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Friedrich Gerstäcker
Die neue Geisterwelt
Coverbild: © robuart / Shutterstock.com
Die neue Geisterwelt
Beim Maurermeister Brummhuber war Gesellschaft gewesen, und es verstand sich von selbst, dass die Tische, als sie sonst ihre Dienste geleistet hatten, sich drehen mussten, um ebenfalls etwas mit zur Unterhaltung beizutragen. Die Versuche mit den eben auftauchenden Klopfgeistern gelangen dabei so vollkommen, dass ein Teil der Gesellschaft, je mehr die Tische mit ihren Beinen klopften, desto mehr die Köpfe schüttelte und ein anderer Teil, vor Staunen und innerem Grausen starr, wirklich nicht wusste, was er sagen und denken sollte.
Nur einige junge Leute – besonders Anna, die Tochter vom Haus, die den schwersten Tisch bloß zu berühren brauchte, um ihn ihrem Willen zu unterwerfen – waren wirklich aktiv bei dem ganzen Versuch geblieben, von dem alle anderen bald als »störende Kräfte« zurücktreten mussten.
Ein kleiner Spiegeltisch und ein Nähtisch ließen sich aber selbst nicht durch sie in Gang bringen, während dagegen ein schmaler, sehr elegant gearbeiteter Mahagoni-Teetisch mit einer Säule und vier unten auslaufenden Füßen ihrer leisesten Berührung auf unbegreifliche Weise folgte. Die Aufregung der Gesellschaft stieg dadurch zu einem immer höheren Grad.
»Ich wollte, ich hätte jetzt den Geheimrat Nurnorden hier oben!«. rief der Maurermeister Brummhuber aus. »Den könnten wir jetzt schön überführen mit seinem ewigen Schimpfen aufs Tischrücken. Aber wo’s Brei regnet, hat er gewiss keinen Löffel – jetzt könnt’ er sich überzeugen.«
Der Mann war ganz außer sich, so hatten ihn die unerwarteten Erfolge gepackt, und er schwelgte in einem förmlichen Meer von unheimlicher Wonne.
Selbst die Dienstmädchen vergaßen fast Küche und Aufwartung, sich nur immer, wo sich die mindeste Gelegenheit bot, zur Tür drängend, und Fanny, das Stubenmädchen, ein niedliches, blauäugiges Kind von siebzehn oder achtzehn Jahren, brannte ordentlich vor Verlangen, mit teilnehmen zu dürfen an dem wunderlichen Spiel und ihre eigene Kraft an den Tischchen zu versuchen. Aber das arme Mädchen durfte nicht wagen, sich zwischen die Honoratioren zu drängen, und nur verstohlen durfte es zuschauen und sich mit hinanwünschen an den Tisch.
Bis um elf Uhr etwa dauerte der Lärm, und wie die Leute endlich selber ermüdeten, schienen auch die Tische lässig zu werden und die Fragen lau zu beantworten. Hier und da brach schon einer oder der andere der Gäste nach Hause auf, und einmal begonnen, fanden bald alle, dass es Zeit sei, zu Bett zu gehen.
Eine Viertelstunde später kam das Mädchen, das die Haustür hinter den Gästen geschlossen hatte, langsam die Treppe herauf. Unten auf dem ersten Absatz blieb es stehen, setzte das Licht auf den Eckständer und zählte die Zwei- und Viergroschenstücke, die es eben eingenommen hatte, schob, vorsichtig nach oben sehend, einen Teil in die Tasche, um den Rest mit den Übrigen zu teilen, und verschwand dann in der Küche, an die anschließend sich sein Zimmer befand.
In dem großen, vor kaum einer halben Stunde noch so lebhaften Saal war es indessen still und öde geworden. Unordentlich standen noch die Tische und Stühle umher, wie sie von den Gästen verlassen worden waren – morgen früh musste ja doch aufgeräumt werden, was sollte die Christl sich da noch heute Abend bemühen. Nur der Mond stahl sich durch die nachlässig offengelassenen Gardinen in den unheimlich öden Raum und blitzte
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Cover: robuart / Shutterstock.com
Tag der Veröffentlichung: 03.05.2013
ISBN: 978-3-7309-2580-5
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