Ein rauer Wind blies vom Hafen her über die Hafenstadt; dennoch herrschte in einer engen, nicht allzu sauberen Gasse reges Leben. Das große Haus dort drüben war ja eine Herberge für Auswanderer und heute bis aufs letzte Stübchen besetzt, da gegen Abend ein schönes Segelschiff nach Südamerika abgehen sollte. Eine große Anzahl hoffte sich dort den Wohlstand zu erwerben, den sie hier trotz Anstrengung aller Kräfte nicht errungen hatten.
Eigentlich hätte das Schiff schon längst fort sein sollen, und der Aufschub war den Reisenden recht unangenehm, da sie manchen Taler im Logierhaus lassen mussten.
Der hübsche, blondgelockte, etwa zwölfjährige Junge aber, der die Gasse auf und nieder ging, machte sich offenbar gar keine Sorgen um die Zukunft. Hatte man ihm doch das neue Vaterland als ein rechtes Paradies geschildert, wo einem, wie man so zu sagen pflegt, die Tauben in den Mund fliegen.
Wohl aber sorgte er jetzt ernstlich, wie er das Dreimarkstück, das ihm der gute, alte Pate zum Abschied geschenkt, am besten verwenden könne.
„Mach dir noch eine Freude damit im lieben Vaterland“, hatte er gesagt.
So ging Hans die Gasse auf und ab und prüfte die Herrlichkeiten, die in den kleinen Ladenfenstern ausgestellt waren.
Warum wollte ihm nichts so rechte Freude machen?
Ach, der Abschied ward ihm so schwer! Vom Paten, vom freundlichen Lehrer, von der alten Großmutter, die jetzt gewiss in ihrem Dachstübchen weinte; wohl weniger nach ihm als nach ihrem Liebling, dem Schwesterchen Lotte.
Aber es gab noch einen Grund zum Weinen!
Ach, man musste das Weihnachtsfest auf offener See feiern! Es ging gar nicht anders.
Dass von Geschenken nicht die Rede sein werde, wusste er ja; doch betrübte ihn das am Wenigsten. Aber Weihnachten ohne Christbaum, ohne ein Kripplein und ohne die schönen Lieder konnte er sich gar nicht vorstellen.
In solche Gedanken versunken blieb er vor einem kleinen Spielwarenladen stehen.
O, da war ein Püppchen, wie Lotte es sich schon längst wünschte. Es hatte blonde Härchen und ein zierliches blaues Kleidchen. Auch wusste Hans, dass solche Püppchen schreien konnten, wenn man sie drückte; die Mutter hatte es selbst gesagt.
Aber,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 17.03.2013
ISBN: 978-3-7309-1516-5
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