Nur 10 Minuten ehe der Markt offiziell beginnt, ist der Rahmen für Ashantis Bild fertig. Aber schon während der Lack trocknete, hatte sie ihre Zeichnungen in einfache Glasrahmen legen lassen, war in die Kunstabteilung gegangen und hatte alle 4 an einen alten Händler verkauft. Ihre Zeichnungen waren fast so schön, wie ihre Ölbilder. Für die 3 kleineren hatte sie 6 Gelden bekommen und für das groß, Pegasus-Bild sogar 12! Soviel bekam sie selten, aber der Händler meinte, dass er eine Frau kannte, die nach einem guten Pegasus Bild suchte, da ihre Enkelin bald Einschulung hätte und dafür wäre das Bild perfekt. 12 Gelden… Soviel bekam sie meistens für 3 halb so große Bilder! Und für kleine Bilder bekam sie meist nur 3 Gelden. Ashanti ist immer noch glücklich und klopft auf den Kaufvertrag in ihrer Tasche. Nachdem sie bei Joko 10 Gelden für den Rahmen bezahlt hat (der ist eigentlich mindestens 30 wert, aber mit Joko diskutiert Ashanti nicht) sucht sie nun nach einem Stand, an dem Gemälde verkauft werden. Gehja hatte die geschnitzten Blumen mit einem Goldlack nachgemalt, so dass jetzt das Bild wirklich magisch aussah.
„Ashanti!“, eine kehlige Männerstimme erschallt von vorn. Mittlerweile sind auch schon andere da und suchen Zwischenhändler für ihre Waren. So muss Ashanti sich auf Zehenspitzen stellen, um zu sehen, wer sie ruft. Da entdeckt sie einen Mann mittleren Alters, der wild nach ihr winkt und sich auf einen Stock stützt. Ihr Onkel Fehremias! Wie…? Er ist ungewöhnlich gut gekleidet, aber mit seiner Pferdezucht verdient der Bruder ihres Vaters ja auch viel Geld. Höflich neigt sie den Kopf, als sie vor ihm steht.
„Haglé. Sei gegrüßt.“, das Pumavolk hat sehr strenge Verhaltensregeln und Ashanti hatte sie natürlich nie verlernt. Haglé heißt Onkel und zeigt, dass man den Älteren respektiert, wenn man es zur Begrüßung nutzt.
„Du auch, Ashanti. Wie ist es dir ergangen?“, ihr Onkel ist ein freundlicher Mann, er ist viel unterwegs in den Bergen. Seine Frau und seine Söhne aber mochten Ashanti nicht, weshalb diese zur Großmutter ziehen musste. Aber er schickt ihr immer den halben Kauferlös der Fohlen von Jahaga. Diese Cuvars-Stute hatte Ashanti als Kind damals mit der Hand aufgezogen, nachdem ein Wolf ihre Mutter gerissen hatte. Jahaga- Ashanti konnte sich gut an sie erinnern. Ein Fell, wie aus Kupfer und eine schneeweiße, seidige Mähne. Lange, schnelle Beine und überall Muskeln. Ashanti hatte die Stute sogar einreiten dürfen, ehe sie zur Großmutter zog. Jahaga hatte sie schon hunderte Male gemalt, so sehr vermisste sie ihre Stute. Wäre sie ein Hengst gewesen, hätte Onkel Fehremias ihr das Pferd geschenkt, aber sie brauchten damals gute Zuchtstuten…
„Gut, Onkel Fehremias. Nur die Pferde fehlen mir sehr. Die Tiere hier fürchten mich alle… Deshalb muss ich mich von ihnen fernhalten…“
„Wie verdienst du denn dann Geld? Deine Großmutter ist schon zu alt für schwere Arbeit und du darfst erst mit 18 lange arbeiten…?
