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Die kleinen Meistersänger

 

Die Schule war aus, aber die sechs obersten Schüler der zweiten Klasse hatten es gar nicht eilig, hinaus auf die Straße zu kommen, wo es doch heute zum ersten Mal hohen Schnee gab, der sich ballte und auf dem sich’s prächtig rutschen ließ. Die sechs standen im Gang und schwärmten von dem Schönen, das der Lehrer in der letzten Stunde erzählt hatte.

Von der Dichtkunst im Mittelalter war die Rede gewesen; von dem freundlichen Hans Sachs, der an seiner Schusterbank manch frommes und lustiges Lied gedichtet und gesungen hatte.

In der herrlichen Freistadt Nürnberg hatte er gelebt, und dort war auch sein Grab.

Solche Handwerker, die zugleich Dichter waren und Meistersänger genannt wurden, hatte es im Mittelalter viele gegeben. In Nürnberg versammelten sie sich nach der Arbeit in einem schlichten Kirchlein und lasen oder sangen ihre Verse vor.

Sie standen dabei auf dem sogenannten Singestuhl, einem erhöhten Pult neben der Kanzel. Die Kameraden hörten aufmerksam zu und merkten sofort, wenn einer sich „versungen“, das heißt einen Fehler gemacht hatte. Dann musste er vom Singestuhl herunter und schämte sich sehr. Wem aber sein Lied gelungen war, den lobte man wacker.

Waren alle des Singens und Zuhörens müde, so gingen sie wohl in eine kleine, ehrbare Schenke, die den hübschen Namen „Bratwurstglöcklein“ führte. Denn es ward jedes Mal ein Glöcklein geläutet, wenn wieder eine Anzahl leckerer Würstchen fertig war.

Ein gar schlichter, schmaler Raum war es, wo die bescheidenen Meistersänger zusammenkamen, um sich an einem Krug Bier, einem Wecken und den guten Würstchen gütlich zu tun.

Noch

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 08.04.2013
ISBN: 978-3-7309-2074-9

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