige Tatsache – mit der Zeit selbst an das Wunderbarste, sodass sie es zuletzt nicht einmal der Mühe wert halten, mehr darüber nachzudenken. Wir sehen die Sonne auf- und untergehen, die Pflanzen keimen und wachsen, das Meer ebben und fluten – sehen Winter und Sommer kommen, den Baum aus einem Kern, den Schmetterling aus einer Raupe, den Leutnant aus einem Wickelkind entstehen und bemerken die Verwandlung nicht einmal mehr, die für uns etwas Alltägliches geworden.
So staunen wir auch wohl anfangs neue Erfindungen an und bewundern die Kraft des Dampfes und der Elektrizität – aber nicht lange, dann benutzen wie sie und können uns kaum noch denken, dass es eine Zeit gegeben hat, in der sie nicht gekannt war.
Ebenso geht es mit den althergebrachten Gewohnheiten und Sitten. Kommt ein Europäer in ein tropisches Land, so ist er ganz erstaunt, dort auf einmal einer Rasse zu begegnen, die vollkommen nackt in der Welt herumläuft, und will sich halb tot lachen, wenn sich der König eines fremden Volkes zu ihm auf die Erde setzt und ihn um etwas Tabak anspricht; aber kaum lebt er vier Wochen unter den Leuten, so sieht er weder die Nackten mehr noch findet er etwas Außerordentliches in der Herablassung Sr. Majestät.
Genau so geht es uns mit der Sklaverei.
Wenn sie noch nie bestanden hätte und ein Mensch sich dann erfrechen wollte, einen zweiten, der eine andere Hautfarbe hat als er und nicht ganz so „gebildet“ ist, zu zwingen, für ihn umsonst zu arbeiten, während er in der nämlichen Zeit dessen Frau und Kinder an einen Dritten verkaufte, so wären wir außer uns und hielten das mit Recht für eine Scheußlichkeit und Niederträchtigkeit. Jetzt aber sind wir so gewohnt, von Negersklaven und deren Versteigerung zu hören, dass die meisten Menschen bis vor kurzer Zeit gar nichts Absonderliches mehr in der Sache fanden. Ja, in den Ländern, wo die Sklaverei wirklich bestand, wurde sogar das Recht der Weißen, schwarze Sklaven zu halten, in den Schulen gelehrt und Geistliche entblödeten sich nicht, die Heilige Schrift zu missbrauchen, um ein solches Verbrechen als von Gott selber eingesetzt hinzustellen.
Dass wir die Baumwolle teuer bezahlen müssen, wenn es einmal keine Sklaven mehr gibt, steht wohl fest, denn der Arbeiter verlangt dann seinen verdienten Lohn, aber das Rechtlichkeitsgefühl zivilisierter Menschen hat sich endlich dahin ausgesprochen, dass ein, wenn auch durch Jahrtausende geübter Brauch, doch ein Missbrauch und eine Niederträchtigkeit sein könne, und während in Russland die Leibeigenen freigegeben wurden, traten in Nordamerika Hunderttausende unter Waffen, um ihr Vaterland von der Schmach zu befreien, zu den Sklavenstaaten gezählt zu werden.
Es fällt mir indessen hier nicht ein, eine Abhandlung über die Sklaverei, ihre Nichtberechtigung oder Berechtigung zu schreiben. Der gesunde Sinn der Volkes hat längst darüber entschieden und sie für ein Verbrechen erklärt – wenn es auch noch einige Menschen gibt, die sie verteidigen und mit schalen Phrasen ihre Existenz als notwendig darzustellen suchen.
Ich selber möchte hier dem Leser
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 24.05.2013
ISBN: 978-3-7309-2928-5
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