„Nun, ich sammle Beeren oder Pilze und verkaufe sie auf dem Bauernmarkt jeden Sonntag. Oder ich sammle Holz für Kranke aus dem Dorf. Für die Wäscherei hole ich montags Wäsche ab nach der Schule und liefere sie Dienstagabend wieder aus. Mittwoch früh vor der Schule wasche ich eine Stunde Geschirr im Gasthaus. Donnerstags miste ich die Kaninchen oder Hühnerställe des Nachbarn aus und Freitag nach der Schule helfe ich Laden beim Regale einräumen… Ja und jeden zweiten Samstag bin ich hier…“
Stirnrunzelnd schaut ihr Onkel sie an: „Wie viel verdienst du denn für deine Arbeit?“
Im Kopf rechnet Ashanti kurz nach. 50 Troben sind ein Gelden, 100 Gelden sind eine Haule und 10 Haulen sind eine Saage. Aber so viel verdient sie nicht…
„Nun für eine Stunde bei Privaten bekomme ich 25 Troben, bei Offiziellen 35… Für einen Korb Waldfrüchte bekomm ich ein 40 Troben, genauso wie für ein Bündel Holz. Bei der Wäsche richtet sich das nach Mengen, ich bekomme pro halbes Kilo Wäsche 5 Troben. Und hier verdiene ich für meine Bilder 3 bis 10 Gelden im Normalfall…“
„Du verkaufst deine Bilder? Das ist gut!“
Schlagartig fällt ihr die Zeit ein: „Onkel, ich muss noch eines verkaufen und ich habe nur noch 3 Minuten! Warte bitte einen Moment!“
Eilig läuft sie zum nächsten Stand. Ein junger Mann diskutiert eben mit seinem Vater, der offensichtlich ein hochrangiger Beamter ist und der Händler wirft ab und zu ein Argument ein oder versucht ein anderes Bild an zu bieten. Ashanti sieht sich um, kann aber keinen anderen gemälde-Verkäufer finden und tritt nun ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, während sie versucht die hohen Herren zu ignorieren. Neugierig betrachtet sie die Bilder des Händlers. Viele sind ziemlich gute Kopien von Da Vinci, Friedrich und Picasso, den sie persönlich nicht mag. Sie entdeckt auch eine weniger gute Rembrandt-Kopie und eine sehr Schöne von Monet. Und dann hängen da vereinzelte Gemälde von Hunden, Katzen und Blumen… Ängstlich schaut sie zur Uhr: Eine Minute, dann werden die Wächter jeden Verkauf unterbinden… Sie tritt mit demütig gebeugtem Haupt einen Schritt vor und räuspert sich ganz leise, um den Händler auf sich aufmerksam zu machen. Der schaut sie mit mäßigen Interesse an: „Ich kaufe nur wirklich gute Bilder auf, junges Fräulein. Such dir einen anderen Stand.“
Sie unterdrückt ein leises Knurren und senkt ihre Stimme: „Bitte seht es Euch nur kurz an, Herr. Es ist sehr gut.“
Mit einer Handbewegung lässt er sie gewähren und sie legt es vorsichtig auf den Verkaufstisch und nimmt das leichte Tuch ab. Seine Augen weiten sich vor Staunen. Prüfend nimmt er eine Lupe und schaut sich einige Stellen genauer an. Lass ihn, die Strähne im Schweif nicht sehen! Und das zu lange Vorderbein! Betet sie innerlich. Er überprüft auch den Rahmen und die Schnitzereien. Verzieht keine Miene, aber der junge Mann ist mittlerweile aufmerksam geworden.
„Das hast DU gemalt?!“, fragt der Bursche verblüfft.
Sie nicht höflich und schaut ihn nicht an. Das gehört sich nicht für ein einfaches Waisenkind. Und gleich gar nicht für eine „Ausländerin“, dafür würde sie auch so schon einen geringeren Preis bekommen, deswegen hat sie ihren Pony so wachsen lassen, dass er ihre Tätowierung verbirgt.. Aber innerlich verdreht sie die Augen. Wer soll’s denn sonst gemalt haben?! Ihr Hund? Als ob sie sich so was leisten könnte…
Der Händler räuspert sich und sagt: „Ja eindeutig- so was könnt sich solch ein Kind kaum leisten… Der grüne Armreif, mein Herr, weist sie als Waise aus. Umso erstaunlicher ist dein Werk, Kind. Wer hat dir das beigebracht?“
„Ich habe mir in der Bibliothek einige Bücher dazu durchgelesen und habe dann versucht, das Gelesene um zu setzen…“
„Hm, für deinen Fleiß sollte man dich belohnen Kind. Woher ist der Rahmen?“
„ Von Joko Schönrahm, Herr. Die Verzierung jedoch habe ich geschnitzt.“
„Den kenne ich. Ein guter, zuverlässiger Mann, der immer gute Preise macht und viele neue Ideen ausprobiert!.“, sagt der Vater des jungen Mannes und Ashanti nickt.
„Nun, wie viel verlangst du für das Bild, Mädchen?“, fragt der Händler.
„Sind Euch 130 Gelden zu viel, Herr?“, fragt sie schüchtern und ihr Herz beginnt zu rasen.
„Du bist eine Waise von niederer Abstammung. Soviel kannst du gar nicht verlangen. Sagen wir 95 Gelden für dein Bild und 10 Gelden gebe ich dir beim nächsten Bild dazu, wenn du es zu mir bringst.“
Niedere Abstammung! PAH! Sie ist eine Cugaléh! Und ihr Vater war der Sohn eines ruhmhaften Züchters! Sie beherrscht sich jedoch. Demütig antwortet sie: „Herr, das Bild allein ist 100 Gelden wert.“
Der Händler schüttelt den Kopf: „Als Waise solltest du lernen, wann ein gutes Angebot seine Grenzen hat. Ich habe 30 Gelden Händlerpauschale- Wem soll ich denn das Bild für so viel Gelden verkaufen?!“
„Mir zum Beispiel. Gib ihr 120 und du bekommst von mir 160.“, fällt da der junge Mann ins Gespräch ein.
Texte: Alle Rechte liegen bei Avena Fatua.
Bildmaterialien: Die Collage besteht aus Fotos, die ich selbst fotografiert und bearbeitet habe.
Tag der Veröffentlichung: 05.06.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Du darfst nie aufgeben, an dich zu glauben, sonst bist du verloren